Engel des 21. Jahrhunderts von Hoellenhund ================================================================================ Kapitel 4: Gebrandmarkt ----------------------- Die Tür zerbarst. Meine Augen waren geöffnet und doch konnte ich kaum etwas erkennen. Dracula entfernte sich von mir, ich konnte es spüren. Ich blinzelte. Verschwommen nahm ich die Umrisse einer Gestalt, die in der Tür stand wahr. Ihr Zorn schien sich in Energie abzuladen, die fast greifbar war. Langsam klärte sich mein Blick und ich konnte die Gestalt als Alex identifizieren. Mein Herz schlug schneller. Welch ein Glück war mir hold! Alex streckte Dracula den rechten Arm entgegen. Ein Energiestoß fegte über mich hinweg und schleuderte Dracula an die Wand hinter mir. Bewusstlos blieb er liegen. Alex lies den Arm wieder sinken. Sein Zorn schien leichter Panik zu weichen und er kniete neben dem Bett, auf dem ich lag, nieder. Alex: ,Lilly, ist alles in Ordnung?' Lilly: ,Ich bin mir nicht sicher...' Erst jetzt bemerkte ich einen stechenden Schmerz an meiner linken Halsseite. Was war nur geschehen? Ein leises Stöhnen erklang hinter mir und kündigte das Erwachen Draculas aus seiner Ohnmacht an. Alex: ,Wir kehren sofort in deine Welt zurück. Kannst du aufstehen?' Ich versuchte es. Als ich mich aufgesetzt hatte, überfiel mich ein leichter Schwindel. Wagemutig erhob ich mich. Sofort verlor ich das Gleichgewicht und drohte zur Seite zu kippen. Alex hielt mich fest und stützte mich. Lilly: ,Danke' Alex: ,Beeilen wir uns...' Rasch führte mich Alex durch die verworrenen Gänge des Schlosses. Wie immer kannte er den Weg ganz genau und dieses Mal war ich noch dankbarer dafür. Wir verließen das Schloss und gingen durch die wunderschönen Gartenanlagen. Je näher wir der Pforte kamen, durch die wir das Anwesen betreten hatten, desto weiter breitete sich ein seltsames Gefühl in meinem Körper aus. Meine Adern begannen zu brennen und mein Herz schien zu zerreißen. Wieder schwindelte ich. Alex warf mir einen sehr besorgten Blick zu. Lilly: ,Es geht schon' Kurz vor dem Ausgang verweigerten meine Beine ihren Dienst und knickten ein. Alex half mir wieder hoch, doch da ich nicht in der Lage war auch nur einen weiteren Schritt zu tun, nahm er mich auf den Arm. Während er die Pforte durchschritt, stiegen mir vor Schmerz Tränen in die Augen. Hilflos klammerte ich mich an seinem weißem Hemd fest. Als die Pforte passiert war, begann der Schmerz langsam nachzulassen. Dann wurde es rot um mich her. Vor Alex und mir erschienen drei alt bekannte schwarze Buttons mit weißer Schrift: Ausgangsort wechseln Internet verlassen Zurückkehren Alex berührte den mittleren Button mit der Handfläche und wieder schien sich ein Lasso um ihn und mich zu schlingen und uns durch einen Wirbel aus Licht und Schatten, Formen und Farben fortzureißen. Alex setzte Lilly auf den Schreibtischstuhl. Sie waren wieder in die normale Welt zurückgekehrt. Verwirrt schüttelte Lilly den Kopf. Ihr Blick fiel auf die Uhr. Seit sie und Alex ins Internet gegangen waren, schien keine Minute vergangen zu sein. Alex strich Lilly eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Etwas erschrocken blickte sie zu ihm auf. Seine Augen schienen stumpf und viel freudloser denn je. ,Wie fühlst du dich?', wollte er besorgt wissen. Lilly zückte die Achseln. Nun, da sie in sich hineinhorchte, bemerkte sie, dass der Schmerz in ihren Adern und ihrem Herzen verschwunden war. ,Ich glaube mir geht's gut', gab Lilly vorsichtig zurück. Alex lächelte sie an: ,Ein Glück.' Und damit verwandelte er sich wieder in den kleinen, harmlosen Hund. Lilly erhob sich und schloss die Tür auf. Verwirrt frage sie sich, was in Carfax Abbey geschehen war, bevor Alex sie rettete. Sie konnte ihre Gedanken nicht ordnen. Sie schwirrten wie ein Schwarm kleiner Silberfische ziellos in ihrem Kopf umher. ,Warte', rief Hölly Lilly zurück, als sie gerade das Zimmer verlassen wollte, ,Fahr doch bitte den PC herunten.' Lilly tat wie geheißen. Als sie diese kleine Aufgabe erledigt hatte, verlies sie zusammen mit Alex den Raum. 'Wieso sollte ich eigentlich den Computer ausschalten?', wollte sie auf dem Weg in ihr Zimmer wissen. ,Nur eine Vorsichtsmaßname', grinste Hölly auf Hundeart. Lilly zuckte hilflos die Achseln, betrat ihr Zimmer und lies sich auf ihr Bett fallen. Irgend etwas war anders, als sie es gewöhnt war, doch sie kam einfach nicht darauf was. ,Dreh dich um, ich will mich umziehen', erklärte sie müde und zog den Reisverschluss ihrer Sweatshirtjacke auf. Als Hölly nicht reagierte, runzelte sie die Stirn: ,Nun mach schon!' 'Es ist Sonntag Morgen und du willst dich bettfertig machen?', fragte er zweifelnd, sprang auf Lillys Bett und machte es sich bequem. ,Du wirst es kaum glauben, aber für mich war es gerade mitten in der Nacht', grummelte Lilly gereizt. Sie zog sich die Jacke aus und warf sie Hölly über den Kopf. Fiepend rollte sich dieser über das Bett, wobei er sich nur noch mehr in dem Stoffstück verhedderte. Als er sich endlich befreit hatte, stand Lilly bereits umgezogen vor ihm. ,Lass uns noch ein bisschen rausgehen', wimmerte Hölly und späte aus dem Fenster, ,Der Schnee glitzert so schön.' ,Du kannst ruhig gehen', versicherte Lilly ernst. Sie schlüpfte unter die Bettdecke und räkelte sich genüsslich. Da Hölly keine Anstalten machte, das Zimmer zu verlassen, setzte sie sich verwirrt erneut auf. ,Ist noch etwas?', wollte sie wissen. Hölly sprang vom Bett und kratzte demonstrativ mit der Pfote an der Tür. Lilly grinste verlegen: ,Entschuldige bitte.' Sie stand erneut auf und öffnete Hölly die Zimmertür. Freudig schwanzwedelnd schlüpfte dieser durch den Türspalt und tapste die Treppe hinunter. Lilly folgte ihm langsamer und öffnete ihm schließlich auch die Haustür. ,Komm nicht zu spät wieder! Ich lasse die Terrassentür für dich auf', rief sie ihm noch nach. Ein ausgelassenes Kläffen war die Antwort. Leise lächelnd schloss Lilly die Haustür. Sie fröstelte und ging dann ins Wohnzimmer, um die Terrassentür einen Spalt zu öffnen.. ,Mach bloß keine Dummheiten', dachte sie stirnrunzelnd und kehrte langsam in ihr Zimmer zurück. Alex schob die Hände in die Hosentaschen und starrte in den weißen Himmel empor. Vereinzelte Schneeflocken segelten sanft zur Erde hinab. Eine von ihnen flog direkt in Alex' linkes Auge und er musste es zukneifen. Rasch senkte er den Kopf und starrte zu Boden. Ein unbehagliches Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus und wusste nicht wieso. Das stimmte ihn nachdenklich und wühlte ihn auf. Die Erklärung für diese Vorahnung war zum Greifen nah und doch kam er nicht darauf. Was war es bloß, das sich seit der Wiederkehr aus der 3. virtuellen Welt so verändert hatte? Alex lies die Gedanken schweifen. Bilder von Carfax Abbey zogen an seinem inneren Auge vorbei. Was hatte sich verändert? Es musste einen Hinweis geben; ein kleines Zeichen, das er übersehen hatte. Ein Bild Draculas, als er Lillys Hand küsste, drängte sich in Alex' Gedankenstrom. Er ergriff es, hielt es fest und betrachtete es. Seinem Herzen wurde ein leichter Stich versetzt. Wieder konnte er das gerührte Glitzern in Lillys Augen sehen. Wütend zerfetzte er das Bild und zwang ein anderes in den Vordergrund zu treten. Es war ein alter, längst Erinnerungsfetzen, eine traurige Erinnerung aus alter Zeit. Trotzdem nahm Alex dieses Bild dankbar an und konzentrierte sich unsinnig stark darauf. Unbewusst lenkte er seine Schritte zurück zu Lillys Haus. Erst als er vor ihrer Haustür stand, bemerkte er, wo er sich befand. ,Nun da ich schon einmal hier bin, kann ich auch nachsehen, ob Lilly inzwischen aufgestanden ist', dachte er achselzuckend und verwandelte sich zurück in einen Hund. Er drückte die einen Spalt breit offenstehende Terrassentür mit der Pfote auf und strich durch den Spalt in die Wohnung. Sofort lief er die Treppe in den ersten Stock empor und kratze an Lillys Zimmertür. Als Lilly nicht öffnete, bellte er einmal kurz. Nichts regte sich. Vorsichtig blickte Hölly nach links und rechts. Niemand war zu sehen und in der unteren Etage hatte er auch niemanden bemerkt. Auf gut Glück verwandelte sich Hölly wieder in einen Menschen. Er fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn und wischte den Schweiß weg. Dieses ständige Wechseln der Gestalten strenge ihn sehr an. Er klopfte zwei Mal an die Tür, wartete jedoch keine Antwort ab, da ihm klar war, dass Lilly nicht antworten würde, und öffnete die Tür. Zu seiner Überraschung schlief Lilly nicht. Sie saß auf der Bettkante, den Kopf in die Hände gestützt. ,Lilly?', sprach Alex sie an. Lilly schien ihn jedoch nicht zu hören. Langsam trat er näher an sie heran und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie schreckte auf und hob den Kopf. Ihre Augen schimmerten feucht. Alex lies sich neben ihr auf der Bettkante nieder: ,Hast du geweint?' Rasch fuhr sich Lilly mit dem Ärmel ihres Nachthemds übers Gesicht. ,Das muss dir nicht peinlich sein', lächelte Alex sanft und legte den Arm um sie. Wieder traten ihr Tränen in die Augen. ,Bitte lass mich los', flehte sie halb. Sofort lies er von ihr ab, stand auf und blickte ihr bestürzt in die Augen. ,Tut mir Leid', flüsterte sie, ,Es ist nicht so, wie du denkst.' ,So?', fuhr er sie an, ,Was ist es dann?' Lilly zuckte zusammen und noch im selben Augenblick schämte er sich für seine schroffe Bemerkung. ,Es war nicht so gemeint', versicherte er ihr und setzte sich wieder neben sie. Ein betrübtes nicken ihrerseits genügte als Antwort. ,Was ist los mit dir?', setzte Alex erneut an. Dieses Mal wieder in besorgtem Tonfall. ,Ich weiß es nicht', gestand Lilly und stützte erneut den Kopf in die Hände, ,Manchmal... Manchmal überfällt mich einfach dieser Schmerz... Es fühlt sich an, als würde sich mein Blut in Gift verwandeln und mein Herz zerrisse....' Unbeholfen brach sie ab und senkte den Kopf. ,Es geschieht etwa ein Mal in der Stunde ohne Vorwarnung... Und auch immer dann, wenn du mich berührst...', fügte sie leise hinzu. Alex schickte sich an, sie an den Schultern zu packen, brach dann jedoch mitten in der Bewegung ab und lies die Arme sinken. ,Seit wann geschieht das?', fragte er stattdessen. Eigentlich ahnte er es schon. Das war es, was ihm diese dunkle Vorahnung beschert hatte. Es hatte die ganze Zeit offen vor ihm gelegen und er hatte es nicht gesehen. Nun begannen auch seine Augen feucht zu glänzen. ,Seit wann?', wiederholte er matt. ,Seit wir das Schloss in der dritten virtuellen Welt verlassen haben', sagte Lilly mehr zu sich selbst, als zu ihrem Gegenüber und bestätigte damit Alex' Befürchtung. Er setzte sich kerzengerade auf: ,Wir müssen zurück nach Carfax.' ,Was ist geschehen?', fragte Lilly mit zitternder Stimme. ,Dracula', gab Alex bitter zurück, ,Er hat dich gebrandmarkt.' Hosted by Animexx e.V. 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