Dritter Teil: Das Licht der Welt von abgemeldet (Fortsetzung von "Du kennst mich nicht und doch hasst du mich" und "Gift in Körper und Seele") ================================================================================ Kapitel 25: Freier Fall ----------------------- Träge öffnete Joey die Tür und schob sich in den Flur. Das Hündchen schlüpfte zwischen seinen Beinen durch den Spalt und begann sofort das Gebiet zu erforschen. Ohne es zu beachten, schmiss Joey den Rucksack in die nächste Ecke, fuhr sich durch den Schopf und schlürfte in die Küche, die Tür lehnte an. Die Wohnung war leer und außer dem leisen Japsen und Schnüffeln war nichts zu hören. Mit niedergeschlagener Miene sah er sich um. Abwesend schweifte sein Blick durch den Raum, er blinzelte nur selten, atmete ruhig und stieß nach wenigen Sekunden ein lautes Stöhnen aus. Mit wenigen Schritten erreichte er den Küchentisch, zog den Stuhl mit dem Fuß zurück und ließ sich träge fallen. Kurz saß er aufrecht, wandte sich dem Tisch zu und ließ sich auf ihn sinken. Er fiel einfach vorn über, verschränkte die Arme auf der glatten Oberfläche und vergrub das Gesicht zwischen ihnen. Sein Leib hob sich unter einem schwerfälligen Atemzug, dann verblieb er reglos. Alleine kauerte er dort und als das Hündchen in einem anderen Raum verschwand, trat völlige Stille ein. Die Strahlen der Sonne bündelten sich auf dem Boden der Küche, hatten nicht die Kraft, den Raum zu erhellen. Finster umgaben ihn die Schränke, alles wirkte trist und leblos. Entspannt waren seine Augen geschlossen, die Lippen einen Spalt weit geöffnet, dann zog er leise die Nase hoch. Das leise Ticken des Uhrzeigers drang an seine Ohren, unten fuhr ein Auto vorbei, lautes Kichern einer Frau ertönte. Kurz regte er sich, grub das Gesicht noch tiefer und schniefte erneut. >Was soll ich denn jetzt machen...? Wie soll ich mich verhalten? Wie lange wird es noch dauern, bis ich mein Gesicht völlig verliere. Vor meinen Mitmenschen... vor Seto.< Er schluckte. >Ja... Seto hat sicher alles unter Kontrolle. Er weiß ja immer, was zu tun ist. Er braucht sich auch keine Gedanken zu machen. Immerhin bin ich jetzt fester Patient beim Psychologen... und das mit achtzehn Jahren! Das ist der perfekte Einstieg in das ernste Leben. Gestört und verunsichert bin ich gern dazu bereit, es mit ihm aufzunehmen! In der Schule hatte ich mich selbst nicht unter Kontrolle und wenn ich das nächste Mal dorthin komme, dann wird man mir den selben Empfang bereiten, wie nachdem ich Katagori erschossen habe! Man wird mich anstarren und tuscheln! Schaut, da ist der Mörder, der jetzt sogar Lehrer umbringen will!< Verkrampft ballten sich seine Hände zu Fäusten, er zitterte. >Ich fühle mich so abscheulich!! Ich weiß nicht, was aus mir wird! Psychisch, körperlich! Ich weiß nicht einmal mehr, wer ich wirklich bin!! Und Seto spricht so ruhig von einem Neuanfang! Als ob es so einfach wäre...< Wieder zog er die Nase hoch, ein schwaches Seufzen folgte. >Werde einfach zu dem, nachdem du dich sehnst! Stark, mutig, selbstsicher... dass ich nicht lache! Im Moment bin ich nichts davon! Ich bin ein gottverdammtes Wrack, das nicht weiter weiß!!< Als er blinzelte, löste sich eine Träne aus seinem Augenwinkel. Verkrampft schloss er die Augen und biss die Zähne zusammen. >Ich habe keinen Bock mehr! Am liebsten würde ich alles beenden!< Mit einer fließenden Bewegung richtete er sich auf und kam gemächlich auf die Beine. Beiläufig strich er sich eine Träne von der Wange und schlürfte auf einen der Schränke zu. Vor diesen kauerte er sich und öffnete ihn, um abwesend in ihm zu wühlen. Kurz darauf neigte er sich nach vorn, griff tief hinein und zog eine Flasche hervor. Träge erhob er sich, ließ sie von der Hand baumeln und warf sich auf den Stuhl zurück, um tief hineinzurutschen und die Beine von sich zu strecken. Als sich eine Wolke vor die Sonne schob, zogen sich die letzten Sonnenstrahlen zurück und die Küche lag in leichter Finsternis. Apathisch waren Joeys Augen nach vorn gerichtet, während er begann, die Flasche Whisky aufzudrehen. >Mit Duke und den anderen weiß ich gerade nichts anzufangen... ich habe keine Lust auf die Schule, keine Lust, irgend jemanden zu sehen... keine Lust auf alles.< Wieder zog er die Nase hoch, blinzelte und atmete zitternd aus, während er die Flasche zum Mund hob und einige große Schlucke nahm. Sein Gesicht verzog sich, ein kalter Schauer zog durch seinen Körper und er ließ die Flasche sinken, stellte sie auf dem Schoss ab. >Mein Vater ist nicht da und Seto tut so, als wäre alles in Ordnung. Und...<, erschöpft ließ er den Kopf hängen, >... ich wollte wirklich, dass er mich berührt. Ich war wirklich dazu bereit... und was macht er? Er ist plötzlich nicht in Stimmung, was merkwürdigerweise noch nie vorkam! Er kann mir erzählen, was er will! Von wegen, es läge nicht daran... dass ich vergewaltigt worden bin! Ich glaube ihm nicht! Aber eigentlich ist doch alles perfekt...?< Er zögerte und blickte langsam auf. Ziellos drifteten seine Augen umher. >Ja, das sind die perfekten Voraussetzungen, aufzugeben! Warum eigentlich nicht? Ich habe soviel Scheiße erlebt, dass es für drei Leben reicht und mehr bin ich dieser Welt nicht schuldig! Ich habe genug mit mir machen lassen... lasse es einfach nicht mehr darauf ankommen.< Wieder hob er die Flasche und trank. >Ich bin der perfekte Mensch! Ich habe miese Noten, die Lehrer hassen mich, die Schüler meiden mich, meine Freunde beachten mich nicht, mein Freund findet mich nicht begehrenswert und mein Vater ist auch nie da! Außerdem habe ich keine Talente, bin ein psychisches Wrack und habe zu allem Überfluss sicher auch noch Aids! Die letzten Jahre haben mir nicht viel gebracht...< Er holte tief Luft, hielt den Atem an und beugte sich nach vorn, bevor ein leises Schluchzen aus ihm heraus brach und er die Hand zum Gesicht hob. >Am besten ich ziehe unter eine Brücke, besaufe mich jeden Tag, kiffe und nehme andere Drogen! Das wäre wesentlich ungefährlicher als mein jetziges Leben!< Er presste die Hand auf das Gesicht und drückte die Flasche an sich. >Ich will doch nur, dass das alles aufhört! Ich will meine Ruhe! Ich will, dass mir niemand mehr wehtut! Ich will keine Angst mehr haben! Ich das zuviel verlangt?!< Er schluchzte laut auf, ließ sich nach vorn sinken und lag wieder auf dem Tisch. Zitternd hob er die Flasche und stellte sie ab. >Es ist verdammt lange her, dass ich etwas Normales erlebt habe! Etwas, dass in jedes Leben gehört, das sich verkraften lässt! Etwas, nachdem man keinen Psychologen braucht und sich ein scharfes Messer wünscht, das durch die Pulsadern gleitet wie durch Butter! Ich habe mein eigenes Blut schon so oft gesehen... das wäre das letzte Mal!< Verkrampft richtete er sich auf und trank weiter. >Warum soll ich zum Psychologen gehen? Warum soll ich heute zur Nachuntersuchung! Warum soll ich überhaupt noch etwas essen?! Es lohnt sich doch sowieso nicht!!< Als sein Hals wie Feuer brannte, ließ er die Flasche sinken, ächzte laut auf und blieb geduckt sitzen. Ein leises Kratzen ertönte aus dem Flur und kurz darauf streckte sich ein neugieriges Köpfchen in den Raum. Aufgeregt sah sich das Hündchen um, wedelte mit dem Schwanz und schob sich vorsichtig durch den Türspalt. Starr richteten sich die braunen Augen darauf, verfolgten jede der Bewegungen apathisch. ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Glaubte man den Weisheiten der Alten, heilte die Zeit alle Wunden, war Rache nur ein bittersüßer Geschmack, schmerzte Hass nicht ewig, und dann sah ich es in deinen Augen... ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Die Flasche mit sich ziehend, kam Joey auf die Beine und strauchelte in schlürfenden Schritten auf den Hund zu. Ihn nicht beachtend, beschnüffelte dieser die Kante eines Schrankes. Direkt neben ihm blieb Joey stehen, hob die Flasche zum Mund und trank. ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Glaubte man den Worten der Mächtigen, war Glück von Dauer, spross Reichtum aus den Böden, lächelte die Liebe auf uns herab. Doch dann sah ich es in deinen Augen. Leere und Kälte umgab dich. Und nichts schien mehr glaubwürdig... ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Ihm war übel, als er die Flasche wieder sinken ließ, sich mit dem Handrücken über den Mund fuhr und die Tränen hinabschluckte. Der Hund schnaubte leise, schüttelte tollpatschig den Kopf und drehte sich tapsig zu ihm um. Abwesend beobachtete Joey, wie er die Vorderpfötchen auf seinen Fuß stellte sich sein Hosenbein beschnupperte. Eine lange Zeit stand er so dort, hielt den Kopf gesenkt und atmete ruhig. Dann runzelte er die Stirn, brummte leise und schob den Hund mit dem Fuß zurück. Desinteressiert wandte er sich ab. ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Geh nicht, denn ich weiß, wohin du willst. Geh nicht, denn du weißt, es ist der letzte Schritt. Geh nicht, schreie ich, meine Stimme zerbricht, geh nicht, und du lässt dich fallen. ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. >Die Welt ist eine Lüge! Glück ist vergänglich, hält nicht lange an!< in benommenen Schritten zog Joey an der langen Arbeitsfläche vorbei, seine Fingerkuppen glitten stockend über das glatte Holz, während sich die braunen Pupillen über den Boden tasteten und sich die Hand mit der Flasche erneut zum Mund hob. >Schreckliche Ereignisse siegen über die Guten und auch wenn man kämpft... am Ende ist man allein.< ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Hatte ich je etwas gelernt, war es unbedeutsam, hatte ich je etwas gefühlt, war es nichtig, hatte ich je geweint, war es naiv, hatte ich je etwas verloren, dann sah ich es in deinen Augen... ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Etwas unsicher auf den Beinen, drehte sich Joey und lehnte sich hinterrücks gegen die Kante der Arbeitsfläche. Benommen stützte sich die eine Hand ab, die andere ließ die Flasche sinken und unter einem leisen Ächzen ließ er den Hinterkopf in den Nacken fallen und schloss die Augen. Die Tränen brannten etwas auf seiner trockenen Haut. >Ich bin zu schwach, um immer wieder darüber zu sprechen. Ich will nicht in Worte fassen, was ich fühle... nein, ich kann es nicht einmal. Niemand wird es verstehen... und ich bin müde.< ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Hatte ich gedacht, dich zu kennen, dann wiederlegtest du es. Hatte ich geglaubt, dich glücklich zu machen, dann beweintest du es. Hatte ich geahnt, wie es dir geht, dann verschwiegst du es. Hatte ich gewusst, was du willst, dann sah ich es in deinen Augen. Leere und Kälte umgab dich. Und nichts schien mehr wichtig... ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Kraftlos sackte sein Kopf nach vorn, die Knie ließen nach und er sank zu Boden. Am niedrigen Schrank rutschte er hinab, blieb auf den Fliesen kauern und kroch in sich zusammen. Die Beine angezogen, die Flasche an sich pressend, das Kinn auf das Schlüsselbein gelegt. Er keuchte, unterdrückte das Schluchzen mit aller Kraft regte sich stockend. Etwas verunsichert tapste der Welpe näher. >Was ich mir wünsche...? Wünsche? Kann ich überhaupt noch wünschen? Noch träumen? Beherrscht mich die grausame Realität nicht viel zu stark? Gebe ich ihr nicht nach...? Gebe ich mich nicht geschlagen...?< Müde zog er die Nase hoch und neigte sich nach vorn. >Doch... ich gebe auf.< ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Geh nicht, denn ich weiß, wohin du willst. Geh nicht, denn du weißt, es ist der letzte Schritt. Geh nicht, schreie ich, meine Stimme zerbricht, geh nicht, und du lässt dich fallen. ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. >Ich gebe auf...< ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Da sah ich in deine Augen. ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Sanft hob sich die Hand, näherte sich dem zusammengekauerten Jungen, streifte eine blonde Strähne und legte sich zärtlich auf den Hals, um sogleich weiterzugleiten, sich dem Nacken zu nähern. Die Whiskyflasche begann sich zu bewegen, wurde langsam fortgezogen, entglitt den schwachen Fingern, die sich nur kurz regten. Die Lider des Blonden zuckten, seine Lippen bewegten sich stumm und er fühlte einen warmen Atem, der über sein tränennasses Gesicht strich. ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Leer aber erlöst...? ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Die Flasche wurde in sicherer Entfernung abgestellt, ein leises Geräusch ertönte, als das Glas auf die Fliesen traf. Die Hand erreichte den Nacken, die Fingerkuppen streichelten kurz über die kühle Haut und mit einem sanften Druck, wurde Joey nach vorn gezogen. Sein Rücken löste sich von dem Schrank, der durch einen Arm ersetzt wurde. Sanft legte sich dieser um ihn, verstärkte den Druck, worauf Joey hinabsank. Kraftlos und benommen stützte er sich nicht ab. ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Kalt aber glücklich...? ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Vorsichtig stützte eine starke Schulter seine Stirn, sanft trafen sie aufeinander. Schleppend drehte Joey das Gesicht zur Seite, spürte Wärme auf der Haut, nahm vertrauen Duft wahr und hielt die Augen geschlossen. Er wurde etwas zur Seite gezogen, kippte und lehnte an einem schlanken Leib, worauf sich starke Arme schützend um ihn legten, eine Hand die Tränen von seinen Wangen strichen und in seinem Schopf verschwand. Schläfrig räkelte sich der Blonde, zog die Arme an und kroch in sich zusammen, während er durch die Brust leise Atemzüge wahrnahm, die vollkommene Geborgenheit spürte... festgehalten wurde. ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. Nein, soweit wird es nicht kommen... Ich sah es nicht zu spät. Denn ich bin immer bei dir... kenne dich. Bin dein Schutz, deine Mauer. Und lässt du dich fallen... So fange ich dich auf. ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. "Kleiner Dummkopf." Vorsichtig zog Kaiba ihn höher, näher zu sich, umarmte ihn erneut und schmiegte sich an ihn. ~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~.~. >Was kann uns passieren, wenn wir weder Tod noch Hölle fürchten? Nichts. >Was für eine Gefahr kann Verrat für uns darstellen, wenn wir ihn aufrichtig und gemeinsam bekämpfen? Keine. >Kann die Unsicherheit nach uns greifen, wenn wir stets die Gegenwart des anderen spüren? Nein. >Können Sorgen uns zermürben, wenn wir den positiven Prinzipien des Lebens entgegenblicken können? Nein. >Wie könnten wir folgenreiche Fehler begehen, wenn der eine dem anderen ein Lehrer ist? Gar nicht. >Hat die Angst Macht über uns? Nein... Alldem bin ich mir bewusst. Ich muss es nur neu erlernen. "Pass auf." Vorsichtig zog Kaiba den Blonden zu sich und öffnete die Tür. Gemeinsam betraten sie das Krankenhaus. Joeys Hand hatte sich unauffällig in Kaibas Mantel gehakt, er lief eng bei ihm und blickte sich etwas nervös um. Es war in den späten Abendstunden, gegen 21 Uhr und der Blonde machte den Anschein, auch etwas müde zu sein. Sein Gesicht war blass, seine Augen glasig, das Verhalten etwas unbeholfen und unsicher. Hinzukommend schmerzte sein Kopf und ihm war noch ein bisschen übel. Auch der heiße Tee und die kurze Bettruhe, die Kaiba fürsorglich angeordnet hatte, hatte daran nicht viel geändert. Ja, Kaiba war in den letzten Stunden nicht von seiner Seite gewichen, hatte ihn umarmt und ihn getröstet... sich um ihn gekümmert. Vor dem Fahrstuhl blieben sie stehen und mit einem Schritt rückte Joey näher an den Brünetten heran, lehnte sich förmlich an diesen und spürte seine Hand, wie sie flüchtig und unauffällig seinen Rücken streichelte. Er schluckte, blinzelte und sah sich erneut um. Ein merkwürdiges Gefühl herrschte in ihm... Unsicherheit... Angst! Er realisierte noch nicht, dass sich Lee im selben Gebäude befand. Ja, er musste längst hier sein... Die Fahrstuhltüren öffneten sich und sie traten ein. "Hey." Als sie sich wieder schlossen und sie sich alleine in der Kabine befanden, wandte sich Kaiba an ihn. Er sprach leise, berührte sein Kinn mit dem Zeigefinger und drehte Joeys Gesicht etwas zu sich. Besorgt musterte er ihn, wischte vorsichtig über eine gerötete Stelle an der Wange. "Alles in Ordnung?" "Mm." Joey wackelte etwas unentschlossen mit dem Kopf, zog die Nase hoch und lehnte sich gegen ihn, worauf er sofort in eine wärmende Umarmung geschlossen wurde. Vorsichtig schmiegte sich Kaiba an ihn. "Hey", flüsterte er wieder, "... wir schaffen das. Der Test wird bald gemacht." "Das Warten macht mich krank", antwortete Joey ebenso leise und schloss die Augen. Daraufhin durchstreifte eine Hand seinen Schopf. Als die Kabine innehielt und ein leises Geräusch ertönte, lösten sie sich voneinander. Sie traten in den Gang hinaus, orientierten sich kurz und bogen nach rechts. Es würde nicht lange dauern, nur ein kurze Untersuchung, die Johnson auch zu solch später Stunde noch vornahm. Schnell würde er das Gebäude wieder verlassen können... Ein beschäftigter Arzt zog in schnellen Schritten an ihnen vorbei, als sie durch den sterilen Flur gingen, von weit her war ein aufgeregtes Gespräch zu vernehmen, Türen öffneten sich, Türen schlossen sich und Joeys Herz schlug schneller. Ängstlich besah er sich die Türen, die an ihnen vorbeizogen... versank in Gedanken. >Will ich ihn sehen...? Mir sein Gesicht betrachten...? Wie sieht er aus? Würde ich den Anblick überhaupt ertragen...?< Er presste die Lippen aufeinander, blinzelte und lugte zu Kaiba. Dieser bemerkte es nicht, wurde scheinbar auf etwas anderes aufmerksam... und blieb stehen. Joey selbst, ging noch ein paar langsame Schritte, bevor er es ihm gleich tat. Verwundert musterte er Kaibas Miene, bevor sich dessen Beobachtung anschloss. Nicht weit entfernt, erkannte er einen jungen Mann, der soeben eines der Zimmer verließ. Binnen weniger Sekunden weiteten sich seine Augen, sein Mund öffnete sich einen Spalt weit und er war nicht einmal mehr zu einem Blinzeln imstande. >Daniel!!< Dieser löste die Hand von der Klinke, rieb sich flüchtig das Gesicht und wandte sich ihnen zu. Scheinbar mit einem direkten Ziel vor Augen, ging er los, wurde jedoch sofort auf die Beiden aufmerksam. Seine Schritte verlangsamten sich, seine Augen richteten sich auf Joey, musterten ihn knapp, jedoch nicht intensiv. Der Blonde konnte sich nicht bewegen, hielt sogar den Atem an, als der Halbamerikaner knapp vor ihnen zum Stehen kam. Es gelang ihm ebenso wenig, sich lange mit Daniel zu beschäftigen, unweigerlich drifteten seine Augen zu jener Tür... Der Halbamerikaner räusperte sich, kratzte sich am Kinn und stemmte die Hände in die Hüften. "Hi." "Habt ihr die Reise gut überstanden?", erkundigte sich Kaiba entspannt, während er Daniels Miene studierte und regelrecht spürte, dass in dem jungen Mann viel vorging, so viel, dass es ihm ein Unmögliches war, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Joey starrte noch immer auf jene Tür und Daniel nickte. "Ja, geht schon", murmelte er völlig zerstreut und räusperte sich erneut, während er aufblickte und sich umsah. "Ähm... ich muss kurz weg." "In Ordnung." Kaiba nickte ihm zu und nach einem flüchtigen Blick zu Joey, zog Daniel an den Beiden vorbei. Niemand von den dreien drehte sich um, nur Kaibas Pupillen richteten sich aus den Augenwinkeln auf Joey. Dieser starrte nun auf den Boden und bevor Kaiba eine Frage stellen konnte, setzte er sich wieder in Bewegung. Als hätte er es eilig, an jener Tür vorbeizukommen, ging er weiter und zupfte kurz an seinem Mantel. Also folgte ihm Kaiba. Schweigend setzten sie ihren Weg fort und während Joey seine Schritte verschnellerte, ließ Kaiba die Hände in den Hosentaschen verschwinden und seine Augen blieben kurz an der Tür hängen. "Joey." Wie aus dem Nichts erschien Johnson bei ihnen im Flur, hob begrüßend einige Unterlagen und lächelte. "Wie geht es dir?" Nach einem leisen Seufzen folgte ein undefinierbares Brummen, doch Johnson gab sich damit zufrieden, nickte Kaiba kurz zu und blätterte in den vielen Zetteln. "Wenn du möchtest, können wir gleich anfangen und..." "Ja, fangen wir an", unterbrach Joey ihn ungeduldig und Johnson hielt kurz inne. Unauffällig wechselte er mit Kaiba einen Blick, doch dieser stand nur dort, zeigte nicht einmal einen verräterischen Gesichtsausdruck. "In Ordnung", antwortete er nach einem kurzen Zögern und wandte sich ab. "Dann komm." Kaiba blieb stehen, bewegte die Hände kurz in den Hosentaschen und rümpfte die Nase, als er den Beiden nachsah. Joeys Reaktion überraschte ihn nicht, ebenso wenig dessen Verhalten. Es war nur natürlich, dass er zögerte, dass es ihm schwer fiel, einem Menschen unter die Augen zu treten, dem er das eigene Leben zu verdanken hatte... die Freiheit. Einem Mensch, dem er soviel verdankte und doch nicht wusste, wie er aussah. Seine Schultern hoben sich unter einem tiefen Atemzug und als Joey und Johnson um eine Ecke bogen, verzogen sich seine Augenbrauen und mit einer langsamen Bewegung drehte er sich um. Zielgerichtet trafen seine Augen auf jene Tür. Er machte nicht den Anschein, als würde er sich in Grübeleien vertiefen. Nein, seine Mimik zeigte eine ruhige Entschlossenheit, als er sich gemächlich in Bewegung setzte... in sicheren Schritten auf die Tür zusteuerte. Er erreichte sie schnell, seine Hände verließen die Taschen und ohne auch nur kurz zu zögern, griff er nach der Klinke. Sie fühlte sich kühl an, als er die Finger um sie schloss und sie besonnen hinabdrückte. Sein Blick richtete sich auf den Boden, als er die Tür öffnete. Sogleich drang leises Piepen an seine Ohren, Geräusche von arbeitenden Maschinen... und ansonsten Ruhe. Mit einem Schritt trat er in den Raum, seine Hand blieb auf der Klinke liegen und er sah auf. Nur ein einziges Bett stand in dem kahlen Zimmer, eine nicht zu grelle Lampe spendete Licht, während vor den Fenstern die tiefe Dunkelheit der Nacht herrschte. Kaiba legte den Kopf schief, ohne dass seine Miene an Ausdruck gewann. Reglos lag dort ein junger Mann... Eine weiße Decke wärmte ihn ab der Brust, zierliche Arme lagen auf ihr, Injektionsnadeln steckten in der Haut, dünne Kabel schlängelten sich über die Matratze. Kaiba wandte den Blick nicht ab. Selbst, als er leise die Tür hinter sich schloss, sah er ihn an. Haut, so blass... Glieder, so kraftlos... Geschmeidig schlängelten sich die Strähnen des langen schwarzen Haares über das Laken, nur langsam hob sich die Brust unter schwerfälligen Atemzügen. Sie waren zu hören, drangen als leises Röcheln zu Kaiba. Glänzend haftete der Schweiß auf dem Gesicht. Es war leichenfahl, umso auffälliger die geröteten Augen, die spröden Lippen. Entspannt waren die Lider gesenkt. Ein dünner Schlauch zog sich wagerecht über das Gesicht, spendete der Nase Sauerstoff, während auf der Brust, die durch das halb geöffnete Hemd zu sehen war, kleine Saugnäpfe hafteten. Kaiba glaubte, eine leblose Hülle vor sich zu sehen. Ein Körper, so gebrechlich wie der einer Puppe, ebenso farblos... Leise trat er an das Bett heran und blieb stehen. Bewegungslos lagen seine Hände auf der Hose, sein Gesicht verriet keine Emotionen. Nur seine Augen wurden auf eine Anzeige aufmerksam. Der Herzschlag... Das Piepen ertönte in langen Abständen, der schmale Strich erhob sich nur zu flachen Höhen und flüchtete weiter. Andere Geräte blinkten und neben ihm ertönte das schwache Röcheln. Gemächlich atmete er ein, betrachtete sich die vielen Knöpfe und senkte das Gesicht zu dem jungen Mann. Ein kurzes Stechen durchzuckte seinen Leib, als er dunkle Pupillen erblickte. Lee hatte die Augen geöffnet, wenn auch nur einen Spalt... er sah ihn direkt an und Kaiba floh nicht, hielt den Blickkontakt aufrecht und schwieg. Die Augen des jungen Mannes wirkten apathisch und leblos, eine Bewegung der Pupillen war nicht auszumachen und doch spürte Kaiba, dass er gemustert wurde. Die Stille hielt an, nur das Piepen und das Röcheln der Lunge, die nach Sauerstoff rang. Ohne zu blinzeln, sah Lee den Brünetten an. Und das über eine lange Zeitspanne hinweg, ohne dass sein Gesicht auch nur im geringsten zuckte. Kaiba zwinkerte, seine Hände begannen sich zu bewegen und wurde dann auf die rauen Lippen aufmerksam. Er begann sie zu studieren, vertiefte sich in sie und erkannte ein Lächeln, welches so kraftlos war, dass es kaum auffiel. Nur wenig hatten sich die Mundwinkel verzogen und als Lee endlich blinzelte, schlug die Atmosphäre in dem Raum um. Sie wirkte angenehmer, entspannender und doch erwiderte Kaiba die Geste nicht. Kein Lächeln, nein, nichts dergleichen. Stattdessen schwand das Lächeln und der Mund öffneten sich einen Spalt weit. Deutlich hörbar, holte er tief Atem und dennoch war es lediglich ein heiseres Flüstern, das über seine Lippen kam. So leise und kraftlos, und dennoch verstand Kaiba jedes Wort. "Brünettes Haar, stechend blaue Augen...", flüsterte er, ohne den Blick von Kaiba abzuwenden, "... stolzes Auftreten, der Anschein, unverletzlich zu sein..." Obgleich er sprach, wirkte sein Gesicht noch immer leblos. Nichts verbarg sich in den beinahe schwarzen Augen... keine Gefühle... ob nun Trauer oder Freude. Bewegungslos lag der Körper darnieder, fiebrige Hitze ging von ihm aus. Kaiba antwortete nicht, sah wieder ein langsames Blinzeln. "Du musst Joey´s Freund sein." Bevor er ausgesprochen hatte, brach Kaiba den Blickkontakt ab. Das Gesicht zur Seite drehend, besah er sich die schwachen Umrisse des Körpers unter der Decke, antwortete mit einem stummen Nicken. Er ließ Lee´s Augen nur kurz außer Acht, atmete tief durch und verschränkte die Arme vor dem Bauch, bevor er sich ihm wieder zu wandte. "Wie ist dein Name," flüsterte er in einem sanften Ton und der junge Mann schloss die Augen. "Lee Ann Chang." Kam die leise Antwort und Kaiba kommentierte sie mit einem besonnenen Nicken, blieb jedoch vorerst bei dem Schweigen und presste die Lippen aufeinander. Kurz darauf löste er die verschränkten Armen, ließ sie sinken und atmete tief durch. Erneut richteten sich die dunklen Pupillen auf ihn und er sah den den jungen Mann direkt an. "Lee Ann Chang", sagte er leise und der Angesprochene blinzelte, war zu einem Nicken nicht imstande. "Ich weiß nicht, wie ich am besten in Worte fassen soll, was du für uns getan hast. Für Joseph...", er hob flüchtig die Hände, "... für mich, für Freunde, Eltern und Geschwister. In einem Moment, in dem ich nichts, aber auch gar nichts für Joseph tun konnte, gab es dennoch jemanden, der dazu imstande war, der eine Entscheidung traf, die nicht nur Joseph´s Leben gerettet hat." Lee hörte ihm zu und er verfiel erneut dem Schweigen, bewegte stumm die Lippen und grübelte. Eine kurze Zeit stand er ratlos dort und schüttelte alsbald den Kopf, ein selbstverhöhnendes Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab. "Ich habe jeden Tag nichts anderes zu tun, als Reden zu schwingen und jetzt fehlen mir gänzlich die Worte." Er sah Lee direkt an. "Joseph hat mir gegenüber nichts gesagt. Was wirklich geschehen ist, erfuhr ich von Daniel, nachdem ich zwei Wochen lang einen heiteren Menschen vor mir sah. Ich kenne die genauen Zusammenhänge nicht, bin nicht mit jedem Detail vertraut, glaube aber auch, dass das nicht unbedingt notwendig ist. Das wichtigste ist, dass ich weiß, was ich dir zu verdanken habe." Lee blinzelte und er legte eine kurze Pause ein, bevor er die Augen schloss und den Kopf etwas senkte. "Danke." Kurz verharrte er in der Haltung, bis er sich wieder aufrichtete und war überrascht, als er einen skeptischen Ausdruck auf dem bleichen Gesicht erkannte. Nur unauffällig und doch vorhanden. "Unbesorgt...", ertönte wieder das matte Flüstern, "... siehst du trotzdem nicht aus." Kaiba rümpfte die Nase und räusperte sich leise. "Welcher Mensch ist schon frei von Sorgen." Erneut verzogen sich Lee´s Lippen. Diesmal jedoch stärker. Sie verzogen sich zu einem amüsierten Grinsen, welches kraftvoll wirkte, jedoch umso schneller verblasste. "Da hast du recht." Kaiba erwiderte das Grinsen flüchtig, wurde jedoch schnell wieder ernst und biss sich grübelnd auf die Unterlippe, während er sich die zierlichen Hände des jungen Mannes besah. "Nach China also", flüsterte er. "Nach China...", kam die leise schwelgende Antwort. "Wer wartet dort auf dich?", erkundigte sich Kaiba sanft, während sich seine Hand allmählich Lee´s Arm näherte. Diesen schien die Schwäche mit jeder Sekunde stärker zu übermannen. Kraftlos sanken seine Lider hinab, während sich die Lunge erneut röchelnd nach Sauerstoff sehnte. "Menschen, die mich aufgeben hatten... und mich jetzt wiederkriegen..." Kaiba nickte mit einem tiefen Verständnis, seine Fingerkuppen waren kurz davor, auf die glühende Haut zu treffen. Er spürte bereits die Hitze, fixierte eine bestimmte Stelle und zog die Hand dennoch zurück. Er berührte Lee nicht. "Was ist mit dir...", nahm er dessen Flüstern erneut wahr und sah ihn an. Das Sprechen fiel ihm schwer, abwesend waren die dunklen Pupillen auf ihn gerichtet, "... willst du mir nicht auch sagen... dass ich nicht aufgeben darf...?" Kaiba atmete tief durch, studierte das leichenblasse Gesicht, die Augen, die sich dem Tod längst ergeben hatten, der Körper, der kurz davor war, auch den Rest der Kraft zu verlieren. Das leise Piepen, welches ertönte... das Herz, das nicht mehr lange schlug. Und dann trafen sich ihre Blicke... und er schüttelte den Kopf. "Deine Entscheidung", sagte er. "Dein Recht." Lee´s Miene regte sich nicht. "Wie wird Joey damit fertig...?" "Was meinst du?" "Mm." Ein kurzes Blinzeln. "Du bist so vernünftig, dass du kühl wirkst." Kaiba antwortete nicht. Es kamen ihm keine passenden Worte in den Sinn, hinzukommend war eine Antwort nicht nötig... und sie wurde auch nicht erwartet. Lange sahen sie sich an, bis Lee die Augen wieder schloss. Kaiba senkte den Kopf. Seine Finger spreizten sich, die Hände ballten sich zu entspannten Fäusten und nach einem lange Innehalten, blickte er aus dem Fenster, vor das sich allmählich der leuchtende Mond schob. Der Himmel war beinahe schwarz, nur wenige Sterne leuchteten. Eine kurze Unregelmäßigkeit des Piepen war zu vernehmen. Es schien, als würden sich die Abstände kurz verlängern, bevor es sich im gewohnten Takt meldete. Kaiba schluckte, nahm dann jedoch eine leichte Bewegung wahr und bemerkte die Hand, die sich regte. Stockend schob sich der Arm zur Seite, die Hand näherte sich der Bettkante und blieb dort liegen. Schweigend sah Kaiba sie an, sah, wie sich die Finger hoben, der Hand die Kraft fehlte, es ihnen gleichzutun. Er zögerte lange, bevor er sich ihr langsam mit der eigenen Hand näherte. Diesmal berührten seine Fingerkuppen die Haut, die vor Fieber glühte. Er spürte die Wärme intensiver, strich mit den Kuppen bis zu den Fingerknöcheln... seine Augen verfolgten jede der eigenen Bewegungen. Und nach wenigen Sekunden schob er die Hand unter die andere, hob diese etwas an und umschloss sie vorsichtig. Lee´s Hand bewegte sich nur kurz, war nicht dazu imstande, den einfühlsamen Druck zu erwidern. "Hey..." Kaiba blickte auf... Lee´s Augen waren noch immer geschlossen, die Lippen bewegten sich nur stockend, ein Hauchen war das einzige, was über sie kam. "Pass auf deinen Jungen auf... er ist ein guter Mensch." Schweigend bedachte Kaiba diese Worte, die erhitzte Hand lag reglos in der Seinen. "Und genieße das Leben...", die Lider zuckten, hoben sich kraftlos, damit er ihn ansehen konnte, "... es ist... kostbar." Somit schlossen sich die Augen und dennoch sah Kaiba ihn weiterhin an. Bewegungslos blieb er stehen, hielt die Hand und senkte nach langer Zeit den Blick zu ihr. Tief atmete er aus, blinzelte zur Seite und begann die Unterlippe mit den Zähnen zu bearbeiten. Die Kraft fehlte... mehr Worte konnten nicht gesprochen werden... Er lauschte dem Piepen, nahm das Röcheln wahr... die Atmosphäre, die mit jeder Sekunde drückender wirkte. Und alsbald schien er aus einer tiefen Abwesenheit zu erwachen. Er begann sich zu regen, betrachtete sich wieder jene Hand und legte sie vorsichtig auf dem Laken ab. Behutsam ließ er sie los, rieb sich das Gesicht mit beiden Händen und unterdrückte ein erschöpftes Stöhnen. Er rieb sich auch die Augen, fuhr sich durch den Schopf und begann Lee ein letztes Mal zu mustern. Der Mensch, dem er alles zu verdanken hatte... Der Mensch, ohne den Joey weitere Qualen gelitten hätte... Der Mensch, der nicht aus Eigennutz handelte... Der Mensch, der das eigene Wohl vergaß und half... Das war er. Er senkte den Kopf, atmete tief durch und kehrte ihm den Rücken zu. Dort hielt er nur kurz inne, bevor er sich in langsamen Schritten der Tür näherte. Er fühlte sich merkwürdig, als er diese erreichte, die Hand zur Klinke hob und dennoch zögerte, als er sie bereits auf ihr abgelegt hatte. Seine Lippen pressten sich aufeinander, seine Pupillen flüchteten von einer Seite zur anderen. Er hatte ihn gesehen... Das erste Mal... Das einzige Mal... Er schüttelte kurz den Kopf, versuchte seine Gedanken zu ordnen und drückte die Klinke hinab. Das durchgehende Piepen wirkte belastend, doch plötzlich mischte sich noch etwas anderes dazwischen. Ein Flüstern... "Joey ist nicht infiziert." Gerade noch dabei, tief Luft zu holen, stockte Kaiba der Atem, als er das vernahm. Schwer blieb seine Hand auf der Klinke liegen, die Tür jedoch, öffnete er nicht. Einige Sekunden verharrte er vollkommen starr, ohne dass seine Miene einen besonderen Ausdruck annahm. Wieder nahm er nur das Piepen wahr... sonst herrschte Stille... Langsam rutschte die Hand von der Klinke. Sogleich hob sich diese und die Tür blieb angelehnt. Die schmalen Augenbrauen verzogen sich verwirrt und etwas stockend, drehte er sich um. Und wieder sah er die Pupillen... "Wie bitte...?" Nun war er es, der nur ein heiseres Flüstern zustande brachte. Als wäre er durch einen Schlag benommen, trat er einen Schritt näher. "Was hast du gesagt...?" "Es wurde verhütet", kam die leise Antwort. "Ich habe es gesehen... später." Es gelang Kaiba nicht sofort, diese Worte zu realisieren. Kurz stand er dort, ohne darauf zu reagieren. Erst dann weiteten sich seine Augen, sein Mund öffnete sich und dennoch bekam er kein einziges Wort heraus. Auch sein Gesicht verlor an Farbe. ~*To be continued*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)