In the End   von Fellfie
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                             Kapitel 1: Kapitel 1
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Disclaimer: I don't own Yu-Gi-Oh, so don't sue me

Rating: PG-16 

Widmung: Federvieh

Pairing: Ryou x Bakura

Als ich diese FF geschrieben habe, litt ich unter akutem Gummibärchen-Entzug ^^
Deshalb die Warnung: darkfic, depri, death, Shonen Ai/Yaoi, maybe ooc

~ Lebe nicht, ohne zu lächeln, denn es gibt jemanden, der von deinem Lächeln
lebt.~

In the End

Dunkelheit. Ich versinke in absoluter Dunkelheit. Sie umhüllt mich, fesselt
mich und weigert sich, mich freizugeben. Zieht mich immer tiefer und tiefer. Ich
ertrinke darin, ohne zu wissen, wie mir geschieht. Es hat schleichend begonnen,
so langsam, dass ich es nicht mitbekam und jetzt ist es zu spät, um mich daraus
zu befreien. Ich habe es aufgegeben, nach einem Licht in tiefster Schwärze zu
suchen, weil ich weiß, es gibt keines. Nicht mehr. Es gibt keine Rettung. Nicht
für mich.

Vielleicht hätte ich eine Wahl gehabt. Wenn ich anders gehandelt, anders gelebt
hätte, dann wäre ich heute möglicherweise nicht hier. Aber wer weiß das
schon? Niemand kennt sein Schicksal. Deshalb können wir es nicht ändern.
Richtig?

Bakura hätte mich jetzt sicher ausgelacht, wenn er bei mir wäre. //Es gibt
kein Schicksal, Ryou. Dieses Wort ist lediglich eine Ausflucht für diejenigen,
die nicht den Mut haben, ihr Leben selbst zu bestimmen.// Das würde er sicher
sagen. Ich kann ihn beinahe hören.

Ja, eigentlich beginnt und endet alles mit meiner Zwillingsseele. Ich war noch
sehr jung, als ich meinen Millenniumsring bekam. Ich weiß nicht mehr, von wem
oder warum, aber er wurde mir geschenkt und nur das zählt. Mein Yami war seit
frühster Kindheit bei mir und ich kann mir ein Leben ohne ihn nicht mehr
vorstellen.

Nicht, dass wir die besten Freunde waren oder sind, aber wir brauchen einander.
Das weiß ich, weil ich dieses Gefühl jeden Tag in meiner Seele brennen fühle.
Bakura war meistens sehr kalt und abweisend zu mir. Als Kind konnte ich es nicht
verstehen. Ich konnte nicht begreifen, dass er mich nicht liebte. Wie sollte ein
Kind das auch? Kleine Kinder sind hilflos und darauf angewiesen, dass ihre
Umgebung ihnen liebevolle Zuneigung entgegenbringt und sie beschützt. Das
Fehlen dieser Liebe ist das Schlimmste, was ihnen passieren kann.

Mein kindlicher Verstand konnte mit dieser Tatsache nichts anfangen, sondern sie
lediglich akzeptieren. Doch es war keine verstehende Akzeptanz. Es war ein
Akzeptieren, dass die Hoffnung in sich trug, dass sich das Verhalten meines
Yamis irgendwann ändern würde. Dass er mich vielleicht liebte, es aber nicht
so offen zeigte, wie ich es beispielsweise von meinen Eltern gewohnt war.
Und auch, wenn sich Bakura mir gegenüber lange Zeit völlig gleichgültig
verhielt oder allerhöchstens zornig wurde, wenn ich wieder zu viel fragte, so
war er immer da, wenn ich ihn brauchte.

Er griff nicht ein, wenn ich ein wenig auf dem Schulhof herumgeschubst wurde
oder wenn ich die verbale Gewalt der anderen ertragen musste. Aber wenn mir die
anderen Jungen in der Grundschule wegen meines ungewöhnlichen Aussehens oder
meiner zurückhaltenden Art Streiche spielten, die mich manchmal sogar in
Lebensgefahr brachten, dann war mein Yami sofort zur Stelle, um mich zu retten,
mir zu helfen und die Missetäter zu bestrafen.

Ich wuchs in dem Wissen auf, dass ich anders war, als andere und dass die
Gesellschaft mich nicht akzeptieren konnte. Deshalb blieb ich auch ein
Einzelgänger. Ich mied den Kontakt zu anderen, weil ich ihre Ablehnung
fürchtete. Ich wollte nicht verletzt werden.

Normale Kinder gingen nach der Schule auf den Spielplatz, ich hingegen machte
mich auf den Weg nach Hause, um mich mit meinem DuelMonster-Deck zu
beschäftigen und zu üben, damit ich besser wurde. Ich hatte früh meine
Leidenschaft dafür entdeckt, und ich hatte auch einen ausgezeichneten Lehrer.
Vielleicht machte es mir auch deshalb so viel Spaß, weil ich dann viel Zeit mit
Bakura verbringen konnte.

Er war oft ungehalten darüber, dass ich nur kleine Fortschritte machte, aber er
erklärte mir immer wieder und wieder dieselben Sachen, bis ich sie verstand,
und es kam vor, dass wir bis spät in die Nacht übten. Manchmal, wenn ich dann
todmüde ins Bett fiel, merkte ich gerade noch, wie er die Decke über mich zog,
bevor ich mit einem Lächeln auf den Lippen einschlief.

Meine Eltern machten sich Sorgen um mich, weil ich keine Anstalten machte,
soziale Kontakte zu knüpfen. Nie brachte ich Freunde mit nach Hause und
überhaupt war ich ein ziemlich seltsames Kind. Ich sprach nicht viel, nie waren
meine Sachen vom Spielen dreckig oder gar zerrissen und ich saß die meiste Zeit
in meinem Zimmer. Manchmal bekamen sie mit, wie ich mit jemandem sprach, den sie
nicht sehen konnten und erklärten Bakura zu meinem "imaginären Freund". Als
ich älter wurde und diese "Angewohnheit" (wie sie es nannten) immer noch nicht
ablegte, sorgten sie sich ernsthaft um meinen Geisteszustand und sie
vereinbarten sogar einen Termin bei einem Psychoanalytiker für mich. 

Doch alles, was der feststellte, war, dass ich zu ruhig für mein Alter und
sozial desintegriert war. Das mit meinem imaginären Freund würde sich sicher
legen, sobald ich reale Freunde gefunden hatte. Es war mir egal, was sie über
mich und Bakura dachten. Ich hatte das Gefühl, er war der Einzige, der mich
wirklich verstand. Oft erzählte ich ihm von meinen Problemen und Sorgen und
auch wenn dieses Gespräch meist einseitig blieb und Bakura manchmal recht
gelangweilt aussah, hatte ich den Eindruck, er sorgte sich um mich.

Auch als ich in die Mittelstufe kam, blieb ich ein Sonderling und war ein
Außenseiter. Und auch die Gewalt gegen mich blieb, aber sie war nun anders
motiviert. Ich stellte schnell fest, dass ich auf Mädchen ziemlich anziehend
wirkte, denn wo ich auch hinging, ein oder zwei folgten mir immer. Wenn ich in
den Pausen meinen Blick über den Schulhof schweifen ließ und er auf eine
Gruppe Mädchen fiel, fingen sie an, leise zu kichern und erröteten. Die ersten
Male war ich verblüfft und verunsichert, aber Bakura sagte mir, das junge
Mädchen eben so waren. Das würde sich legen, wenn sie älter wurden. Doch
merkwürdigerweise reagierten einige der älteren Schülerinnen genauso.

Ich war verwirrt und wenn ich ehrlich war, machten mir Mädchen Angst. Das
änderte aber trotzdem nichts daran, dass die Jungen neidisch und eifersüchtig
waren und mir oft nach der Schule auflauerten. Doch auch hier konnte ich mich
auf meine Zwillingsseele verlassen. Er half mir oft aus dieser prekären
Situation heraus.

Ich versuchte einige Male, mich bei ihm dafür zu bedanken, doch er winkte nur
ab. Es mache ihm Spaß, andere leiden zu sehen, war seine Antwort. Ich solle mir
bloß nicht zuviel darauf einbilden. Ich tat es aber trotzdem.

Auch wenn ich vielleicht nicht davon sprechen konnte, glücklich zu sein, so war
ich dennoch zufrieden. Bis zu dem Tag, an dem meine Mutter starb. Ich war
dreizehn und weil meine Schule so weit entfernt von zu Hause lag und ich
Mittwochs immer lange Unterricht hatte, holte sie mich mit dem Auto ab, sobald
sie Feierabend hatte. An diesem Mittwoch kam sie nicht. Ich warte und wartete.
Die Dämmerung brach herein und schließlich wurde es dunkel.

Zuerst war ich schrecklich enttäuscht von ihr. Dann war ich beunruhigt. Ich
wusste natürlich, dass sie mich nicht vergessen würde, es musste irgendetwas
passiert sein. Weil ich kein Geld dabei hatte, lief ich nach Hause. Doch mit
jedem Meter nahm meine Sorge zu und schließlich rannte ich. Ich war erschöpft,
als ich zu Hause ankam und durch die Tür stolperte, doch zu meiner
allergrößten Überraschung war niemand da. Alles lag still und dunkel vor mir.
Weder von Vater noch von Mutter war etwas zu sehen. Ich versuchte beide, über
ihre Handys zu erreichen, doch sie waren ausgeschaltet.

Ernsthaft in Sorge begann ich unruhig im Haus auf und ab zu laufen. 

Irgendetwas war passiert. Ich blockte jedoch absichtlich jeden Gedanken an die
Möglichkeiten ab. Ich wollte mich nicht unnötig in Panik versetzen. Ich setzte
mich auf die Couch im Wohnzimmer und wartete. Es wurde spät. Die Uhr an der
Wand raubte mir mit ihrem Ticken den letzten Nerv, die Zeiger krochen nach und
nach auf Mitternacht zu und ich spürte diese nagende Unruhe in mir wachsen.
Vergessen waren meine Hausaufgaben für morgen. Dafür würde ich schon eine
Entschuldigung finden. Wenn nur meinen Eltern nichts zugestoßen war....

Irgendwann war ich dann eingeschlafen. Ein Geräusch an der Tür ließ mich
hochschrecken und das erste, was ich feststellte, war, dass mein Rücken von der
unbequemen Schlafposition auf der Couch schmerzte. Doch als mir wieder in den
Sinn kam, warum ich nicht in meinem Bett lag, sprang ich mit einem Satz auf und
rannte zur Tür.

Mein Vater hatte seinen Mantel bereit angehängt und zog sich gerade die Schuhe
aus. Seine Bewegungen wirkten schwerfällig, fahrig, wie betäubt.

"Wo ist Mama?"
Er zuckte erschrocken zusammen, als er meine Stimme hörte. Als er mir in die
Augen sah, zuckte ich unweigerlich zurück. In seinem Blick lag so viel Schmerz.
Ich begann, Schlimmes zu ahnen.

"Wo ist Mama?", fragte ich erneut, meine Stimme war seltsam leise und heiser.
Mein Vater schüttelte den Kopf. Als er sprach, hörte er sich an, wie ein
gebrochener Mann. "Sie ist zu spät im Büro losgefahren, um dich abzuholen....
hat sich beeilen wollen..... die rote Ampel.... der Lastwagen....." Dann fing er
an, haltlos zu schluchzen.

"Nein", wisperte ich und war unfähig mich zu bewegen. Unfähig zu meinem Vater
zu gehen und ihn zu trösten, unfähig zu weinen, unfähig überhaupt
irgendetwas zu tun. Das war der Moment, in dem die Dunkelheit das erste Mal ihre
kalten Klauen nach mir ausstreckte.

Mein Vater hatte sich schon lange in das Schlafzimmer meiner Eltern
zurückgezogen, um mit seiner Trauer alleine zu sein. Ich stand immer noch
bewegungslos im Flur und starrte ins Leere. Erst das warme Glühen meines
Millenniumsringes riss mich aus meiner Starre. Legte den Schalter in meinem
Gehirn um. Ich drehte mich abrupt um und rannte in mein Zimmer, stolperte dabei
die Treppen hoch und warf mich auf mein Bett, nachdem ich die Tür hinter mit
abgeschlossen hatte. Ich schlang die Arme um mich selbst und endlich flossen
Tränen. Ich weinte mich in dieser Nacht in den Schlaf.

Ich träumte von Mutter, die mit mir auf meinem Bett lag, mich im Arm hielt und
mir Wärme und Trost gab. Im Traum wusste ich nicht, warum ich traurig war, nur,
dass sie da war, um den Schmerz in meinem Herzen zu lindern. Seltsamerweise roch
sie wie Bakura, aber dem schenkte ich keine Beachtung. Meine Mutter war bei mir,
nur das war wichtig.

Ab diesem Zeitpunkt wurde mein Leben richtig schlimm. Mein Vater sagte mit
keinem Wort, dass er mir die Schuld gab, aber in seinen Augen las ich die stille
Anklage. Wenn ich nicht gewesen wäre, wenn ich wie jedes andere Kind mit dem
Bus gefahren wäre, würde Mutter noch leben. Ich fühlte mich so schrecklich
schuldig. Nur Nachts fand ich manchmal Frieden. Denn dann träumte ich, jemand
wäre bei mir und hielte mich im Arm. Gab mir Geborgenheit und Schutz.

Vater traf es aber noch schlimmer als mich, glaube ich. Er konnte es nicht
verkraften. Er begann zu trinken, blieb manchmal tage- und nächtelang weg. Und
wenn er zu Hause war und zuviel getrunken hatte, wurde er oft gewalttätig. Ich
ertrug seine Schläge stumm und ohne mich zu wehren, denn ich hatte das Gefühl,
Buße tun zu müssen. Buße dafür, dass ich meine Mutter umgebracht hatte.
Aber wieder half mir Bakura. Auch wenn ich es damals nicht als Hilfe verstand.
Er weigerte sich oft, mich aus meinem Zimmer zu lassen. Einige Male ging er
sogar so weit, mich ans Bett zu ketten. Ich hasste ihn dafür. Ich schrie ihn
an, doch er ertrug alles mit stoischer Miene. Heute weiß ich, dass er es getan
hat, um mich vor meinem Vater zu schützen.  

Ich will wirklich nicht wissen, was mein Vater mir angetan hätte, hätte mein
Yami nicht so vehement darauf bestanden, dass ich ihm nicht über den Weg lief.
Anfangs weinte ich noch oft, doch die Tränen versiegten irgendwann. Mein
Schicksal wurde nach und nach von mir akzeptiert. Ich fühlte mich einfach nur
leer und nur Bakura, der in dieser Zeit ungewöhnlich oft bei mir war, hielt
mich davon ab, Dummheiten zu begehen. Meistens saß er einfach nur still bei
mir, doch es reichte schon, um mir zu zeigen, dass ich nicht alleine war.

Doch auch der Albtraum mit meinem Vater hatte ein Ende. Zwei Jahre später nahm
er sich das Leben. Einfach so. Während ich in der Schule war. Ohne mir einen
Abschiedsbrief zu hinterlassen. Als ich am Nachmittag nach Hause kam, fand ich
ihn mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Badewanne. Es war ein Schock, doch
nichts von meinen Gefühlen drang nach außen und ich spürte schon nach wenigen
Stunden, wie sich eine schützende Betäubung über alles legte. Ich versank
tiefer im Sumpf der Dunkelheit.

Mein Vater hatte mir alles vermacht, das Haus, das Geld, alles was er noch
hatte. Es reichte, um über die Runden zu kommen. Doch dann gab es unvermittelt
ein Licht in meinem Leben: Ich machte die Bekanntschaft von Yugi und seinen
Freunden. Zwar hatte ich nie Freunde gehabt, aber ich fand es sehr angenehm. Und
ich mochte vor allem Yugi gerne. Der Ausdruck in seinen Augen erinnerte mich an
etwas, den ich vor langer Zeit auch bei mir selbst gesehen hatte, wenn ich in
den Spiegel blickte.

Für kurze Zeit fühlte ich wirklich beinahe so etwas wie Glück. Allerdings
wunderte man sich an meiner Schule langsam darüber, dass ich noch nie eine
Freundin gehabt hatte. Ich war zwar schon mit einigen Mädchen ausgegangen, aber
etwas Festes war nie daraus geworden. Und dass, obwohl sie mir zu Füßen lagen.
Ich hatte die freie Wahl. Man begann zu munkeln, ich sei homosexuell und schaute
mich schief von der Seite an.

Ich weiß nicht wirklich, ob ich schwul bin. Vielleicht sollte man es nicht so
verallgemeinern. Fakt ist aber, ich hatte schon vor längerer Zeit festgestellt,
dass ich mich haltlos in meine Zwillingsseele verliebt hatte. Ich habe ihn ja
schon immer gemocht und bewundert, doch diese kindlich-freundschaftlichen
Gefühle waren über die Jahre leise und unbemerkt in Liebe übergegangen.
Natürlich ließ ich Bakura gegenüber nicht ein Wort darüber verlauten. Ich
hatte Angst, er würde mich auslachen und nie wieder ein Wort mit mir sprechen.
Ich wollte ihn nicht aus meiner Nähe vertreiben. 

Als ich sechszehn war, begann ich, gelegentlich in Depressionen zu verfallen.
Ich vermisste meine Eltern. Am Tod meiner Mutter fühlte ich mich immer noch
schuldig und mir fehlte ihre liebvolle Art, mich zu umsorgen. Und auch wenn
Vater und ich einander fremd geworden waren, so liebte ich ihn immer noch und
sein Fehlen schmerzte mich. Es gab Momente, in denen ich mich und die Welt
schlicht und einfach hasste.

Eines Nachts kam Bakura zu mir. Er sagte nichts, aber als er mich küsste, wurde
mir klar, dass er das auch nicht musste. Mein Herz flatterte vor Freude und
Aufregung. Wir liebten uns in dieser Nacht und sie brannte sich tief und
unauslöschlich in mein Gedächtnis ein. Sie war alles, wonach ich mich je
gesehnt hatte und noch so vieles mehr. Es war nicht einfach nur die Vereinigung
zweier Körper, es war die Vereinigung zweier Seelen. 

Aber am Morgen zerplatzte meine romantische Vorstellung von einer Beziehung mit
Bakura wie eine Seifenblase. Er machte mir klar, dass er daran kein Interesse
hatte. Es sei kindisch von mir zu glauben, Sex müsse automatisch in eine
Partnerschaft münden, sagte er und wandte sich ab. Dabei war ich mir so  sicher
gewesen, dass auch ihm in der letzten Nacht mehrmals die Worte "Ich liebe dich"
entschlüpft waren. Wahrscheinlich hatte ich mich verhört.

Ich nickte schließlich und akzeptierte seine Entscheidung. Aber in meinem
Herzen und in meiner Seele war ich tief verwundet und verschloss mich endgültig
vor der Außenwelt. Nicht, dass es wirklich auffiel. Ich war schon früher nicht
aus mir herausgegangen. Ich glaube, Yugi war der Einzige, der merkte, dass etwas
nicht stimmte. Er fragte auffällig oft nach, ob alles in Ordnung sei und ich
spürte, dass er mich häufig besorgt musterte.

Ich hätte ihm gerne ein beruhigendes Lächeln geschenkt, aber es ging nicht.
Ich konnte nicht mehr lächeln. Vielleicht hatte ich es verlernt oder einfach
vergessen, wie es ging. Ich weiß es nicht. Und obwohl ich mich am liebsten
unter eine große Käseglocke zurückgezogen hätte, um mich von der Außenwelt
abzuschirmen, ging das Leben weiter. Einfach so. Weil ich nicht der Mittelpunkt
des Universums bin. Weil die Zeit nicht langsamer läuft, weil ich gerade nicht
zurecht komme. Weil ich unbedeutend bin. Niemand braucht mich. Es gibt genügend
andere Menschen. Wir sind alle ersetzbar.

Bakura sah ich wenig in den folgenden Wochen. Vermutlich wollte er mir Zeit
geben, mit meinen Gefühlen klar zu kommen und einzusehen, dass ich ihn nicht
wirklich liebte und da lediglich etwas verwechselt hatte. Dummkopf. Als ob ich
nicht wüsste, wie sich Liebe anfühlt. Ich glaube, er hat nicht viel Erfahrung
in Liebesdingen, sonst wüsste er, dass man Liebe nicht einfach aus seinem
Herzen radieren kann, nur weil man zurückgewiesen wird. 

Um mich vor der Dunkelheit zu retten, griff ich nach dem erstbesten Strohalm,
der sich mir bot. Jay. Er ging auch auf meine Schule und ging offen mit seiner
Homosexualität um. Unvermittelt begann er eines Tages mit mir zu flirten und
ich war wirklich nicht abgeneigt. Bakuras Abfuhr hatte mein Selbstbewusstsein
stark angekratzt und ich war mir seitdem ziemlich wertlos vorgekommen. Weil ich
nicht hübsch genug war, um das Interesse meines Yamis dauerhaft auf mich zu
lenken.

Jays Interesse war Balsam für meinen verletzten Stolz und ich akzeptierte seine
Annährungsversuche. Ging nach kurzem Zögern sogar darauf ein. Was soll ich
sagen? Wir wurden ein Paar, aber ich war nicht so glücklich, wie ich mir eine
Beziehung immer vorgestellt hatte. Irgendetwas fehlte mir.

Mir fiel auf, dass ich jemanden gewählt hatte, der das komplette Gegenteil von
Bakura war. Nicht nur rein äußerlich, sondern auch vom Charakter. Jay war
aufregend, ja, aber leider nicht so faszinierend wie meine Zwillingsseele. Wenn
er mich küsste, dachte ich oft an Bakura und ich schämte mich dafür. Jay
hatte es nicht verdient, dass ich so unehrlich zu ihm war und ihn benutzte, um
meinen Yami endlich zu vergessen.

Wobei das sowieso nicht klappte. Vor allem nicht, als ich eines Nachts einen
sehr seltsamen Traum von ihm hatte. Im Traum erwachte ich und war an seine Brust
geschmiegt. Ich konnte gerade noch ein wohliges Seufzen unterdrücken, als er zu
sprechen begann. "Ich wollte dich heute von der Schule abholen...... und da habe
ich euch gesehen. Dich und ihn." Er machte eine kleine Pause und meinem
Traum-Ich stockte das Herz. Dann fuhr er fort, seine dunkle Stimme ungewohnt
sanft. "Wenn du glücklich bist, werde ich ihn an deiner Seite akzeptieren. Ich
möchte, dass du endlich wieder lachst, Ryou..... und wenn ich dich nicht dazu
bringen kann, dann vielleicht er. Ich liebe dich...." Seine Hand strich
zärtlich durch meine Haare.

Dann endete der Traum. Als am nächsten Morgen mein Wecker klingelte, war mein
Gefühlsleben in Aufruhr. Ich meinte Bakuras Geruch auf mir riechen zu können,
doch ich war mir nicht sicher. Wenn ich mich an meinen Traum zurück erinnerte,
fing mein Herz an, sich schmerzhaft nach seiner Nähe zu sehnen. 

Jay spürte meine Verwirrung, er versuchte mich abzulenken und startete einen
Versuch mich zu verführen. Ich blockte ab, weil es mir nicht richtig vorkam.
Sicher, Sex war irgendwie Teil einer Beziehung, aber es erschien mir so
schrecklich falsch, mit jemand anderem als Bakura zu schlafen. Ich glaube, Jay
war verletzt und ich vertröstete ihn. Ich erzählte ihm, dass mir vor kurzem
von einem anderen furchtbar weh getan wurde und er versprach mir hoch und
heilig, mich nie zu verletzen.

Meine Zwillingsseele ließ sich nach dieser seltsamen Nacht wieder öfter
blicken. Allerdings nie, wenn ich gerade von Jay kam, fiel mir auf, sondern
erst, nachdem ich geduscht hatte. Merkwürdig, oder? Manchmal war ich versucht,
mit ihm über meinen Traum zu reden, aber ich traute mich nicht. Ich wollte
nicht schon wieder etwas Verletzendes von ihm hören.

Als Jay und ich drei Monate zusammen waren, wurde er ungeduldig. Er sei nicht
mit mir zusammen, um wie ein Mönch zu leben, sagte er einmal zu mir. Er könne
mir nur treu bleiben, wenn ich auch auf seine Bedürfnisse eingehen würde. Ich
fühlte mich abgestoßen von seiner fordernden Art und er erkannte es. Er hat
nicht noch einmal davon gesprochen. Stattdessen begann er mich mit kleinen
Geschenken zu verwöhnen. Aber ich spürte, dass die Unruhe in ihm geblieben
war.
Doch ich handelte nicht. Ich harrte aus und hoffte, es würde sich legen. Es war
naiv und ich hätte mich nicht so passiv verhalten sollen. Dann hätte ich
Schlimmeres möglicherweise verhindern können. Als er mich eines Tages nach der
Schule wie so oft zu sich einlud, dachte ich mir noch nichts dabei. Ich war
vielleicht zu abgelenkt um auf das seltsame Funkeln seiner Augen aufmerksam zu
werden.

Wir verbrachen einen netten Nachmittag miteinander und er hörte überhaupt
nicht auf, mir zu sagen, wie schön ich sei und was für ein Glück er habe, mit
mir zusammen zu sein. Ich fühlte mich geschmeichelt und ließ mich gerne von
ihm berühren. Doch als die unschuldigen Streicheleinheiten fordernder wurden,
versuchte ich, wieder abzublocken. Er wurde wütend. Als ich aufsprang und gehen
wollte, explodierte er.

Ich weiß nicht mehr, wie es passierte, es ging so schnell, aber ich fand mich
plötzlich an sein Bett gebunden wieder. Meine Sachen waren zerrissen und lagen
irgendwo in seinem Zimmer und die Fesseln schnitten sich in meine Handgelenke.
Jay war über mir... und schlief mit mir. Nahm sich gewaltsam, was ich ihm
freiwillig nicht geben wollte.. Weder meine Schreie, noch meine Tränen konnten
ihn aufhalten. Ich versuchte verzweifelt, an Bakura und an unsere Liebesnacht zu
denken, während ich meinen Freund anflehte, aufzuhören, doch es wollte nicht
recht gelingen.

Es war so anders. Bakura war zärtlich und vorsichtig gewesen, während Jay
rücksichtslos und nur auf sein eigenes Vergnügen aus war. Er zerriss mich und
ich spürte das warme Blut zwischen meinen Beinen hinunterlaufen. Und das
Schlimmste an der Sache war, dass er mich hinterher losband und mich mit einem
zufriedenen Lächeln fragte, wie er gewesen sei.

Mein Unterleib schmerzte höllisch und ich konnte kaum laufen, doch ich
kletterte umständlich, aber so schnell wie möglich, aus dem Bett, nahm mir
alles von meinen Sachen, dessen ich in der Eile habhaft werden konnte und lief
so schnell ich konnte nach Hause. Nur weg. Weit weg. Ich fühlte mich so
betrogen. Hatte er mir nicht versichert, er würde mich nicht verletzen?

Ich schmiss den Millenniumsring aus meinem Zimmer (ich trug ihn  nie, wenn ich
mit Jay traf, weil ich dann das Gefühl hatte, sowohl ihn, als auch Bakura zu
betrügen), um meiner Zwillingsseele zu zeigen, dass ich alleine sein wollte,
schloss die Tür ab, warf mich auf mein Bett und schluchzte haltlos. Ich konnte
nicht begreifen, warum ausgerechnet mir so etwas passieren musste. Hatte ich
denn nicht schon genug gelitten?

Ich fühlte mich so furchtbar schmutzig und benutzt und als mich Bakura am
nächsten Morgen wecken wollte, weil ich meinen Wecker abgeschaltet hatte,
obwohl ich zur Schule musste, ignorierte ich ihn und zog mir die Decke über den
Kopf. Ich konnte ihm nicht in die Augen blicken. Nicht mehr.

Über unsere telepathische Verbindung spürte ich seine Verwirrung und begann
unter der Decke wieder lautlos zu weinen. Es tat so weh. Und ich hatte Angst.
Angst, dass sich meine Zwillingsseele von mir abwenden könnte. Entweder, weil
ich tat, was ich tun musste, um nicht wahnsinnig zu werden und alle- auch ihn-
von meinem Leben ausschloss, oder weil ich den anderen Weg wählte, mich ihm
anvertraute und er angewidert war. Ich fühlte mich so schrecklich hilflos und
verlassen.

Ich entschied mich für den ersten Weg. Versteckte mich in der altbekannten
Betäubung. Sie ließ den Schmerz nicht verschwinden, machte ihn aber die meiste
Zeit erträglich. Und wenn ich ihn nicht ertragen konnte, brach ich weinend
zusammen, wo immer ich gerade war. Ich ging nicht mehr zur Schule und zeigte
mich auch nicht mehr in der Öffentlichkeit. Es klingelten viele an meiner Tür.
Yugi, Yami, Joey, Tristan, Serenity, Tea, Klassenkameraden, die ich nur
flüchtig kannte, mein Klassenlehrer... Jay.... Aber ich öffnete keinem. Ich
ging nicht ans Telefon. Ich stellte mich tot. Denn genauso fühlte ich mich. Als
wäre nun endgültig das letzte bisschen Leben aus mir herausgerissen worden.
Ich war nur noch eine leere Hülle.

Manchmal, wenn ich nicht aufpasste und meine Verbindung mit Bakura nicht
schloss, spürte ich seine Besorgnis. Sie machte mich krank, weil ich wusste, er
würde anders denken, wenn er wüsste, was sich zugetragen hat. Dass ich
befleckt und unrein war.

Wäre meine Zwillingsseele nicht einkaufen gegangen, so wäre ich wohl einfach
verhungert. Nicht, dass ich so viel zu mir nahm. Bakura musste das Essen
förmlich in mich hinein zwingen. Ich wunderte mich, dass es da blieb, wo es
landete. Irgendwann hörte er auf, mir Besteck zu geben, weil ich Messer häufig
bedrohlich lange ansah, bevor er sie mir aus der Hand nahm. In dieser Zeit nahm
ich sicherlich zehn Kilo ab.

Und es kam, wie es kommen musste. Ich wurde krank. Quälte mich sicherlich zwei
Wochen mit hohem Fieber und Wahnvorstellungen. In meinen Träumen durchlebte ich
immer und immer wieder meine Vergewaltigung, wachte schweißgebadet und um mich
schlagend auf, um mich sofort in der festen, beschützenden Umarmung meines
Yamis wieder zu finden. Er fragte einige Male, was mit mir los sei, aber ich
antwortete nie.

Ich glaube, Bakura verließ in diesen Wochen kaum meine Seite (ich weiß es
nicht genau, ich habe nicht besonders viel mitbekommen). Und seine ständige
Nähe war Balsam für meine Wunden. Seine Berührung konnte ich jedoch nicht
ertragen. Anfangs, weil ich im ersten Moment immer dachte, es wäre wieder Jay
und später, weil ich fand, es war nicht richtig. Ich war es nicht mehr wert,
von meiner Zwillingsseele berührt zu werden.

Aber nachdem ich meine Krankheit überwunden hatte, ging es mir seelisch ein
wenig besser. Ich fühlte mich endlich bereit, mich der Außenwelt zu stellen
und ging wieder zur Schule. Statt mich zu vergraben, suchte ich mir etwas
anderes, um zu vergessen: Ich arbeitete wie besessen, um den verpassten Stoff
nachzuholen. Ich weigerte mich aber, mit irgendjemanden über die letzten Wochen
zu sprechen. Meine Freunde machten sich immer noch  Sorgen und kümmerten sich
besonders fürsorglich um mich. Nie war ich alleine. In der Schule war ständig
jemand von ihnen an meiner Seite. Ich war ihnen dankbar dafür, denn ich wollte
Jay nicht alleine gegenübertreten. Nicht, dass ich ihm überhaupt begegnete. Er
schien die Schule gewechselt zu haben. Es war mir egal, ich fragte auch nicht
nach ihm.

Die Leere in mir blieb, doch nach und nach spannte sich ein feines Netz
darüber, das sie übertünchte. Aber es war eben nur hauchzart und der Schmerz
der in der schwarzen Tiefe lauerte, war nicht einfach zu überdecken. Manchmal
fühle ich ihn noch heute, den Schmerz der Vergewaltigung. Nicht körperlich,
aber in meinem Herzen und in meiner Seele.

Meinen Millenniumsring legte ich nicht mehr ab. Selbst beim Duschen oder
Schlafen behielt ich ihn um, weil mir das warme Metall ein Gefühl der
Sicherheit vermittelte. Und Sicherheit war etwas, nach dem ich mich sehnte.
Während meine tiefen Wunden ganz langsam vernarbten, holte das Schicksal zu
einem neuen, dem entscheidenden Schlag gegen mich aus.

Ich war  auf dem Weg von der Schule nach Haus und hatte die Nase in meinem
Hefter vergraben, um zu lernen, denn am nächsten Tag würden wir einen Test in
Geschichte schreiben. Bakura lief neben mir. Er hatte es sich angewöhnt, mich
bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu begleiten und ich fragte mich, ob er
vielleicht ahnte, was zwischen mir und Jay passiert war. Ab und zu riskierte ich
ein paar verstohlene Seitenblicke, sah aber immer sofort weg, wenn sich unsere
Augen trafen. In meinem Bauch kribbelte es, als hätte ich Ameisen
gefrühstückt und ich konnte mich nur schwer auf meine Aufzeichnungen
konzentrieren. Dasselbe galt allerdings auch für meine Umgebung.

Ich bemerkte nicht, dass Bakura stehen blieb, um ein altes Buch über Ägypten
zu betrachten, das bei einem Geschäft in der Auslage lag, und merkte auch
nicht, dass die Fußgängerampel rot war, als ich auf die Straße trat. Doch das
drohende Hupen ließ mich entsetzt den Kopf hochreißen und ich sah mich mit
einem herannahenden Lastwagen konfrontiert. Der Fahrer machte keine Anstalten zu
bremsen, sondern drückte nur noch einmal ärgerlich die Hupe. Ich stand
gelähmt vor Schreck mitten auf der Fahrbahn und blickte meinem Tod starr vor
Angst entgegen. Aus den Augenwinkeln sah ich jemanden auf mich zu rennen und
hörte die anderen Passanten erschrocken aufschreien, als sie bemerkten, was vor
ihren Augen geschah.

Dann war der todbringende Laster heran, Reifen quietschten und ich bekam einen
kräftigen Stoß von hinten, der mich aus der Gefahrenzone brachte. Bei meinem
Sturz schürfte mir die Arme auf. Dann gab es das hässliche Geräusch von
Stahl, der mit zu viel Wucht auf einen Körper traf und schließlich war es
still. Ganz still meine ich. Auch in meinem Kopf.

Ich fing einen letzten Gedankenfetzen auf //....liebe dich, Ryou...// Dann
spürte ich, wie das unsichtbare Band, dass mich und Bakura seit je her
verbunden hatte, riss. Es war, als würde man mir die Hälfte meiner Seele
herausreißen, und für viele Minuten war ich zu geschockt, um reagieren zu
können.

Erst als ich die inzwischen eingetroffenen Rettungssanitäter auf Bakuras
leblosen, blutüberströmten Körper zugehen sah, erwachte ich aus meiner
Starre. Ich sprang auf, rannte an ihnen vorbei und warf mich auf meine
Zwillingsseele. "Nein!", schluchzte ich verzweifelt und die Tränen kullerten
dick und heiß über meine Wangen. "Nein, du darfst mich nicht alleine lassen.
Nicht du auch noch!!"

Irgendjemand versuchte mich von ihm fortzuziehen, doch ich wehrte mich so
standhaft, dass ein weiterer Mann mithelfen musste, bevor sich der Arzt und ein
anderer Sanitäter um meinen Yami kümmern konnten.

"Nein! Fasst ihn nicht an!", es war ein drohendes Grollen, wie man es sonst nur
von Bakura erwarten würde, gemischt mit purer Verzweiflung. "Er gehört mir!
Niemand hat das Recht ihn zu berühren, nur ich! Ich allein!"

Der harte Griff um meine Oberarme tat weh, aber noch schlimmer war der Schmerz
in meinem Herz und meiner Seele. Ich hatte das Gefühl von innen heraus in zwei
gerissen zu werden. Mein Herz war in tausend kleine, scharfe Stücke
zersprungen, die sich unbarmherzig in meine Seele bohrten.

Ich sah den Arzt traurig den Kopf schütteln und als sie Bakura davon trugen,
war alles vorbei. "Nein! Nein! Nein!! Nein!!!" Immer wieder dasselbe Wort, immer
mit derselben Eindringlichkeit, doch irgendwann hörte ich auf, Worte zu formen
und schrie einfach nur noch. Versuchte meiner Qual über den Verlust meiner
Zwillingsseele so Ausdruck zu verleihen, denn Worte genügten dafür nicht. Den
kleinen Pikser in meinem Arm merkte ich nicht, nur, dass ich langsam furchtbar
müde war, meine Schreie wurden leiser, bis sie schließlich verstummten und ich
in die Dunkelheit glitt.

Obwohl ich nicht feststellbar verletzt war, behielten sie mich zwei Wochen im
Krankenhaus. Ich stand die ganze Zeit unter so starken Beruhigungsmitteln, dass
ich mich überhaupt nicht mehr an diese Zeit erinnern kann. Aber wenn die
Wirkung der Mittel nachließ, begann ich wieder zu weinen, zu schreien und nach
Bakura zu rufen. Ich versuchte mir mit allem Möglichen das Leben zu nehmen,
sodass mein Zimmer bald vollständig leer war. Sie nannten mich hysterisch, aber
sie fühlten ja auch nicht, was ich fühlte. Der Schmerz fraß mich auf.
Nach zwei Wochen war es vorbei. Ich hatte keine Tränen mehr. Ich hatte
überhaupt nichts mehr. Ich konnte Bakuras Tod nicht akzeptieren, aber ich
wollte mir auch nicht mehr das Leben nehmen. Er hatte sein eigenes für das
meine gegeben.... wie konnte ich sein Andenken beschmutzen, indem ich sein
Geschenk einfach fortwarf?

Ich bestand das psychiatrische Gutachten und wurde entlassen. Als erstes ging
ich zu Yami. In der irrationalen Hoffnung, dass meine Zwillingsseele vielleicht
gar nicht tot war. Er war immerhin schon vor fünftausend Jahren gestorben. Wie
sollte er es denn jetzt noch einmal?

Aber Yamis Antwort machte diese letzte Hoffnung zunichte. "Auch wir können
sterben. Wir sind es schon einmal, richtig, und eigentlich sind unsere Seelen an
unsere Millenniumsgegenstände gebunden. Wir können theoretisch allerhöchstens
eine Geister-Gestalt einnehmen. Es sei denn, wir finden unsere Seelenpartner.
Dann können wir ein wenig ihrer Lebensenergie nutzen, um reale Körper zu
bekommen. Und im selben Moment sind wir sterblich. Eine geisterhafte Berührung
von Bakura hätte nicht gereicht, um dich zu retten. Um die nötige Kraft dafür
aufzubringen, musste er einen wirklichen Körper haben."

Ich nickte wortlos. Eigentlich hatte ich nichts anderes erwartet. Ich fühlte ja
die Leere in mir, wo sonst Bakura gewesen war. Jetzt hatte ich nur noch einmal
die endgültige Bestätigung. Yami bot mir an, heute Nacht bei ihm und Yugi zu
bleiben, doch ich lehnte dankend ab. Ich musste jetzt alleine sein.
Die folgenden Monate waren die Hölle. Ich versuchte, in ein normales Leben
zurückzufinden, doch es gelang mir nicht. Meine Leistungen in der Schule fielen
rapide ab, sodass ich am Ende versetzungsgefährdet war, ich schwänzte oft und
brach auch den Kontakt zu allen Freunden ab. Die Leere in mir war größer
geworden, verschluckte mich und schloss mich endgültig in die Dunkelheit ein.

Jetzt sitze ich hier. Auf dem Dach dieses Hauses. Meine Beine baumeln über den
Rand und ich betrachte die Menschen, die unter mir vorbei gehen. Einige Pärchen
schauen zwar hinauf zu den Sternen, aber sie sehen mich nicht. Es muss laut da
unten sein, doch meine persönliche Dunkelheit erstickt jeden Laut. Um zu
wachsen, hat sie sich von meiner Lebensenergie ernährt. Jetzt ist sie
verbraucht und ich habe nichts mehr, was mich hier hält.

Der kalte Nachtwind spielt mit meinen Haaren, doch ich merke es kaum. Meine
Gedanken sind bei Bakura. Seit seinem Tod ist mir manchmal so, als wäre er noch
bei mir, hielte mich, würde mir einige Strähnen aus dem Gesicht streichen,
doch ich weiß, es ist nur eine Illusion. So wie der Phantomschmerz, nachdem ein
Arm oder ein Bein amputiert wurde.

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich meinem Leben ein Ende setze. Nicht
wie mein Vater, ich will mich auch nicht erhängen, weil ich nicht noch länger
leiden will. Von einer Brücke möchte ich auch nicht springen. Wenn ich Pech
habe, bin ich nicht einmal sofort tot, sondern ertrinke qualvoll. Mich vor einen
Zug werfen kommt auch nicht in Frage; die Bahn hat schon genug Verspätung. Aber
der Sprung von einem Haus in die Tiefe erscheint mir richtig. Ihn werde ich
nicht überleben und vor meinem Tod will ich noch einmal das Gefühl von
Freiheit spüren, und sei es nur für wenige Sekunden.

Langsam stehe ich auf. Meine Glieder sind von dem langen Sitzen ganz kalt und
steif geworden. Ich hole meinen Millenniumsring unter meinem Pullover hervor.
Ja, ich trage ihn immer noch. Auch wenn er jetzt nur noch ein Stück kaltes
Metall ist, das sich nicht einmal erwärmt, wenn man es auf der Haut trägt. Er
ist leer, genau wie ich.

Ich entschuldige mich gedanklich bei Bakura, dass ich nicht weiterkämpfen kann
und einfach aufgebe. Und mit einem Bild meines Yamis vor Augen lasse ich mich
nach vorne fallen.

Die Welt macht einen merkwürdigen Salto und plötzlich finde ich mich auf
meinen Füßen stehend wieder. Ich hätte vor Enttäuschung beinahe
aufgeschrieen. Bleibt mir selbst dieser Weg verwehrt? Dann merke ich etwas
anderes. Ich bin nicht allein. Jemand umarmt mich. Hält mich fest..... und....
und ich kenne diesen Geruch. Augenblicklich springen mir Tränen- Tränen, die
vor scheinbar endlos langer Zeit versiegt waren- in die Augen. "Bakura?", hauche
ich und wage es nicht, aufzusehen, aus Angst, es würde sich als Traum
erweisen.

Lange, schlanke Finger umfassen mein Kinn und zwingen mich, den Kopf zu heben.
Mein Blick trifft auf dunkle, braune Augen. Der Ausdruck in ihnen ist etwas
sanfter, als ich ihn in Erinnerung habe. "Was machst du nur, Ryou? Mit dir hat
man nur Sorgen."

Ich glaube, er lächelt. Ich sehe es nicht so genau, weil mein Blick durch
Tränen verschleiert ist. "Ich kann nicht mehr.... die Welt ist so kalt... so
kalt ohne dich...." Ich schluchze auf, schlinge die Arme um seinen Hals und
drücke mich an ihn. Die Worte, die ich so lange schon hatte sagen wollen,
sprudeln einfach aus mir heraus. "Ich vermisse dich, 'Kura! Bitte... bitte,
verlass' mich nicht!"

Seine Umarmung wird besitzergreifender. "Weine nicht, Ryou." Dann finden seine
Lippen meine und ich werde in einem zärtlichen Kuss gefangen. Als er sich
wieder ein wenig zurückzieht, gerate ich in Panik, er würde jetzt gehen. Ich
klammere mich mit aller Kraft an ihn und seine Hand streichelt meine Wange.
"Willst du mit mir kommen?" Ich starre ihn ungläubig an. "Du hast die freie
Wahl, Ryou. Du musst nicht", fügt er schnell hinzu, als fürchte er
Zurückweisung.

Ich weine noch heftiger, doch unter all die Tränen mischt sich ein Lächeln. Es
fühlt sich ungewohnt an, weil es schon so lange her ist, aber es tut gut.
"Doch! Ich will mit dir gehen." 

/Ich liebe dich/

//Ich liebe dich auch, Aibou. Was hast du nur mit mir angestellt?// Seine Stimme
ist etwas tiefer als sonst und er ist es offensichtlich nicht gewohnt, seine
Gefühle anderen gegenüber zu äußern. Mein Lächeln wird breiter und ich
schließe die Augen, um diese intensive Nähe zu genießen. Ich frage ihn nicht,
wohin wir gehen werden. Es ist egal. Ich folge ihm überall hin. Und als er mich
wieder küsst, weiß ich, jetzt erhalten wir unsere Chance, das Glück zu
finden, das uns im Leben nicht vergönnt war.

Owari

Uund?? *Hundeblick bekommt* Sagt mir bitte, was ihr davon haltet. Ich
verspreche, Reviews tun nicht weh, machen mich aber unendlich glücklich ^^

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