Dunkle Dämmerung von Perro (Kampf um die Götterschwerter *abgeschlossen*) ================================================================================ Kapitel 29: Interludium IV -------------------------- Interludium IV Nach den Worten des Dämonenvaters fiel ich durch einen Alptraum aus Blut und Zerstörung, der mich mit Klauen aus Eis weit von der Realität entfernt umklammert hielt. Obwohl ich meine Füße noch auf eine seltsame Weise auf dem glatten Boden der Ritualhalle stehen fühlte, verstummten die Stimmen meiner Feinde und ihr Anblick wurde von bedrohlicher Schwärze verdeckt. Wie schon einmal zuvor in meinem Leben schickte man mein Bewusstsein in eine andere Existenzebene. Ich stürzte und stand gleichzeitig... Doch es war nicht die Illusag, in die ich diesmal fiel, sondern eine dritte Welt, die im Vergleich so anders als die Traumebene war, wie diese anders als die Realität. Vor meinen Augen zogen Bilder vorbei, denen ich mich nicht entziehen konnte, egal wie sehr ich das wünschte. Bis heute ist es mir unmöglich mich an alle Einzelheiten der Vision der Sünden zu erinnern, denn es brach mehr über mich herein als es selbst in der Illusag der Fall gewesen war. Die Traumebene mag bizarrer gewesen sein, doch die Vision der Sünden war ungleich gewalttätiger. Ich erlebte in ihr zweitausend Jahre Menschheitsgeschichte, so wie der Dämonenvater sie wahrgenommen hatte: gefüllt mit Tod und der ganzen Brutalität der Menschen und so wirklich, dass man die gleichen Schmerzen litt wie die Betroffenen der Vergangenheit... Heute erinnere ich mich noch an Schlachten, geführt mit Schwertern, Speeren und Bögen. Menschen wurden aufgespießt, durchbohrt von Metall und Holz. Sie lagen in der durchweichten Erde einer weiten Ebene. Blut schwappte um ihre Knöchel, es regnete und die Schreie der Sterbenden und Verletzten schwollen an zu einem unerträglichen Klagechor, in den ich einstimmte... Ich erinnere mich an einen alten Mann, der in der Gosse einer Großstadt überfallen und niedergeschossen wurde. Man fand ihn erst Stunden später, salzig glänzende Spuren auf den Wangen, während ich weinte... Ich erinnere mich an ein Mädchen, dass man entführt und mit einer Fußfessel in einem Heizungskeller angekettet hatte. Der Kidnapper ging gemächlich auf sie zu und grinste vielsagend. Sein Schweißgeruch brachte in mir die Galle hoch... Ich erinnere mich an einen ganz jungen Dämon, der lautlos in ein Haus einbrach und die Menschen darin gnadenlos tötete, obwohl seine dunklen Augen den Ansatz einer tief sitzenden Trauer verrieten. Als er schweigend auf sein blutiges Werk starrte, trat eine dunkle Gestalt an seine Seite und klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. ,Gut gemacht, Blutträne...' Ich erinnere mich an ein blasses, traurig aussehendes Mädchen, das kaum älter gewesen sein konnte als ich jetzt. Sie lehnte an der gekachelten Wand eines kleinen Badezimmers, um sie herum leere Schlaftablettendosen verstreut. Ihre zierlichen Finger knüllten ein Foto des Jungen zusammen, der sie für eine andere hatte kaltherzig sitzen lassen... Ich erinnere mich an den Augenblick, an dem Melissa den Palas Batista erschoss, und an den Tag, an dem ich sie tot bei den Klippen fand. Die beiden Erinnerungen wurden ergänzt von weiteren Kämpfen der Lancelor, von Verlusten auch bei den Dämonen und von dem Schmerz, den die Hinterbliebenen erdulden mussten. Es erstaunte mich zu sehen, dass man auch im Däezander um gestorbene Dämonen trauerte und die Wut auf die Mörder dadurch nur weiter anheizte, doch ich wurde von der Vision und den Schmerzen, die mich begleiteten, schnell weitergerissen... Ich erinnere mich an die Gestalt eines kräftigen Mannes, der unter den Augen einer johlenden Meute am Galgen hing und hoffnungslos um Atem rang... Ich erinnere mich an einen anderen Mann, der nichts ahnend von der Arbeit wiederkam und seine Ehefrau mit seinem besten Freund im Bett vorfand. Blind vor Wut stach er auf beide mit einer einfachen Schere ein, wieder und wieder und wieder und wieder... Ich erinnere mich an einen Jungen in zerfetzter Kleidung, der so stark unter der Armut litt, dass jeder Knochen unter seiner Haut sichtbar war. Als er in seiner Verzweiflung einen Laib Brot stahl, wurde er von römischen Legionären gefangen. Man schlug ihn ans Kreuz und wartete, bis er kraftlos und wimmernd von den Geiern zerfressen wurde... Ich erinnere mich daran Ariae kurz gesehen und seine Gefühle geteilt zu haben. Er hatte ein schönes Gesicht gehabt, blassgrüne Augen und nachtschwarzes Haar, ehe die Flammen seine Haut schmolzen und die Klingen sein Fleisch durchtrennten. Bis zum letzten Augenblick seines Lebens hatte er durch die Wand aus Feuer auf seine Familie gestarrt, zufrieden damit dass sie lebten, auch dann noch als sie ängstlich und angewidert zurückblickten... Ich erinnere mich an zwei Jugendliche, die vom Alkohol angestachelt aufeinander losgingen und sich in einer Bar zusammenschlugen, bis einer von ihnen reglos am Boden liegen blieb... Freunde des Gefallenen zückten Messer und ließen noch mehr Blut fließen, während das Brüllen und Schreien meine Ohren füllte... Ich erinnere mich an weitere Kriege, die ununterbrochen auf der Erde tobten und Millionen von Menschenleben forderten. Ich sah Morde, Folter, Diebstahl, Betrug. Jede der sieben Sünden begegnete mir in meiner Vision und jede von ihnen führte mal um mal in ein blutiges Ende. Es wurde geschossen, getötet, gequält, gekämpft bis ich glaubte nie etwas anderes kennen gelernt zu haben als diese Schrecken und den Schmerz, der damit verbunden war. Ich wollte, dass es aufhörte. Ich wollte einfach nur noch das Ende dieser Vision und der darin gezeigten Wirklichkeit, wollte mich losreißen von allem was mich ausmachte... Ich wollte nicht mehr zu der Spezies gehören, die sich so bestialische Dinge antat... Die Welt war grausam und hässlich... Alles andere hatte seine Bedeutung verloren... Und genau in diesem Augenblick, als es mir egal geworden war diese schlechte Welt zu retten, als ich nicht mehr bereit war für etwas zu kämpfen, das sich jeden Tag selbst zerstörte, schwand die Vision der Sünden langsam wieder. Mein Geist wurde erneut der Wirklichkeit ausgesetzt, mit all ihrer Kälte und Gefühllosigkeit. Unter den betäubenden Schmerzen der Vision zusammengekrümmt sah ich hinauf in das gütig lächelnde Gesicht des Dämonenvaters und verstand plötzlich, wieso er die Dunkle Dämmerung beschwören wollte... Meine Sicht schwamm von Tränen und meine Kehle kratzte, als hätte ich ununterbrochen geschrieen, doch durch den Nebel von Verzweiflung und Pein hörte ich die Stimme des Dämonenvaters dennoch deutlich und klar, wie sie fragte: "Und? Wie stehst du nun zu deiner Art?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)