Dunkle Dämmerung von Perro (Kampf um die Götterschwerter *abgeschlossen*) ================================================================================ Kapitel 10: Die Ruinen von Tradan --------------------------------- Kurz und knackig: Hier das neue Kapitel. Viel Spaß damit und besonderen Dank an Elayne für ihr liebes Kommi! ------------------------------------------ Kapitel X - Die Ruinen von Tradan Der Einsatz eines Schutzritters ist eine uralte Tradition, die noch auf die Zeit der Gründung von dem legendären Lancelot zurückzuführen ist. Damals wählte man besonders mächtige Krieger aus, um ihnen die Verteidigung einmaliger, unentbehrlicher Wesen anzuvertrauen. Diese Krieger wurden Schutzritter genannt. Sie mussten all ihre Kraft und all ihre Stärke aufbringen um ihren Schutzbefohlenen zu schützen, egal ob sie dabei das Leben verloren oder persönliche Dinge aufgeben mussten. Sie waren große Märtyrer der Welt. Zum Wohle von Vielen verzichteten sie auf ihre Individualität und begaben sich in ein endloses Leben des Kampfes. Denn Schutzritter konnten nur von ihrer Pflicht enthoben werden, wenn sie starben oder der Orden ihre Aufgabe als beendet ansah. Dieses Schicksal stand nun also auch Dymeon bevor. Tag um Tag folgte er mir, als wäre er mein Schatten, der menschliche Gestalt angenommen hatte. Tag um Tag ließ er mich nicht aus den Augen, folgte jedem meiner Schritte und schien überall, selbst in Falcaniar, auf einen plötzlichen Angriff vorbereitet zu sein. Selbst in der Nacht wenn ich ins Bett ging wachte er auf einem Stuhl sitzend über meinen Schlaf. Anfangs verstand ich Dymeons Bedeutung als mein Schutzritter nicht richtig und war einfach froh über seine Anwesenheit. Doch schon bald wurde mir bewusst, dass es mehr Arbeit für Dymeon geben würde als ein paar schöne, aber bedeutungslose Gespräche... Schreckliche Arbeit... Als Zeliarina am nächsten Morgen erwachte, war das Tageslicht noch grau und gelangte nur schwach durch das Zimmerfenster. Zum ersten Mal seit vielen Tagen hatte es aufgehört zu schneien, doch es lag noch immer eine hohe weiße Schicht auf dem Fensterbrett. Die Donnerhexe wühlte sich aus ihren Decken, hob ein paar herumliegende Kleidungsstücke vom Boden auf und tauschte sie gegen ihr langes Schlafshirt ein. Dymeon saß zusammengesunken auf seinem Stuhl am unteren Bettende, doch Zeliarina zog sich ungeniert um. Erstens respektierte der Dämon so gut es ging ihre Privatsphäre und sah in solchen Situationen unaufgefordert an die Decke, zweitens schlief er an diesem Morgen selbst noch. Zeliarina hatte ihn noch nie schlafen gesehen und musste bei seinem Anblick lächeln. Ohne das rote Stirnband fielen die schwarzen Haare weit über seine Stirn bis vor die geschlossenen Augen. Auf seinem Gesicht lag ein merkwürdiger Ausdruck, den sie sonst noch nie wirklich bei ihm ausmachen konnte. Es wirkte friedlich, unbeschwert, beinahe sorglos. Die sonstige eingegrabene Verbitterung und Trauer schien sich gelöst zu haben. Vielleicht träumte er irgendetwas Schönes, zumindest falls Dämonen Träume haben konnten, oder aber er träumte einfach gar nichts und wurde nicht an die grausamen Dinge erinnert, die er in seinem langen Leben bereits erlebt haben musste. Einen Moment lang fragte sich Zeliarina wie alt der Dämon wohl war. Soweit sie in ihrer Ausbildung richtig gelernt hatte, konnten Dämonen nicht an ihrem Alter sterben, sie hatten bereits direkt nach ihrer Erschaffung das Aussehen, das sie immer tragen würden. Nachdenklich zog sich Zeliarina ihre Hose an und blieb mit ihrem Blick weiter an ihrem Schutzritter hängen. Sie konnte deutlich erkennen wie sich seine Kiefer krampfhaft aufeinander pressten und die dazugehörigen Muskeln zuckten. Der Frieden schien aus Dymeons Gesicht zu weichen und den alten Schmerz zurückzulassen, während sich sein Körper ein wenig regte. Wachte er auf und wurde wieder von seinen Gedanken verfolgt oder hatte sich der Traum gewandelt? Hatte er einen Alptraum? Konnten Dämonen Alpträume haben, wo sie doch selbst als dunkle Schreckgestalten kleine Kinder um ihren Schlaf brachten? Die Decke, die Zeliarina Dymeon jeden Abend aufs Neue einredete, rutschte unter seinen unruhigen Bewegungen von seinen Schultern. Das Mädchen seufzte, hob sie leise vom Boden auf und legte sie dem Dämon vorsichtig wieder um. Einen Augenblick lang blieb die junge Hexe in dieser Position, unfähig sich zu bewegen. Als sie ihm sanft eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht wischte, schlug er plötzlich seine dunklen Augen auf, die aufmerksam in ihren Höhlen glommen. "Habe ich geschlafen?" "Ja... Du wurdest gerade unruhig und hast deine Decke verloren und ich wollte nur-" Zeliarina überlegte warum sie sich so für eine simple Geste rechtfertigen wollte, fand dafür keinen triftigen Grund und verstummte wieder. "Ja...ja du hast geschlafen..." "Schlechte Träume..." Murmelnd raufte Dymeon sich durch das wirre Haar. Er schien über etwas nachzudenken, doch sein Gesichtsausdruck wurde in Bruchteilen von Sekunden wieder ernst und verbarg seine innere Aufgewühltheit. Abwesend stand er auf und legte die Decke ordentlich zusammengefaltet auf Melissas altes Bett. Zeliarina wartete bereits an der Tür auf ihn. Zusammen verließen sie das Zimmer in Richtung Speisesaal, ohne dass sie ein weiteres Wort darüber verloren, dass Dymeon eingeschlafen war. Normalerweise wachte er in der Nacht immer über seine Schutzbefohlene und schlief am Tag wenn überhaupt zwei bis drei Stunden. Vielleicht hatte er es deswegen so nötig gehabt, auch wenn der Schlaf offensichtlich nicht gerade erfrischend gewesen schien. Zeliarina jedenfalls bemerkte wie ihr Schutzritter nachdachte. Bis zum Speisesaal verlor er kein Wort und keinen Blick mehr an sie. Als sie die Halle erreichten, war die junge Hexe erleichtert, dass sie Kevin schlaftrunken an einem Tisch sitzen sah und sich zu ihm gesellen konnte. Dymeon holte ihr währenddessen ohne Aufforderung ein Brötchen und etwas Schinken mit Ei von der Ausgabe. "Guten Morgen." "Mor'n", nuschelte Kevin müde zurück. Seine schneeweißen Haare wirkten noch zerzauster als sonst und die Augen schienen jeden Augenblick wieder zufallen zu wollen. Eigentlich war der ganze Kopf dabei in Kevins Frühstück zu sacken, so dass er seine Arme als Stützen unter das Kinn schieben musste. Wie aufgeweckt der Elementare auch war, er war kein Morgenmensch. "Wieso bist du schon auf, obwohl du noch so müde aussiehst?", fragte Zeliarina mit einem belustigten Grinsen. Der Junge sah matt zu ihr auf und gähnte. "Dunkan wollte unser Training heute so früh beginnen... Ich glaube er verliert die Geduld mit mir. Nachdem er dich als Schülerin hatte, muss ich ihm wie ein Volltrottel vorkommen, der zu doof ist seine Kräfte in den Griff zu bekommen..." "Deine Zeit wird kommen", erwiderte Dymeon, der mit einem gefüllten Frühstückstablett für Zeliarina zurückkam und es ihr zuvorkommend servierte. Kevin sah den Dämon fasziniert aber unerschrocken an, denn wie jeder andere Lancelor hatte er bereits davon gehört, dass Dymeon mit den Bluttränen wieder ein Mitglied des Ordens war. Während Zeliarina glücklich ihr Essen mampfte, versuchte der Elementare Dymeon zögerlich in ein Gespräch zu verwickeln: "Isst du nichts?" "Dämonen müssen nichts essen. Wenn, dann machen sie es einfach nur wegen dem Geschmack." "Und trinken?" "Flüssigkeit muss ich aufnehmen, doch nicht so häufig. Das Aramea hält mich grundsätzlich am Leben, Flüssigkeit lässt nur den Kreislauf besser zirkulieren." "Willst du dann ein bisschen Kaffee? Ich glaube ohne dieses Zeug überlebe ich den heutigen Tag nicht." Ohne auf eine Antwort zu warten nahm Kevin erst einen großen Schluck aus seiner Tasse, ehe er nach der bereitstehenden Kanne griff und etwas von dem heißen Getränk in eine andere Tasse goss. Doch Dymeon nahm den Kaffee nicht an, sondern schob ihn unangetastet weiter zu Zeliarina. "Danke, aber Koffein bringt in meinem Körper nichts..." "Es ist das Aramea", fügte Zeliarina erklärend hinzu, "Es sorgt für die Energie der Dämonen. Eigentlich scheint es bei ihnen für alles zuständig zu sein. Aber ich trinke gerne Kaffee. Danke." Sie nahm zufrieden eine Gabel voll Ei in den Mund und spülte sie mit dem dampfenden Getränk hinunter. Auf ihrem blassen Gesicht machte sich etwas Farbe breit. "Du siehst heute wieder besser aus als in den letzten Tag. Als du neulich vor meiner Zimmertür standest, wirktest du ziemlich zerstört. Ich dachte schon du würdest krank werden, doch daran lag es nicht, oder?", fragte Kevin freundlich. Zeliarina ließ ihr Besteck langsam sinken und erwiderte den verständnisvollen Blick des Jungen mit einem dankbaren Lächeln. "Es geht mir besser... Melissas Verrat war ein schwerer Schlag und reicht tief, doch ich werde es wohl akzeptieren müssen... Zumindest muss ich nach vorne sehen... ich glaube nicht, dass der Däezander sie töten will, denn dafür ist ein Mensch in ihren Reihen viel zu wertvoll." Dymeon nickte zustimmend. "Sie werden sie in ihren Plan mit einbeziehen... Vielleicht soll sie Falcaniar ausspionieren, denn die Verteidigungsanlagen sind nicht auf Menschen abgestimmt... Irgendwann sehen wir sie wieder..." Dankbar schenkte Zeliarina ihrem Schutzritter ein besonders schönes Lächeln, ehe sie sich wieder an Kevin wandte. "Und dann werde ich bereit sein sie wieder von ihren falschen Überzeugungen abzubringen." Der letzte Satz schien mehr ihr selber zu gelten als dem Elementaren. Mit einer frischen Zuversicht, die unverkennbar in den hellgrünen Augen aufblitzte, aß die junge Hexe das letzte Bisschen ihres Frühstücks und lehnte sich zufrieden in ihrem Stuhl zurück. "Und wann ist heute dein Training?" "Um neun", meinte Kevin langsam, während er nachdenklich auf seine Armbanduhr blickte und sich vor Schreck völlig an seinem Kaffee verschluckte. Hustend griff er sich mit beiden Händen an die brennende Kehle. Dymeon entglitten die Gesichtszüge zu einem schmalen, spöttischen Lächeln, Zeliarina dagegen konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Nur Kevin schien das Ganze nicht allzu lustig zu finden, denn sein Blick war verzerrt zu einer entsetzten Grimasse. "Ich komme schon wieder zu spät! Dunkan killt mich!" Ohne ein weiteres Wort oder auch nur eine Verabschiedung abzuwarten rannte der Junge hektisch davon. "Er ist ein wenig...wild...", stellte Dymeon belustigt fest, während er Kevin noch eine Weile hinterher sah, bis dieser hinter einer Tür aus seinem Sichtfeld verschwunden war. Zeliarina nickte zustimmend, doch in ihren Augen lagen unerschöpfliches Vertrauen und tiefe Freundschaft, die innerhalb nur weniger Tage entstanden waren. "Aber wir werden Menschen wie ihn, die einem in den Momenten der Verzweiflung Hoffnung geben können, in Zukunft besonders brauchen..." Erstaunt betrachtete der Dämon sie, als sähe er sie zum ersten Mal. "Du hast dich verändert. Ich dachte nach der Höhle der Prüfungen wärst du bereits erwachsen geworden, doch in den letzten Tagen scheinst du noch mehr Reife gewonnen zu haben als zuvor..." "Ich habe nur gelernt, dass es nichts bringt im Weinen und Trauern alles zu vergessen. Man sollte die schrecklichen Dinge, die geschehen sind, niemals vergessen, doch sie dürfen einen nicht daran hindern sein Leben weiterzuleben..." Zeliarina wandte sich ihm voll zu und betrachtete ihn mit einer merkwürdigen Mischung aus Entschlossenheit und Mitleid. "Ihr alle musstet in eurer Vergangenheit soviel erleiden und seit doch immer wieder aufgestanden und habt weitergekämpft... Dunkan hat es mir gezeigt... Er ist so stark... Nicht weil er geschickt kämpft oder schwere Verletzungen dank seines besonderen Blutes überleben kann, sondern weil er mit aller Kraft weitergeht, obwohl sein Herz so unendlich schwer ist und schmerzt..." Zeliarina seufzte und schob den leeren Teller von sich. Sie wirkte wieder ein wenig bedrückter, wenn auch nicht so wie in den letzten Tagen. "Vielleicht könnten wir ein bisschen bei Kevins Training zusehen. Kevin wird sich über meine Erfahrungen mit Elementarkräften freuen und Dunkan kann auch etwas Gesellschaft gebrauchen. Ich glaube er ist sehr einsam..." "Das ist kein Wunder. Er hat ein Leben wie wir Dämonen, endlos und unveränderlich. Er muss dabei zusehen wie alle, die er kennt, immer älter werden und schließlich irgendwann sterben. Er weiß, dass jede Person, der er begegnet, letztendlich wieder von ihm gehen wird..." "Also wollen wir zu ihm gehen?", fragte Zeliarina vorsichtig. Eigentlich war es überflüssig, denn Dymeon würde ihr immer widerstandslos folgen, wenn sie entschied irgendwo hinzugehen. Trotzdem hielt sie es für richtig den Dämon nicht dazu zu zwingen ihr zu jemandem zu folgen, den er nicht besuchen wollte. "Ich kenne Dunkan schon sehr lange. Zu kaum einem anderen Lancelor habe ich solchen Respekt..." "Wie alt bist du eigentlich, Dymeon?" Die Frage kam wie von selbst als Zeliarinas Mund. Sie hatte sie sich schon oft gestellt, war jedoch nie mutig genug sie zu stellen. Vielleicht verband der Dämon sein Alter mit schlechten Erinnerungen. Doch der Schutzritter antwortete nur mit einem schwachen Achselzucken. "Ich weiß es nicht. Zeitmessung, Tage, Monate, Jahre sind im Däezander ohne viel Bedeutung... Mindestens ein Jahrhundert. Vielleicht sogar zwei..." "Kanntest du die andere Zeliarina? Die Elementarhexe des Lichts?" "Ja...", murmelte Dymeon, plötzlich in Gedanken gefangen. "Ich habe nie einen Mensch gekannt, der sich mehr für andere aufopferte..." Dann verstummte der Dämon und sagte kein Wort mehr. Sein Blick hing merkwürdig glasig im Nichts, so dass Zeliarina es schon bereute ein Thema angeschnitten zu haben, dass dem Dämon unangenehm war. Doch davon gab es einfach zu viele. Mit einem Seufzen erhob sich die Donnerhexe und steuerte auf die Tür zu, hinter der Kevin vorhin verschwunden war. Dymeon folgte nach ein paar Sekunden, still und lautlos wie ihr Schatten. Kevin übte mit Dunkan im gleichen Trainingszimmer, in dem früher auch Zeliarina über ihre Fähigkeiten unterrichtet wurde. Es war nur relativ klein, ziemlich leer und mit feuerfesten Materialien ausgekleidet. Eigentlich ähnelte es einer dieser Gummizellen, in denen sich die Verrückten einer Anstalt austoben konnten. So vermied der Orden, dass bei unkontrollierten Ausbrüchen der Elementarkräfte halb Falcaniar abbrennen konnte, denn in Kevins derzeitigem Zustand schien das nicht allzu unwahrscheinlich. Als Dymeon und Zeliarina nämlich vorsichtig eintreten wollten, schoss bereits eine Walze von Flammen und unerträglicher Hitze dicht an ihnen vorbei gegen die Wand. "Sorry!" Kevin stand unschlüssig im Raum herum und beobachtete schuldbewusst, wie Dunkan mit einem Feuerlöscher im Raum herumlief und kleinere Brandherde löschte, die an den Wänden und sogar an seinem eigenen Ärmel leckten. Der Palas schien darüber nicht besonders erbost zu sein, doch ein nachdenklicher Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. "Du musst deine Gefühle mehr unter Kontrolle bekommen, Kevin. Deine Kräfte sind sehr stark an sie gebunden, viel stärker als ich es je bei einem Elementaren gesehen habe. Wenn du Wut oder Trauer oder ein anderes negatives Gefühl in dir ausbrechen lässt, könntest du mehr zerstören als nur deine Feinde..." Jetzt erst bemerkte Dunkan die beiden Neuankömmlinge. Er lächelte erfreut und winkte sie hinein. "Ah, Zeliarina! Und Dymeon! Kommt ihr Kevin besuchen? Ich glaube er könnte ein wenig Unterstützung gebrauchen." Kumpelhaft raufte er dem etwas geknickten Elementaren durch die weißen Haare, während sein Lächeln noch breiter wurde. Zeliarina bewunderte ihren Mentor dafür, dass er trotz der Schmerzen seiner Vergangenheit so heiter sein konnte, um sogar noch anderen Lancelor neuen Mut zu schenken. "Ja, wir würden gerne sehen, was er kann...", bestätigte die Donnerhexe. "Ich weiß, dass Kevin sehr gut mit seiner Waffe umgehen kann, doch von seinen Kräften hat er letztes Mal keinen Gebrauch gemacht." "Sie sind schwer zu beherrschen", gestand Kevin deprimiert. Er fischte seine Tüte mit Sonnenblumenkernen aus der Hosentasche und stopfte sich ein paar davon in den Mund. Noch während er kaute, umschloss er sein linkes Handgelenk mit den Fingern der rechten Hand und ließ die Innenfläche nach oben an die Decke zeigen. Zeliarina lehnte sich gespannt zwischen Dunkan und Dymeon an die schwarz angeschmorte Fensterbank. "Dann leg mal los..." Kevin antwortete mit einem gellenden Schrei, der tief aus seinem Inneren zu kommen schien und von Zorn getränkt war. Sein Gesicht verkrampfte sich vor Anstrengung, während der Schrei immer und immer lauter wurde, als schreie er alles aus sich heraus, was ihn jemals frustriert hatte. Dunkan schien nicht überrascht, Dymeon schenkte dem Jungen mildes Interesse und Zeliarina zuckte überrascht zusammen. Doch Kevin hatte alles um sich herum vergessen. Schließlich fingen seine Finger an rot zu glühen, ehe sie eine Sekunde später unter einer zweiten Haut aus knisternden, orangefarbenen Flammen verschwanden. Das Feuer schien Kevin keine Schmerzen zu bereiten und er lächelte zufrieden, doch als könnten die Flammen damit nicht überleben, verpufften sie bei seiner Zufriedenheit sofort wieder. Erschöpft sackte der Junge auf die Knie. "Er ist gut", erklärte Dunkan seiner Schülerin ruhig, "Seine Kräfte könnten zu einer der stärksten Waffen des Ordens werden. Doch bis jetzt kann er sie nur in Wut oder Trauer oder Hass einsetzen. Wenn wir diese Umstände nicht wegbekommen, könnte Kevin genau wie das Feuer unberechenbar werden und sich in Rage gegen uns wenden..." "Er ist ein guter Mensch, seine Augen sind rein. Seine Zeit wird kommen..." Dymeons Worte hingen eine Weile unbeantwortet in der Luft. Kevin stopfte sich, noch immer etwas keuchend, noch ein paar Sonnenblumenkerne in den Mund, während Zeliarina ihn mit verschränkten Armen beobachtete. "Und wie geht es dir?", fragte sie schließlich, so dass nur Dunkan sie hören konnte. Der Palas zuckte die Achseln. "Ich wollte dich damals in meinem Zimmer nicht erschrecken, Zeliarina. Es gibt einfach Tage, an denen das Lancelorleben zu einer echten Qual werden kann und selbst ich mich nicht unter Kontrolle halten kann. Es geht mir gut. Der Verlust meiner Zeliarina bleibt für mich nie vergessen, doch ich habe schon genug Tränen geweint..." "Ich bin immer für dich da." "So wie ich für dich... Wie ich sehe, geht es dir ein bisschen besser." "Wie ich Kevin bereits erzählt habe, Melissas Verlust ist schmerzvoll, doch ich werde sie zurückholen. Und bis dahin werde ich mit aller Kraft weiter gegen den Däezander kämpfen." Sie sah kurz zur Seite, doch Dunkan beobachtete stur seinen Schützling, der am Boden versuchte seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. "Das ist gut...", murmelte der Palas leise, "Denn der Däezander wird keine Rücksicht auf dich nehmen...Finden wir keinen Weg gegen die drohende Dunkle Dämmerung vorzugehen, wird er dich auf ewig jagen..." Die Art wie sich Dunkans Stimme plötzlich hoffnungsvoll veränderte und seine Augen zu leuchten begannen, ließ Zeliarina aufmerksam werden. "Gibt es...etwa einen Weg?" "Vielleicht... An einem fast vergessenen Ort. Man nennt ihn die Ruinen von Tradan. Er liegt verborgen in den Pyrenäen, die Frankreich und Spanien trennen, und soll angeblich über die Macht verfügen den Götterschwertträgern ihr Schicksal offen zu legen. Wir fanden die Ruinen bereits vor langer Zeit, doch es war uns nie möglich sie zu erkunden, da der Weg versperrt war. Zumindest für uns Menschen, die keine Götterschwerter trugen... Doch da du nun die rechtmäßige Wächterin Thundenstars bist, hat das Oberhaupt beschlossen, einige Lancelor noch einmal dorthin zu schicken... Es könnte uns neue Hoffnung für den Kampf geben... Es könnte aber auch die Verzweiflung noch mehr wachsen lassen..." "Hoffnung ist Hoffnung", meinte Kevin ohne zu zögern. Er hatte seine Atmung wieder normalisieren können und seitdem dem Gespräch von Zeliarina und Dunkan aufmerksam zugehört. "Und man muss ihr nachgehen, damit sie nicht einfach verblasst. Wir müssen zu diesen Ruinen!" "Das denke ich auch", stimmte Zeliarina entschlossen zu. Sie stieß sich von der Fensterbank ab und reichte Kevin hilfsbereit die Hand. Der Elementare nahm sie dankbar an, ließ sich aufhelfen und blieb kurz unschlüssig im Raum stehen, während sich Zeliarina einmal drehte, so dass sie Dunkan ansehen konnte. Sie lächelte zuversichtlich. "Wann geht's los?" "In zwei Tagen. Wir müssen erst einen Helikopter anfordern und die sind gerade alle unterwegs bei anderen Missionen. In letzter Zeit kommen so viele Hilferufe, dass wir kaum allen folgen können..." Der Palas seufzte kurz. "Wie auch immer. Das Oberhaupt möchte, dass du in dieser Zeit eine Gruppe bestimmst, die mitkommen soll. Dabei spielt es keine Rolle ob sie Palas oder Neuankömmlinge sind. Wichtig ist nur, dass es Menschen sind, denen du vertraust und zu denen du gehen kannst, wenn du Probleme hast. Sie sollen dein Schicksal kennen, falls es dir in den Ruinen von Tradan offenbart wird, damit sie dich besser verstehen und dir gute Freunde sein können. Wir wollen nicht, dass du wegen der Last Thundenstars einsam wirst. Ich weiß, diese Verantwortung muss schwer auf dir liegen, deswegen sollst du Lancelor wählen, die dir etwas dieser Verantwortung abnehmen können, die mit dir bis zum bitteren Ende kämpfen würden..." "Du sollst mitkommen...und Kevin...und-" "Nehme dir für diese Entscheidungen Zeit", unterbrach Dunkan sanft. Zeliarina nickte und wurde still, um über ihre Wahl nachzudenken. Als sie sich geistesabwesend eine Strähne blonden Haares hinter das Ohr strich, spürte sie wie Kevins Hand leicht ihre Schulter berührte und sie drückte. "Ich würde mit dir gehen, egal was uns in diesen Ruinen erwartet..." "Danke", hauchte sie gerührt. Dann blickte sie wieder zu Dunkan, der ihr aufmunternd zulächelte. In ihren hellgrünen Augen spiegelte sich die neu gewonnene Hoffnung wider, die die Ruinen von Tradan geschaffen hatten. "Einverstanden. In zwei Tagen werde ich mich entschieden haben..." "Gut..." Die ernste Stimmung verschwand mit einem Schlag aus Dunkans Stimme. Er lächelte, nicht mehr aufmunternd, sondern geradezu belustigt. "Dann können wir ja weitermachen, Kevin. Glaube nicht, dass ich dein Training vergessen habe..." Der Elementare seufzte betrübt und fing ein weiteres Mal an seine Hände mit Flammen zu umhüllen... Obwohl ich mir Dunkans Vorschlag zu Herzen nahm und intensiv darüber nachdachte, wen ich für die Reise zu den Ruinen von Tradan mitnahm, fiel mir die Entscheidung recht leicht. Dass Dymeon und Dunkan mich begleiten würden, stand außer Frage. Der Dämon musste mir als Schutzritter folgen und mein Mentor hatte sich scheinbar dazu verpflichtet mich zu beschützen. Vielleicht glaubte er so wieder gutzumachen, dass er seine Zeliarina nicht verteidigen konnte. Außerdem waren die Beiden stark, sie konnten im Notfall sogar Hochdämonen die Stirn bieten. Nach ihnen wählte ich noch Storm aus, der mich liebevoll ausgebildet hatte und einen extremen Hass auf den Däezander hegte, den ich ihm nicht verwehren wollte. Auch wenn ich bei ihm noch keine übernatürlichen Kräfte bemerkt hatte, wusste ich, dass er beinahe genauso mächtig war wie Dymeon oder Dunkan. Als letztes wünschte ich mir Kevin und Victoria als Begleiter. Es fiel mir schwer die zwei Lancelor tatsächlich mitzunehmen, da wie immer die Gefahr eines feindlichen Angriffes bestand und sie noch nicht so gut mit ihren Fähigkeiten fertig wurden. Doch nachdem Kevin mir zugesichert hatte, dass er mir beistehen würde, fragte ich auch Victoria. Die Telepathin stimmte mir wie es nun mal ihre Art war mit einem knappen Nicken zu. Sie nahmen es in Kauf, dass ihnen Gefahr drohte, weil sie sich bereits nach so kurzer Zeit zu meinen Freunden entwickelt hatten. Siviusson, der kleine skandinavische Meisterschütze, blieb nach meiner Wahl in Falcaniar. Er war ein geschickter Lancelor, doch er war kein kraftvoller Kämpfer und musste sich schon genug auf die Ausbildung anderer und den Kampf gegen die Dämonen konzentrieren. Auch Pendrian ließ ich aus meiner gewählten Gruppe raus, denn er hätte nicht gut mit Dymeon harmoniert. Meine Gefährten waren bestimmt. Dunkan ließ noch einen anderen, etwa dreißigjährigen Lancelor, der im Orden als Spezialist für die Alte Welt und ihre Aufzeichnungen galt, mitkommen. Er kannte sich mit der Geschichte der Götterschwerter und dem Beginn des Krieges aus wie kein zweiter. Sein Name war Titus McCain, Lancelor zweiten Ranges. Zusammen mit ihm, Dymeon, Dunkan, Storm, Victoria und Kevin machte ich mich am 22. Dezember auf den Weg zu den Ruinen von Tradan. Das Ganze liegt inzwischen über ein Jahr zurück. Doch der Tag blieb mir so frisch in Erinnerung, als wäre er erst gestern gewesen. Denn an diesem Tag bekam ich die Möglichkeit mein Schicksal kennen zu lernen. Es sollte der Wendepunkt des Krieges um die Götterschwerter werden... --------------------------------------------- Nächstes Mal: Eine Begegnung in den eisigen Höhen der Berge... Die verzweifelte Suche nach Antworten... Und ein entbrennender Kampf um die "Wahrheit", auf die die Lancelor schon so lange hoffen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)