Zweiter Betriebsausflug des Enma-Cho 1998 von Feyval (angesiedelt nach Band 8, weil ich weder Zeit noch Geld hatte ihn zu kaufen v.v) ================================================================================ Kapitel 6: TAG 7, 2. JANUAR 1999 -------------------------------- TAG 7, 2. JANUAR 1999 Muraki stand in seinem weißen Licht, von Finsternis umgeben. Er lächelte boshaft, und in seiner rechten Hand hielt er die Blechkiste aus Nagasaki. Watari wollte danach greifen, doch Murakis Licht brannte in seinen Augen, seinem Gesicht, an seinen Händen und Armen. Muraki bückte sich, drehte sich schwungvoll und schleuderte ihm die Kiste entgegen. Doch anstatt in Wataris Händen zu landen, verwandelte sie sich in einen Eiszapfen, der sich in seinen Hals bohrte. Watari rang nach Luft. Das Eis stach tiefer und tiefer und gab dabei einen grässlichen lauten Ton von sich... [Jetz is bei mir Mitternacht] Watari schrie auf und erwachte schweißgebadet in seinem Bett im Labor. Der Wecker auf seinem Nachttisch schrillte und schrillte sich die Seele aus dem Leib. Watari keuchte und betastete seinen Hals. Die Kälte war noch nicht aus seinem Körper gewichen. Langsam und wie betäubt richtete er sich auf und drückte auf seinen Wecker. Das Schrillen hörte auf. Seine Hand verhielt einen Moment über dem Nachtschrank, dann senkte sie sich auf die Metallkassette, die neben dem Wecker lag und betastete erst den Deckel, dann den Verschluss. Noch immer wie benebelt zog Watari die Kiste zu sich herüber, presste sie an seinen Körper und starrte ins Leere. Sein stoßweiser Atem beruhigte sich langsam und das Metall der Kassette erwärmte sich. Nach fünf Minuten schrillte der Wecker erneut. Watari fuhr zusammen. Er stellte ihn endgültig aus, griff nach seiner Brille und erhob sich. Das war nur ein Traum, Yutaka. Zeit für die Sitzung. An seiner Wohnungstür klopfte es. Der Chemiker fuhr in seine Kleider und setzte seine Brille auf. "Ohayo!!" riefen Yuma und Saya gleichzeitig, als sie in sein Quartier stürmten. Rasch ließ Watari den Blechkasten unter seiner Bettdecke verschwinden. "Hallo, Mädels!" Ein unwillkürliches Lächeln schlich sich in seine Mundwinkel. Die zwei konnte wirklich kein Wässerchen trüben. "Kommst du mit uns frühstücken?" "Wir haben Kuchen gebacken und Punsch gekocht!" "Wow, sind deine Haare lang!" staunte Saya. "Dürfen wir die kämmen?" "Äh", konnte Watari noch sagen, bevor die beiden Shinigami mit ihren Bürsten über ihn herfielen. "Oje, die sind ja verbrannt da unten..." "Ayeee!!!" schrie Watari. "Stopstopstop! Au! Stop, ihr zwei, das...Auuu!" "Du musst stillhalten, Watari, dann tut's nicht so weh", belehrte ihn Yuma. "Sagt wer?" wimmerte Watari. "Auuuuu!! Stooop!" "Das ist aber ganz schön verfilzt. Wann hast du dich denn das letzte Mal gekämmt?" "Gleich hab ich den Knoten." "Gnaaade!" heulte Watari. "Ihr bringt mich um!" "Männer sind immer so wehleidig." "Wenn du stillhalten würdest, wäre es nicht so schlimm." "Ihr seid schlimm!" stöhnte Watari. "Ihr reißt mir ja - Au! - alle Haare aus!!" "Also ich finde es immer toll, wenn Saya mich kämmt." "Ja, das stimmt. Wenn man gekämmt wird, ist das ein ganz tolles Gefühl. Wie eine Massage." "Eine schwedische, befürchte ich. Au!" Watari ergab sich in sein Schicksal. "Macht doch ein bisschen zärter, ja?" "Stimmt, Yuma, er hat viel durchgemacht. Wir sollten vielleicht das verbrannte Stück rausschneiden, was meinst du?" "Moment...!" "Oder kurze Haare! Meinst du, ihm stehen auch kurze Haare, Saya? - Dann sähe er aus wie ein Engelchen..." "Nehmt die Schere weg! Ich warne euch...!" "Aber Yuma! Tatsumi hat doch gesagt, wir sollen uns beeilen." "Hach, Gott sei Dank!" "Du hast recht. Wir frisieren ihn morgen." BAKING! Watari kippte auf den Boden. (Dabei macht er ein Gesicht wie Kenshin, wenn er "oho" sagt^^). "Jetzt hast du die Frisur ruiniert!" "Machen wir ihm einen Zopf, sonst kommen wir noch zu spät." "Blubb...", über Wataris Kopf stiegen Seifenblasen auf, in denen kleine Glöckchen bimmelten. Fast wünschte er sich, er würde noch immer träumen... obwohl... nein, eigentlich nicht wirklich. __________ Nach einem ausgiebigen Frühstück beschlossen Watari, Yuma und Saya, den Abwasch auf später zu verschieben. Sie machten sich auf zum Meeting-Raum und trafen unterwegs Tsusuki und Hisoka. Dem Jungen fiel beim Anblick der beiden Hokkaido-Schwestern ganz plötzlich ein, dass er noch mal auf die Toilette musste. Die Mädchen folgten ihm natürlich, um ihn gebührend zu begrüßen. "Ohayo!" begrüßten sich die beiden anderen. "Na, Watari, geht's dir gut? Hallo 003!" Tsusuki kitzelte die puschelige Eule auf Wataris Schulter, die daraufhin schnurrte und sich schüttelte. (Nein, ich hab die Eule nicht vergessen^^... das heißt, bis jetzt oo') Der Wissenschaftler sah lächelnd zu. "Jaa! Ich hab heute ein tolles Frühstück gekriegt!" "Von wem?" "Die zwei Mädels haben mich eingeladen." "Haaach!" Tsusuki schwelgte in süßen Erinnerungen. "Oh, Tsusuki, du hast da was im Haar..." Watari zog ein paar Blätter und Blüten aus Tsusukis Schopf. "Ich dachte, du schläfst bei Hisoka, bis der Entwickler mit dem Wuchern aufhört?" "Nicht?" shuhute 003. "Da wachsen jetzt auch schon Blumen", entgegnete Tsusuki mit einem kleinen Tropfen. "Ich hab dir doch gesagt, du sollst duschen!" "Hab ich doch! Extra mit ganz viel Seife!" "Ou..." Watari langte sich an die Stirn. "Hab ich's dir nicht gesagt, eh? OHNE Seife! Wahrscheinlich hast du jetzt fünf Seifen in deinem Bad. Oder Seifenblumen." "Meinst du?" freute sich Tsusuki. "Dann muss ich mir dieses Jahr gar keine mehr kaufen!" "Wahrscheinlich..." Sie betraten den Raum. "Ohayo." "Morgen." "Tag." "Guten Morgen." *brummel* Man begrüßte sich gegenseitig. "Wo sind denn die Kinder?" fragte Konoe. "Oh, lassen Sie sie das nicht hören, Chef!" mahnte ihn Watari gut gelaunt. Seine Stimmung passte irgendwie nicht in das Gesamtbild. Jeder hatte so seine eigenen Sorgen, was diesen zweiten Januar betraf: Tatsumi grübelte noch über den Kassenbüchern von 1998 und befasste sich ansonsten mit seinen Mordgedanken bezüglich Muraki. Konoe sinnierte über das bevorstehende Kyudo-Turnier und hoffte, dass er trotz der Krise Gelegenheit haben würde, teilzunehmen. Er spielte in Gedanken auch immer wieder das Sicherheitssystem durch und suchte nach Schwachstellen. Terazuma stand rauchend auf dem Balkon nebenan und unterhielt sich mit Wakaba durch das geöffnete Fenster. Sie war bemüht, ihm einzureden, dass er sich vor den Hokkaido-Schwestern nicht fürchten musste und versuchte, ihn in das Zimmer zurückzuholen. Die beiden Gushoshins bereiteten unterdessen das Protokoll vor. Tsusuki und Watari setzten sich. Der Chemiker stellte den geliehenen Laptop auf den Tisch und ließ ihn hochfahren. 003 stupste ihn am Ohr. Watari nahm das Eulchen von seiner Schulter, setzte es auf den Tisch und gab ihm einen Keks. 003 schnurrte zufrieden und begann sein/ihr (?oÒ wenn ich das jetzt wüsste...) zweites Frühstück. Watari kratzte sich am Kopf, denn seine Haare waren ja zusammengebunden, und zwar etwas straffer als sonst. Er begann den Zopf aufzudröseln, um zu vermeiden, dass er später auch noch Kopfweh bekam. Erleichtert wuschelte er die Locken durch und suchte in dem Laptop nach seinen Ordnern. Bis auf die Gushoshins und Wakaba schwiegen alle bedrückt. Schließlich kamen Yuma und Saya hereingeschlendert. Unauffällig und mit 20 Sekunden Abstand folgte ihnen Hisoka, der inständig hoffte, dass man den Lippenstift nicht mehr sah, mit dem die beiden ihn bearbeitet hatten. Pink, versteht sich^^. Wakaba stürzte auf die beiden zu, schob sie neben Tsusuki und packte sie auf zwei Stühle. Es folgten - weiter nach links in der Sitzordnung - die Gebrüder Gushoshin, Tatsumi Seiichiro, Konoe der Chef, Terazuma Hajime, der sich nun doch hereintraute, Wakaba, Hisoka und zuletzt Watari. Der Gushoshin begann eifrig zu tippen: Anwesend elf, niemand durch Krankheit verhindert; Beginn der Sitzung: 9:10 Uhr, 10 Minuten Verspätung; Thema: Bewältigung der durch Dr. Muraki Kazutaka verursachten Krise. (Bürokraten schaffen's immer wieder, Tatsachen in Wortschlangen zu verpacken^^.) Konoe schlug ein paar Mal gegen den kleinen Gong auf dem Tisch. "Ich bitte um Ruhe! Wir wollen anfangen. Yuma, Saya und Tsusuki, ihr auch. Über das Frühstück könnt ihr euch später unterhalten." Tsusuki hatte sich beschwert, warum er nicht eingeladen worden war. Der Chef wartete, bis ihm alle zuhörten. "So. Guten Morgen alle miteinander, herzlich willkommen und so weiter zur ersten Krisensitzung der Abteilung für Vorladungen des Juo-Cho in diesem Jahr." Tsusuki gähnte verhalten. Konoe räusperte sich. "Unser Thema ist Dr. Muraki. Tatsumi, die Tagesordnung bitte." "Jawohl, Chef. Punkt eins: Begrüßung durch den Vorsitzenden. Punkt zwei: Zusammenfassung von Dr. Muraki Kazutakas Akte durch Berichte der Betroffenen. Punkt drei: Lösungsfindung für das Problem seiner Bedrohung. Punkt vier: Vorstellung eines neuen Mitarbeiters..." "Uiiiii! Ein Neuer!" quiekte Saya. "Wie er wohl aussieht?" Gemurmel erhob sich. "Können wir den Punkt nicht an den Anfang stellen, Tatsumi?" "Bitte keine Unterbrechungen", unterbrach sie der Sekretär kühl. "Unser Problem drängt. Fangen wir mit den Berichten an..." "Einen Moment." Hajime hob die Hand. "Das ist doch'n billiger Trick! Muraki verkleidet sich als Neuling und kommt hier reingeschneit!" "Richtig", bestätigte Wakaba. "Wer garantiert uns...?" "ICH garantiere euch", entgegnete Tatsumi leicht genervt, "dass ich ihn selbst auf Herz und Nieren geprüft habe. Und jetzt bitte keine weiteren Unterbrechungen mehr. Wir beginnen mit Punkt ZWEI." Ein Blick über den Rand seiner Brille sorgte augenblicklich für Ruhe. "Tsusuki und Kurosaki, eure Berichte bitte." Es folgte eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse von Band 1-8, in denen Muraki vorkommt. Nachdem Hisoka seine letzten Beobachtungen im Labor der Shion-Universität geschildert hatte, setzte er sich. Alle dachten schweigend nach. Schließlich seufzte Konoe und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. "Abschließend lässt sich also sagen - Gushoshins, protokolliert das bitte wörtlich: Dr. Muraki ist ein 34-jähriger Arzt mit einem psychischen Problem, der Tsusuki entführen will, um in den Besitz seiner Kraft zu kommen." "Und seines Körpers", fügte Tatsumi hinzu. "Ja, das auch. Tatsumi. Watari. Habt ihr dem noch etwas hinzuzufügen?" Der Sekretär rückte seine Brille zurecht. "Ich bin der Ansicht, dass Muraki nicht menschlich ist. Zumindest nicht vollständig. Seine Aura enthält etwas, das sich mit der Logik der Magie nicht erklären lässt." "Was denn?" Wakaba zeigte sich interessiert. "Es lässt sich nicht definieren." Wieder nachdenkliches Schweigen. "Watari?" meinte Konoe. "Tja, also", (begann der Professor seinen Vortrag^^) "außer Oriya und uns scheint niemand über die Machenschaften von dem Doktor bescheid zu wissen. Nach außen hin gibt er sich ziemlich normal. Mal sehen...", seine Finger flogen über die Tastatur. "Ja, zur Zeit macht er ein Krankenhaus in Tokyo unsicher. Das heißt, er arbeitet dort als Chirurg. Laut Polizeiakten ist er weder vorbestraft noch sonst irgendwie belangt worden. Nicht mal ein Strafzettel. Weiße Weste sozusagen..." "Komm zur Sache." Terazuma beugte sich über den Tisch und sah Watari an. "Glaubst du, er ist menschlich?" Der Wissenschaftler war immer noch der einzige mit guter Laune. Er grinste. "Weißt du, vor ein paar Tagen hätte ich wahrscheinlich noch nein gesagt, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher." "Hä? Wieso?" wollte Tsusuki wissen. "Was hat denn die DNA-Analyse ergeben?" Konoe nahm Terazuma die Keksschale weg. "Du sagtest doch, es wäre etwas nicht-menschliches dabei. Hast du herausgefunden, was es ist?" Der Chef steckte sich einen Keks in den Mund. Watari bearbeitete seinen Laptop. "Ja, da war was... da, ich hab's: Eine Mosaik-Trisomie, soweit sich das aus den paar Haaren feststellen lässt, und zwar für verschiedene Chromosomen." "Was bedeutet das, Watari?" Tsusuki folgte interessiert den Tabellen auf dem Bildschirm, obwohl er nichts von dem kapierte, was da stand. "Es handelt sich um eine Art Mutation. Normalerweise tritt eine Veränderung der Gene in allen Zellen gleich auf. Ist das nicht der Fall, nennt man das Mosaik. Aber wie gesagt! Es könnte auch anders sein. Mit den paar Haaren lässt sich nur eine Theorie aufstellen. Um das zu beweisen, bräuchte ich noch ein paar andere Proben..." "Zum Beispiel?" wollte Tsusuki wissen, der sich über die Vorstellung von Muraki als Wataris Versuchskaninchen amüsierte. "Ach, so verschiedenes: Haut, Blut, Speichel, Sperma..." "Bäh!" machte Tsusuki. "...aber um da ran zu kommen, müssen wir ihn ja erst einmal haben." "Tritt so ein Mosaik auch bei Menschen auf?" fragte Konoe. Watari schob seine Brille hoch. "Ja, allerdings selten. So einen speziellen Fall wie Muraki kennt die Forschung bis jetzt noch nicht. Es lohnt sich sicher, ihn genauer zu untersuchen." "Damit bleibt die Frage also unbeantwortet." Der Chef lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. "Meinst du, die Formel wirkt bei ihm deshalb anders?" fragte Hisoka. Watari zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Wären meine Macs nicht kaputt, könnte ich es mit der DNA von den Haaren durchrechnen. Aber schon allein die Tatsache, dass seine Aura unlogisch ist, lässt keine Prognose zu." "Na dann hoffen wir, dass das Zeug ihm gehörig einheizt!" meinte Terazuma schadenfroh. "Bleibt abzuwarten." Hisoka nahm einen Schluck Kaffee. Tatsumi klopfte mit dem Bleistift auf den Tisch. "Dann würde ich vorschlagen, dass wir jetzt zu Punkt drei übergehen: Lösungsvorschläge bitte." Betretenes Schweigen folgte. Alle dachten nach. Yuma und Saya tuschelten leise und waren bereits nach einer Minute vom Thema abgekommen. "M?" ein Gushoshin hob die Hand. Überrascht wandten sich ihm alle Blicke zu. "Ja, bitte?" sagte Konoe zögernd. "Wenn der Doktor wieder die gleiche Hacker-Spur benutzt wie beim ersten Mal, könnten wir ihm ein Virus anhängen." " - Ich glaub nicht, dass er die noch mal benutzt", meinte Watari überzeugt. "Nicht, wenn er die Formel hat." "Aber möglich wär's", widersprach Wakaba. "Tsusuki, gibt es noch einen stärkeren Geist als Toda?" fragte Hisoka seinen Partner. Dieser überlegte ("Äh") und sah dann zu Konoe. "Die gibt es schon", meinte der Chef, "aber bis heute hat sie sich noch niemand dienstbar gemacht." "Wir könnten das Ausland um Hilfe bitten", schlug Tatsumi vor. "Hatten wir nicht Kontakte zu China und Neuseeland? Ich erinnere mich da an einen Geist..." "Ich ebenfalls", unterbrach ihn der Chef. "Der Geist ist ein Wal. Er würde das gesamte Gebäude unter Wasser setzen." "Oh. - Und was ist mit China?" "Leider haben die hiesigen Behörden selbst genug zu tun." "Und was ist mit dem Rest der Welt?" meldete sich Hisoka wieder. "Mexico City zum Beispiel, oder Schottland? Skandinavien, Island, Griechenland, Ägypten..." Konoe seufzte. "Dienstbare Geister sind nicht leicht zu importieren. Europa und Südamerika sind viel zu weit weg, und außerdem schadet das unserem Ruf, wenn wir andere Länder um Hilfe bitten." "Aber hören Sie mal, Chef!" ereiferte sich Hajime. "Es geht um die Sicherheit der Behörde! Wir haben hier doch mehr zu verlieren als einen guten Ruf!" "Diplomatie ist sehr kompliziert", entgegnete Konoe geduldig. "Ich habe mich in den letzten Tagen kundig gemacht: Das Ausland ist keine Alternative." "Ach, Watari!!" Alle fuhren zusammen, als Yuma laut verkündete, dass sie eine Idee hatte: "Hast du nicht letzten Frühling diese Schokolade verteilt, die alles durcheinander gebracht hat?" "Ja, genau, als alle Persönlichkeiten vertauscht waren!" "Dann wüsste Muraki nicht, wer von uns Tsusuki ist...!" "Du hast ja deine Frisur aufgemacht! Hat sie dir nicht gefallen?" "Ja, sollen wir dir eine neue machen...?" "Still jetzt! Lasst ihn ausreden." Tatsumis Autorität ließ die Hokkaido-Schwestern für ein paar Sekunden verstummen. Das genügte Watari, um das Wort zu ergreifen, doch vorher warf er Tatsumi noch einen Blick zu, der besagte: Das wäre jetzt nicht nötig gewesen. "Das Zeug hält kaum ne halbe Stunde, und Tatsumi hat die Reste damals ja höchstpersönlich vernichtet." "Was?! Warum?" "Warum denn, Tatsumi?" Der Sekretär lächelte zynisch. "Um verantwortungslosem Gebrauch vorzubeugen." "Hey, das ist gemein!" Watari verschränkte die Arme und schmollte. "Ich verwende meine Erfindungen immer verantwortungsbewusst!" "Ja, aber du hättest sie nicht an uns testen brauchen", mischte sich Hisoka ein. "Genau!" bestätigte Tsusuki. "Nur zu! Fallt mir nur alle in den Rücken!" maulte Watari beleidigt. "Ihr wollt bloß nicht zugeben, dass es euch Spaß gemacht hat!" "Aber nein, Watari", versuchte Tsusuki ihn zu beruhigen. "Schluss jetzt, Schluss!" wetterte Konoe. "Das ist ja wie im Kindergarten! Mit euch kann man keine anständige Diskussion führen! - Watari. Glaubst du Muraki lässt sich irgendwie vergiften?" "Wenn Sie denken, dass ich ihn auf einen Drink einlade, dann vergessen Sie's! Ich bin doch nicht lebensmüde!" "Ich habe dabei mehr an Gaspatronen gedacht, Watari." "Ach so. Ja, davon müsste ich noch... äh, ich meine, WIR müssten davon noch welche haben. Allerdings nur zwei Gaspistolen... glaub ich..." "Irgendwie lässt doch die Notfallvorsorge in dieser Behörde zu wünschen übrig, oder?" nörgelte Konoe und bedachte seinen Sekretär mit einem Seitenblick. "Äh, eigentlich fällt das in ihre Zuständigkeit, Chef." "Und wer hat erst letztes Jahr das Budget dafür gekürzt?" Tatsumi neselte an seiner Brille. "Bei den vielen Reparaturkosten ging es nicht anders." "Vielleicht haben wir morgen noch viel mehr Reparaturkosten!" "Jetzt beruhigen Sie sich doch mal, Chef", lenkte Watari ein. "Wer hätte denn mit so was gerechnet!" Konoe atmete tief durch und zwickte sich in die Nasenwurzel. "Tut mir leid, Jungs, ich werde wohl etwas zu alt für den ganzen Stress." "Ach Quatsch, Sie machen das prima!" Watari lächelte breit. "Ja, Chef, Sie dürfen noch nicht in den Ruhestand gehen!" bettelte Tsusuki. (<-Sie haben alle Angst, dass Tatsumi der Nachfolger wird.^^) Konoe hob den Kopf. "Wer hat denn was von Ruhestand gesagt, eh? Kein Arzt bringt mich dazu, in Rente zu gehen, darauf könnt ihr Gift nehmen!" Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Tatsumi verfolgte das ganze Geschehen mit ausdrucksloser Miene. "Nehmt das bitte nicht mit ins Protokoll", raunte er den Gushoshins zu. "Rm?" "Warum nicht?" Tatsumi unterdrückte ein Augenrollen. "Ach nichts. Darum halt." (<- Er schämt sich für seine Fehlkalkulation^^) Watari meldete sich vorsichtig zu Wort - es konnte ja sein, dass der Chef wieder anfing, Feuer zu spucken. "Ich würde sagen, dass wir uns bei Alarm alle irgendwo treffen. Am besten vor dem Gerichtssaal, da sind die Bannflüche am stärksten..." "Der war aber schon mal kaputt", gab Wakaba zu bedenken. "Ja", bestätigten die Gushoshins eifrig, während Tsusuki sich in einen äußerst verlegenen Wuschelhund verwandelte. (*flenn*) "Das war doch gar nicht ich!" jammerte er. "Jedenfalls!" Watari versuchte sich wieder Gehör zu verschaffen, "haben wir alle zusammen vielleicht eher eine Chance, ihn dingfest zu machen. Tatsumi und Konoe vor allem", er warf den beiden einen Blick zu, "aber genauso Tsusuki, Hajime und Kurosaki. Und damit auch jeder den Alarm mitkriegt", er verschwand kurzzeitig unter dem Tisch, "habe ich für euch ein paar Piepser zusammengebaut!" Stolz leerte er einen Karton voller kleiner Geräte auf dem Tisch aus. (Ups, wo hat er den her...? Vergessen! óò - Wie auch immer...) "Marke Eigenbau! Mit Sonderausstattung: Variabler Piepston, extragroße Schrift für Kurzsichtige, Vibrationsalarm und Diktierfunktion. Extra starke Netzleistung. Mit diesem Ding wirst du dich nie in einem Funkloch befinden! Das ist der Piepser des neuen Jahrtausends!" Schweigen. "Zeig mal", forderte Yuma. Sie grabschte sich ein Gerät und drückte darauf herum. "Wo geht denn das an?" "Achtung, sonst...!" TRÖÖÖÖÖT!!! Der Alarm ging los. Sirenen begannen zu heulen und eine Computerstimme meldete sich im Lautsprecher: "Alarmstufe rot! Alarmstufe rot! Schilde werden verdoppelt! Alle Versorgungen schalten auf Sicherheitsstufe 5! Schadensmeldung: 0%!" "Bravo!" Konoe quoll Rauch aus den Ohren. "Eine wunderbare Idee, Watari!" "Aber ich hab doch gar nichts gemacht!" winselte der Wissenschaftler und duckte sich unter der Stichflamme hinweg, die Konoe nach ihm schleuderte. Daraufhin ging die Sprinkleranlage an. "Iiiiiiih, meine Frisur!!" kreischten Saya und Yuma gleichzeitig. Watari und die Gushoshins retteten ihre Geräte vor dem Wasser, während alle anderen aus dem Raum stürzten. Das Chaos war perfekt. "Schaltet den Alarm ab!" rief Tatsumi den Gushoshins zu. Triefend hämmerten die beiden auf ihren Tastaturen herum. Watari suchte am Boden nach dem Piepser, den Yuma fallengelassen hatte. Tsusuki stolperte über ihn und schubste damit aus Versehen Hisoka in Konoes Schusslinie, der daraufhin vor lauter Rauch und Feuer die Orientierung verlor und mit Hajime zusammenstieß, dessen Reaktion auf die Berührung dem ganzen Tumult die Krone aufsetzte. Gerade noch rechtzeitig verhinderte Wakaba das Entstehen einer dritten Baustelle... __________ Eine halbe Stunde später saßen alle mit trockenen Klamotten, nassen Haaren und in ziemlich mieser Stimmung im Konferenzraum der Abteilung für Verhandlungsausschüsse. Konoe hatte mit dem zuständigen Abteilungsleiter verhandelt und ihm als Entschädigung für den Aufwand 20 % mehr Miete für den Raum bezahlt. An seinen Ohren klebte noch Ruß und er machte einen äußerst gereizten Eindruck. Hisoka war mit Pflastern übersäht. "Also schön", fuhr der Sekretär für den Chef fort. "Gushoshins, ins Protokoll: Das Ergebnis der Diskussion war ein Fehlalarm mit Nebenkosten, die Yuma und Watari sich teilen." "Aber...!" protestierten die beiden wie aus einem Mund und zeigten gegenseitig mit dem Finger aufeinander. "Als vorbeugende Maßnahme gegen Murakis Auftauchen", fuhr Tatsumi unbeirrt fort, "erhält jeder der Anwesenden einen Piepser, dessen Bedienung uns Watari danach unverzüglich erklären wird. Bei Verdacht wird Alarmstufe 4 ausgelöst, bei einem konkreten Zwischenfall Alarmstufe rot. Hat der Piepser eine Ortungsfunktion?" "Hm", machte Watari säuerlich. Sogar seine gute Laune war verflogen. "Gut. Alle haben sich bei Alarm sofort dort zu sammeln, wo er ausgelöst wurde. Wer seinen Piepser abschaltet oder nicht bei sich trägt, steht unter Verdacht." Die Computer der Gushoshins ratterten. "Soweit zu Punkt drei. Irgendwelche Einwände?" Keiner machte einen Mucks. Watari fixierte Tatsumi, dem von dem Blick richtig unbehaglich wurde. Um eine Diskussion über die Tilgung der entstandenen Kosten würde er wohl nicht herumkommen. "Dann kommen wir zum vierten Punkt." "Jippieh, der Neue!" freute sich Saya. Tatsumi stand auf und ging zur Tür. "Ich werde ihn holen, einen Augenblick." Die beiden Mädchen schwätzen munter weiter und verloren sich bald in den wildesten Spekulationen über das Aussehen des neuen Shinigami. Tsusuki schubste Watari an. "Jetzt wird's spannend!" "Mir gefällt die Sache trotzdem nicht", murmelte der Chemiker. "Auf dem Schiff hatte dieser Arzt auch ein Alibi, und er war es trotzdem. Ich wäre an deiner Stelle auf der Hut." "Shu", bestätigte 003. "Ja, schon. Aber die Todesengel durchlaufen doch eine monatelange Prüfung. Das kann doch unmöglich Muraki sein." "Weißt du noch, was Tatsumi gesagt hat? Ich glaube nicht, dass man Muraki in dieser Hinsicht mit Logik beikommen kann. Das ist mehr so ein Gefühl." "Mir geht's genauso." Hisoka starrte ebenfalls auf die Tür. "Ich hoffe, dass die Formel die Aura nicht verändert. Dann kann ich ihn erkennen." "Hehe, äh... na ja", Watari streichelte 003, "eigentlich war sie genau so konzipiert." Hisoka kräuselte die Lippen und seufzte nervös. Als die Klinke sich bewegte, verstummten die Gespräche und alle Blicke wandten sich zur Tür. Der Mann, der Tatsumi in den Raum folgte, war fast eineinhalb Köpfe kleiner als dieser und mittleren Alters. Er hatte kurze schwarze Haare - noch kürzer als Konoe - , trug eine runde Brille und einen weißen Kittel. Ein wenig zerstreut blickte er auf die merkwürdige Versammlung, und sein Blick blieb an Tsusuki, Hisoka und Watari hängen. Etwas wie Erkennen zeichnete sich in seinem Blick ab und er machte den Mund auf, doch Watari war schneller: "Satomi!!" rief er und sprang auf. (<- Der Lehrer von Muraki^^) "Ihr...?" brachte der Professor hervor. "Kennt ihr euch?" fragte Konoe. Watari packte Satomis Hand und schüttelte sie kräftig. "Herzlich willkommen, Herr Kollege! Nein, wer hätte gedacht, dass wir uns wiedersehen!" Der Professor lächelte etwas hilflos und gequält und rieb seine zerquetschte Hand. "Ganz meinerseits... äh...", stotterte er. "Ich bin Watari Yutaka", plauderte Watari fröhlich weiter. "Ihr werdet vorerst zusammenarbeiten", erläuterte Tatsumi. "Wirklich?" Uiii, toll! Ich zeig Ihnen mein Labor, Professor. Sie werden..." "Das", unterbrach ihn Tatsumi ungerührt, "ist Abteilungsleiter Konoe, den Sie sicher schon kennen." Professor Satomi schien sichtlich erleichtert, von seinem hyperaktiven Kollegen befreit zu sein. "Das sind Kurosaki Hisoka...", "Hallo." "Wakaba...", "Angenehm." *lächel* "...und Terazuma Hajime." "Tag." *Händedruck* "Das sind die Gushoshins, unsere Buchhalter und Archivare." "Konnichiwa!" quäkten die beiden im Chor. "Das sind Yuma und Saya aus dem Henjo-Cho auf Hokkaido...", "Hallo!" "Hallo, Professor! Wie geht's Ihnen?" "Äh, danke, g..." "Ach, sieh mal, Sie sind ja doch größer als ich!" "Und Sie haben so einen reifen Charme! Waren Sie verheiratet?" "Genug jetzt, ihr zwei!" wies Tatsumi sie zurecht. "Also wirklich!" "Wir wollen doch nur nett sein!" "Genau. Einen neuen Mitarbeiter muss man doch anständig begrüßen!" "Und das ist Tsusuki Asato, Kurosakis Partner. Die beiden sind zuständig für Kyushu." Die beiden gaben sich die Hand. "Ohayo", lächelte Asato. "Soso, Tsusuki heißen Sie also..." "...?" Tsusuki glubschte etwas ratlos. Satomi lachte. "Sie sind damals bei mir hereingeschneit und wollten etwas über Muraki wissen, Sie drei." Er deutete auf Tsusuki, Watari und den Jungen. "Können Sie uns weiterhelfen?" fragte Hisoka. "Die Ermittlungen waren bisher erfolglos." Nachdenklich rieb Satomi sich das Kinn und sah aus dem Fenster neben ihm. "Ja, ich könnte euch helfen", sagte er schließlich. "Muraki war mein Schüler, aber er hat mich genauso hintergangen. Ich weiß einiges über ihn... nur fällt mir nicht immer... ah!" Satomi schien eine Idee zu haben. Er zog Block und Stift aus der Tasche und begann etwas zu kritzeln. "Muraki Kazutaka...", murmelte er. Noch während er diese Worte aussprach, fielen ihm die Augen zu und er klappte einfach zusammen. "Professor!" rief Tsusuki, der direkt daneben stand. "Halt, Tsusuki...!!!" schrie Hisoka, doch es war zu spät. Eine weiße Lichtsäule baute sich um Satomi herum auf und verschlang Tsusuki, der neben dem Professor auf die Knie gegangen war. Ein Windstoß kam und fegte die anderen Shinigami von den Füßen, bevor sie noch wussten wie ihnen geschah. Die hohen Fenster klirrten und zerbarsten in Millionen kleine Splitter. (<- Wer kennt "Highlander"? Da is das geklaut^^) Tatsumi schrie und sammelte Schatten um sich, doch im grellen Schein der Säule lösten sie sich alle auf. Es gab keine Dunkelheit mehr, nur noch den weißen Sturm und Tsusukis Hilferufe. Professor Satomis Notizblock flog hoch, zerteilte sich, flatterte im Wirbelwind und fügte sich langsam zu einer menschlichen Gestalt zusammen. Als das letzte Stück an seinem Platz war, legte sich der Wind. Das Licht verschwand. Muraki stand vor ihnen. Satomi lag ohnmächtig am Boden. Tsusuki hockte neben ihm. Die anderen Todesengel rappelten sich auf und starrten den Arzt an. "Ooooh", machten Saya und Yuma, Mund und Augen weit aufgerissen. "Muraki!" knurrte Tatsumi. Der Doktor lächelte sein eiskaltes Lächeln und funkelte den Sekretär herausfordernd an. Langsam hob er den rechten Arm, seine Hand hielt Satomis weißen Stift. "Zeit für die Sprechstunde", sagte er mit seiner unverwechselbaren tiefen Stimme. Ein misstönendes Tschik! war zu hören und Muraki hielt statt des Stiftes eine Spritze in der Hand. Er bückte sich, zog Tsusuki auf die Beine und stach ihm die Nadel hinterm Schlüsselbein unter die Haut. "Ahh! Lass los!" rief Tsusuki und versuchte sich zu befreien. "Halt still, sonst drücke ich ab." Tsusuki erstarrte. "Hilfe!" wimmerte er. "Du Monster! Lass ihn los!" schrie Hisoka. "Lass ihn los, du Schwein!" brüllte Terazuma. (^^yea!) "Loslassen, oder ich schicke dich zur Hölle!" zischte Tatsumi und hob drohend die Faust. "Curare." Seelenruhig strich sich der Arzt eine Strähne aus der Stirn. "Fünf Kubikzentimeter davon dürften genügen, um selbst einen Todesengel in die ewige Nacht zu schicken." "Du...!!" schrie Tatsumi. "Wartet! Stop!!!" Watari befreite sich aus den Trümmern des Mobiliars und hinkte nach vorn. "Das ist Pfeilgift!" keuchte er. "Was für ein Gift?" fragte Terazuma. "Pfeilgift aus Brasilien! Es tötet binnen Sekunden!" (<- Wieder meine Biokenntnisse^^) "Aber doch nicht einen Todesengel...", widersprach Wakaba. "Doch!! Mein Gott, bleibt stehen! Bei fünf Kubikzentimetern...!" Watari ging in die Knie. Muraki lächelte und strich mit seiner freien Hand über Tsusukis Kinn. "Es wäre klug von euch, auf Yutaka zu hören." Tsusuki zitterte. "Was willst du?" fragte Konoe böse. "Wenn du ihn tötest, verspielst du deinen Trumpf." "Die Karten sind neu gemischt worden", entgegnete Muraki. "Aber wie ist er hier reingekommen?" verzweifelt betrachteten die Gushoshins den Schaden. "Das ist doch völlig unmöglich!" Muraki betrachtete sie verächtlich und sie huschten hinter Konoe. "Diese Aura...", murmelte der Chef. "Eure Schilde sind zwar stark, aber euer System ist lächerlich. Satomi fand seinen Notizblick draußen auf der Treppe und als er wieder hereinwollte, hielt man es für falschen Alarm." "Ein Gegenstand also." Watari stemmte sich hoch. "Du hast dich mit der Formel in einen Block verwandelt..." "Ganz recht." "Aber... wie hast du das so schnell hingekriegt?" Der Chemiker verstand die Welt nicht mehr. "Die meisten Basismischungen lassen sich aus handelsüblichen Medikamenten herstellen." Der Doktor schob seine Brille hoch. "Ich habe kaum sechs Stunden gebraucht." "Sechs...!" Watari fiel die Kinnlade herunter. Alle Anwesenden schauderten, als sie daran dachten, was ihnen hätte passieren können... "Aber warum Tsusuki!?" Watari kam humpelnd auf die beiden zu. "Die Karten sind neu gemischt worden. Die Lage hat sich geändert. Jemand ist gestorben, bevor ich mich an ihm rächen konnte." Murakis Augen blitzten. "Wo ist Saki!" verlangte er zu wissen. Er lächelte nicht mehr. Kaltes Licht glomm in seinem rechten Auge. Hisoka stöhnte und sank auf die Knie. Sofort umschwirrten ihn die beiden Mädchen. "Hisoka, was ist mit dir?" "Was fehlt dir?" "Kalt...", murmelte er, "so kalt...!" "Wir geben keine Informationen über die Toten heraus." Konoe stand inmitten der Zerstörung wie ein Fels aus Granit, ohne einen einzigen Kratzer. Und er sah nicht so aus, als würde er nachgeben. "Wenn du dich uns ergibst, erhältst du vielleicht mildernde Umstände." Muraki lachte tonlos und ohne die Mundwinkel zu heben. "Ihr alle habt keine Ahnung." Seine Stimme klang leise und drohend. "Glaubt nicht, dass ich zögern würde, ihn zu töten." Die Nadel bohrte sich tiefer in Tsusukis Schulter. "Ah... ahh! Sagt es ihm nicht!" rief er. Seine Augen füllten sich mit Tränen. "Es tut mir leid. Ich hab's schon wieder vermasselt..." "Lass den Quatsch, Tsusuki!" rief Terazuma. "Du Trantüte! Lass dich doch nicht so hängen!" "Aber ihr dürft es ihm nicht sagen...!" "Ich werde es dir sagen." (Er hat ja in den Akten gelesen ->) Watari stellte sich gerade hin. "Das ist gegen das Gesetz, Watari!" Konoe stand noch immer da wie ein Fels und sah strafend auf Watari hinunter. "Ich weiß", erwiderte Watari kühl. "Dann wirst du die Konsequenzen zu tragen haben." Verdammte Bürokraten, dachte Watari. Entschlossen ignorierte er die Schmerzen in seinem Fuß und ging auf Muraki zu. Dieser lächelte wieder boshaft. "Du bist immer noch der Vernünftigste, Yutaka." Watari zog die Brauen zusammen. "Ich sage dir, wo dein Bruder ist. Aber erst sagst du mir, was du mit ihm vorhast." "Und wieder verkennst du deine Lage." Muraki kicherte amüsiert. "Du weißt, dass ich diese Frage nicht zu beantworten brauche." "Dann beantworte dir selbst folgende Frage: Wird es dich von deinem Leid erlösen, wenn du dich rächst?" Tatsumi holte Atem. Auch er hatte die Akten gelesen, auch er wusste, dass Saki Shido Murakis Eltern ermordet hatte und dass er auch seinen Halbbruder töten wollte, bevor ein Angestellter ihn erschoss. (Das kommt im Anime vor) Jemandem wie Muraki eine solche Frage zu stellen, war selbstmörderisch! Warum tat Watari das? Er brachte damit Tsusuki und sie alle in Gefahr...! "Auch diese Frage brauche ich nicht zu beantworten." Der Doktor zog Tsusuki an sich. "Eine hast du noch. Dann sag mir, wo Saki ist, sonst schicke ich deinen Freund ins Reich des ewigen Schlafs." "Watari, nicht!" rief Tatsumi. Was für ein Mensch! Was für ein Mensch bist du! dachte der Wissenschaftler. Welches schreckliche Ereignis hat dich wohl zu dem gemacht, was du bist...! Halt! Das rechtfertigte noch lange kein Verbrechen! Watari riss die Hand hoch. "SHU!!" rief er. Ein hässliches Krachen ertönte und zwischen Muraki und Tsusuki bohrte sich ein gelber verästelter Blitz in den Boden. Er spannte sich wie ein Netz quer durch den Raum, ließ die Erde erzittern und spaltete das Mauerwerk. Die Fensterfront kippte weg. Das alles geschah binnen weniger als einer Sekunde. Muraki schrie vor Schmerz und sank mit dem abgebrochenen Teil des Gebäudes nach unten. Watari packte die Spritze, riss sie aus Tsusuki heraus und entwand sie der Hand des Arztes. Das Gift spritzte auf den Boden. Dann griff er nach Tsusukis Hand, zog ihn vom Abgrund zurück, schlang die Arme um ihn und hielt ihn fest. "Das wirst du bereuen!" drohte Murakis ferne Stimme. Ein Licht erhob sich von dem abstürzenden Mauerwerk und verschwand aus Wataris Gesichtsfeld. Donnernd schlug die Mauer auf dem Boden auf und zerschellte in unzählige Brocken, die in den Schnee rollten. Der Himmel war bewölkt. Kalter Wind wehte den Staub und den Lärm fort und hinterließ eine tiefe Stille. Die hellen Haare des Shinigami bauschen sich im Wind und legten sich auf seinen Freund. Die kleine Eule flatterte von oben herab und setze sich auf die Schulter ihres Herrn. "Watari...", flüsterte Tsusuki. "Ich krieg... keine Luft...!" "Oh! Entschuldige..." "Tsusuki!!" Hisoka und die anderen stürzten nach vorne. "Nein, ich... mir ist..." "Ach Gott, das Gift!" Watari zerrte an Tsusukis Hemdkragen und begann an dem kleinen Einstich zu saugen. "He, was macht ihr denn da?" "Das ist ja wohl nicht der richtige Augenblick...!" Watari spuckte aus und beachtete weder Saya noch den Sekretär. Tsusukis Knie gaben nach und er sank auf den Boden. "Halt durch, ich hol ein Gegengift!" rief Watari und sprintete los. (Trotz seines verstauchten Fußes!) "Hiergeblieben!" wetterte Konoe. "Was fällt dir ein...!" Tatsumi hielt Watari am Arm fest. Ihre Blicke trafen sich, einer so hart wie der andere. "Er hat keins deiner Gefühle verdient, ja?" "Aus dem Weg!!" Watari riss sich los und rannte ins Labor. __________ "...suki!" "Tsusuki! Alles in Ordnung? Tsusuki!" "Mmm-m?" "Ach, Gott sei Dank, er macht die Augen auf!" "Ich hatte solche Angst...!" Yuma und Saya klammerten sich aneinander und blickten auf Tsusuki hinunter. Dieser kuckte verstört von einem zum andern, denn alle standen sie um ihn herum und betrachteten ihn erleichtert. "Au!" sagte er überrascht, als Watari ihm die Spritze aus dem Arm zog. "So, das dürfte... hey!" Tatsumi schob ihn beiseite und kniete sich neben Tsusuki. Der Chef nahm Watari am Arm und zog ihn weg. "Das hätte richtig ins Auge gehen können!" Konoes Stimme war leise, doch sein Gesicht hatte bedrohliche Zornesfalten. "Ich möchte nur mal wissen, was du dir dabei gedacht hast!" Watari befreite sich aus dem eisernen Griff. "Hatten Sie vielleicht eine bessere Idee? Sie hätten ihn doch einfach sterben lassen!" "So ein Unsinn! Ich hatte einen Seelenfänger in der Hinterhand! Ich hätte mir diesem Arzt geschnappt und wir hätten ihn überführen können, aber du musstest mir ja in die Schusslinie laufen!" Konoe wurde immer lauter. "Hättest du nicht mit deinem blinden Aktionismus drauflosgeplapptert, wäre Tsusuki gar nicht in Gefahr gewesen!" "Genau!" Tatsumi wandte sich ihnen zu. "Was?" Tsusuki verstand die Welt nicht mehr. "Aber Chef! Er hat mich doch...!" "Wenn du", unterbrach ihn Tatsumi und ging auf Watari zu, "nicht naiverweise versucht hättest, Muraki Mores (= Sitten und Moral) zu lehren, dann wäre jetzt alles vorbei!" "Was ist hier los? Du meine Güte!!" Der Leider der Abteilung für Verhandlungsausschüsse stürzte zur Tür herein und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Die drei Beamten, die ihm folgten, waren ebenfalls entsetzt. "Die ganze Wand ist weg!" "Wie ist das passiert?!" Während die anderen Tsusuki auf die Beine halfen, begann Konoe zu erklären. Tatsumi zog Watari näher zu sich. "Hast du mal daran gedacht, was passiert, wenn er wütend wird?" zischte der Sekretär. "Von wegen keine Gefühle! Dir ist wohl nicht klar, wie verantwortungslos das war!" "Du glaubst wohl, bloß du hättest Gefühle verdient, wie?" Watari hatte Tränen in den Augen. Alle wandten sich ihnen zu. "Versetz dich doch mal in seine Lage, wenn du das fertig bringst!" "Aber doch nicht in so einem Moment, du Idiot! Wenn du dich unbedingt mit Muraki solidarisch zeigen willst, dann mach das von mir aus wenn keiner in Gefahr ist! Du bist uns allen in den Rücken gefallen und du hast Glück, wenn du nicht wegen Sabotage dran bist!" Watari liefen die Tränen über das Gesicht. Er riss sich los und floh aus dem Zimmer. "He, halt!" rief der andere Abteilungsleiter. "Der Schaden...!" Doch Watari hörte gar nicht hin. Sein Fuß schmerzte ihn, doch er rannte immer weiter durch Flure, Gänge und Treppenfluchten. Dabei weinte er. "Lügner..." keuchte er. "Du... verdammter Lügner!" In seinem Labor angekommen war der die Tür zu und lehnte sich heftig atmend dagegen. Schluchzer schüttelten ihn. Er schlug die Hände vors Gesicht, rutschte nach unten und blieb zusammengekrümmt sitzen. Sein Innerstes war zuoberst gekehrt und er rang mit sich selbst. Wie hatte er nur so dämlich sein können, so...! Aber Muraki! Als ich gesehen hab, dass er tatsächlich so ist, wie es in den Akten steht...! Ich habe Tsusuki im Stich gelassen! Muraki hätte in töten können! - Was hab ich nur getan! - Warum hab ich das getan?! Ich wollte doch nur helfen...! "Tatsumi!" Von neuen Weinkrämpfen geschüttelt sank Watari auf den Boden. "Du bist doch bloß eifersüchtig!!" schrie er. " - Aber du hast recht... Verdammt..." Watari vergrub das Gesicht in der Armbeuge und wand sich in innerem Schmerz. Warum nur hatte er das getan? Warum hatte er diese Fragen gestellt?! Er hätte Tsusuki...! Muraki war ihm doch nicht wichtiger als Tsusuki...!(?) Der Wissenschaftler hielt den Atem an und starrte entsetzt auf den Boden unter ihm. Das Herz schlug ihm bis zum Hals hinauf. "Jemand ist gestorben, bevor ich mich an ihm rächen konnte..." Er sah den Doktor wieder vor sich, mit seinem stechenden Blick, kalt wie Stahl und zu allem entschlossen. Ein unaussprechlicher Hass glühte in diesem Mann, fraß sich in seinen Verstand und entzog ihm jegliche Wärme. Dieser Hass überdeckte alle Gefühle - Muraki wurde von ihm gesteuert wie eine Puppe. Mit Schrecken erkannte Watari, dass er gelogen hatte. Sein fester Glaube an das Gute im Menschen sagte ihm, dass selbst Muraki nicht immer so gewesen war, dass selbst er einen Grund hatte. Er hatte Tatsumi angelogen, um die Kälte in seinem Innern loszuwerden. Denn in Wahrheit war er erfüllt von Mitleid für diesen Arzt, dem das Schicksal so übel mitgespielt hatte. "Spinn ich jetzt..." Watari drehte sich auf den Rücken und barg das Gesicht in den Händen. "Der Typ ist ein Schwerverbrecher und wahnsinnig! Komm zu dir, Yutaka!" Und trotzdem! Trotzdem! Das Mitleid war da und ließ sich nicht abstreiten. "Das rechtfertigt ihn doch noch lange nicht!" Watari weigerte sich, dieses Gefühl zu akzeptieren. Es schien ihm, als verrate er damit ständig - und jeden Moment wieder neu - seine Freunde. Wie konnte er Mitleid zeigen mit jemandem, der ihnen das angetan hatte! Der IHM das angetan hatte...! Er sah die Gesichter von Hisoka und Tsusuki vor sich. "Verräter!" riefen sie. "Du hast uns belogen! Du hast von Anfang an mit Muraki unter einer Decke gesteckt!" "Neinneinnein!!!" Watari warf sich herum und presste die Hände an den Kopf. "Idiot!" hörte er Tatsumi sagen. "Das ist alles deine Schuld! Von wegen Gefühle!" "Ahh...!" Etwas Weiches streifte seinen Handrücken. Watari fuhr auf. "Shuuu?" machte 003 besorgt. "Ah... du...!" Watari sank wieder auf den Boden zurück, zog die Eule zu sich heran und weinte in ihr Federkleid. "Shushu", 003 streichelte sein verheultes Gesicht mit ihrem (es gibt zu wenig Frauen in dieser Geschichte^^) Flügel und schmiegte sich an ihn. "Ich hab alles kaputt gemacht!" heulte Watari. "Bist du jetzt wenigstens nicht sauer auf mich?" "Shu! (Nicht so fest drücken!)" "Oh, sorry..." "Shuuushu (Wird schon wieder)." "Nein, 003! Ich hab sie verraten! Dieser Muraki hat es nicht verdient, dass man Mitleid mit ihm hat..." Seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern und erstarb. "Shu Shuhu? (Hast du Mitleid mit ihm?)" "Ich wünschte, ich hätte es nicht!" schrie Watari. "Shu? (Und warum nicht?)" "Weil er Tsusuki und Hisoka verfolgt und weil er unzählige Menschen umgebracht hat!" Watari ballte die Hände zu Fäusten. " - Seine Vergangenheit rechtfertigt sein Tun noch lange nicht!" 003 legte den Kopf schief und dachte nach. "Shu...? [und so weiter] (Warum denkst du dann, dass dein Mitleid ihn rechtfertigt?)" Wataris Fäuste zitterten. "Ich...!" brachte er hervor. "(Das denken nur die anderen. Du weißt doch genau, dass du Muraki damit nicht von der Schuld befreist. Aber deswegen kannst du doch trotzdem Mitleid mit ihm haben.)" "Aber Tsusuki...!" "(Das hängt nicht zusammen. Dein Herz ist groß genug für beide, und ob du Muraki verzeihst, ist doch allein deine Sache.)" "Ich verzeihe ihm doch gar nicht! Nicht im mindesten!" "(Wirklich nicht? Aber trotzdem hast du Mitleid. Und an deiner Freundschaft zu Tsusuki ändert das überhaupt nichts.)" Watari schwieg. "(Gefühle zu akzeptieren ist nicht immer leicht. Versuch es wenigstens.)" "H...!" Die Spannung wich aus Wataris Körper. In seinem Kopf schwirrte immer noch alles kreuz und quer und sein Blick ging nach vorn ins Leere. "Shuhu Shuhu. (Ich mach mal Licht.)" 003 flatterte los und drückte auf den Lichtschalter. Klick! - Klick! Es knackte und blinkte, als die Neonröhren ansprangen. 003 hatte recht, dachte der Wissenschaftler. Ich war mir über dieses Gefühl nicht sicher, weil ich ein schlechtes Gewissen vor den anderen hatte. Ja, gegenüber Tatsumi vor allem, und Tsusuki. Ich dachte, ich dürfte für Muraki nichts empfinden, aber das stimmt nicht. Ich hab es selbst nicht verstanden. "Hm!" Er lachte tonlos. Kein Wunder, dass Tatsumi so sauer war. Das war ja alles furchtbar kompliziert! "Shuhuhu Shuhu. (Nichts ist jemals einfach.)" Watari lächelte. Dann wischte er sich die Tränen ab und schob seine Brille zurecht. "Komm her, mein kleiner Philosoph!" Die Eule flatterte herab und ließ sich auf seiner ausgestreckten Hand nieder. Watari setzte sie neben sein Gesicht und knuddelte sie zärtlich. "Arigato", sagte er leise. __________ "Watari, warte!" rief Tsusuki, als der Wissenschaftler aus dem Raum stürmte. Noch etwas benommen wankte und stolperte er über die zertrümmerten Tische und Stühle in Richtung Tatsumi. "Warum hast du ihn so angefahren?" wollte er von dem Sekretär wissen. Dieser wandte sich um und funkelte Tsusuki an. "Wir hätten dich mit einem Bannfluch befreit. Dir wäre nichts passiert..." "Aber das hat Watari doch gar nicht gewusst!" "Er hat dein Leben aufs Spiel gesetzt, Tsusuki!" In Tsusukis Blick erstarrte etwas und er sah zur Seite. "Das... wäre ja auch nicht weiter schlimm gewesen." "Tsusuki, was redest du da!" Tatsumi nahm ihn bei den Schultern. "Nein, schon gut." Er lächelte. In seinen violetten Augen sammelten sich Tränen. "Dann hättet ihr nicht mehr so viele Sorgen..." "Tsusuki..." Tatsumi wollte die Hand heben, um ihn zu trösten. Wataris tränenüberströmtes Gesicht tauchte aus seiner Erinnerung auf, und da brachte er es nicht fertig, Tsusuki zu berühren. Er hatte Watari nicht getröstet, also konnte er es bei Tsusuki auch nicht tun (Logik der Gefühle^^). Mit steinernem Gesicht ließ er die Hand wieder sinken. Muraki wird bezahlen, dachte er. Das kann nicht so weitergehen! Mit ihm reden zu wollen ist zwecklos und bringt uns nur noch mehr Verdruss. Aber zuerst musste die Abteilung für Verhandlungsausschüsse entschädigt werden. Wenigstens, so dachte der Sekretär bei sich, verdiente Watari mehr als Tsusuki und würde seine Schulden schneller abbezahlt haben. Wenn er nicht alles wieder beim Kyudo-Wettbewerb versetzte! Ach ja, das war ja schon bald... Und das bei dem Durcheinander! Was die anderen Behörden wohl von ihnen dachten, wenn sie von dem ganzen Schlamassel erfuhren! Tatsumi revidierte seine Zielsetzung: Muraki wird VOR DEM 7. JANUAR bezahlen! Stichtag! Deadline! Wenigstens von einem Arzt konnte man doch erwarten, dass er pünktlich zahlte. "Was machen wir denn jetzt?" Die Beamten von der Verhandlungsausschussabteilung rauften sich die Haare. Die Gushoshins zerrten an ihren Laptops, die unter dem Tisch begraben lagen und versuchten zu retten, was zu retten war. Yuma und Saya kümmerten sich inzwischen um den völlig vergessenen Professor Satomi. Der lag ja immer noch bewusstlos am Boden. Hisoka redete auf Tsusuki ein und tröstete ihn, und Wakaba versuchte das gleiche mit dem Chef und den rotierenden Kollegen von der anderen Abteilung. Hajime zündete sich eine Zigarette an. "Und?" fragte er Tatsumi. "Was unternehmen wir jetzt wegen diesem Arzt da?" "Weiß ich doch auch nicht!" "Puh! Meine Güte!" Hajime wich zurück und schüttelte seine Hand, als hätte er sich verbrannt. Der Sekretär trat an den Rand des Abgrunds und blickte in den Garten des Juo-Cho und auf die Trümmer unter ihm. Terazuma blies eine Rauchfahne in die Luft. "Also wenn ihr mich fragt", meinte er überzeugt, "ich an eurer Stelle würde den Kerl verfolgen. Der kommt garantiert zurück." Tatsumi erwiderte nichts. "Und wahrscheinlich sogar ziemlich bald. Solche Psycho-Täter sind unberechenbar und unglaublich clever und penibel (<- Hajime, der Polizist, analysiert den Delinquenten Muraki ^_^), aber wenn sie die Beherrschung verlieren, werden sie unvorsichtig. Könnte gut sein, dass er sich bei seiner nächsten Aktion selbst verrät." Tatsumi nahm seine Brille ab und wischte mit einem Taschentuch darüber. Sie war total staubig. "Und wie stellst du dir die Verfolgung vor? Er ist nicht vorgeladen." "Doch, ist er eben schon." Tatsumi hob den Kopf. In seinen blauen Augen leuchtete so etwas wie Hoffnung. "Was?" fragte er ungläubig. "Hast du das in den Akten etwa nicht gesehen? Seit dieser Kyoto-Geschichte sollte er tot sein. Wie hätte er wohl sonst so einfach hier aufkreuzen sollen." Hajime grinste, als er Tatsumis verwirrtes Gesicht sah. "Steht alles in den Akten." Er warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus. "Soll ich ihn abholen gehen?" "Du weißt, wo er ist?" "Nein." -.- von Tatsumi. "Deswegen meinte ich doch, dass wir ihn verfolgen müssen. Soll ich...?" "Nein." Tatsumi lächelte siegessicher. "Das werde ich selbst tun." "Tse. Du bist doch gar nicht mehr zuständig..." Ein Seitenblick des Sekretärs folgte. "...aber du kannst das sicher viel besser als ich! Hehe... doch, sicher! Geh nur!" So klein mit Hut schlich Hajime sich davon. Tatsumi schritt durch das Gerümpel, vorbei an den eifrig tippenden Gushoshins, auf den inzwischen wieder rauchenden Chef zu. Eine angesengte Wakaba wurde von Terazuma fortgezogen und schleunigst aus dem Zimmer bugsiert. "Chef?" "WAS!" "Ich muss mit Ihnen reden." "Oh ja, allerdings!" "Erst garantieren Sie uns", schaltete sich der andere Abteilungsleiter ein, "dass die Wand wieder aufgebaut wird! Unser Budget ist auch nicht gerade üppig und außerdem...!" "Watari wird für den Schaden aufkommen. Wir strecken ihm 50% vor und er wird seine Schulden abarbeiten", versicherte Tatsumi. Die vier Beamten schnauften immer noch vor Wut. "Also gut! Aber baldmöglichst!" "Haben wir überhaupt die Mittel dafür?" fragte Konoe unauffällig, als die vier hinausstapften und die Tür hinter sich zuknallten. "Nein. Wir werden Wataris Zuschüsse streichen. Aber es geht um folgendes..." Tatsumi erzählte dem Chef, dass Muraki fällig war. "Was?! Er ist vorgeladen?" "Ganz recht." "Wo ist er?" "Das wissen wir nicht." "Warum nicht?" "Er hält sich bedeckt. Die Akten sagen nichts darüber aus." "Hmmm." Konoe rieb sich das Kinn. "Ich habe eine Bitte, Chef." "Ja?" Tatsumi holte Atem. "Ich ersuche Sie, mich mit diesem Fall zu betrauen." "Mit welchem Fall?" fragte Tsusuki. Alles drehte sich um. "Hä?!" rief Konoe. "Wie stellst du dir das vor? Du... du hast ja nicht mal einen Partner!" "Was ist denn los?" wollte nun auch Hisoka wissen. "Muraki ist vorgeladen." Tatsumi wandte sich den beiden zu, die erschrocken Luft holten. "Und ich werde ihn abholen." Er fixierte den geschockten Tsusuki. Hinter Hisokas Stirn fügte sich so einiges zusammen. Jetzt bekam Tatsumi endlich Gelegenheit für seine Rache. "Wirst du mich begleiten, Tsusuki?" "Was, ich?! Aber ich...! - Ich fürchte mich..." fügte er leise hinzu. "Außerdem... will ich dir nicht zur Last fallen." Tatsumi lächelte. "Ich bitte dich darum, Tsusuki." "Und Hisoka...?" "...nur für diese eine Mal." Tsusuki sah den Jungen an. Dieser starrte nachdenklich zu Boden und es war unmöglich zu erraten, was in seinem Kopf vorging. Schließlich nickte er. Tatsumi streckte die Hand aus. "Komm, Tsusuki." Tsusuki lächelte, und diesmal war er nicht traurig dabei. "Ja", sagte er fest. Hisoka hob plötzlich den Kopf, als fiele ihm etwas ein. "Nehmt mich mit!" sagte er. "Ich habe mit Muraki auch noch eine Rechnung offen! Außerdem kann ich euch helfen, ihn zu finden." Man sah Tatsumi an, dass ihm das weniger recht war. "Ich kann dich verstehen", sagte er, "aber zu dritt..." Er sah Konoe an, der auch überlegte. "Aber je mehr wir sind, desto besser!" ereiferte sich Hisoka. Jetzt, da er sich einmal entschlossen hatte, wollte er seine Rache um jeden Preis. "Bitte, Konoe-san, lassen Sie mich mitgehen!" "Ich weiß nicht." Der Chef verschränkte die Arme hinter dem Rücken und begann im Kreis zu laufen. "Mir gefällt viel weniger, dass Tsusuki dabei ist. - Bei keinem von euch beiden gefällt mir das. Ich bin zwar auch der Meinung, dass man in diesem besonderen Fall mehrere Shinigami schicken sollte, aber auf euch beide hat Muraki den größten Einfluss. Es ist nicht eure Schuld, aber das könnte das Unternehmen gefährden. Wenn ich Watari nicht suspendieren müsste, würde ich ihn auch mitschicken. Dann wäre mir wohler bei der ganzen Sache." "Er ist auch schon unter Murakis Einfluss", stellte Tatsumi fest. "Ja, eben darum. Mit Hajime würde es nur Streit geben und Wakaba muss bei ihm bleiben. Und die Hokkaido-Schwestern...", er räusperte sich. "Das Thema erübrigt sich wohl." Hisoka atmete erleichtert auf. "Waaaah!" rief einer der Gushoshins. "Was ist denn?" Konoe eilte zu den beiden. Die anderen drei folgten. "Ein Signal!" (Die Laptops funktionieren immer noch! oO) "Und? Weiter?" "Das ist das gleiche Signal wie am 28.! Jemand versucht sich einzuhacken!" "Wo kommt es her?" wollte Konoe wissen. "Aus... erm... einem Krankenhaus in Tokyo. Hier!" Eine Karte tauchte auf dem Bildschirm auf und zeigte eine Adresse. "Hajime hatte recht", murmelte Tatsumi. "Nichts wie hin!" rief Tsusuki. "Halt!" rief Konoe. "Ihr müsst doch die Vorladung mitnehmen!" Doch die Shinigami rannten weiter. "Die rahm ich mir in Gold, wenn er verknackt ist!" versprach sich Tsusuki im Laufen. "Los, nach oben!" Die drei verwandelten sich in Geister und materialisierten sich kurz darauf in der Tokyoter Innenstadt... __________ Zur gleichen Zeit begann in Wataris Labor auf dem letzten Bildschirm eine Warnung zu blinken. "Bing!" machte es. Watari richtete sich verwundert auf. 003 flatterte auf seine Schulter. Misstrauisch näherte er sich dem Windows-Computer und las die Warnung: "Achtung! Unautorisiertes Eindringen in das System! Befallene Sektoren [es folgten Zahlen], Zielsektor: HA66." HA66... das war doch die Abkürzung für... "Hades!" murmelte Watari. Dann dämmerte es ihm: Muraki war auf der Suche nach seinem Bruder! Er klickte und der Bildschirm wurde weiß. Watari sprang zurück, doch es passierte nichts. "Puh!" Er wischte sich die Stirn. Dann fuhr er auf dem Absatz herum, sodass die Eule von seiner Schulter flog, und begann nach etwas zu suchen. "Shu shu shuhu?!" "Ich werde ihn aufhalten!" "Shu!" "Ich weiß, dass das gefährlich ist! Ah, da ist es ja!" Er schlüpfte in seine schwarzen Fingerhandschuhe und zog einen alten Helm mit einer dicken Schutzbrille hervor. 003 runzelte die Stirn. "Hu." "Klappe. Was modern ist weiß ich selber! Beim Hades kann man nie wissen!" Er legte seine Brille ab und zog die andere auf. "Ha! Perfekt!" Es klopfte. Ziemlich laut. Genau genommen hatte es wohl jemand darauf angelegt, wein Loch in die Tür zu machen. Sie flog auf und herein marschierten drei uniformierte Geister. "Wir haben Anweisung, Sie in Untersuchungshaft zu nehmen. Sie haben das Recht auf einen Anwalt." "Hehe! Sorry, Jungs, aber ich muss mal kurz wohin!" Watari setzte den Helm auf, spurtete los, schlug ein Rad (Matrix olé!^^) und war zur Tür draußen. "Hu Shuhu!" beschwerte sich 003, als sie wieder einmal durch die Gänge rannten. "Ich weiß, dass der Helm lächerlich ist! Jetzt mecker nicht, mir tut mein Fuß weh, ich bin quasi vorbestraft, meine Ersparnisse kann ich vergessen und im Hades werden sie auch nicht grad auf uns warten!" Watari rannte einen Aktenboten um. "Waaa!" "Sorry!" "Ein Geist!" "Trottel! Das ist ein Helm! Die Geister kommen erst noch!" Pause. "Hilfeeee!" Watari sah ihm nach. Dann zuckte er die Schultern. "Nix wie weg!" Er stürmte die Treppe hinunter ins unterste Kellergeschoss. "So!" schnaufte er, als sie an der Tür zum Hades ankamen. "003, du stehst Wache und sorgst dafür, dass niemand die Tür zumacht, während ich drin bin. Sonst find ich nicht mehr zurück. Alles klar?" "Shu!" "Auf dich kann man sich verlassen. Puh!" Er atmete tief durch. "Dann los." Er zog einen der schweren Türflügel auf. "Hoi! Die sind! Bestimmt! Aus Blei! Ha..." Hinter ihnen ertönten Fußtritte. "Halt sie auf, 003! Ich bin gleich wieder da!" "Shu!" Watari eilte über die Schwelle. Schwarze Nebelschwaden hüllten ihn ein und er tastete sich vorwärts. Kies knirschte unter seinen Füßen. Plötzlich stieß er mit jemandem zusammen. "Oh, gomen." "He, hinten anstellen!" "Bäh!" machte Watari. "Muss ich nicht!" Das hätte ja jetzt noch gefehlt! Rasch schob er sich an den wartenden vorbei, bis er den Kopf der Schlange ereichte. "Hinten anstellen!" knurrte der Fährmann. "Shinigami, Sondereinsatz." "Erlaubnispapiere!" "Das ist ein Notfall, Menschenskind!" "Papiere!" schnauzte der untersetzte Mann. Er sah ganz nach einem europäischen Gastarbeiter aus (^^'). Watari seufzte, zog einen zerknüllten Zettel heraus und reichte ihn dem brummigen Alten. Ohne die Reaktion abzuwarten, huschte Watari an dem dreiköpfigen monströsen Hund vorbei, der Wache schob und betrat erleichtert das Boot. "He, Moment, da sind ja nur Zahlen drauf!" "Ja, der Text ist kodiert!" rief Watari mit einem dicken Tropfen am Helm und ruderte was das Zeug hielt. Wütend kläfften ihm drei Hundeköpfe nach. "Halt! Betrug!" "Ich bring das Boot zurück, versprochen!" Drüben angekommen hastete Watari über sieben Brücken, sieben Treppen hinauf und durch sieben Tore, hinter denen die sieben Gärten lagen. Dort sah er flüchtig einen Mann mit einer Harfe, der sich verzweifelt umsah. "He, hallo! Mann nennt mich Orpheus! Wisst Ihr zufällig, wo Griechenland...?" "Gomen!" Watari flitzte vorbei. "Was?" Als er sich dem finalen Schild näherte, hinter dem die wartenden Seelen schliefen, sah Watari einen weißen Funken. "Mist!" Er legte noch einen Zahn zu. Muraki war von ein paar weißen Nebelschwaden umgeben, die ihn vor den Abwehrmechanismen des Schildes schützten. Die rechte Hand vorgestreckt tastete er nach einem Schlupfloch. "Hey, Muraki!" "Ach, sieh an." Der Doktor ließ die Hand sinken und wandte sich dem Störenfried zu. "Wen haben wir denn da?" Watari schob die Brille hoch. "Ich, wenn's recht ist." Muraki lächelte breit. "Bist du mit dem Motorrad da?" "Nein, du Scherzkeks, ich achte auf meine Gesundheit. Und jetzt weg da!" Muraki wandte sich ungerührt wieder dem Schild zu. "Wie kommst du darauf, dass ich auf dich höre?" "Mensch! Jetzt hör mir mal wenigstens zu!" "Ich hab's eilig. Verschwinde." Watari trat näher, bis ihn nur noch drei Schritte und der Nebel von Muraki trennten. "Ich weiß, warum du zu Saki willst." Der Doktor hielt inne und drehte sich wieder um. "Du willst den Mord an deinen Eltern rächen, nicht? Ich frage mich nur, ob sie das wieder lebendig macht." "Ich werde Saki bestrafen. Was geht das dich an?" "Nun, versetz dich doch mal in Sakis Lage: Er war der ewige Zweite, musste immer zurückstecken und in deinem Schatten leben. Deine Mutter hat dich über alles geliebt und ihn hat sie verachtet." "Meine Mutter war eine Närrin und mein Vater ein Verbrecher. Warum sollte ich ein Interesse daran haben, dass sie wieder lebendig werden?" "Warum würdest du Saki sonst bestrafen wollen? Er hat genauso aus Hass gehandelt wie du es jetzt tust. Glaubst du, dass es dir besser geht, wenn du mit ihm abgerechnet hast?" "Was weißt du denn davon!" "Genug! Du hast mir beigebracht, was Hass bedeutet! Du verstreust dieses Gefühl wie eine Krankheit!" Muraki lachte. "Ich werde Saki zur Hölle schicken und mich heilen!" "Nein, Muraki, das wird dir nicht helfen! Hör doch zu!" Watari packte ihn an der Schulter und riss ihn zurück... __________ Tatsumi, Tsusuki und Kurosaki standen auf der Intensivstation des Tokyoter Krankenhauses. "Sie haben zehn Minuten." Die Schwester schloss die Tür. Tatsumi trat an das Bett. Muraki war an alle möglichen Schläuche angeschlossen. Einer der Monitoren auf dem Wandbord zeigte die Hirnströme, Blutdruck, Herztöne und einen Puls von 96. Ein Ventil pumpte Atemluft durch einen Schlauch. Hisoka starrte auf den Mann, der ihn ermordet hatte. In dieser Situation schien er gar nicht mehr so gefährlich. Von seinem Gesicht war kaum noch etwas zu erkennen, die Augen waren geschlossen und er rührte sich nicht. Seine Seele schien sich irgendwo ganz weit weg zu befinden. Ein Funke Mitleid regte sich in Hisoka, doch er brachte ihn sofort zum Schweigen. Mörder! dachte er. Tsusuki betrachtete Muraki mit einem seltsamen Blick. Er hätte selbst nicht sagen können, was er empfand. Irgendwie schien alles auf einmal auf in einzustürzen und er konnte es noch gar nicht richtig glauben. Seine Finger fuhren über die Narbe an seinem rechten Handgelenk und betasteten dann seine Schulter, wo der Einstich der Spritze noch zu spüren war. irgendwie hatte er in dem Moment, als die Nadel zustach, Erleichterung empfunden, aber auch Trauer, dass er Hisoka und die anderen würde verlassen müssen... Tatsumi berührte die Hand und lächelte aufmunternd. "Bringen wir es zuende." "Ja." Tsusuki lächelte ebenfalls. "Seht mal." Hisoka ging in die Knie und hob einen kleinen Bildschirm hoch, etwa so groß wie ein Toaster. Zahlen, Buchstaben und Katakana (<-Schriftzeichen) flimmerten darauf. Die dünnen Kabel waren mit Murakis Nacken verbunden. "Zeig her." Hisoka stellte den Kasten auf das Bett. "Was bedeutet HA66?" Tsusuki deutete auf die Ecke des Bildschirms. "Das ist der Code für Hades." Tatsumi sah sich um. "Sicher sucht er Saki! Wir müssen den Stecker ziehen!" "Aber was steht denn da?" Tsusuki hielt den Sekretär fest. "Da steht "Hey Muraki"." #Ach, sieh an.# Es folgten eine Menge Buchstaben und Zahlen. #Wen haben wir denn da§# Zahlen und Buchstaben. #Ich, wenn's recht ist.# "Er hackt sich in die Unterwelt ein!" "Hä?" sagten Hisoka und Tsusuki gleichzeitig. "Wie soll das gehen?" Der Junge zweifelte. "Der Hades existiert doch physisch!" "Im Sicherheitssystem heißt der Hades HA66." Tatsumi bückte sich nach den Kabeln. "Aber - warte Tatsumi! Da ist doch noch jemand!" Tsusuki zog ihn wieder hoch. "Na und?" "Kuck doch!" #Ich weiß, warum du zu Saki willst.# Zahlen und Buchstaben. #Du willst den Mord an deinen Eltern rächen, nicht§ Ich frage mich nur, ob sie das wieder lebendig macht.# "Das ist doch Watari...!" stellte Tatsumi erstaunt fest. "Wie, bei allen Göttern und Dämonen, kommt der in den Hades?" "Wer ist denn Saki überhaupt? Und was hat das mit dem Mord auf sich?" Hisoka sah Tatsumi fragend an. Dieser seufzte und erklärte es ihnen schnell. "Und Watari meint, er könnte mit Muraki reden!" fügte er verächtlich hinzu. #Ich werde Saki zur Hölle schicken und mich heilen|# #Nein, Muraki, das wird dir nicht helfen| Hör doch zu|# Zahlen und Buchstaben. Tatsumi langte nach den Kabeln und zog daran. Es gab ein hässliches Geräusch. Die Atemmaschine fiel aus. Das Herzgerät gab den charakteristischen Endlospiepton von sich. Eine rote Lampe an der Tür blinkte. Der Bildschirm auf dem Bett rauschte. Schneeflimmern war zu sehen. Dann erlosch er. Muraki rührte sich nicht. Langsam streckte Tatsumi die Hand aus und löste sie Sauerstoffmaske. Sie fiel zur Seite. Tsusuki hatte die Hand vor den Mund gelegt. Hisoka starrte regungslos. Tatsumi drehte das bleiche Gesicht zu sich. Es sah ganz friedlich aus, und eine Ahnung von Trauer umgab es. Seltsamerweise stellte sich nicht das erwartete Gefühl des Triumphs ein. Tatsumis letzter Auftrag lag lange zurück, doch er erinnerte sich noch ziemlich genau an das Gefühl, wenn man einen Menschen ins Jenseits brachte: Einen bittersüße Mischung aus schlechtem Gewissen, Mitleid, Genugtuung über den Erfolg und Ergebenheit in das Schicksal. Doch als er Tsusukis Blick sah, war ihm die Genugtuung gründlich verdorben. Heftiger als nötig ließ er Muraki wieder los und wandte sich ab. "Kommt, wir gehen." "Wartet." Hisoka löste die blutroten Steine von Murakis Ohren und griff nach der Brille auf dem Wandbord. Dann folgte er seinen Kollegen schweigend. __________ Im selben Augenblick, als Watari Muraki die Hand auf die Schulter legte, drehte der Arzt sich um. Sein Gesicht war von einem hasserfüllten Grinsen verzerrt, doch seine Augen waren seltsam glasig. Für Watari schien die Zeit stehen geblieben, als er in diese eisgrauen Augen blickte. Und zusehen musste, wie sie brachen. Dunkelheit sickerte in Murakis Gestalt, ließ sie immer weiter verlöschen. Unter Wataris Fingern wurde der verblassende Körper immer kälter und konturenloser, bis er schließlich ganz verschwand. Watari hatte den Mund noch geöffnet, um etwas zu sagen. Vor seiner ins Nichts gereckten Hand zog sich der finale Schild des Hades langsam zurück. Stille herrschte. Watari starrte noch immer auf die Leere vor sich und war unfähig, sich zu bewegen. "Da ist er!!" Die kratzige Stimme des Fährmanns ließ Watari zusammenzucken. Langsam ließ er die Hand sinken. Ein Rauschen ertönte hinter ihm und kräftige Hände packten ihn. "Was hattest du hier vor, eh?" schnauzte der Fährmann und besprühte Watari dabei mit einem Regen aus Speicheltropfen. "Du bist verhaftet", grollte die Stimme eines der Geister hinter ihm. Seine Verfolger hatten ihn eingeholt. Sie zerrten den vor sich hin starrenden Shinigami mit sich, fort von den schlafenden Seelen. Watari ließ alles mit sich geschehen. Er überhörte auch die keifende und feuchte Stimme des Fährmanns. Sein Blick ging ins Leere. __________ Tatsumi, Tsusuki und Hisoka kehrten ins Enma-Cho zurück. "Wo ist Muraki jetzt?" fragte Tsusuki. "Vermutlich irgendwo zwischen Diesseits und Jenseits", antwortete Tatsumi. "Dann wird man ihn in den Hades bringen, bis Enma-Daio über ihn richtet." "Aber ich dachte, der Hades wäre die Unterwelt...?" Hisoka war verwirrt (so wie wir^^). "Nu ja", begann Tsusuki zu erklären, "der Hades ist nur so was wie eine Eingangstür zur Unter- und Oberwelt. Dort warten die Toten auf ihre Verhandlungen. Wenn sie dran sind, dann öffnet er sich und wenn Enma-Daio sie verurteilt hat, dann schickt er sie durch den Hades entweder nach unten oder nach oben." "... - Ich kann mich aber an meine Verhandlung gar nicht mehr erinnern", stellte Hisoka fest. "Nun, vermutlich war sie sehr kurz. Du warst ja noch nicht alt..." "Aber so was vergisst man doch nicht!" "Ich habe auch eine Weile gebraucht, bis ich mich an meine erinnert habe. Am besten fragst du mal Konoe, wie das funktioniert." "Hm." Sie stiegen die breite Treppe zur Abteilung für Vorladungen hinauf. Plötzlich rumpelte es hinter ihnen und eine Tür knallte. Sie drehten sich um. Drei Polizisten kamen von links und näherten sich der Treppe, einen Delinquenten in ihrer Mitte. "Watari!" rief Hisoka, der die Aura das anderen Shinigami als erstes spürte. Er eilte die Stufen wieder nach unten und die andren zwei folgten ihm. "Watari", sagte auch Tsusuki, halb erleichtert, halb vorwurfsvoll, "du meine Güte!" Ihm fehlten die Worte und er legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. "Wo bringt ihr ihn hin?!" fragte er die Geister-Polizisten. "Das geht Sie nichts an." "A-aber wohl geht mich das was an! Er ist mein Freund! Jetzt sagt schon, wo...?" Die drei Geister blieben stehen. Tatsumi stand auf der Treppe und versperrte ihnen den Weg. Watari hatte die ganze Zeit nur hoch erhobenen Hauptes und ziemlich teilnahmslos ins Leere gestarrt. Jetzt gewann sein inhaltsloser Blick an Schärfe und richtete sich auf Tatsumi. Eine Weile sahen sie sich an, ohne dass einer der beiden nachgab. "Du Narr", sagte Tatsumi schließlich verärgert. "Hast du denn immer noch nichts gelernt?" Wataris Augen blitzten. "Ich weiß, was du mit Muraki im Hades besprochen hast", fuhr Tatsumi fort. "Nach allem, was passiert ist, werden sie dich vermutlich dorthin zurückschicken." "Was...?" Tsusuki sah entsetzt von einem zu andern. Hisoka schwieg und sah auf den roten Teppich. Watari erwiderte Tatsumis Blick und sagte noch immer nichts. "Dich wegen dieses Arztes in solch eine Situation zu begeben..." Tatsumi schüttelte den Kopf. Watari seufzte, steckte die Hände in die Hosentaschen und lächelte. "Tut mir leid, Tsusuki", sagte er. "Tut mir leid, Hisoka. Wenn ihr das alles auch gehört habt, kommt's euch wahrscheinlich auch so vor, als würde ich euch verraten. Ich versuche, Muraki zu helfen, aber das bedeutet nicht, dass ich ihm verzeihe. Und das bedeutet auch nicht, dass ihr nicht mehr meine Freunde seid. Aber glaubt mir, ich weiß, was ich tue." Er zwinkerte. "Was hast du vor?" fragte Tsusuki. "Das würde ich auch gern wissen." Tatsumi verschränkte die Arme. "Das sag ich euch nicht. Im Moment hab ich sowieso noch einen Termin mit dem Kommissar. Der wartet nicht gern..." "Watari!" rief Tatsumi. "Ich warne dich. Wenn du vorhast, uns zu verraten, dann...!" "Dann habe ich vor, euch zu verraten. Und? Meine Güte, Tatsumi, das kann ja auch nur auf deinem Mist wachsen! Ich gab mir zwar vorgenommen, nicht mehr mit dir zu reden, weil du mir ja sowieso kein Wort glaubst und mir nicht zuhörst. Aber wenn du denkst, dass Muraki erledigt ist, nur weil du ihn umgebracht hast, dann liegst du mehr als falsch. Ihr stachelt euch gegenseitig auf in eurem Hass und macht damit alles nur noch schlimmer... ach!" Watari winkte betrübt ab. "Ich tue das für Tsusuki und Hisoka", entgegnete Tatsumi selbstsicher. "Ja glaubst du, ich nicht?" murmelte Watari. "So ist es ja auch am einfachsten, die Schuld an dem Mord loszuwerden, nicht wahr?" "Mit dem, was du tust, verrätst du sie!" Watari warf Tatsumi einen traurigen Blick zu. "Bitte geh zur Seite." Er spürte, wie Tsusuki ihn festhielt. Watari legte seine Hand auf die seines Freundes und ihre Blicke trafen sich. "Glaubst du auch, dass ich dich verrate?" Anstelle einer Antwort schlang Tsusuki die Arme um ihn. "So ein Quatsch!" weinte er. "Bleib da, Watari! Du darfst nicht weggehen...!" "Aber ich muss." Sanft befreite er sich aus Tsusukis klammernder Umarmung. "Der Kommissar wartet, weißt du..." Tiefe Wehmut lag in seiner Stimme. "Aber...!" "Es tut mir leid..." Watari wandte sich wieder Tatsumi zu. "Bitte gib den Weg frei." Tatsumi starrte immer noch genauso angriffslustig wie vorher, doch er trat einen Schritt zur Seite. "Wahrscheinlich bekommst du, was du verdienst." Watari zuckte unter diesen harten Worten zusammen und ein Kloß bildete sich in seinem Hals. Er schluckte ihn hinunter und stieg die Treppe hinauf, bis er auf gleicher Höhe mit Tatsumi war. Er erwiderte den eisigen Blick des Sekretärs, obwohl dieser ihn unsäglich schmerzte. "Das werde ich", entgegnete er fest, nur um sich gleich darauf abzuwenden, damit Tatsumi nicht sah, wie seine Lippen zitterten. Von dem eisigen Blick verfolgt setzte er seinen Weg in Richtung Polizeibüro fort. "Tatsumi...", wagte Tsusuki entsetzt zu sagen. Auch Hisoka sah den Sekretär sprachlos an. Aus seinem Blick sprachen Furcht und Unglauben. "Warum hast du das gesagt!" rief Tsusuki, als Watari mit den Polizisten um die Ecke verschwand. Er lief auf Tatsumi zu und funkelte ihn wütend an. "Warum behandelst du ihn so! Er hat dir doch überhaupt nichts getan! Er versucht die ganze Zeit, uns zu helfen, und du beschuldigst ihn dafür! Du...!" "Er hat mein Vertrauen zerstört, indem er dich in Gefahr gebracht hat." "Aber er hatte doch keine Ahnung!!" Tsusuki fuchtelte mit den Armen. "Du warst doch dabei im Krankenhaus. Du hast doch gehört, was er zu Muraki gesagt hat. Wenn dir das als Beweis nicht genügt..." "Watari ist ein Menschenfreund, und das weißt du genau!" "Bei Muraki ist sein Mitgefühl absolut fehl am Platz. Dieser Arzt hat unzählige Menschen auf dem Gewissen. Willst du ihn etwa auch in Schutz nehmen?" Tsusukis Schultern sanken herab. "Nein, aber..." "Denk daran, was er mit dir gemacht hat. Und Kurosaki. Wenn ich Watari wäre, würde ich mich zuerst um meine Freunde kümmern und nicht um das Seelenheil ihres Erzfeindes!" Tatsumi legte Tsusuki versöhnlich die Hand auf die Schulter. "Mach dir jetzt nicht zu viele Sorgen. Enma-Daio wird über Muraki richten und ihn bestrafen." Er stieg weiter die Treppe hinauf und verschwand in der Abteilung für Vorladungen. Tsusuki starrte auf die nun leere Stelle vor ihm und kam erst wieder aus seinen Gedanken zurück, als Hisoka ihm die Hand auf die Schulter legte. Langsam schüttelte er den Kopf. "Ich glaube das alles nicht. Wieso sollte Watari...?" "Es stimmt auch nicht." Tsusuki seufzte schwer und legte die Hand vor die Augen. "Erklär das mal Tatsumi." "Watari hat mir erzählt, was Muraki mit ihm gemacht hat", fuhr Hisoka fort. "Ich habe nichts gesagt, weil ich ihm versprochen habe, es für mich zu behalten. Tatsumi weiß bestimmt nichts davon, sonst hätte er nicht so reagiert. Allerdings versteh ich auch nicht, warum Watari sich jetzt so um Muraki bemüht. Ich an seiner Stelle würde diesen Arzt abgrundtief hassen." "Ich habe noch nie erlebt, dass Watari jemanden gehasst hätte... so ist er einfach nicht. Er versucht immer alles zu erklären. Typisch Forscher." Tsusuki lächelte sinnig. "Aber in der Shion-Universität", widersprach Hisoka, "als Tatsumi dich aufgeben wollte, da ist er furchtbar wütend geworden und hat sich fast nicht mehr beruhigen lassen. Er hat Tatsumi gepackt und ihn durchgeschüttelt!" "Wirklich? - Ja, wenn er wütend wird, dann kann man richtig Angst vor ihm kriegen." "Ist Tatsumi vielleicht wegen dieser Sache so sauer auf ihn?" "Nein, das glaub ich nicht. Ich denke eher, das er sich wirklich Sorgen um uns macht." "Komische Art, sich Sorgen zu machen", bemerkte Hisoka spitz. Tsusuki zuckte die Schultern, und ein wenig Resignation schwang in der Bewegung mit. "So ist er halt." "Hm", machte Hisoka trocken und setzte sich in Bewegung. Gemeinsam erklommen sie die Treppe. "War Tatsumi schon immer so?" wollte Hisoka wissen. "Na ja... er hat sich eigentlich wenig verändert, seit ich ihn kenne." "Wenig?" "Kaum. Er hatte schon immer seine Zahlen im Kopf. Wirklich aus sich herausgegangen ist er nie. Außer wenn wir allein waren..." "Ja?" Hisoka zog die Augenbrauen hoch. Jetzt kommt's, dachte er. "Manchmal konnte er richtig nett sein. Dann war er ganz anders als sonst... Aber ich hab nie herausgefunden, warum. Wenn er so einen melancholischen Blick hatte und die Arbeit ihm Spaß gemacht hat... wenn der Tag nicht irgendwie mies gelaufen war..." Tsusukis Gedanken schweiften träumend irgendwo fernab der Wirklichkeit. Hisoka berührte ihn ganz leicht, was sonst nicht seine Art war, doch er war einfach zu neugierig. Während er in Gedanken schon über eine Entschuldigung nachgrübelte, sag er Bilder von einem Tatsumi, der liebevoll und fürsorglich lächelte wie ein Vater. Tsusuki war selig. Zu gern hätte Hisoka jetzt auch Tatsumis Gefühle gesehen, doch sein Gewissen rief ihn lautstark zur Ordnung. Die ganze Zeit hatte es schon keine Ruhe gegeben, und so gab Hisoka nach und verließ Tsusukis Gedankenwelt. Was hatte Tatsumi noch gesagt? Du bist ihm viel näher als ich, du kannst ihn erreichen. Konnte er das wirklich? Hisoka betrachtete den träumenden Tsusuki und auch die Erinnerung an Wataris Kuss tauchte wieder in ihm auf. Warum auch immer. Ihm war die Sache so peinlich gewesen und er war heilfroh, dass Watari so diskret war. Hätte er gar nicht gedacht. Ob er es wirklich mal mit dem Wissenschaftler versuchen sollte...? Hisoka schüttelte sich. Allein die Vorstellung...! Warum hatte er sich nur zu dieser Eskapade hinreißen lassen! Da war ihm Tsusuki schon viel lieber. Irgendwie lag das ja auch viel näher, schließlich waren sie ja Partner. (Und sie schlafen seit ein paar Tagen im gleichen Bett^^) Und auch wenn er Tsusuki manchmal für den größten Trottel der japanischen Inseln hielt, er konnte auch ganz nett sein. Er war auch derjenige, der sich am meisten um Hisoka kümmerte... Tja, und auf der andren Seite stand da Tatsumi. Die beiden kannten sich schon mindestens dreimal so lange wie Hisoka alt war... Konnte er denn da überhaupt ernsthaft mitspielen? Nahmen die beiden ihn überhaupt ernst? "Hisoka?" Der Junge schreckte aus seinen absolut verwirrten Gedanken erst auf, als Tsusuki ihn anschubste. "Eine Million Yen für deine Gedanken", meinte er grinsend. "Die hast du doch gar nicht!" verteidigte sich Hisoka ruppig, damit seine Verlegenheit nicht auffiel. "Und überhaupt: Hast du dein Bett jetzt endlich von diesem Grünzeug befreit?" "Oh, nein..." "Typisch. Langsam glaub ich, du machst das mit Absicht." Tsusuki lächelte verschwörerisch. "Klar", meinte er. Hisoka wurde rot wie eine Chilischote. "Äh..." "Ganz klar: Zu zweit frühstückt sich's einfach viel besser." "IDIOT!" "Waaaah...!" Die Szene endete damit, dass Hisoka seinen Partner durch die Gänge des Enma-Cho jagte und ihm nachbrüllte: "KAUF DIR EINE HECKENSCHERE!!!" Die Mitarbeiter der andren Abteilungen fühlten sich ein weiteres Mal in ihrer Vermutung bestätigt, dass in der Abteilung für Vorladungen ein Haufen hoffnungsloser Chaoten beschäftigt war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)