Gefangen - Silent Desires: KKJ von abgemeldet (Kapitel 10 iat da!!!!!!!!!!) ================================================================================ Kapitel 1: Das Antiquariat -------------------------- Kapitel 1 - Das Antiquariat Die Glöckchen an der Tür von "Miyako's Rare Books & Manuscripts" bimmelten fröhlich, als Yamato Minazuki hinaus in die Dunkelheit trat. Marron Kusakabe schaute ihm amüsiert, aber auch ein wenig traurig nach. Nach fast einem Jahr Ehe würde ihre Chefin und beste Freundin, Miyako Minazuki, ihrem Mann gleich zur Tür hinaus folgen, um in die verspäteten Flitterwochen zu starten. Marron seufzte. Seit Jahren war sie der typische New Yorker Single, der von einer Bar zur nächsten und von einem Partner zu nächsten zog. Das hatte auch eine ganze Weile Spaß gemacht, aber jetzt... Nun, vielleicht wurde es Zeit für mehr Ernsthaftigkeit. Und nicht nur, was Männer betraf. "He?" Miyako klopfte mit dem Fingernagel auf den Glastresen. "Bist du noch da?" "Klar. Ich bin nur müde. Dieses Aufstehen um vier Uhr morgens ist Mist." "Tut mir Leid, aber der Flug geht nun mal um sechs, und ich musste noch ein paar Sachen aus dem Büro holen. Du hättest nicht ausstehen müssen." Marron gähnte. "Ich bin nicht aufgestanden. Ich war schon wach." Sie wohnte vorübergehend in Miyakos altem Apartment über dem Antiquariat, deshalb war sie nach unten gegangen, als sie Yamato und Miyako hörte. Die beiden waren gekommen, um die Literaturverzeichnisse und Notizen zu holen, die Miyako mit nach Paris und London nehmen wollte. Die Flitterwochen waren eher ein Arbeitsurlaub, aber Yamato schien das nichts auszumachen. "Du warst also die ganze Nacht wach", bemerkte Miyako amüsiert. "Und was macht der Kerl?" Marron verdrehte die Augen. "Es war kein Mann bei mir." Miyako runzelte die Stirn. "Aber es ist Samstagnacht. Na ja, Sonntagmorgen." "Na und?" Marron wusste, dass sie klang, als wollte sie sich rechtfertigen, aber sie konnte nichts dagegen tun. Statt mit einem Mann hatte sie das Wochenende lesend und nachdenkend verbracht. Zum Beispiel hatte sie über ihre Zukunft nachgedacht und darüber, was sie eigentlich mit ihrem Leben anfangen sollte. Fragen, über die man am besten im Dunkeln bei einer Norah-Jones-CD und einer Flasche Merlot grübelte. Natürlich hatte sie bei ihren Grübeleien im Dunkeln das Flirten mit Roy vermisst, den DJ im "Xylo's". Alles in allem hatte sie ihr Wochenende allein jedoch genossen und sie hatte ein paar wichtige Entscheidungen getroffen. Miyako zuckte mit den Schultern. "Schon gut, ich dachte einfach, du hättest ein Date gehabt." "Ich mache gerade eine Männer-Pause." Marron grinste und winkte Yamato zu, der wieder hereinkam und Miyako in den Arm nahm. Erneut empfand Marron Neid. Die Wahrheit war, dass Miyakos bevorstehende Flitterwochen mit ihrem Märchenprinzen Marrons nachdenkliche Stimmung ausgelöst hatten. Denn das war das Problem mit Marrons Dates. Mit Takumi, Kaiki und all den anderen. Es waren keine Prinzen, und ganz gleich, wie viel Spaß sie mit ihnen hatte, irgendwann war der Zauber zu Ende. Marron war das gründlich satt. "Ich habe genug von flüchtigen Bekanntschaften", platzte sie heraus. Miyako und Yamato stutzten, wirkten jedoch nicht sehr überrascht. Na schön, Marron fasste häufig Entschlüsse und vergaß sie dann wieder, aber da drehte es sich meistens um Diäten oder Sport. Diesen Entschluss jedoch würde sie in die Tat umsetzen. "Du hast genug davon?", wiederholte Miyako. "Na ja, sollte etwas Ernstes möglich sein, dann werde ich mich natürlich auf ein Date einlassen. Aber von diesem Zufallsquatsch habe ich genug." "Eine Frau mit einem Ziel", bemerkte Yamato. "Da sollte ich vielleicht meine armen unverheirateten Artgenossen warnen." Marron und Miyako verdrehten die Augen. "Unser Taxi wartet", wandte sich Miyako an Yamato und deutete zur Tür. "Geh schon mal vor." Yamato gab ihr einen Kuss. "Mach ich." An der Tür blieb er noch einmal stehen. "Ich habe Takumi gebeten, hin und wieder nach dem Rechten zu sehen." Marron grinste. Yamato war Detective bei der Mordkommission, und sein Partner, Takumi Kerogati, war ein guter Mann, der selbst bald heiraten würde - Eine Krankenschwester, mit der er seit einigen Monaten zusammen war. Beide Männer hatten einen übermäßig ausgeprägten Beschützerinstinkt. Marron war zwar verärgert, aber in Wirklichkeit schmeichelte ihr die Sorge der beiden. "Danke, Yamato", sagte sie und musste über seine überraschte Miene schmunzeln, die verriet, dass er Protest verwartet hatte. Als Yamato draußen war, kam Miyako wieder na den Tresen. "Du gibst die Verabredungen wirklich auf?" "Klar. Das ist keine große Sache." "So, so." Miyako sah nicht überzeugt aus. Kein Wunder, denn Marron war selbst nicht recht überzeugt.. "Und du bist sicher, dass du zurechtkommst?" Diese Frage bezog sich auf das Antiquariat. "Ich arbeite jetzt seit vier Jahren hier, also sollte ich allmählich wissen, wie der Laden läuft", entgegnete Marron. "Es ist trotzdem eine große Verantwortung. Du hast dich bisher nie um die Buchhaltung oder die Gehälter kümmern müssen. Und viel Spielraum haben wir beim Budget auch nicht mehr." Miyakos Miene verdüsterte sich. "Hast du die Nummer unseres Hotels für den Notfall?" "Ich werde schon zurechtkommen. Es ist alles unter Kontrolle." Marron fragte sich, ob dies der richtige Augenblick war, das Thema anzuschneiden, das ihr am meisten am Herzen lag. "Miyako", begann sie, "hast du eigentlich noch immer vor, kürzer zu treten?" Miyako seufzte und fuhr sich durch die Haare. "Ja, es sei denn, ich finde jemanden als Partner. Das Problem ist, dass Bücherläden schlechte Investitionsobjekte sind, also werden potenzielle Geschäftspartner mir nicht gerade die Tür einrennen." "Was wirst du tun? Nur noch drei Mal die Woche aufmachen?" Miyako promovierte gerade und wollte unterrichten. Außerdem wollte sie mehr Zeit mit Yamato verbringen. Das und die schlechte Finanzlage des Ladens hatten sie dazu veranlasst, über eine Reduzierung der Öffnungszeiten nachzudenken. Marron gefiel das ganz und gar nicht. "So etwas in der Art", sagte Miyako. "Ich werde mir etwas überlegen, wenn ich wieder zurück bin. Keine Sorge, du weißt, dass ich deine Stunden nicht kürze, bevor du noch einen anderen Job gefunden hast." Marron wollte erwidern, dass sie nicht an einem anderen Job interessiert war und dass sie Miyakos Partnerin werden wollte. Doch in diesem Augenblick wurde draußen zwei Mal gehupt. "Ich komme zu spät", erklärte Miyako. "Können wir ein andermal darüber sprechen?" "Klar." Marron würde das Thema gleich nach Miyakos Rückkehr wieder aufgreifen. Bis dahin sollte sie auch bessere Argumente haben, um ihre Chefin zu überzeugen. "Gut." Miyako beugte sich über den Tresen und umarmte Marron rasch. "Ich weiß, dass du dich hervorragend um alles kümmern wirst." Marron nickte, wünschte ihnen eine gute Reise und winkte ihnen nach. Dann waren sie fort. Jetzt trug sie die Verantwortung. Das war ein gutes Gefühl, das über die zwei kurzen Urlaubswochen hinaus andauern sollte. Sie liebte diesen Laden und den Geruch der alten Bücher. Sie mochte die Kunden, die gezielt etwas suchten oder herumschlenderten, bis sie ein Buch fanden, das ihnen gefiel. Sie liebte die Vielfalt der Bücher in den Regalen - Belletristik, seltene illustrierte Wälzer, Erstausgaben von Biographien und populären Romanen, alte Reiseführer und alte Drucke. Und natürlich liebte sie die erotische Literatur. Miyakos Spezialität war die Erotik der viktorianischen Zeit, und sie sorgte dafür, dass der Laden mit seltenen Werken aus dieser und anderen Perioden ausgestattet war. Wenn nicht viel los war, las Marron in der Sammlung. Inzwischen kannte sie alle Werke von Anaís Nin bis D.H. Lawrence. Marron hatte sich nie als uninformiert betrachtet, was Männer anging, aber dies war ein ganz neues Gebiet für sie. Diese Art von Literatur begeisterte sie und lieferte ihrer Fantasie ständig neue Nahrung. Vielleicht war das unprofessionell, aber sie konnte nun einmal nicht verhindern, dass die erotischen Romane mit ihren freizügigen Schilderungen sie erregten. Jetzt schlenderte sie im Schein der einzigen Lampe zwischen den Regalen hindurch zu ihrer Lieblingsabteilung und zu ihrem Lieblingsbuch. Als sie gleich nach dem College angefangen hatte, für Miyako zu arbeiten, war sie mit erotischer Literatur nicht vertraut gewesen. Natürlich hatte sie von ihrer Existenz gewusst, aber sie hatte weder etwas gelesen noch den Wert einer ledergebundenen Ausgabe erkannt. Von dem Vergnügen, das die bloßen Worte auf dem Papier bereiten konnten, ganz zu schweigen. Ein Schauer prickelnder Vorfreude überlief sie, während sie den Blick über die Regale schweifen ließ. Sie fand den Band, nach dem sie gesucht hatte, ein Buch aus dem späten neunzehnten Jahrhundert, gebunden in grünem Karton und in sehr gutem Zustand. Der Autor war anonym, aber das war Marron egal. Sie interessierten nur die Worte, nicht wer sie geschrieben hatte. Und was für Worte! Sie beschleunigten ihren Puls so wirkungsvoll wie die Berührung durch einen Liebhaber. Sie fuhr mit dem Finger über den Buchrücken aus Leinen und den in goldenen Buchstaben aufgeprägten Titel "Die Vergnügungen einer jungen Frau". Ein solches Buch würde sie sich selbst gern leisten können, doch sie wusste, dass das nie passieren würde. Das Werk war äußerst selten, und Gelehrte hielten die Sammlung von Geschichten für das Werk von Zeitgenossen Oscar Wildes. Angeblich handelte es sich um eine Chronik der erotischen Abenteuer von Mademoiselle X, während ihrer Reise von Paris und London in Worten und Bildern. Und was für Abenteuer das gewesen waren... Einen Moment lang fragte Marron sich, ob ihr Entschluss, keine Affären mehr zu haben, bloßer Masochismus gewesen war, der sie nur noch mehr frustrieren würde. Nein! Mit geschlossenen Augen drückte sie das Buch an die Brust. Sie schwor den Männern nicht ab, nur überflüssigen Dates mit den falschen Männern. Für den Richtigen stand die Tür dagegen weit offen. Sie fuhr mit den Fingern über das Buch, während ihre Gedanken abschweiften. Es wäre so einfach, das Buch mit nach oben zu nehmen, es sich im Bett bequem zu machen und genüsslich Seite für Seite zu lesen. Sie seufzte, und ein sinnliches Kribbeln überlief ihre Haut. Sie kannte dieses Buch beinahe auswendig. Sie wusste, welche Passagen ihre Seele ansprachen, sie verführten, ihre Brüste zu streicheln, ihren Bauch und dann die Hand weiter nach unten gleiten zu lassen, tiefer... Ein weiterer Schauer überlief sie, und dann nahm sie sich zusammen und stellte das Buch wieder zurück ins Regal. Es dämmerte fast. Sie brauchte ihren Schlaf und konnte es sich nicht leisten, sich von erotischer Prosa in eine Fantasiewelt entführen zu lassen. Trotzdem... Sie hielt inne, die Hand in der Nähe des Bauches. Der Laden war sonntags abgeschlossen, also könnte sie durchaus den Tag im Bett verbringen, wenn sie wollte. Außerdem war sie nicht müde. Im Gegenteil, sie war aufgekratzt. Und die herrliche Lektüre war eine willkommene Ablenkung, nachdem sie flüchtigen Affären abgeschworen hatte. Kurz entschlossen zog sie "Die Vergnügungen einer jungen Frau" wieder aus dem Regal und ging damit nach oben in ihr Apartment und ins Bett. Ein Glas Wein, sanfte Musik und dann dieses Buch - himmlisch. Oder zumindest so nah, wie sie dem Himmel nahe kommen konnte. So, damit wäre das erste Kapitel meiner neuen FF fertig. Ich hoffe mal wieder, dass sie euch genauso gefällt wie meine anderen. Also viel Spaß beim Lesen!!! kizz, deathstrike Kapitel 2: Chiakis Leben ------------------------ Kapitel 2 - Chiakis Leben "Die sieht klasse aus", bemerkte Leo und deutete quer durch die verqualmte Bar auf eine attraktive Rothaarige, die aussah, als hätte sie einiges für ihre Frisur, den Busen und den Po hingeblättert. "Ich wette, die ist ein Tiger im Bett." Chiaki warf seinen Anwalt einen Blick zu und schwenkte das Glas in der Hand, so dass die Eiswürfel klirrten. Er trank einen Schluck und musterte die Frau. "Nicht schlecht", stellte er ohne große Begeisterung fest. "Was ist los? Ist sie nicht dein Typ?" "Ich habe keinen Typ", antwortete Chiaki. Wenn eine Frau ihm gefiel, verbrachte er gern Zeit mit ihr im Bett. Aber ein bestimmter Typ? Wozu? Außerdem war er nicht auf der Suche nach einer Frau, die einen festen Platz in seinem Leben einnahm. Dazu hatte er weder Lust noch Zeit. "Du solltest dir mal überlegen, eine Familie zu gründen", reit Leo ihm. "Das wäre gut für dein Image." "Und die da ist die Sorte Frau, die ich in ein Haus in einer Vorortsiedlung stecken soll?", meinte Chiaki mit einem Kopfnicken in Richtung der Rothaarigen. Leo zog die Brauen zusammen. "Nein, das ist die Sorte, mit der du ins Bett gehst." Chiaki musste lachen. Leo kam immer schnell zum Kern der Sache. Das machte ihn auch zu einem guten Anwalt. "Tob dich aus", sagte Leo. "Und dann komm zu mir. Marjorie kennt viele nette Frauen, die dich gern zum Ehemann hätten." Chiaki schüttelte den Kopf. Er hatte keine Zeit für eine echte Beziehung, die die Basis für eine Ehe wäre. Angesichts der Ehe seiner Eltern hatte er sich außerdem schon oft gefragt, ob eine solche Basis überhaupt existierte. Er hatte sie für das ideale Paar gehalten. Aber dann war vor zehn Jahren ihr idyllisches Leben auseinander gebrochen. Seine Mutter hatte eine Affäre gehabt, die offenbar schon seit langen bestand, und am Ende war sie mit ihrem Liebhaber davongelaufen. Chiaki hatte keine Ahnung von ihrem Doppelleben gehabt. Er wollte nicht, dass die Geschichte sich wiederholte. "Was meinst du?", fuhr Leo fort. "Die Medien berichten dauernd über den Deal mit Carpenter Shipping. Dreihundert Jobs fallen weg. Er heißt, die kleinen Leute seien dir egal." Chiaki fuhr sich durch die Haare. "Ich weiß, was die Medien schreiben. Ich weiß aber auch, was sie verschweigen - dass immer, wenn ich ein Unternehmen kaufe und saniere, seine Effizienz um über zwanzig Prozent steigt. Das ist eine Menge Geld für die Investoren." Leo hob eine Hand. "Ich weiß." Aber Chiaki war nicht zu besänftigen. "Und wieso schreibt die Presse nie, wie wir den Leuten zu helfen versuchen, die ihre Arbeit verlieren? Niemand hat je eine Story darüber gebracht, was für hohe Abfindungen wir zahlen oder über die Leute, denen wir geholfen haben, neue Jobs zu bekommen." Er wusste, es klang nach Rechtfertigung, aber er konnte nichts dagegen tun. Er hatte sich aus eigener Kraft hochgearbeitet. Mit neunzehn, als er sein Geld noch auf dem Bau verdiente, hatte er sein erstes Gebäude gekauft. Das baufällige Haus im Gewerbegebiet von Austin war ihm ins Auge gefallen, weil er sein Potenzial erkannt hatte. Er hatte zusätzliche Jobs angenommen und bis zur Erschöpfung gearbeitet, um die Anzahlung zusammenzubekommen. Zwei Jahre später renovierte er das Gebäude und verkaufte es mit ordentlichem Profit. Das Geld hatte ihm gefallen, aber noch mehr Spaß hatte es ihm gemacht, einen guten Preis auszuhandeln. Er reinvestierte den Gewinn, machte weitere Geschäfte mit Immobilien und expandierte nach Dallas und Houston. Kurz vor seinem einundzwanzigsten Geburtstag hatte er die erste Millionen zusammen - ein Junge aus der Kleinstadt, der es geschafft hatte. Heute kaufte und verkaufte "Nagoya Industries" Firmen. Er hatte Firmensitze in Dallas, Los Angeles, Atlanta und New York und verbrachte mehr Zeit auf Reisen als in seinem Haus. Als Firmenchef und Vorstandsvorsitzender suchte Chiaki Unternehmen, die zwar gute Produkte herstellten, aber verschuldet waren. Er kaufte sie billig, strukturierte sie um und verkaufte die Unternehmen wieder. Sicher, einige Leute verloren ihre Jobs, aber das lag in der Natur der Sache. Die freie Wirtschaft war nun mal keine Wohlfahrtseinrichtung. "Ich sage ja nur, dass das Image alles ist", meinte Leo. "Und dein Image wäre positiver, wenn du eine Frau in der Küche und ein paar spielende Kinder im Garten hättest." "Ich bezahle dich dafür, dass du mein Anwalt bist, nicht mein PR-Manager", konterte Chiaki leicht gereizt. "Marjorie liegt mir seit Jahren damit in den Ohren, dass wir eine nette Frau für dich finden müssen", erklärte Leo und ignorierte Chiakis Seitenhieb. "Wer sagt denn, dass ich einer netten Frau, wie du es nennst, interessiert bin? Außerdem ist mein Image bestens." Mit sechsundzwanzig war Chiaki einer der reichsten und begehrtesten Männer New Yorks. Mit der Presse verband ihn eine Hassliebe. Wenn die Medien nicht gerade seine neusten Geschäfte als Bedrohung für die zivilisierte Welt aufbauschten, fielen sie wegen seines Geldes und seines Aussehens über ihn her. In Anbetracht der Tatsache, wie viele Titelseiten von Magazinen sein Gesicht schon geziert hatte, würde ich jeder, der es nicht besser wusste, für einen Filmstar halten. Das war er nicht, doch er war schon mit einigen Stars ausgegangen. "Investoren mögen Stabilität", fuhr Leo fort. "Heim und Herd und so. Besonders in Wirtschaftszweigen wie diesem." "Investoren mögen Profit", erwiderte Chiaki. "Besonders in Wirtschaftszweigen wie diesem. Und den kriegen sie von mir." Er sah Leo an. "Ich werde nicht heiraten, nur damit du mich als braven Familienvater präsentieren kannst." Leo hob kapitulierend die Hände. "He, ganz wie du willst. Du bist schließlich erwachsen." Chiaki nickte und leerte seinen Drink. Er schaute auf seine Uhr. Bereits neun. "Ich will vor dem Meeting morgen noch einmal die Dokumente zu dem New-Jersey-Deal durchgehen. Kannst du sie bis zwei fertig haben?" Leo sah ebenfalls auf seine Uhr und runzelte die Stirn. Einen Moment lang glaubte Chiaki, er würde sich darüber beklagen, weil er selbst zu Frau und Kindern nach Hause wollte. Doch dann nickte der Anwalt. "Kein Problem. Wir könnten auch an den Carpenter-Deal arbeiten. Mit der Presse im Nacken und den Angestellten, die mit einer einstweiligen Verfügung drohen, wird der Deal wohl platzen." "Es ist dein Job, dafür zu sorgen, dass das nicht passiert." "Na gut, fahren wir zurück ins Büro. Jenny müsste die Änderungen inzwischen fertig haben", erklärte er. Jenny war seine Sekretärin. "Wir können die Unterlagen bei einer Kanne Kaffee durchgehen." "Du gehst sie durch. Dafür bezahle ich dich schließlich. Ich komme um zwei vorbei, um mir die Unterlagen mit dir zusammen anzusehen." "Und was machst du bis dahin?", wollte Leo wissen. Chiaki grinste und schaute zu der Rothaarigen. "An meinem Image arbeiten natürlich." Der Alarm in Chiakis Uhr piepte um ein Uhr fünfundvierzig, und die Rothaarige neben ihm zog sich das Kissen über den Kopf. Ihr nackter Po streifte seine Hüfte. Chiaki stand leise auf, um sie nicht zu wecken. Schließlich war die Frau - er hatte ihren Namen vergessen - höchstwahrscheinlich erschöpft. Wie Leo vorhergesagt hatte, war sie ein wildes Ding. Genau das, was er gebraucht hatte, um Energie zu tanken für weitere zwölf Stunden Überlebenskampf im Dschungel der Fusionen und Übernahmegeschäfte. Er fand seine Boxershorts in einem Wäscheknäuel aus ihrem BH und Slip. Seine Hose hing ordentlich und mit intakter Bügelfalte über der Sessellehne, wo er sie abgelegt hatte. Er knöpfte sein Hemd zu, ohne es in die Hose zu stopfen, und hängte sich die Krawatte einfach um den Hals, eher er sein Jackett überzog. Ihr Apartment lag Ecke Fifty-fourth und roadway, zwölf Blocks von Leos Büro entfernt. Die Septembernacht war warm, und Chiaki entschied sich für einen Spaziergang. Duschen konnte er in Leos Büro. Wenn die Unterlagen in Ordnung waren, blieb ihm vielleicht noch Zeit für eine Runde auf dem Laufband. Neben dem Bett stand in einer Vase eine einzelne Rose. Die hatte er der Rothaarigen gekauft, als sie zusammen die Bar verlassen hatten. Jetzt nahm er die Rose aus der Vase und legte sie auf das Kissen neben ihr. Dann gab er der Frau einen Kuss auf die Wange. Sie war wirklich süß, und er war froh gewesen über die Ablenkung. Aber jetzt musste er sich wieder seinen Geschäften widmen. Als er die Tür hinter sich zuzog, fiel ihm ihr Name wieder ein - Lydia. Hübsch, aber auch leicht wieder zu vergessen. Das waren sie alle. Doch als er die sechs Stockwerke hinunter auf die Straße lief, verfluchte er im Stillen Leo. Denn zum ersten Mal seit der Scheidung seiner Eltern begann Chiaki sich zu fragen, ob es nicht tatsächlich irgendwo eine Frau gab, die in ihm den Wunsch wecken konnte, zu bleiben. Kapitel 3: Marrons Traum ------------------------ Ich habs doch noch geschafft dieses Wochenende Kapitel 3 fertigzustellen. *stolz bins* Eigentlich sollte ich ja für Mathe lernen, aber ich wollte euch nicht so lange warten lassen, weil es höchstwahrscheinlich ein bisschen dauern wird, bis ein neues Kapitel von einen meiner ffs herauskommt. Aber ich schreib fleißig weiter, versprochen!!!!!!!!!! Das Kapitel widme ich maronkusakbe14, meiner Lieblingsanimexxfreundin. Hoffentlich gefällt es dir. Wenn ich ja schon mal dabei bin, grüße ich auch _ceres_, mikako-saeki, conansan, 8mitsuki-chan8, magic_fairy, manura, ceres-san, klein_koi-chan und smileyxxx, und natürlich alle die mich noch kennen. Ich habs euch alle richtig doll lieb!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Guckt auch mal auf meine Homepage: www.beepworld.de/members82/op-girl Aber ich will euch nicht so lange aufhalten, also viel Spaß beim Lesen und hoffentlich gefällt es euch.... KIZZ, DEATHSTRIKE Kapitel 3 - Marrons Traum Es war die Hitze, die Marron weckte. Die Klimaanlage musste mal wieder den Geist aufgegeben haben. Abgesehen davon war Miyakos Apartment schöner als alles, was Marron sich je würde leisten können. Und sie konnte nur so lange darin wohnen, bis Miyako einen Käufer dafür gefunden hatte. Marron seufzte und streckte sich. Das erotische Buch lag neben dem Bett, aufgeschlagen auf Seite einhundertdreiundzwanzig. Sie fuhr mit dem Finger über die Seite und erinnerte sich an die erregenden Schilderungen. Erneut streckte sie sich wie eine Katze. Die Versuchung, im Bett zu bleiben und weitere Stunden mit diesem Buch und ihren Fantasien zu verbringen, war groß. Nackt rollte sie sich auf die andere Seite, um eine kühle Stelle auf dem Baumwolllacken zu finden. Vergeblich. Was soll's, dachte sie. Sie hatte bereits einen ganzen Sonntag gefaulenzt, das Buch gelesen, ferngesehen, Wein getrunken und wieder gelesen. Jetzt war es früher Montagmorgen und Zeit zum Aufstehen. Sie setzte sich auf, strich sich die feuchten Strähnen aus dem Gesicht und lief barfuß in die Küche. Sie machte die Küchenschranktür auf und ließ die kühle Luft über ihre Haut streichen. Ein angenehmes Frösteln überlief sie, als der dünne Schweißfilm auf ihrer Haut verschwand. Ihr Magen knurrte, und sie überprüfte den Inhalt des Kühlschranks. Bis auf eine Cola Light und ein paar schlaffe Karotten war nicht viel drin. Sie verzog das Gesicht und nahm sich die Cola. Sie machte den Kühlschrank zu und presste die kalte Dose an ihre Stirn. Sie schloss die Augen und lehnte sich gegen den Herd, während sie mit der Dose über ihren Hals und ihr Dekollete fuhr. Nicht, dass eine Dose Cola letztlich viel helfen würde. Wenn sie es wirklich kühler haben wollte, sollte sie nach unten in den Laden gehen und arbeiten. Im Antiquariat gab es wenigstens eine funktionierende Klimaanlage. Und im Pausenraum gab es auch etwas zu essen und eine Kaffeemaschine. Außerdem hatte sie noch jede Menge Arbeit zu erledigen. Miyako war erst seit fast 24 Stunden fort, was bedeutete, dass Marron nur noch 29 Tage blieben, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Und wenn sie jetzt nach unten ging, konnte sie vier Stunden ungestört arbeiten, ehe sie den Laden aufmachen musste. Sie hatte bereits alles im Kopf ausgearbeitet. Der Laden lief in letzter Zeit nicht besonders gut, daher bestand Marrons Plan aus zwei Teilen. Zuerst wollte sie einen Katalog zusammenstellen, der Miyako bei ihrer Rückkehr umhauen würde. Und dann wollte sie die Anzahl der Kunden - und somit den Umsatz - erhöben. Der Katalog war der leichte Teil. Zwei Mal im Jahr gab der Laden einen Katalog heraus, im Sommer für gewöhnlich mit dem Schwerpunkt erotische Literatur. Im letzten Jahr war der Katalog erst ein paar Monate später erschienen und hatte erstaunlicherweise die beste Reaktion erhalten, so dass Miyako beschlossen hatte, den Erscheinungstermin in Zukunft von August auf Oktober zu verlegen. Obwohl Marron und Miyako zusammen daran gearbeitet hatten, hatte Miyako die Verantwortung dafür zum größten Teil Marron überlassen. Und Marron hatte die Absicht, diese Chance zu nutzen. Angesichts ihrer guten Kenntnisse des Bestandes an erotischer Literatur im Laden sah sie keine Probleme bei dieser Aufgabe. Die geschäftliche Seite dagegen war schwieriger. In Gedanken hatte sie ihre Stärken und Schwächen aufgezählt. Zu ihren Stärken gehörten ihre Begeisterungsfähigkeit und ihr Branchenwissen, das sie auch in den letzten Jahren erworben hatte. Außerdem konnte die gut mit Menschen umgehen. Sobald ein Kunde den Laden betrat, brachte sie ihn meistens dazu, etwas zu kaufen. Besonders die Männer. Ihre Schwächen waren beunruhigend. Sie hatte keine Ahnung davon, wie man ein Geschäft führte. Von Buchhaltung, Management und Personalangelegenheiten verstand sie nichts. Sicher, sie konnte lernen, aber sie musste sich damit beeilen. Sie kämpfte gegen die Angst an, alles könnte umsonst sein, weil Miyako einen anderen Partner dazuholte oder die Eröffnungszeiten so stark reduzierte, dass Marron hier nicht mehr arbeiten konnte. Das würde sie nicht überstehen. Sie liebte ihren Job. Die Arbeit faszinierte sie, und das hatte sie bei noch keinem Job erlebt. Außerdem bewunderte sie Miyako, die ihr eine Chance gegeben hatte, als sie eine 21-jährige Studienabbrecherin gewesen war. All die Jahre war Miyako eine großartige Arbeitgeberin gewesen. Aber jetzt wollte Marron mehr. Um Teilhaberin zu werden, musste sie Miyako beweisen, dass sie das Zeug dazu hatte und wusste, wie man ein Unternehmen leitete. Sie wünschte, sie hätte einen Lehrer. Sie brauchte jemanden, der ihr das Grundwissen beibrachte. Aber den hatte sie nicht. Doch Marron war schon mit vielen Dingen fertig geworden. Sie konnte auch das schaffen. Sie musste sich eben etwas einfallen lassen. Marron saß am Tisch im Pausenraum und versuchte, sich auf die erotischen Bücher und Zeichnungen vor ihr zu konzentrieren. Keine leichte Aufgabe. Seit fast drei Stunden analysierte sie das Zeug und hatte beachtliche Fortschritte mit dem Katalog gemacht. Doch jetzt ließ ihre Konzentration nach. Dafür nahm ihre Erregung zu. Seufzend fuhr sie mit dem Finger über eine Zeichnung, die eine Frau darstellte, die sich selbst berührte. Ein Mann, im Schatten verborgen, beobachtete die Frau mit lüsternem Blick. Der Künstler, der für die Schattierungen eine Mischung aus Schwarz und Grautönen verwendet hatte, war unbekannt, und Marron fragte sich, ob es tatsächlich ein Modell gegeben hatte. Hatte die Frau genau so auf der Chaiselongue gelegen? Hatte sie gewusst, dass der Mann sie beobachtete? Hatte sie sich vorgestellt, wie er langsam auf sie zukam und dann seine Hände auf ihren Busen, um sie von dort nach unten gleiten zu lassen, bis zu ihrem empfindsamsten Punkt, wo er ihre Erregung spürte, die durch nichts außer ihrer Fantasie ausgelöst worden war? Marron erschauderte, als könnte sie die Fantasie zu ihrer eigenen machen. So sehr sie die Arbeit in dem Antiquariat auch mochte, so sehr konnten die dort angebotenen Bücher sie ablenken. Andererseits war das gerade diese Ablenkung, die sie so mochte. Mit einem Lächeln legte sie den Druck beiseite und widmete sich den übrigen Bildern auf dem Tisch. Ja, dieser Druck würde auf jeden Fall in den Katalog kommen. Kapitel 4: Harmloses Frühstück vielleicht? ------------------------------------------ Kapitel 4 - Harmloses Frühstück vielleicht? Der New-Jersey-Deal würde heute nicht über die Bühne gehen. Das bedeutete, dass Chiaki mindestens noch einen Tag in Manhattan festsaß, wahrscheinlich sogar zwei oder mehr. Er dachte an sein großes Haus in Austin, erbaut auf einem drei Hektar großen Gelände oben in den Hügeln, mit Blick auf den Lake Travis. Er dachte an den gepflegten Rasen, den Swimmingpool und die Bäume. Wie sehr liebte er die Brise, die nachts durch die Bäume wehte. Er war jetzt seit einer ganzen Woche in Manhattan, und das waren fünf Tage zu viel. Er mochte die Stadt und ihre vibrierende Energie, aber sein Zuhause liebte er noch mehr. Und es ärgerte ihn, dass die Verzögerungen, die ihn in New York festhielten, auf schlampige Arbeit seiner Untergebenen zurückzuführen war. Falls die Sache nicht bald zu einem glücklichen Abschluss kam, würden Köpfe rollen. Mit finsterer Miene sah er auf seine Uhr. Es war noch nicht neun Uhr. Vor dreißig Minuten war das Meeting abgesagt worden, was bedeutete, dass seine Nachtarbeit völlig umsonst gewesen war. Bis auf den kurzen Aufenthalt in Lydias Apartment war er seit sechsunddreißig Stunden auf den Beinen und hatte fast ausschließlich an dieser Übernahme gearbeitet. Und jetzt würde der Deal platzen, weil das Unternehmen, das er kaufen wollte, von der Umweltbehörde mit einer Strafe für illegale Giftmüllentsorgung belegt worden war. Von einer solchen Erwerbung würde der Vorstand nicht gerade begeistert sein, und Chiaki war wütend, dass seine Leute diese Vorgänge nicht früher aufgedeckt hatten. Er fuhr sich durch die Haare, verfluchte Inkompetenz im Allgemeinen und sehnte sich nach der guten alten Zeit, in der er nur sich selbst hatte Rechenschaft ablegen müssen. Jetzt musste er sich mit Komitees, Vorständen und Aktionären herumärgern. Zwar besaß er auch viel mehr Geld als früher, aber an Tagen wie diesem fragte er sich doch, ob ihm das Ganze noch genauso viel Spaß machte. Auf der Straße zu seiner Linken kroch der Verkehr in Schneckentempo voran. Seit sieben Uhr war er zu Fuß unterwegs und war jetzt weit weg vom Times Square oder der Wall Street. Er lief durch die Straßen Manhattans, um seine Frustration abzureagieren. Sein Hemd klebte ihm am Körper. Er zog sein Jackett aus und warf es sich über die Schulter. Dabei schaute er sich um und entdeckte Reihen von alten Häusern aus braunem Sandstein. Davon hatte es früher viele gegeben, bevor die großen Firmen mit ihren Wolkenkratzern kamen und das Stadtbild völlig veränderten. Chiaki hatte nichts gegen Wolkenkratzer, er besaß selbst drei. Aber sein Herz hing an deisen alten geschichtsträchtigen Gebäuden. Er verlangsamte seine Schritte und betrachtete die malerische Gegend. Unwillkürlich begann er zu rechnen - er überschlug den Kaufpreis, die Renovierungskosten und den Profit beim Wiederverkauf. Allerdings waren solche Geschäfte heutzutage nicht mehr leicht zu machen in Manhattan. Die Preise stiegen wieder, und Chiaki konnte den Markt gut genug, um zu wissen, dass eine gute Gelegenheit schwer zu finden war. Weshalb ihm das Schild mit der Aufschrift "Apartment zu verkaufen" im Schaufenster eines Antiquariats auch sofort ins Auge fiel. Er blieb stehen und begutachtete das ganze Gebäude. Es war vier Stockwerke voller Charme, mit Blumenkästen unter den Fenstern und einem schmiedeeisernen Geländer an den Stufen zum Eingang. Durch die gläserne Tür konnte er in das gemütliche Antiquariat sehen. Der Name des Ladens, "Chidori's Rare Books&Manuscripts", war in das Glas geätzt und auf das über dem Gehsteig hängende Schilg gemalt, das Fußgänger aufmerksam machen sollte. Chiaki zog sein Jackett wieder an und betrat den Laden. Er lächelte, als die Glöckchen an der Tür bimmelten, und rechnete damit, gleiche einen kleinen, fast kahlen Mann mit Lesebrille um die Ecke kommen zu sehen. Stattdessen sah er die hellbraunen Haare einer sexy Frau in einem engen schwarzen Rock, die ein lavendelfarbenes Top trug, passend dazu lackierte Fingernägel hatte und dreifach durchstochene Ohrläppchen. Sie kam aus dem Hinterzimmer und sah ihn mit ihren braunen Augen erstaunt an. "Oh", sagte sie und errötete hinreißend. Chiaki hatte das Gefühl, sie bei irgendetwas gestört zu haben. Vielleicht versteckte sie ihren Liebhaber im Hinterzimmer. Die Vorstellung amüsierte ihn, und er malte sich unwillkürlich aus, die Hände über ihre wohlgeformten Schenkel und den süßen Po gleiten zu lassen. (Ja, ja, die lieben Männer^^) "Ich..." Sie hielt inne und schaute zur Eingangstür. "Sind Sie durch die Vordertür hereingekommen?" "Das ist die übliche Art, einen Laden zu betreten, ja." "Tut mir Leid, dumme Frage. Es ist nur so, dass der Laden erst um zehn geöffnet ist. Ich war vorhin kurz weg, um mir einen Bagel zu kaufen. Da muss ich vergessen haben, hinter mir wieder abzuschließen." Er drehte sich zur Tür um und entdeckte erst jetzt das Schild am Fenster. Da er hier drinnen das Wort "Offen" sah, musste von der Straße aus das Wort "Geschlossen" zu lesen sein. "Mein Fehler. Ich bin einfach reingegangen. Das Schild habe ich glatt übersehen. Sie haben Recht. Der Laden ist noch nicht offen." Sie lächelte fröhlich. Sofort überlegte Chiaki, was er noch sagen konnte, um sie zum lachen zu bringen. Gleichzeitig fragte er sich, was eigentlich in ihn gefahren war. Wahrscheinlich lag es am Schlafmangel, dass er so aufgekratzt war. "Ich habe schon gedacht, ich hätte jedes Zeitgefühl verloren", erklärte sie. "Ich habe hinten im Pausenraum gearbeitet." Sie sah auf ihre Uhr. "Oh, schon nach neun. Ich habe gar nicht gemerkt, dass es so spät ist. Ich habe viel zu tun." Chiaki verstand den Wink. "Ich wollte sie nicht stören. Ich werde wiederkommen, sobald Sie geöffnet haben." "Oh, nein, das ist schon in Ordnung." Sie machte einen Schritt auf ihn zu, wobei sie die Hand ausstreckte. Sie berührte ich nicht, aber ihre Nähe genügte, um die Luft zwischen ihnen zum Knistern zu bringen. "Ich habe immer Zeit für einen Kunden." Sie straffte die Schultern und strich ihren Rock glatt. "Wie kann ich Ihnen helfen, Mr....?" "Nagoya", sagte er. "Chiaki Nagoya." Sie reagierte überhaupt nicht auf seinen Namen, wofür Chiaki im Stillen dankbar war. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn sie sein Gesicht oder seinen Namen gekannt hätte. Aber das war nicht der Fall und Chiaki war froh, unerkannt zu bleiben. "Und Sie sind?" "Marron Kusakabe." "Marron? Ich hatte erwartet, Sie würden sagen, Ihr Name sei Marron." Er deutete auf das Schild. "Ach so, klar. Meine... Partnerin hat das Geschäft gegründet." Marron zog die Brauen zuammen. "Möchten Sie sich nur umschauen?" Er räusperte sich und wünschte, er wäre tatsächlich ein Kunde. Er hatte das Gefühl, dass Marron Kusakabe sich für das Bedienen von Kunden mehr interessierte als für Immobiliengeschäfte. "Um ehrlich zu sein, ich bin nicht hier, um ein Buch zu kaufen." "Nein? Na ja, Sie sehen auch nicht aus, als würden Sie etwas verkaufen..." Chiaki lachte. "Nein, ich habe ein paar Fragen zu dem Gebäude. Vielleicht kann ich sie bei einem Frühstück stellen?" Er war nicht sicher, was ihn zu diesem Vorschlag veranlasst hatte. Er wusste nur, dass er den Wunsch verspürte, mehr Zeit mit dieser Frau zu verbringen. "Das Café an der Ecke hat schon geöffnet. Und Ihnen bleibt noch fast eine Stunde, bevor Sie offiziell aufmachen." Sie zögerte und er ließ nicht locker. "Also, wie wäre es mit einem Frühstücksdate? Außerdem müssen Sie gut essen, wenn Sie so viel zu tun haben. Wegen der Vitamine und Mineralstoffe." Er nahm ihren Anblick in sich auf, ihre hellroten Pumps und die schlanken, von hauchzarten Strümpfen umhüllten Beine. Ihr kurzer Rock überließ nicht viel der Fantasie. "Auf jeden fall brauchen Sie ein gesundes Frühstück", fügte er hinzu. "Sie müssen Ihrem Körper etwas Gutes tun." "Glauben Sie mir", erwiderte sie mit einem mutwilligen Lächeln. "Dieser Körper bekommt von mir nur das Beste." "Eben." Ihre Blicke trafen sich und er spürte ein vertrautes Ziehen in den Lenden. "Sie sollten mit mir kommen." Sie musterte ihn von seinen schuhspitzen aufwärts. Ihr Blick war wie eine zärtliche Liebkosung. Es war offensichtlich, dass sie ihn einzuschätzen versuchte und zum ersten Mal seit Jahren hatte er Zweifel, ob er den Ansprüchen einer Frau genügte. "Nein", sagte Marron rasch. "Tut mir Leid." "Sind Sie sicher? Es ist doch nur ein harmloses Frühstück." "Nein, ich glaube nicht", antwortete sie und Chiaki war nicht sicher, ob sich das auf das Frühstück bezog oder auf ihre Befürchtung, mit ihm würde es alles andere als harmlos sein. Falls sie Letzteres wirklich glaubte, konnte er sie zu ihrer Intuition nur beglückwünschen, denn seine Gedanken in diesem Augenblick waren tatsächlich ganz und gar nicht harmlos. Kapitel 5: Kein Aufgeben in Sicht --------------------------------- Kapitel 5 - Kein Aufgeben in Sicht Närrin! Sie konnte nicht glauben, dass sie fast ihren guten Vorsatz vergessen hatte. Sie flirtete mit einem attraktiven Kunden - nein, ein Kunde war er ja gar nicht -, als gäbe es kein Morgen. Dabei konnte sie ihr Verhalten nicht einmal damit entschuldigen, dass er möglicherweise der Richtige war, weil sie nicht das Geringste über ihn wusste - außer dass sie seinetwegen feuchte Handflächen hatte und ihr Bauch mehr kribbelte als bei jedem anderen Mann zuvor. Aber das konnte ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass sie bei seiner Ankunft in erotische Bücher vertieft gewesen war. Sie nahm sich zusammen. "Was kann ich für Sie tun, Mr. Nagoya?" "Ich habe das Zu-verkaufen-Schild draußen gesehen. Können Sie mir etwas über das Apartment sagen?" "Ich fürchte nicht. Das Haus gehört meiner Partnerin. Sie verkauft die beiden Wohnungen und behält den Laden." Im Stillen tadelte sie sich. Partnerin! Reines Wunschdenken. Aber das brauchte Chiaki ja nicht zu wissen, und wenn sie sich weiter intensiv auf die Arbeit an dem Katalog konzentrierte, würde ihr Wunsch vielleicht sogar in Erfüllung gehen. Er sah sich um. "Meinen Sie, die Besitzerin wäre an einem Angebot für das ganze Gebäude interessiert?" "Nein", antwortete Marron und registrierte seine Enttäuschung. "Ich verstehe. Hätten Sie etwas dagegen, mir trotzdem die Apartments zu zeigen?" Die Vorstellung, allein mit ihm in einem der Apartments zu sein, war beunruhigend. "Ich muss noch eine Arbeit beenden, ehe ich den Laden aufmache. Aber schauen Sie sich ruhig um. Meine Wohnung liegt im dritten Stock, Sie können sie sich gerne ansehen." Sie gab ihm den Schlüssel und zeigte zur Treppe, die zu den Wohnungen hinaufführte. Sobald Chiaki außer Sicht war, widmete Marron sich erneut ihrer Arbeit. Ihre Konzentration hielt gerade mal fünf Minuten an, dann fiel ihr Blick wieder auf das Bild von dem Mann, der die Frau beobachtete. Die Frau sah so verzückt aus. Und der Mann ähnelte Chiaki ein wenig. Wärme durchflutete Marron. Sie besaß eine viel zu lebhafte Fantasie, die manchmal ein Fluch war, denn gerade jetzt stellte sie sich vor, wie Chiaki die Treppe herunterschlich und zur Tür des Pausenraumes ging. Er würde dort stehen und sie heimlich beobachten. Und während er sie ansah, würde sie den Rücken durchbiegen, sodass ihre Brüste besser zur Geltung kamen, und mit den Fingerspitzen sacht über ihren Hals fahren, erregt von dem Wissen, dass dieser Mann ihr zuschaute. Ganz langsam ließ sie den Finger über ihren Körper gleiten, liebkoste ihre Brüste und ihren Bauch. Sie zog ihr Top hoch und fragte sich, was er jetzt wohl dachte. Wollte er sie berühren? Oder genügte es ihm, zu sehen, wie sie sich selbst Vergnügen bereitete? Mit einem leisen, erwartungsvollen Aufstöhnen schob sie die Hand in ihren Rock und unter den Elastikbund ihres Slips. Sie hob die Hüften ein wenig an und sehnte sich nach der Berührung. Während sie mit der Zungenspitze ihre Lippen befeuchtete, tastete sich ihre Finger zu ihrem empfindsamsten Punkt vor... Das reicht! sagte sie sich und machte abrupt die Augen auf. Chiaki konnte jederzeit zurückkommen. Was, um alles in der Welt, fiel ihr ein, dermaßen die Kontrolle über sich zu verlieren? Links von ihr hörte sie ein leises Geräusch. Erschrocken setzte ie sich auf und sah zur Tür. Chiaki stand dort, seine Miene war ausdruckslos. Marron schaute an sich herunter und stellte erleichtert fest, dass ihr Top nicht hoch gezogen war. Ein Glück! Es war alles nur in ihrer Fantasie geschehen. "Das ging aber schnell", sagte sie und hoffte, dass ihre Stimme normal klang. "Was denken Sie?" Ein rätselhaftes Lächeln erschein auf seinem Gesicht. "Es sah gut aus." Chiaki fühlte, wie sie errötete. Meinte er wirklich das Apartment? Oder hatte er sie etwa doch beobachtet? "Dieses Gebäude hat enormes Potenzial", fuhr er fort, und sie entspannte sich ein wenig. "Schade, dass es nicht als ganzes zu verkaufen ist." "Dann sind Sie nicht nur an den Apartments interessiert?" "Nein", gab er zu. "Aber ich werde sie im Hinterkopf behalten. Wie gesagt, mir gefiel, was ich sah." Er kam auf sie zu. Anspannung erfasste ihren ganzen Körper, als er sich ihr langsam näherte und sein Blick über den Tisch glitt. "Ich stelle einen Katalog zusammen", erklärte sie. "Schwerpunkt unseres Sommerkataloges ist immer erotische Literatur." "Tatsächlich?" Fasziniert nahm er einen Druck zur Hand, auf dem zwei Frauen zu sehen waren, deren Aufmerksamkeit dem Mann galt, der zwischen ihnen im Bett lag. "Interessant." Marron verdrehte die Augen. "Männer reagieren doch immer gleich auf dieses Bild." "Ich bin nicht auf der Suche nach zwei Frauen. Aber ich hätte nichts dagegen, ein wenig Zeit mit einer ganz besonderen Frau zu verbringen." Das war eine unverhohlene Anmache, die sie demonstrativ ignorierte. Stattdessen behandelte sie ihn wie einen Kunden. "Kennen Sie sich mit erotischer Literatur aus?" "Na ja, ich habe einige praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Erotik. Aber Bücherwissen? Ich fürchte nein. Vielleicht sollte ich in dieser Hinsicht etwas für meine Bildung tun?" Marron verkniff sich die schlüpfrige Erwiderung, die ihr auf der Zunge lag. Denk an deine Vorsätze, ermahnte sie sich. "Tut mir Leid, dass die Apartments nicht das sind, wonach Sie suchen." Ein Ausdruck der Enttäuschung huschte über sein Gesicht. "Ja, wirklich schade." Dann fügte er lächelnd hinzu: "Obwohl ich nicht behaupten kann, dass es mir viel ausmacht. Ich bin zwar hereingekommen, um mich nach dem Haus zu erkundigen, aber hier drinnen habe ich etwas viel Interessanteres gefunden." Marron richtete den Blick auf den Tisch. "Sie sind faszinierend, nicht wahr?" "Nicht die Bilder. Sie meine ich. Sie sind das Highlight dieses Morgens für mich." Marron errötete. "Ein Highlight? Ich glaube nicht, dass ich je zuvor jemandes Highlight war." "Nein? Das erstaunt mich." Er legte die Zeichnung zurück auf den Tisch. "Es ist mir übrigens ernst. Ich wette, es gibt eine Menge Dinge, die Sie mir beibringen könnten." Grinsend fügte er hinzu: "Allerdings gäbe es sicher auch ein paar Dinge, die Sie von mir lernen könnten." Daran zweifelte Marron keine Sekunde. Dieser Mann löste ein sinnliches Kribbeln in ihr aus, und vor wenigen Wochen noch wäre sie seine wissbegierige Schülerin geworden. Jetzt war diese Art von Bildung von ihrer Liste gestrichen. Der Klingelton eines Handys ertönte. Chiaki verzog das Gesicht und nahm ein winziges Handy aus seiner Hosentasche. Er überprüfte das Display formte das Wort "Entschuldigung" mit den Lippen und meldete sich. "Nagoya." Marron beobachtete ihn interessiert. Der Mann, mit dem sie geflirtet hatte, war selbstbewusst, freundlich und charmant. Der Mann, der jetzt telefonierte, war all das und mehr. Es war, als umgebe ihn plötzlich die Aura eines Befehlshabers. Marron hatte keine Ahnung, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente, aber es hatte sicher mit viel Geld zu tun. "Verdammt, Leo. Ich dachte, du hättest alles unter Kontrolle", beschwerte er sich. Dann folgte eine Pause. "Nein, ich bin nicht begeistert. Aber wenn du wirklich meinst, es sei der beste Weg..." Eine weitere Pause. "Nun, ich bezahle dich, um solche Entscheidungen zu treffen, also sag mir einfach, wie deine Empfehlung lautet, und hör auf, um den heißen Brei herumzureden... schön. Ich bin unterwegs." Er klappte das Handy zu. "Schlechte Nachrichten?" "Ich glaube schon. Denn das bedeutet, dass ich gehen muss." "Oh." "Kann ich Sie vielleicht für heute Abend zum Essen einladen?" Sie sollte ablehnen. Andererseits, was war gegen ein Abendessen einzuwenden? Bei so etwas konnte sich schließlich auch herausstellen, dass man dem Richtigen begegnet war. Oder? Was für eine billige Rechtfertigung, meldete sich ihr Gewissen, und Marron verfluchte sich für ihre Schwäche. Dieser Mann war einfach zu sexy, und wenn sie mit ihm essen ging und Wein trank, würde es mit ihren guten Vorsätzen schnell vorbei sein. "Tut mir Leid", begann sie. "Aber ich..." "Ich finde Ihre Drucke und Bücher faszinierend", unterbrach er sie und deutete auf den Tisch. "Und ich bin Sammler." Sie stutzte. "Tatsächlich?" Wie der typische Sammler war er ihr gar nicht vorgekommen. "Na ja, nicht von erotischer Literatur, aber von Erstausgaben. Sie haben mich auf die Idee gebracht, mich auf ein neues Gebiet vorzuwagen." "Oh", sagte Marron, als ihr klar wurde, was dieser Mann für den Umsatz des Geschäftes bedeuten konnte. "Vielleicht könnten Sie zwei oder drei Ihrer besten Erstausgaben aussuchen. Dann könnten wir bei einem Abendessen den Aufbau meiner Sammlung besprechen." "Oh ja, Sicher." Marron schwirrte der Kopf. Auf der einen Seite stand ihr Entschluss, was Männer anging, auf der anderen ihr ehrgeiziges Ziel, den Umsatz des Ladens zu erhöhen. Falls er tatsächlich in Betracht zog, drei Erstausgaben zu kaufen... Im Stillen überschlug sie die Summe. "Sicher", wiederholte sie. "Ein Abendessen wäre nett. Es muss allerdings etwas später sein, weil der Laden erst um acht schließt." "Dann essen wir eben um neun." Er lächelte, und Marron begriff, dass er jede Bedingung akzeptieren würde. "Bringen Sie doch einfach drei Bücher und eine Rechnung mit. ich bin sicher, was immer Sie aussuchen, wird ausgezeichnet sein. Ich werde Ihnen beim Essen einen Scheck ausschreiben." Marron war perplex. "Tja, warum nicht? Klar. Ich mag entschlossene Männer." Dass diese Bemerkung in die Kategorie "flirten" fiel, registrierte sie gar nicht. In diesem Augenblick zählte nur die Aussicht auf einen lukrativen Verkauf. "Gut. Dann sollten Sie sich mich sehr mögen." Er zog eine Visitenkarte aus der Brusttasche und schrieb etwas darauf. "Ich wohne im ,Monteleone'. Kennen Sie es?" Sie nickte. Jeder in der Stadt kannte das feudale Hotel in der Fifth Avenue. "Im Hotel gibt es ein berühmtes Restaurant, das ,Talon'. Klingt das gut?" "Na ja, natürlich." Nie im Leben könnte sie es sich leisten, dort zu essen. Sie nahm seine Visitenkarte entgegen. Auf die Rückseite hatte er "Essen, 21 Uhr, Talon" geschrieben. Auf der Vorderseite stand weder eine Berufsbezeichnung noch ein Firmenname. Nur eine Handynummer und Chiaki Nagoya, als sei das alles, was sie wissen musste. Tja, vielleicht war das so. "Dann ist es abgemacht", sagte er. "Ein bisschen Wein, ein bisschen Literatur, ein wenig Erotik." Ihre Blicke begegneten sich. "Klingt das gut?" Dies war kein Mann, zu dem die Leute Nein sagten. Alles in Marron schrie Ja. Nicht, dass sie vorhatte, darauf zu hören. Chiaki Nagoya mochte an einem Date interessiert sein - und den Kauf erotischer Literatur als Vorwand benutzen -, aber das spielte keine Rolle. Marron hatte die Absicht, ihren Vorsätzen treu zu bleiben. "Marron?", drängte er sanft. "Abgemacht?" Sie nickte nur ganz geschäftsmäßig, als würde sie jeden Tag erotische Literatur an Männer ausliefern, die sie anziehend fand. Sie würde diesen Mann nur treffen, um ihm Literatur zu verkaufen. Sonst würde nichts passieren. Absolut nichts. Kapitel 6: Planungen -------------------- Kapitel 6 - Planungen Ein Sammler? Chiaki grinste über seine Idee und stieg in das Taxi, das er herangewinkt hatte. "Wohin, Kumpel?" Er nannte dem Fahrer die Adresse von Leos Büro und dachte über seine Lüge nach. In Wahrheit besaß er ein einziges Sammlerstück an Erstausgaben - Tom Clancys "Jagd auf Roter Oktober" -, das er von seinem Vater geerbt hatte, bevor das Buch zum Bestseller wurde. Es war einiges wert, sicher, aber es stellte nicht gerade die Art von Sammlung dar, die Chiaki angedeutet hatte. Allerdings fühlte er sich deswegen nicht allzu schuldig. Er hatte den Ausdruck auf Marrons Gesicht bemerkt, als sie im Pausenraum saß. Ein entzückter Ausdruck, als wäre sie in Gedanken vertieft gewesen, die ebenso erotisch waren wie die verstreut auf dem Tisch liegenden Drucke. Ihre Finger hatten sich von ihrem Schlüsselbein nicht wegbewegt, doch irgendwie hatte Chiaki gewusst, dass sie in ihrer Fantasie ihrer zarte Haut streichelte und Stellen berührte, die sich nach Liebkosung sehnten. In diesem Moment war er sich sicher gewesen. Er wollte diese Frau wieder sehen und er war froh, dass seine ursprünglichen Pläne für diesen Abend geplatzt waren. Er war von einer seiner Freundinnen zur Eröffnung einer Galerie eingeladen worden, einer eleganten Wohltätigkeitsveranstaltung. Er wäre gern erschienen, denn mit Suki auszugehen war immer angenehm. Sie waren seit Jahren befreundet, ohne sich zueinander hingezogen zu fühlen, trotz der wilden Gerüchte in der Presse. Zunächst war er enttäuscht gewesen, als sie ihn anrief und ihm mitteilte, die Veranstaltung sei verschoben worden. Doch jetzt war er froh darüber. Denn es bedeutete, dass er einen Termin frei hatte, was äußerst selten vorkam und ein toller Zufall war, besonders in Anbetracht der Tatsache, wie gern er den Abend mit Marron Kusakabe verbringen wollte. Fünf Jahre. Fünf lange, einsame Jahre lebte er jetzt schon ohne seine geliebte Hikari. Makoto wurde die Kehle eng, wie immer, wenn er an sie dachte. Seine süße Hikari. So schön und unschuldig. Sie hatte es nicht verdient zu sterben. Noch heute konnte er sich daran erinnern, wie sie an ihrem Hochzeitstag ausgesehen hatte. Braune Augen, die lebhaft funkelten, die fast schwarzen Haare, die einen starken Kontrast bildeten zu dem weißen Kleid. Seine Hikari. Seine große Liebe. Makoto bückte sich langsam und zog den zerbeulten Koffer unter dem Bett hervor. Unweigerlich fiel ihm der schäbige fleckige Teppich auf. So weit war er heruntergekommen, dass er in erbärmlichen Hotelzimmern lebte, die stundenweise vermietet wurden und vermutlich noch nie ein Desinfektionsmittel gesehen hatten. Aber das war notwendig. Die Hotels, die er für die lange Fahrt von Japan nach New York ausgesucht hatte, waren billig. Das bedeutete, den Angestellten war es egal, wer das Zimmer mietete. Genau das wollte Makoto. Unsichtbar sein. Wenn sein Plan funktionieren sollte, musste er unsichtbar sein. Langsam öffnete er die Schließen des Koffers und klappte den Deckel auf. Er nahm den Flanellpyjama heraus, und da, unter dem dunkelgrünen Stoff, lagen sie - die Schrotflinte und die Pistole, die er sich extra für diese Aufgabe gekauft hatte. Er atmete tief durch. Vorfreude überlagerte seine Nervosität. Die Zeit nahte. Sehr bald schon würde dieser Dreckskerl Chiaki Nagoya dafür büßen, was er ihm angetan hatte. "Chiaki Nagoya? Du gehst heute Abend mit Chiaki Nagoya aus?" Marron sah Kathy verdutzt an. "Ja", sagte sie. "Ich gehe mit einem Chiaki Nagoya aus? Wer ist das?" "Das weißt du nicht?", rief Kathy fassungslos. Sie war achtzehn, Studienanfängerin mit Hauptfach englische Literatur und seit kurzem Teilzeitkraft im Antiquariat. "Du hast wirklich keine Ahnung?" Marron seufzte. "Nein, ehrlich nicht." Kathy verdrehte ungläubig die Augen. "Der ist so was wie ein Billionär. Ein japanischer Selfmademan. Und er ist Single. Sämtliche Junggesellen-Fernsehshows reißen sich um ihn. Du hast wirklich noch nie von ihm gehört?" "Nein, habe ich nicht.", bekräftigte Marron. Kathy schien es noch immer nicht fassen zu können. "Na und?" "Ich will bloß nicht, dass man dir wehtut", meinte Kathy. "Niemand kann mir wehtun, weil es nämlich kein Date ist. Ich treffe mich mit ihm, um ihm ein paar Erstausgaben zu bringen. Es ist rein geschäftlich." Das war zumindest ihr Plan und Marron hatte nicht vor, davon abzuweichen. "Ja, sicher." Kathy klang keineswegs überzeugt. "Ach komm schon. Wir gehen doch bloß essen. Erwachsene dürfen zusammen essen gehen, ohne dass sie hinterher Sex haben müssen oder so." Kathy kniff die Augen eng zusammen. "Wo geht ihr denn essen?" "Im ,Talon'." "Aha", meinte Kathy mit einem geheimnisvollen Unterton. Marron runzelte die Stirn. "Was soll das heißen?" "Er wohnt im Penthouse. Vermutlich hat er vor, dich mit Alkohol abzufüllen und dich anschließend in seinen privaten Fahrstuhl abzuschleppen, wo er dich vernascht." Das hoffte Marron nicht, denn sollte er das vorhaben, würde ihre Standhaftigkeit auf eine harte Probe gestellt werden. "Woher weißt du, wo er wohnt?" "Von Angela", erklärte Kathy und meinte damit ihre Schwester. Einen Moment lang war Marron verwirrt, bis ihr einfiel, dass Angela in dem Hotel arbeitete. "Er bestellt das Essen im Restaurant, und sie schicken Angie damit hoch zu ihm. Das Penthouse ist so riesig, dass sie ihn noch nicht einmal zu Gesicht bekommen hat. Sie stellt das Tablett einfach auf den Wohnzimmertisch. Aber sie sagt, es sei die Sache wert, weil er ein unglaubliches Trinkgeld gibt." "Na dann. Siehst du, er ist nett." Kathy schnaubte verächtlich. "Ach komm schon, Kathy. Was ist dabei? Er will ein paar Bücher kaufen und seinen Horizont erweitern." "Oh, Marron..." Kathy nahm sich einen Stapel Bücher, die gerade erst kürzlich geliefert worden waren und ging zu den Regalen, nicht ohne Marron noch einen Blick über die Schulter zuzuwerfen, der klar signalisierte, für wie naiv sie ihre Kollegin hielt. Marron seufzte frustriert. Mit vierundzwanzig Jahren kam sie sich im Vergleich zu Miyako, die schon ihren sechsundzwanzigsten Geburtstag gefeiert hatte, stets jung vor. In Kathys Gegenwart fühlte sie sich dagegen uralt, weshalb sie ihren mütterlichen Ton umso ärgerlicher fand. "Was soll das nun wieder heißen?" "Er ist ein absoluter Schürzenjäger. Letzte Woche ging er mit einem Supermodel aus, und in der Woche davor war es so eine Wohltätigkeitslady mit genau der richtigen Kleidung und Frisur." Marron fuhr sich unwillkürlich durch die Haare. "Na und? Wir treffen uns zum Essen, um über die Bücher zu reden." So ganz glaubte sie das selbst nicht. Zum Glück begriff sie in diesem Augenblick, dass das Abendessen mit Chiaki nicht nur eine Gelegenheit war, den Umsatz des Antiquariats zu erhöhen, sondern auch für ihre Zukunftspläne nützlich sein konnte. Denn wenn es stimmte, was Kathy behauptete, war er eine große Nummer in der Geschäftswelt. Und wenn Marron sich geschickt anstellte, konnte sie ihn vielleicht dazu bringen, ihr ein paar Lektionen in Betriebswirtschaft zu geben. Sie hoffte nur, dass der Preis dafür nicht zu hoch sein würde. Heute Abend. Makoto hielt die Hände vor sich, so dass die Arm- und Brustmuskeln angespannt waren, während er eine Kniebeuge machte. Einatmen, ausatmen. Ruhig. Der Trick bestand darin, ruhig zu bleiben. Er absolvierte fünf Durchgänge mit je zehn Kniebeugen, ohne auch nur einmal die Balance zu verlieren. Er war bereit. Er war ruhig. Er hatte alles unter Kontrolle. Langsam richtete er sich wieder auf und fühlte sich erstaunlich leicht. "Heute Abend ist es so weit, Hikari", murmelte er. "Heute Abend stirbt der Bastard." Er schloss die Augen und sprach ein stummes Gebet für einen erfolgreichen Kampf gegen das Böse in Gestalt von Chiaki Nagoya. Der Mann war erbärmlich. Eine bemitleidenswerte, geldgierige Schlange, die sich um nichts außer sich selbst und ihre Projekte scherte. Er war der Grund für Makotos Entlassung. Und er war der Grund für den Tod seiner wunderschönen Hikari. Oh nein, Chiaki Nagoya hatte ihr keinen Krebs verursacht. Trotzdem hatte er sie umgebracht. Er hatte ihnen die Krankenversicherung genommen und ihr Einkommen. Am Ende hatte die zerbrechliche Hikari einfach keine Kraft mehr gehabt und Makoto allein gelassen. In den Zeitungen hatte gestanden, dass Chiaki Nagoya mit diesem Geschäft ein Vermögen verdient hatte, und jetzt war schon wieder eine Übernahme im Gespräch. Es ging um irgendeine Transportfirma. Nagoya war so selbstzufrieden. Geschäft nannte er es. Für diesen Bastard war es nicht mehr als das. Er hatte also ein Vermögen verdient? Nun, es war an der Zeit für Nagoya, zu bezahlen. Mit seinem Leben. Chiaki schaute auf seine Armbanduhr und seine Gedanken schweiften ab, was angesichts der vielen albernen Fragen, mit denen der Anwalt ihn während dieser absurden Aussage bombardierte, auch kein Wunder war. Er zwang sich zu einem Lächeln. "Tut mir Leid. Könnten Sie die Frage noch mal wiederholen?" "Selbstverständlich." Der Anwalt auf der anderen Seite des Tisches, ein Jüngling mit Sommersprossen, der vermutlich erst vor kurzem sein Jurastudium absolviert hatte, wandte sich an den Protokollführer. "Könnten Sie bitte den letzten Satz noch einmal vorlesen?" Der Protokollführer wollte der Aufforderung nachkommen, doch Chiaki hob die Hand. "Warten Sie." Er wandte sich an Leo. "Können wir eine kurze Pause machen?" "Inoffiziell", sagte Leo zu dem Jungen. Es war zwar eine Bitte, doch sein Ton ließ keinen Raum für eine Diskussion. Der junge Anwalt nickte und winkte wie ein König, der eine besondere Gunst gewährt. Chiaki stand vom Konferenztisch auf und verließ den Raum, dicht gefolgt von Leo. "Ich muss los", erklärte Chiaki, sobald die Tür hinter ihnen zugefallen war. "Das geht jetzt schon seit Stunden so. Das ist alles ein Haufen Mist. Da kann ich meine Zeit besser nutzen." Leo fuhr sich durch die Haare und schein sich unbehaglich zu fühlen. Natürlich kannte Chiaki den Grund dafür. Die Aktionäre von "Carpenter Shipping" hatten einen hochkarätigen Anwalt engagiert und heute Morgen ein einstweiliges Unterlassungsurteil erwirkt. Um den Streit zu schlichten und mit dem Abschluss des Geschäfts voranzukommen, hatte Leo angeboten, dass Chiaki sich für eine Aussage zur Verfügung stellte. Chiaki hatte zugestimmt, doch jetzt war er mit seiner Geduld am Ende. "Er redet noch nicht mal über den Verkauf. Der Junge vergeudet seine Zeit damit, dass er im Trüben fischt." "Ich weiß", räumte Leo ein. "Er ist noch unerfahren. Bis jetzt hat er nicht eine seiner Behauptungen begründen können. Es wird keine Unterstützung geben für die Umwandlung des Unterlassurteils in eine dauerhafte Verfügung, aber wenn du jetzt gehst, wird er dem Richter einfach sagen, er konnte die Sache nicht beenden." Leo zuckte mit den Schultern. "Eine Stunde noch, schätze ich. Höchstens." Chiakis Miene war finster. Sosehr es ihn auch wurmte, er wusste, dass Leo Recht hatte. "Na schön. Ich bin zu einem Date verabredet. Gib mir fünf Minuten, damit ich telefonieren kann." Nachdem Leo wieder im Konferenzraum verschwunden war, zog Chiaki sein Handy aus der Tasche und rief das Restaurant an. Der Oberkellner versprach, Marron die Nachricht zu überbringen, dass er verhindert sei und sie morgen früh anrufen würde. Es war ihm äußerst unangenehm, aber er wollte nicht, dass sie dasaß und wartete. Vielleicht ging die Befragung nur noch eine Stunde, vielleicht aber auch drei. Und obwohl es schon spät war, wollte er lieber weitermachen, als morgen auch noch mit Aussagen zu verbringen. Er klappte sein Handy zu. Er hoffte, dass Marron morgen Zeit hatte. Bis dahin würde dieser junge Anwalt seine Wut zu spüren bekommen, weil Chiaki seinetwegen das Essen mit ihr verpasste. Kapitel 7: Versetzt ------------------- Kapitel 7 - Versetzt Die Hostess hatte sie an den Tisch geführt, obwohl Chiaki noch nicht da war. Jetzt wünschte Marron, sie hätte an der Bar gewartet. Sie fühlte sich schrecklich auffällig, allein an dem kleinen romantischen Tisch zu sitzen. Außerdem kam sie sich hier völlig deplaziert vor. Um sich von diesem Gefühl abzulenken, schaute sie in ihre Umhängetasche, in der sich die Bücher befanden, die sie ausgesucht hatte. Sie hatte mehrere zur Auswahl mitgebracht. Die meisten waren die übliche literarische Kost - frühe Ausgaben von D.H. Lawrence, Henry Miller und anderen. Die Grundsteine einer ernsthaften Sammlung erotischer Literatur. Außerdem befand sich noch "Vergnügungen einer jungen Frau" darunter, ihr Lieblingsbuch. Wenn sie in nachdenklicher Stimmung gewesen wäre, hätte sie vielleicht über ihre Motive gegrübelt, ein Buch mitzunehmen, das sie faszinierte und auch heftig erregte. Aber das ließ sie lieber. Sie trank einen weiteren Schluck Wein und knabberte an einem Stück Brot, um dem Alkohol entgegenzuwirken, der ihr bereits zu Kopf stieg. Immerhin war sie bei ihrem zweiten Glas. Wahrscheinlich ein Fehler, aber sie hasste es, einfach nur dazusitzen. Deshalb hatte sie zugestimmt, als der Kellner nachschenken wollte. Zum x-ten Mal sah sie auf ihre Uhr. Zwanzig nach neun. Verdammt! Sie zog ihr Handy aus der Tasche und überprüfte, ob sie möglicherweise einen Anruf verpasst hatte. Im selben Moment fiel ihr ein, dass sie ihm ihre Nummer gar nicht gegeben hatte. Dafür hatte sie seine. Allerdings zögerte sie, ihn anzurufen, weil ihr Stolz es nicht zuließ, ihn zu fragen, wo er blieb. Andererseits war ein klein wenig verletzter Stolz besser, als den ganzen Abend sinnlos hier herumzusitzen und Wein zu trinken. Sie tippte die Nummer ein. Es meldete sich nur die Voicemail. Marron legte auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Was sollte sie auch sagen? Sie beschloss, es in fünf Minuten noch mal zu versuchen. Nach vier Minuten trat der Kellner an ihren Tisch. "Miss Kusakabe?" "Ja?" "Mr.Nagoya lässt ausrichten, dass er zu seinem Bedauern verhindert ist und die Verabredung mit Ihnen nicht einhalten kann." "Ich verstehe." Marron hatte Mühe, die Worte herauszubekommen. Kathys Warnung vor Chiaki klang ihr noch in den Ohren. "Möchten Sie bestellen? Mr.Nagoya hat uns ausdrücklich angewiesen, Ihnen jeden Wunsch zu erfüllen. Auf seine Rechnung selbstverständlich." "Selbstverständlich", wiederholte sie. Ihr Mund war trocken. "Nein danke. Ich trinke nur meinen Wein aus, dann gehe ich." Sie lächelte dem Kellner zu, als sei sie solche verflixten Terminprobleme gewohnt. Sobald der Kellner verschwunden war, öffnete Marron ihre Tasche und nahm ein paar Geldscheine heraus, die sie beim Aufstehen auf den Tisch warf. Dann verließ sie so stolz wie möglich das unglaublich vornehme Restaurant. "Wieso bist du noch hier?", wollte Marron von Kathy wissen. Sie hatte Kathy den Hauptschlüssel dagelassen, damit sie den Laden abschließen konnte. Nie hätte sie damit gerechnet, dass Kathy um zehn noch da sein würde. Sie saß in einem Ledersessel, ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoß. Kathy wirkte ein wenig verlegen. "Meine Mitbewohnerin hat einen Schal um den Türknopf gebunden und ich hatte keine Lust, in eine Bar zu gehen." Marron nickte verständnisvoll. Offenbar wollte Kathys Mitbewohnerin mit ihrem Freund allein sein. Kathy klappte das Buch zu. "Um ehrlich zu sein, das ist gelogen." Marron stutzte. "Was?" "Das mit dem Schal. Ich könnte nach Hause gehen. Aber ich wollte auf dich warten." "Na schön", sagte Marron langsam. "Was ist los?" Kathy stand seufzend auf und ging zum Verkaufstresen. "Ich hatte letzte Woche eine Wurzelbehandlung und begann diesen Artikel zu lesen." Sie nahm eine Zeitschrift vom Tresen. "Und?" "Und ich konnte den Artikel nicht zu Ende lesen, deshalb nahm ich die Zeitschrift mit. Und dabei entdeckte ich das hier." Sie reichte Marron die aufgeklappte Zeitschrift. Benommen betrachtete Marron die Seite. "Dieser Mistkerl!", flüsterte sie. "Es tut mir Leid", sagte Kathy. "Kaum hatte ich das gelesen, dachte ich mir, dass du früh wieder hier sein würdest. Ich wollte auf dich warten." Marron verzog das Gesicht. Der Artikel enthielt Fotos, die Chiaki zusammen mit einem Model namens Suki zeigte. Laut Text wollten Chiaki und Suki zu einer Galerieeröffnung irgendwo in SoHo. Zufällig fand diese Feier gerade heute Abend statt. Dieser Mistkerl! So viel zu ihrer Hoffnung, er sei nur irgendwo aufgehalten worden. "Ich wusste ja, dass er ein Schürzenjäger ist", meinte Kathy. "Aber ich hätte nie gedacht, dass er auch noch ein verlogener Schürzenjäger ist. Es tut mir so Leid." Marron fuhr sich durch die Haare, so dass ihre mühsam frisierten Locken sicher wieder in Unordnung gerieten. Doch wen kümmerte es? "Was soll's?", sagte sie. "Er ist ein Mistkerl. Und mit einem Mistkerl will ich kein Date." Kathy runzelte die Stirn. "Ich dachte, es war kein Date." "Date oder nicht, es war reine Zeitverschwendung." "Er ist ein Blödmann. Und ein Idiot, wenn er glaubt, damit durchzukommen." Kathy schaute auf Marrons Umhängetasche. "Hat er dich mit seinem angeblichen Interesse an den Büchern an der Nase herumgeführt? Das war wirklich mies." Allerdings, dachte Marron. "Am liebsten würde ich in die Galerie marschieren und ihn dazu zwingen, diese Bücher zu kaufen." Sie ließ ihrer Wut jetzt freien Lauf. "Wie kann er es wagen, meine Zeit so zu vergeuden! Für wen hält er sich eigentlich?" "Das solltest du tun", pflichtete Kathy ihr bei. "Du würdest bloß niemals in seine Nähe kommen. Bei der Galerieeröffnung werden nur Gäste mit schriftlicher Einladung hereingelassen." Marrons Miene verfinsterte sich. "Was soll ich bloß tun? Es vergessen? Ihm in der Gasse hinter der Galerie auflauern? Eine obszöne Nachricht auf seiner Voicemail hinterlassen?" Für einen Augenblick schien Kathy ratlos zu sein, aber dann bereitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. "Wie wäre es, wenn du ihn einfach überrumpelst? Warte in seinem Wohnzimmer auf ihn, wenn er nach seinem kleinen Ausflug mit Suki zurückkommt." Marron lachte. "Na klar, das wäre toll." Sie konnte es sich genau vorstellen, wie sie auf einem Sofa lag, die erotischen Bücher aufgeschlagen vor ihr. Er würde hereinkommen, mit dem Supermodel im Arm. Dann würde sie, Marron, zu ihm sagen: "Tja, Chiaki, Darling, hast du unser kleines Geschäft vergessen?" Sie schüttelte den Kopf, um diese Fantasie zu verscheuchen. "Zu schade, dass ich das nicht machen kann." "Wieso nicht?" Marron hob eine Braue. "Sehr witzig. Der Mann wohnt im Penthouse des ,Monteleone'." "Ja. Und Angie arbeitet dort, schon vergessen?" Kathy grinste. "Also was sagst du? Möchtest du Chiaki Billionär einen Besuch abstatten?" Marron fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Es war eine dumme, leichtsinnige und verrückte Idee. Aber sie war sofort dafür. "Unbedingt", sagte sie. "Los, lass uns zu Angie gehen." Kapitel 8: Süße Rache --------------------- Kapitel 8 - Süße Rache Als Chiaki in sein Hotelzimmer zurückkehrte, war er völlig erschöpft. Acht Stunden lang hatte er die unsinnigen Fragen eines übereifrigen Anwalts über sich ergehen lassen. Jetzt fühlte er sich ausgelaugt und wollte nur noch unter die Dusche, ein wenig Wein trinken, sich ins "Wall Street Journal" vertiefen und irgendwann einschlafen. Nur der Gedanke an Marron mobilisierte seine Kraftreserven und er überlegte, ob er versuchen sollte, sie ausfindig zu machen. Dummerweise hatte er ihre Telefonnummer nicht. Während er durch das feudale Wohnzimmer der Suite ging, band er seine Krawatte ab und warf sie auf ein kleines Sofa. Dann zog er sein Handy aus der Tasche, rief die Auskunft an und bat um die Nummer von "Miyako's Rare Books & Manuscripts". Die Telefonistin verband ihn, doch es meldete sich nur der Anrufbeantworter, der ihm die Adresse und die Öffnungszeiten nannte. Es gab keine Möglichkeit, eine Nachricht zu hinterlassen. Verärgert beendete Chiaki das Telefonat. Da erst fiel ihm auf, dass er einen Anruf verpasst hatte. Er war gegen Viertel nach neun eingegangen, was bedeutete, dass es Marron gewesen sein konnte, die sich erkundigen wollte, wo er blieb. Erwartungsvoll drückte er eine Taste, damit die Anrufer-Informationen auf dem Display erschienen. Nichts. Nur "Anruf mobil" und eine Nummer mit New Yorker Vorwahl. Weil es keine andere Möglichkeit gab, herauszufinden, wer angerufen hatte, wählte er die Nummer. Nach dem dritten Klingelzeichen hörte er eine Stimme: "Hallo, hier ist Marron. Nein, nicht wirklich. Aber hinterlassen Sie eine Nachricht, dann rufe ich zurück." Es folgte eine Pause, dann fügte sie in sinnlichen Ton hinzu: "Falls Sie Glück haben." Chiaki grinste. Er kannte die Frau kaum, doch wusste er bereits, dass eine solche Ansage ganz ihrem Stil entsprach. Nach dem Piepton sagte er: "Marron, hier ist Chiaki. Es tut mir Leid wegen heute Abend." Er gab ihr eine kurze Zusammenfassung der Gründe, weswegen er nicht erschienen war und fragte anschließend: "Kann ich es wieder gutmachen? Rufen Sie mich an." Er hinterließ erneut seine Nummer sowie die Nummer des Hotels und beendete das Gespräch. Wenn er nicht bald etwas von ihr hörte, würde er ein Dutzend Rosen in den Buchladen schicken. Bisher hatte er noch keine Frau kennen gelernt, die Rosen widerstehen konnte. Er sah auf seine Uhr. Halb zwölf. Gut. Ihm blieb noch genug Zeit, um zu duschen. Wenn er fertig war, würde die Kellnerin seinen Wein und den Brie serviert haben und er konnte sich entspannen. Wenn er Glück hatte, würde Marron zurückrufen. Falls sie das tat, würde er gern eine ruhige Nacht im Bett eintauschen gegen... na ja, gegen eine nicht so ruhige Nacht im Bett. Bis dahin würde er sich allerdings ausruhen. Er ging ins Schlafzimmer und schaltete den Fernseher in der Anrichte ein, um mit einem Ohr die Wirtschaftsnachrichten zu verfolgen, während er sich auszog. In der untersten Kommodenschublade fand er eine Jogginghose und ein Paket T-Shirts. Er warf die Kleidungsstücke auf das Bett und ging ins Badezimmer. In Gedanken bei Marron, stieg er in die Duschkabine. "Euretwegen werde ich meinen Job verlieren", sagte Angie Tate. "Ich sollte eigentlich meine Schicht schon beendet haben." Eine Hand in die Hüfte gestemmt, betrachtete sie tadelnd Marron und Kathy. Wäre da nicht das amüsierte Funkeln in ihren Augen gewesen, hätte Marron geglaubt, dass sie die Sache platzen ließ. Aber das tat sie nicht. Stattdessen zeigte sie nur auf Kathy. "Du gehst nach Hause. Und du", wandte sie sich an Marron. "Falls jemand Verdacht schöpft, was wir vorhaben, bist du meine beste Freundin aus Kalifornien. Du verbringst die Woche in der Stadt und ich wollte dir nur mal das Penthouse zeigen." Marron nickte und konnte ihr Glück noch immer nicht fassen. "Dann wirst du es also wirklich tun?", fragte Kathy. Angie zuckte mit den Schultern. "Klar. Ich meine, es ist immerhin Chiaki Nagoya. Wenn ich ihn nicht haben kann, kann ich ebenso gut jemand bekommen, den ich kenne." "Ich will ihn gar nicht", stellte Marron klar. "Ich will ihm bloß meine Meinung sagen." "Sicher", meinte Angie, sah jedoch nicht aus, als würde sie ihr glauben. Sie musterte Marrons Schuhe, ihre Beine und ihren aufreizend kurzen Rock, den sie zusammen mit Kathy ausgesucht hatte. "Purpurrot", bemerkte sie, als sei damit alles gesagt. Vielleicht hat sie damit sogar Recht, dachte Marron. Purpurrot war die Farbe der Leidenschaft. Chiaki sollte ruhig sehen, was ihm entgangen war. "Ja, purpurrot", bestätigte sie. Angie grinste wissend. Marron erwiderte ihr Lächeln. Dann runzelte sie die Stirn und sah zum Fahrstuhl. "Ich fahre also einfach mit dir nach oben?" Das klang viel zu leicht. "Genau. Im Flur laufen immer sehr viele Leute herum. Du kannst hier warten, während ich sein Tablett hole und dann fahren wir zusammen hoch. Dort werde ich dich in seine Suite lassen. Was du dann machst, ist deine Sache", fügte Angie augenzwinkernd hinzu. "Ich werde dem Mistkerl die Meinung sagen", verkündete Marron. "Falls er überhaupt da ist." Sie wandte sich an Kathy. "Wahrscheinlich ist er noch bei der Galerieeröffnung." "Du könntest auf ihn warten", schlug Kathy vor. "Ich habe ihn noch nie gesehen", meinte Angie. "Jedenfalls nicht persönlich. Aber er lässt sich immer nachts Wein und Käse bringen. Ich stelle das Tablett ins Wohnzimmer und ziehe mich wieder zurück." "Er wird wissen, dass du mich reingelassen hast", gab Marron zu bedenken. "Was ist, wenn man dich feuert?" Angie zupfte am Kragen ihrer Uniform. "Glaub mir, das wäre auch kein Weltuntergang." Marron war skeptisch, doch sie wollte den Plan nach wie vor durchziehen. Ihr ging es nicht nur darum, Chiaki die Leviten zu lesen - nein, sie wollte ihn wenigstens noch einmal wiedersehen, auch wenn sie das Kathy und Angie gegenüber niemals zugeben würde. Er mochte sich zwar wie ein Idiot verhalten haben, aber er hatte sie auch zutiefst beeindruckt. "Na schön", sagte Kathy. "Dann wünsche ich dir jetzt viel Glück und mache mich wieder auf den Weg." Kathy drückte sie an sich. "Bist du bereit?", fragte Angie. "Vollkommen", antwortete Marron. "Lass uns losgehen." Das sollte nicht passieren. Er sollte zusammen mit der Kellnerin den Fahrstuhl betreten. Jeden Abend hatte er sie beobachtet und jeden Abend war sie allein zu Nagoyas Penthouse hinaufgefahren. Aber heute Abend nicht. Diesmal betrat sie den Fahrstuhl mit irgendeiner kleinen Schlampe und bevor Makoto reagieren konnte, glitten die Türen vor seiner Nase zu. Was sollte er jetzt machen? Er hatte keine Ahnung. Es war alles genau geplant und jetzt hatte sie alles kaputt gemacht. Er musste mehrmals tief Luft holen, um sich zu beruhigen. Ja, es würde alles in Ordnung kommen. Die Lösung war so offensichtlich, dass er fast laut losgelacht hätte- Er würde einfach morgen wiederkommen. Nagoya bestellte jeden Abend Wein und Käse. Das Mädchen würde ihm morgen wieder beides bringen. Und dann würde die Frau nicht dabei sein. Die kleine Kellnerin würde allein sein und genau das tun, was er ihr sagte. Er würde sie zwingen, ihn in Chiaki Nagoyas Penthouse zu lassen, und dann... "Kann ich Ihnen helfen?" Makoto erschrak, dachte jedoch daran, den Blick unter dem Schirm seiner Baseballkappe gesenkt zu halten. "Ich bin nur... ich bin..." ER verlagerte sein Gesicht und in dem Augenblick fiel die verdammte Schultertasche auf den Boden, so dass der Lauf des Gewehrs herausragte. "Okay, Kumpel, Hände auf den Kopf!", befahl der Mann vom Sicherheitsdienst und Makoto wusste, dass er die Sache vermasselt hatte. Langsam hob er die Hand. Die Rechte steckte noch in der Jackentasche und hielt den Griff der Glocke fest umschlossen. Sein Finger lag auf dem Abzug. Er schoss und der Wachmann ging zu Boden. Schreie erfüllten den Flur. Mit einer schnellen Bewegung riss Makoto sich die Baseballkappe vom Kopf und zig sich die Strumpfhose, die er darunter verborgen hatte, übers Gesicht. Er packte das Gewehr und schwenkte es in Richtung der Leute. Rechts von ihm klingelte der Fahrstuhl und die Türen glitten auf. Makoto fuhr herum und zielte auf den Passagier, der gerade ausstieg. "Du kommst mit", sagte er und zeigte anschließend auf zwei weitere Personen auf dem Flur. "Und du und du. Niemand versucht irgendeine Dummheit - ich habe hier überall bewaffnete Männer postiert." Mit dem Gewehrlauf deutete er zu den Schwingtüren, die in die Küche führten. "Vorwärts." Die Leute gingen los. Makoto schluckte und nahm seinen Mut zusammen. Er musste es tun. Die braunhaarige Schlampe hatte alles ruiniert und jetzt blieb ihm keine andere Wahl mehr. Nicht, wenn er hier lebend herauskommen wollte. Kapitel 9: Versteckspiel ------------------------ Kapitel 9 – Versteckspiel „Ab jetzt bist du auf dich allein gestellt.“ Angies Abschiedsworte klangen ihr noch im Ohr. Sie hatten ‚Die Vergnügungen einer jungen Frau’ mit dem Wein, dem Kristallsglas und dem Brie auf dem Tablett arrangiert und dann hatte Angie es auf den Couchtisch gestellt. Das ganze Arrangement war so etwas wie ein Statement und Marron musste darüber lachen, wie sehr Kathy und Angie ihre Empörung teilten. Leider änderte die Unterstützung der beiden nichts. Marron würde diese Sache allein durchstehen müssen, gefangen in einem Wohnzimmer, das aussah wie aus der Zeit Louis XIV. Marron nahm all ihren Mut zusammen und ging um ein kleines Sofa und einen Sessel herum, die um einen Couchtisch aus dunklem Holz gruppiert waren. Beim Betrachten des Tabletts auf dem Tisch ging ihr die Idiotie ihres Plans auf und sie bekam weiche Knie. Sie ließ sich in einen der weich gepolsterten Sessel fallen. Ihr Herz pochte so laut, dass Chiaki es bestimmt unter der Dusche und über die Stimmen aus dem Fernseher hinweg hören konnte. Sie schluckte. Was, um alles in der Welt, hatte sie sich nur dabei gedacht, hier bei ihm einzudringen? Aus dem anderen Raum hörte sie das Wasser in der Duschkabine prasseln. Er war dort drin – vielleicht allein, vielleicht auch nicht – während sie, Marron, im Wohnzimmer saß und sich wie ein albernes Schulmädchen benahm. Der ganze Plan war albern. Sie musste verschwinden, solange sie es noch konnte. Sie stand auf, um das Buch zu nehmen und sich hinauszuschleichen. Doch kaum hatte sie sich aufgerichtet, als ihr auffiel, dass das Wasser abgestellt worden war. Im nächsten Moment öffnete sich die mit antiken Goldlamellen verzierte Flügeltür des Schlafzimmers und Chiaki kam ins Wohnzimmer. Da ihr keine Zeit mehr blieb, um zur Tür zu gelangen, duckte Marron sich und kroch hinter die Couch. Sie rutschte nach hinten, bis sie sich zwischen der Wand und einem Paravent befand. Sie ging in die Hocke, so dass sie an einer der Stellen, wo der Wandschirm von Scharnieren zusammengehalten wurde, ein Stück des Zimmers sehen konnte. Die Flügeltür des Schlafzimmers knarrte und Marron hielt den Atem an. Und dann kam er in ihr Blickfeld – Chiaki Nagoya, mit nichts weiter bekleidet als einem um die Hüften geschlungenen Handtuch. Marron schluckte. Dieser Mann sah unglaublich sexy aus. Von ihrem Versteck aus konnte sie jeden wundervollen Zentimeter von ihm sehen. Er hatte sich abgetrocknet, aber nicht gründlich, so dass sein Körper im sanften Licht glänzte und dem eines griechischen Gottes glich. Seine dunkelblauen Haare wirkten nass noch dunkler. Er hatte sie zurückgekämmt und ohne die natürlichen Wellen in seinem Haar war auch das Sanfte aus seinem Gesicht verschwunden. Jetzt hatte er eher etwas Bedrohliches, Raubtierhaftes, aber auch äußerst Sinnliches an sich. Ein Schauer lief Marron über den Rücken und sie biss sich in den Daumen, als Chiaki durch das Wohnzimmer ging. Er bewegte sich selbstbewusst und beherrscht. Unwillkürlich stellte Marron sich vor, wie seine starken Arme sich auf ihrem Körper anfühlen würden. Seine Haut war dunkel gebräunt und bildete einen starken Kontrast zu dem weißen Handtuch um seine Hüften. Vermutlich brachte er Stunden in der Sonne zu, auf einem Liegestuhl neben seinem Supermodel im Bikini. Es juckte Marron in den Fingern, ihn anzufassen und sie fragte sich, wie viele Frauen schon eine Entdeckungsreise zu den Regionen unter dem Handtuch unternommen hatten. Das Frotteehandtuch reichte bis auf seine Oberschenkel, die genauso muskulös waren wie der Rest von ihm. Chiaki war kein schlaffer Geschäftsmann, der seine ganze Zeit hinter einem Schreibtisch verbrachte. Er trainierte. Marron konnte ihn sich gut auf einem Tennisplatz vorstellen, mit schweißglänzendem Körper, wo er seine Gegner vernichtend schlug. Chiaki besaß die Ausstrahlung eines Mannes, der bekam, was er wollte, ob im Job oder privat. In diesem Moment fiel ihr das Buch wieder ein. Es lag auf dem Tablett, direkt unter dem Teller mit dem Brie. Und Chiaki ging direkt auf dem Teller zu. Der Wein war entkorkt und er goss sich ein Glas ein, trank einen Schluck und griff nach dem Messer, um sich Käse abzuschneiden. Marron erkannte sofort den Augenblick, in dem er das Buch bemerkte. Er runzelte die Stirn und ob neugierig den Teller an. Das Buch kam zum Vorschein und Chiaki schaute abrupt auf. Er sah sich im Zimmer um und richtete schließlich den Blick auf die Tür. Natürlich musste er annehmen, dass Angie ihm das Buch gebracht hatte und dann verschwunden war. Aber wusste bestimmt, dass Marron dahinter steckte. Suchte er nach ihr? Bereute er, dass er das Date hatte platzen lassen? Mit demonstrativer Gelassenheit legte er das Buch auf die Tischkante, schnitt etwas Brie ab und bestrich einen Cracker damit. Er biss ab uns setzte sich in den Sessel, der gegenüber dem Wandschirm stand. Marron wurde noch nervöser und befürchtete, er könnte sie entdecken. Aber er sah nicht einmal in ihre Richtung. Stattdessen betrachtete er das Buch. Vorsichtig nahm er es und lehnte sich zurück, wobei er den Lederrücken mit einer Hand stützte. Beide Füße standen auf dem Boden, die Knie waren leicht gespreizt. Von Marrons geduckter Position aus konnte sie direkt zwischen seine Beine sehen, allerdings lag diese Partie im Schatten. Marron starrte wie gebannt hin. Insgeheim hoffte sie, dass er die Beine noch etwas weiter spreizte, damit sie irgendwie doch noch einen Blick auf seine männlichste Zone erhaschen konnte. Das wäre wirklich passend. Ihre Lieblingspassage in dem Buch war die Stelle, wo Mademoiselle X, zu Besuch bei Freunden auf dem Land, allein einen Gartenpfad entlang wanderte. Natürlich verlief sie sich und landete an einem kleinen Fluss. Dort gab es eine Steinbank, auf der sich der Gärtner im Schatten ausruhte. Die Luft war erfüllt von Lavendelduft und die junge Dame duckte sich hinter einem Busch, kaum verborgen vor dem gut gebauten Arbeiter. Sie wollte ihn lediglich beobachten, dieses sagenhafte Exemplar seiner Gattung, das für jemanden aus ihren Kreisen tabu war. Bald schon erlebte er mehr, als sie sich hätte vorstellen können. Der Gärtner, erhitzt von der Arbeit in der warmen Nachmittagssonne, lag auf der Bank. Seine Augen waren geschlossen, doch ein Lächeln umspielte seine Lippen. Die junge Dame hatte keine Ahnung, woran er dachte, aber sie stellte sich vor, dass er an sie dachte, weil er sie zuvor im Garten erblickt und Gefallen an ihr gefunden hatte. Der Gärtner hob die Hand und wischte sich die Stirn ab. Sein Hemd stand offen und gab den Blick frei auf seine Brust und seinen Bauch. Seine Hand lag auf seinem Bauch, direkt oberhalb des Hosenbundes. Die Frau beobachtete, wie er tief einatmete und dann eine Hand in die Hose schob, wobei sich ein lustvoller Ausdruck auf seinem Gesicht abzeichnete. Während die junge Dame alles gebannt verfolgte, bereitete er sein aufgerichtetes Glied aus der Hose. Seine Bewegungen wurden schneller, ebenso seine Atemzüge. Der Mann drehte den Kopf, seine Augen waren offen und blickten leidenschaftlich in die Richtung der jungen Dame. Chiaki blätterte mehrere Seiten in dem Buch um und trank sein Weinglas aus. Er benutzte seine Serviette als Lesezeichen und legte das Buch wieder auf den Couchtisch. Marron konnte zwar nicht unter das Handtuch sehen, aber da es eng um seine Hüften saß, ließ die verräterische Ausbuchtung in dem weißen Frotteestoff drauf schließen, dass Chiaki die Lektüre erregt hatte. Nun, das war gut. Sie hoffte, dass er eiskalt duschen musste. Das würde ihm recht geschehen. Als sei genau das seine Absicht, stand er auf und ging auf die Doppeltür zu seinem Schlafzimmer zu. Kurz darauf hörte Marron, wie der Fernseher ausgeschaltet wurde. Stille erfüllte den Raum. Marron bewegte sich ein Stück nach links, so dass sie Chiaki wieder im Blickfeld hatte. Die Schlafzimmertüren standen offen und sie konnte deutlich das Bett sehen, bis auf eine Seite, die durch das kleine Sofa verdeckt war. Sie überlegte, hinter dem Wandschirm aufzustehen, um noch mehr erkennen zu können, ließ die Idee aber sofort wieder fallen, weil es zu riskant war. Was wollte sie überhaupt sehen? Diese Frage wurde umgehend beantwortet, als Chiaki das Handtuch mit einer raschen Bewegung wegwarf. Er stand nackt mit dem Rücken zu ihr und Marron hätte beinahe laut aufgestöhnt. Doch dann drehte er sich um. Von da an war sie zu keinem vernünftigen Gedanken mehr fähig. Ein sinnliches Prickeln überlief Marron. Sie konnte sich von seinem Anblick nicht losreißen uns sehnte sich danach, ihn zu berühren – und von ihm berührt zu werden. Das war keine willkommene Reaktion, zumindest nicht unter den gegebenen Umständen. Sie war hier, um es ihm heimzuzahlen, nicht um erregt zu werden. Am besten, sie verschwand so schnell wie möglich aus dem Zimmer und kehrte in ihr Leben zurück, wo ihr Verstand wieder normal funktionierte. Chiaki zog sich im Schlafzimmer eine graue Jogginghose an, die er zuband. Erleichtert verfolgte Marron, wie er sich auch ein weißes T-Shirt überzog. Er war noch immer umwerfend sexy, aber wenigstens dämpfte die Kleidung ihre hyperaktive Fantasie etwas. Marron hoffte, dass er ins Badezimmer ging, damit sie sich herausschleichen konnte. Aber nein, stattdessen kehrte er ins Wohnzimmer zurück und sah ganz so aus, als wollte er es sich mit einem guten Buch und einem Glas Wein gemütlich machen. Marron bewegte sich, da ihre Beine schon taub waren. Das war nicht gut. Wenn er ein paar Gläser Wein trinken und das Buch lesen würde, konnte sie hier die ganze Nacht sitzen. Schon bei dieser Vorstellung tat ihr alles weh und sie malte sich aus, wie nach und nach sämtliche ihrer Gliedmaßen einschliefen, bis sie sich überhaupt nicht mehr bewegen konnte und schließlich völlig erstarrt vom Zimmermädchen entdeckt wurde. Kein schönes Bild. Die einzig vernünftige Lösung war, sich zu zeigen, aus ihrem Versteck hinter dem Wandschirm zu kommen und alles zu gestehen. Und die Folgen zu tragen, die hauptsächlich aus riesiger Peinlichkeit bestehen würden. Marron war nicht besonders scharf darauf, aber wenn Chiaki nicht ins Schlafzimmer ging, gab es nicht sehr viele Alternativen. In diesem Moment schenkte er sich ein weiteres Glas Wein ein und Marron wusste, dass sie gefangen war. Also musste sie sich dem Unausweichlichen stellen. Ihre verkrampften Oberschenkelmuskeln wollten beim Aufstehen kaum gehorchen. Gerade als sie sich ganz aufrichten wollte, klingelte Chiakis Handy im Schlafzimmer. Er seufzte und stand auf. Marron konnte ihr Glück kaum fassen und beobachtete, wie er im Schlafzimmer verschwand. Eine Sekunde später hörte sie ihn telefonieren. Marron zögerte nicht länger. Sie zwang ihre verkrampften Beine, in Gang zu kommen und schlich zur Tür, dankbar für den dicken Teppich, der ihre Schritte dämpfte. Sie packte den Türknauf, riss die Tür auf und wollte über den Flur zum Treppenhaus rennen. Weit kam sie nicht, denn zwei Männer in Uniform und kugelsicheren Westen versperrten ihr den Weg. Sie hielten ihre Dienstmarken und automatischen Pistolen in den Händen. Marron taumelte entsetzt rückwärts. Ihr erster Gedanke war, dass man sie wegen Einbruchs verhaften würde. „Ich bin…“ „Es gab eine Geiselnahme, Ma’am“, eröffnete der größere der beiden ihr. „Wir müssen Sie bitten, zu bleiben, wo Sie sind.“ Marron starrte die Männer mit offenem Mund an. „Aber…“ war alles, was sie herausbrachte. „Es tut mir Leid, Ma’am“, sagte der Große, aber es klang nicht bedauernd. Der kleinere der beiden stand schweigend mit gezogener Waffe daneben. „Wir müssen Sie bitten, im Zimmer zu bleiben, die Tür und die Fenster geschlossen zu halten und nicht auf den Balkon hinauszugehen“, fuhr der Große fort. Marron warf einen Blick über die Schulter und fragte sich, ob Chiaki ihn gehört hatte. Doch es war nichts von ihm zu sehen und sie konnte seine Stimme aus dem anderen Zimmer hören. Marron riss sich zusammen. „Nein, Sie verstehen nicht“, flüsterte sie. „Ich muss von hier verschwinden. Ich sollte gar nicht hier sein.“ Keiner der beiden schien Mitleid mit ihr zu haben. Sie entschuldigten sich einfach noch mal und wollten wieder gehen. „Nein“, sagte Marron verzweifelt. Sie griff sogar nach dem Ärmel des Kleineren. „Können Sie mich nicht in ein anderes Zimmer bringen?“ Der Polizist wurde misstrauisch. „Gibt es ein Problem, Ma’am? Sind Sie in Gefahr?“ Er sprach leise und ernst. Marron begriff, in welche Richtung seine Vermutung ging und verfluchte ihre Dummheit. „Nein, nein“, versicherte sie ihn. „So was ist es nicht.“ Du liebe Zeit, ein Irrer hatte Geiseln genommen und sie hatte Angst, sich vor Chiaki zu blamieren. „Es ist alles in Ordnung“, sagte sie. „Alles bestens.“ „Das kann ich bestätigen“, meldete sich Chiaki hinter ihr zu Wort und Marron fühlte seine Hand auf ihrer Schulter. „Was ist denn eigentlich los?“ Kapitel 10: Entdeckt -------------------- Kapitel 10 – Entdeckt Chiaki gab sich Mühe, ruhig zu bleiben, aber das war nicht leicht. Vor seiner Tür standen bewaffnete Polizisten und eine Frau, nach der er sich gesehnt hatte, die jedoch so aussah, als wollte sie am liebsten fliehen. „Ein Bewaffneter hat im Erdgeschoss eine unbekannte Anzahl Geiseln genommen“, erklärte einer der Polizisten. Chiaki ballte die Faust. „Kennen Sie seine Forderungen? Was will er? Geld?“ Sein Puls beschleunigte sich. War der Bewaffnete seinetwegen hier? Er war noch nie das Ziel irgendeines verbrecherischen Angriffs gewesen, aber er konnte diese Möglichkeit angesichts des Carpenter-Deals auch nicht ausschließen. „Nein, Sir, das wissen wir nicht.“ „Ich verstehe.“ Der Polizist musste Chiakis Besorgnis registriert haben, denn er fügte hinzu: „Wir haben alle übrigen Gäste in Sicherheit gebracht und den Aufenthaltsort des Bewaffneten abgeriegelt. Das ist die übliche Prozedur. Im Moment haben wir keine Sorge um Ihre Sicherheit, aber Sie müssen bleiben, wo Sie sind.“ Chiaki betrachtete Marrons Hinterkopf. Sie hatte sich noch immer nicht zu ihm umgedreht. „Wo ist der Kerl?“ „In der Küche“, antwortete der kleiner Cop. Jetzt drehte Marron sich zu ihm um und sah ihn gequält an. Chiaki hielt sie fest, da er sofort merkte, dass ihre Knie nachgaben. „He, langsam.“ Er legte ihr den Arm um die Taille und drückte sie an sich. Es gefiel ihm, sie so nah zu spüren. Nachdem er Marron sicher im Arm hatte, wandte er sich wieder an die Cops. „Danke, wir kommen schon zurecht.“ Die Polizisten nickten und Chiaki schloss die Tür. Er sah die Angst in Marrons Augen. „Ist alles in Ordnung?“, erkundigte er sich. Sie zog die Brauen zusammen. „Wollen Sie gar nicht wissen, wieso ich hier bin?“ Er hatte das Gefühl, den Grund zu kennen. Er hatte sie versetzt und sie war gekommen, um ihm die Meinung zu sagen. „Später. Jetzt will ich erst sicher sein, dass Ihnen nichts fehlt.“ Er streichelte ihre Wange. „Also, geht es Ihnen gut?“ „Nein“, erwiderte sie. Er drückte sie an sich und legte die Arme um sie. Zuerst widerstand sie, aber dann entspannte sie sich. Er streichelte ihr Haar und atmete ihren wundervollen Duft ein. „Sie haben den Polizisten gehört. Hier oben sind wir sicher.“ „Ich weiß. Aber was ist, wenn Angie zu den Geiseln gehört?“ „Angie?“ Der Name kam Chiaki bekannt vor, aber er wusste nicht, woher. Doch dann viel es ihm wieder ein – es war das Mädchen, das ihm den Käse und den Wein brachte. Sie kannte Marron. Und plötzlich wurde ihm auch klar, wie Marron in sein Penthouse gelangt war. Nur war Angie aus irgendeinem Grund nicht bei Marron geblieben und das bedeutete, dass sie irgendwo unten im Hotel war. Möglicherweise in der Küche. Diese Aussicht gefiel ihm ganz und gar nicht. Er strich Marron eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Angie geht es bestimmt gut.“ Marron lächelte unsicher. „Wie können Sie da so sicher sein?“ Er lächelte ebenfalls. „Das liegt in meiner Natur.“ Darüber musste sie lachen. „Das kann ich mir vorstellen. Wenn Sie sagen, etwas läuft so und so, dann tut es das bestimmt auch.“ „Absolut“, bestätigte er. „Also können Sie mir in dieser Sache vertrauen.“ Sie fuhr sich durch die Haare. „Ich wünschte, ich könnte Ihnen glauben…“ „Kommen Sie.“ Er führte sie zu dem Sessel im Wohnzimmer, in dem er vorhin gesessen hatte. Dann ging er zum Telefon. Kein Freizeichen. Frustriert nahm er sein Handy und wählte. Am anderen Ende meldete sich nur Masas Anrufbeantworter. „Masa, ich bin’s, Chiaki. Ruf mich auf meinem Handy zurück, wenn du einen Augenblick Zeit hast. Es geht um die Geiselnahme im ‚Monteleone’. Danke.“ Er beendete das Gespräch und wandte sich an Marron. „Kein Glück. Tut mir Leid.“ „Wen haben Sie angerufen?“ „Masa Nakamura. Er ist direkt dem Polizeichef unterstellt. Er ist ein guter Freund von mir und wird uns sicher helfen. Momentan kann ich ihn allerdings nicht erreichen. Tut mir Leid.“ „Danke“, sagte sie. „Ich weiß Ihren Versuch zu schätzen.“ Sie wirkte enttäuscht, aber dann hellte sich ihre Miene auf. „Die Polizei. Natürlich! Ich habe einen Freund, der Cop ist.“ Sie streckte die Hand aus. „Geben Sie mir Ihr Handy.“ Takumi Kerogati stöhnte und zog das Kissen von seinem Gesicht. Er rollte sich auf die Seite, tastete nach seinem Handy und drückte blind auf den Tasten herum, bis er diejenige gefunden hatte, die das grässliche Klingeln beendete. „Kerogati“, murmelte er. „Habe ich dich geweckt?“ Takumi fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare und runzelte die Stirn. Die Stimme war weiblich und kam ihm irgendwie bekannt vor, doch er konnte sie nicht einordnen. „Hä?“ „Hier ist Marron.“ Jetzt wurde er wach. „Was ist los, Mädchen? Ist alles in Ordnung? Ist etwas mit Yamato oder Miyako?“ Sein Partner hatte Marrons Chefin geheiratet, deshalb hatte Takumi Marron im Laufe des letzten Jahres recht gut kennen gelernt. „Ich bin im ‚Monteleone’“, erklärte sie, als müsste ihm das irgendetwas sagen. „Das Hotel?“ „Weißt du, was passiert ist? Hast du irgendwelche Informationen?“ Er war jetzt auf den Beinen, sein Verstand arbeitete. „Ich habe überhaupt keine Ahnung, worum es geht.“ „Es gab eine Geiselnahme“, sagte Marron und Takumi griff sofort nach der Fernbedienung für den Fernseher. Auf fast allen Kanälen liefen Berichte über die Geiselnahme. Takumis Magen zig sich zusammen. „Verdammt!“ „Ich sitze im Penthouse fest und ich glaube…“ Ihr versagte die Stimme. „Grundgütiger, ich glaube, der Geiselnehmer hat eine Freundin von mir in seiner Gewalt.“ Takumi schaltete den Ton des Fernsehers aus. „Wie heißt deine Freundin?“ Marron nannte ihm den Namen und er schrieb ihn auf. „Ich rufe dich zurück.“ „Nein, warte. Kann ich nicht am Apparat bleiben?“ „Klar, kein Problem.“ Er legte das Handy hin und ging zu seinem Festnetztelefon. Zwei Minuten später fühlte er sich kein bisschen besser. Er nahm wieder sein Handy in die Hand. „Marron, er hat fünf bis zehn Geiseln. Er hat auf einem Wachmann geschossen, dessen Zustand jedoch stabil ist und der sich vermutlich wieder erholen wird. Wir vermuten, dass der Bewaffnete mit Heckenschützen außerhalb des Gebäudes zusammenarbeitet, aber dafür gibt es noch keine Bestätigung. Wir nehmen aber an, dass zwei oder drei bewaffnete Männer mit ihm da drin sind.“ „Und Angie?“, fragte Marron mit zitternder Stimme. „Das ist die gute Nachricht. Sie soll ihren Dienst beendet haben, kurz bevor der Täter erschien. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sie noch dort ist.“ Marron seufzte erleichtert. „Danke, Takumi. Dafür bin ich dir einen Gefallen schuldig.“ „Geht es dir gut?“ „Ich glaube schon.“ „Mach dir keine Sorgen, Mädchen. Es wird alles gut.“ Natürlich waren das nur Phrasen, aber was sollte er schon sagen? „Noch mal danke, Takumi. Du bist der Beste. Leg dich wieder hin.“ Sie legte auf und er sah zur Couch. Er war noch müde und gehörte nicht zum Einsatzteam. Trotzdem kam Schlaf jetzt nicht mehr infrage. Er schnappte sich seine Schlüssel und ging zur Tür. Auch wenn er nicht zum Einsatzteam gehörte, er würde trotzdem herausfinden, was los war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)