Schutzengel wider Willen von Maginisha ================================================================================ Kapitel 13: Gedankenspiele -------------------------- Er starrte in die Teetasse, die vor ihm stand und in der sich langsam ein widerlicher Belag auf dem längst kalten Inhalt bildete. Neben ihm saß Zabini und müllte ihn mit irgendwelchem Gequatsche über Quidditch voll. Als wenn Draco nicht andere Sorgen gehabt hätte. "Wenn du dann dem dämlichen Potter, den Schnatz vor der Nase wegfängst, haben wir den Hauspokal in der Tasche. Sollte nicht so schwer sein, so schlecht, wie der im Moment ist.", beendete der andere Junge gerade seinen Monolog. "Hey, hast du mir überhaupt zugehört?" "Nein.", gab Draco zurück. Der sollte ihn endlich in Ruhe lassen. "Und nerv mich nicht mit Potter." Finster blickte er zum Gryffindor-Tisch hinüber. Dort saß der Schwarzhaarige und frühstückte. Es schien ihm wieder schlechter zu gehen, denn er saß schweigend zwischen seinen Mitschülern, als wäre am Samstag überhaupt nichts passiert. "Wieso bist du denn so schlecht drauf?", fragte Pansy von seiner anderen Seite. Sie versuchte ein aufmunterndes Lächeln. "Das verstehst du nicht, also verrenk dir nicht dein Spatzenhirn.", knurrte Draco und blickte wieder in seine Tasse, als sei es das Interessanteste, das es in der Großen Halle zu sehen gab. "Lass deine schlechte Laune nicht an uns aus, Malfoy.", gab Zabini auf einem Brötchen kauend zurück. "Dafür hast du Potter. Guck mal, er scheint gerade zu darauf zu warten, dass du dich wieder seiner annimmst. Hast du schon geplant, was du als nächstes mit ihm anstellst?" "Nein, verdammt.", gab der Blonde patzig zurück. Er hatte den fragenden Blick des Gryffindors auch bemerkt. Zabini wusste ja nicht, dass man seine Worte zur Zeit auch anders auslegen konnte. Draco wollte jetzt nicht an diese dummen Flügel denken. "Wie wäre es, wenn wir..." Weiter kam der andere Schüler nicht, denn Draco drehte sich mit einem Ruck zu ihm um und packte ihn am Kragen. "Jetzt hör mir mal zu. Die Sache mit Potter ist erstmal gestorben und jeder, der ihn anrührt, bekommt eine persönliche Lektion in Sachen Schmerz von mir. Habe ich mich klar ausgedrückt." Er erstarte, als ihmklar wurde, was er da gerade gesagt hatt. Zögernd sah er sich um. Fast alle Slytherins hatten sich zu ihm umgedreht und auch die Ravenclaws nebenan, warfen teilweise interessierte Blicke zu ihm herüber. Er ließ Zabini los, sprang auf und verließ fluchtartig die Halle. Erstmal weg von hier. Die machten ihn alle ganz krank. Gab es denn nichts Wichtigeres als Potter? Jedes Mal wenn er den Namen hörte, musste er and die Szene vor drei Tagen denke. War wohl total verblödet gewesen zu glauben, sie könnten zusammen irgendwie das Problem lösen, dass eigentlich nur ihn betraf. Dann diese entwürdigende Entschuldigung. Er hatte sich bei Potter entschuldigt. Aber das Schlimmste war, das er es in dem Moment auch wirklich so gemeint hatte. Vor ihm hatte nur ein Junge gestanden, der nichts Besonderes war. Einfach nur jemand, der nicht genau wusste, wo sein Platz im Leben war und der in eine Rolle geschlüpft zu sein schien, die ihm über den Kopf gewachsen war. Genau wie Draco selber. Von Geburt her festgenagelt auf etwas, das man sich nicht aussuchte. Man war es eben und Schluss. Erstaunt stellte er fest, dass er eigentlich überhaupt nichts von dem Gryffindor wusste. Außer vielleicht den Sachen, vor denen der andere Angst hatte, die ihm peinlich waren und die Draco bisher hemmungslos ausgenutzt hatte. Warum fiel ihm das jetzt so schwer? "Scheiße!", murmelte er. Unwillkürlich hatte er sich auf den Weg in den Kerker gemacht und stand nun vor dem Eingang der Slytherin-Räume. Eigentlich sollte er seine Sachen holen und zu Snapes Unterricht gehen, aber ihm war nicht danach. Dabei waren das immer seine Lieblings-Stunden gewesen. Hauptsächlich jedoch, weil er dabei seinem Erzfeind beim Verlieren zusehen konnte. Als der Lehrer in der letzten Stunde mal wieder auf dem schwarzhaarigen Jungen herumgehackt hatte, war der Blick des Gryffindor zu Draco geschweift. Fast, als hätte er sich Hilfe von ihm erhofft. Was dachte Potter eigentlich? Dass sie jetzt Freunde waren? Dieser Gedanke war absurd, auch wenn Draco nicht leugnen konnte, dass da etwas zwischen ihnen war, dass es ihm schwer machte, den anderen noch so zu sehen, wie früher. Wieder spielte sich die Szene im Umkleideraum vor seinen Augen ab, während er langsam durch die dunklen Gewölbe unter Hogwarts lief. Seinen Umhang hatte er mittlerweile abgelegt, damit sich die Flügel frei entfalten konnten. Er war dort hingegangen in der Hoffnung, dass Potter eine seiner ach so berühmten Ideen hatte und das er erst einmal ungestört mit ihm reden konnte. Da es niemand sonst gab, den Draco hätte fragen könne, schien es logisch. Doch dann war der schwarzhaarige Junge aus der Dusche getreten, nur in ein Handtuch gehüllt. Er hatte so verletzlich ausgesehen. Draco hatte es nicht sehen wollen. Hatte den Blick gesenkt und den Impuls unterdrückt, der in ihm gewachsen war. Dann die schüchterne Frage und er hatte nach einem kurzen Kampf mit sich selber nachgegeben, hatte Potter die Flügel berühren lassen. Bei der Erinnerung zog sich ihm der Magen zusammen. Es war schrecklich gewesen. Er hatte sich so ausgeliefert gefühlt und trotzdem die sanften Berührungen genossen. Oder vielleicht eher die Gewissheit, dass der andere sich dadurch besser fühlte. Das Gefühl , es dem Gryffindor zu schulden. Und das Gefühl, einzigartig und jemandem wirklich wichtig zu sein. War er Potter wichtig? War der Gryffindor ihm wichtig? Alles dies waren Sachen gewesen, mit denen sich Draco bis jetzt noch nie beschäftigte hatte. Für ihn waren andere Dinge wichtig gewesen. Bis jetzt... Er blieb stehen um sich der Fragestellung richtig bewusst zu werden. Vor allem der Antwort, die unerfreulicherweise "Ja" lautete. Doch es stimmte. Ein Leben ohne Harry Potter hätte große Lücken aufgewiesen. Wen hätte er sich zu seinem... er lachte über seine eigene Formulierung... "Lieblingsfeind"... wählen sollen, wenn nicht den berühmtesten Schüler des Hauses Gryffindor. "Man wächst mit seinen Herausforderungen. Deine Herausforderung ist es, besser als dieser Bastard zu sein, hast du mich verstanden Draco?", hatte sein Vater ihm einmal gesagt. Der Mann hatte das bitterernst gemeint und nie damit zurückgehalten, Draco spüren zu lassen, wenn Lucius Malfoy etwas ernst meinte. Teilweise waren diese Beweise alles andere als angenehm gewesen. Eine andere Szene fiel ihm ein, er wider einmal entnervt hatte aufgeben wollen. Es war irgendetwas Hirnverbranntes gewesen, dass er nicht hinbekommen hatte, von dem er aber wusste, das Potter es konnte. Was war es noch? Ach ja, der Patronus-Zauber. Draco hatte von den "überragenden Leistungen" des Gryffindors bei seiner ZAG-Prüfung gehört und hatte daraufhin versucht, ebenfalls einen Patronus zu beschwören. Doch es war ihm nicht geglückt. "Jetzt bin ich auch so was, wie ein Patronus.", lachte er leise. "Einer mit dummen, weißen Flügeln. Wahrscheinlich der schlechteste Beschützer, den man sich nur wünschen kann. Potter, du bist eigentlich ein armes Schwein. Keine Familie, keinen Stil und einen Schutzengel, der dich in den Wahnsinn treibt. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte ich mich darüber kaputtlachen." Dann drehte er um und beeilte sich doch noch einigermaßen rechtzeitig zur Zaubertrank-Stunde zu erscheinen. Man wusste ja nie, wie sein Hauslehrer gerade drauf war. Als er die Tür zu dem Kerkerraum öffnete, hörte er, wie Snape gerade verkündete: "Da Sie ja so unglaublich talentiert für Zaubertränke sind, Mister Potter, werden sie heute also alleine arbeiten. Sie gehen vorne an meinen Tisch." Der Lehrer hob den Kopf, als er das Türgeräusch vernahm. "Mister Malfoy, Sie kommen doch noch. Ist ja überaus reizend. Dann werde Sie mit Potter arbeiten. Aber lassen Sie sich nicht einfallen, das zur Gewohnheit werden zu lassen." Grinsend setzte sich Draco neben den Gryffindor. "Was meint er denn? Das Zuspätkommen oder das Zusammenarbeiten mit dir?" Ungläubig sah der schwarzhaarige Junge ihn an. "Du redest mit mir? Ich dachte..." "Denken war noch nie deine Stärke, Potter. Vor allem nicht in Zaubertränke. Also mach lieber, was ich dir sage, dann kommen wir hier einigermaßen heil raus." Damit fing Draco an, die Zutaten von der Tafel abzuschreiben. Ein Seufzen neben sich und der andere tat es ihm gleich. Sie arbeiteten mehr oder weniger schweigend. Kurze Sätze wie: "Gib mir mal den Baldrian!" oder "Nicht so schnell rühren.", bestimmten ihre Unterhaltung. Es klappte ganz gut, wenn man mal davon absah, dass Potter die ganze Zeit immer wieder zu Snape rüberstarrte. "Wenn du nicht dauernd hingucken würdest, kämen wir schneller voran.", knurrte Draco ungehalten. "Aber er guckt doch auch. Ich spüre das. Es macht mich ganz nervös.", ärgerte sich der Gryffindor. "Du musst dir mal ein dickeres Fell zulegen, Potter.", spottete der Blonde und gab noch schnell die letzte Zutat in den Trank. "Professor Snape, wir sind fertig." Der Lehrer kehrte zu seinen Tisch zurück, sah in den Kessel, prüfte Farbe und Geruch des Tranks. "Wir werden ihn testen.", sagte er hinterhältig lächelnd. "Trinken Sie davon." Die beiden Jungen sahen sich an. Es handelte sich um leichten Schlaftrunk, der einige Stunden tiefen Schlafs zur Folge haben würde. Potter wurde natürlich unvorsichtig. "Aber wenn wir ihn nehmen, versäumen wir den heutigen Unterricht." Snapes Grinsen wurde noch breiter. "Das ist richtig, wie unüberlegt von mir. Dann sollte ihn besser nur einer nehmen. Wollen Sie wohl so freundlich sein, Mister Potter." Ohne zu überlegen sagte Draco: "Ich nehme ihn." Snape und Potter sahen ihn an. Es war schwer zu sagen, wer überraschter war. Doch der Lehrer fing sich schneller. "Wie Sie wollen, Mister Malfoy. Ich schreibe ihnen eine Entschuldigung. Aber wenn sie wollen, können sie ihn sich auch heute Abend abholen." "Das wäre mir lieb. Wir haben gleich Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Ein Fach, in dem man nicht fehlen sollte.", gab der Slytherin möglichst emotionslos zurück. "Heute Abend um acht, Mister Malfoy. Sie können jetzt gehen.", und mit einem Seitenblick auf den Gryffindor fügte er hinzu. "Aber Potter bleibt. Sie werden den Dreck noch aufräumen, den sie auf meinem Pult hinterlassen haben." Draco sah, dass der schwarzhaarige Junge den Mund öffnete um zu protestieren. Unmerklich schüttelte er den Kopf. "Übertreib es nicht, Potter.", dachte er. "Ich hab dir heute einmal deinen Hals gerettet. Das reicht." Tatsächlich machte sich der Junge an die Arbeit, während der Blonde den Klassenraum verließ. Kurz bevor er aus der Tür trat, traf ihn ein dankbarer Blick. Das Gefühl, dass dieser Blick hinterließ, war nicht nur unangenehm. Auf dem Weg zur nächsten Klasse, verweilten Dracos Gedanken schon wieder bei dem Gryffindor und den Vorgängen der letzten Wochen. Seit sie sich kannte, war das das erste Mal, dass er und nicht Potter als Sieger aus ihren Begegnungen hervorgegangen war. Warum war er auf einmal so...hilflos? Ein besseres Wort hatte der Slytherin im Moment nicht dafür. Warum war es für Potter so schlimm, dass ein paar Menschen gestorben waren? Sicher, er hatte einige Menschen verloren, die er wohl "geliebt" hatte. Aber deswegen warf man doch nicht sein eigenes Leben fast weg. Er hatte doch Freunde. Ein abfälliger Ausdruck erschien auf dem Gesicht des Slytherins. Potter sollte eigentlich Haltung zeigen und sich nicht so hängen lassen. Jemand sollte ihm das mal sagen. War ja nicht auszuhalten, wie er durch die Gegend schlich. Er fluchte leise vor sich hin. Ein schöner Malfoy war er, dass er sich Gedanken um das Seelenheil seines Erzfeindes machte. Alles nur wegen ein paar weißer Federn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)