Zerrissene Seele von abgemeldet (Eine Gemeinschaftsarbeit von mir und MrsKomet) ================================================================================ Kapitel 1: Bittere Tränen ------------------------- Kapitel zwei - Bittere Tränen Warme, salzige Tränen tropften auf mein T-Shirt. Das Shirt, das mir Liadan extra für heute geschenkt hatte. Oh, ich hätte lachen mögen, wäre meine Kehle nicht von einem riesigen Kloß blockiert. Die Betonplatte, auf der ich kniete war kalt und hart, aber ich spürte es nicht. Das einzige, was ich spürte, war der stechende Schmerz in meiner Brust, der dort saß, wo mein Herz wohl einmal geschlagen haben musste. Aber es musste gebrochen sein und nun spürte ich, wie sich die winzigen Splitter in mein Fleisch bohrten. Ja, so musste es sein. Seans Eltern standen immer noch dort im Türrahmen, wo sie gestanden hatten, als sie mir sagten, dass... dass... ich wollte es nicht aussprechen, nicht daran denken, dass Sean Selbstmord begangen hatte. Ich war schuld, ich ganz alleine. Ich hätte es wissen müssen, ich hätte es verhindern müssen! Ich war doch seine Freundin. Wieso hatte er das getan!? War ich der Grund? Hatte ich ihm Kummer gemacht? Die Schuld lag mir schwer auf den Schultern und verhinderte, dass ich mich von dem harten Untergrund erhob, um nach Hause zu laufen. Nur den Kopf konnte ich um wenige Zentimeter heben, um noch einmal in das tränenüberströmte Gesicht von Seans Mutter zu blicken. Ihr Mann stand stumm neben ihr, hielt ihre zitternde Hand und starrte mich mit seinen glasigen Augen an. Ich schlug mit den Handflächen auf die Betonplatte unter mir ein. Schon nach kurzer Zeit spürte ich den Schmerz und das warme Blut, das meine Unterarme hinunter lief. Er hatte etwas reales, etwas viel realeres, als das immer noch anhaltende Stechen in meiner Brust. Das alles war nicht wahr. Es durfte nicht wahr sein. Ich wollte schreien, toben, aber alles, was meiner Kehle entrann war heiseres Schluchzen und ein trockenes Krächzen. Vor meinen Augen begannen schwarze Punkte auf und ab zu tanzen und wurden schließlich zu einer geschlossenen Fläche, die herrliche, betäubende Leere mit sich brachte. Als ich das nächste Mal die Kraft fand, meine schweren Lider zu öffnen, war ich wieder in meinem Zimmer. Es kam mir seltsam verändert vor. Es schien auf einmal so dunkel, so trostlos. Ich spürte eine Wärmquelle auf meinem Handrücken liegen. Mein Herz machte einen kleinen Sprung war das... "Sean?" "Nein... ich bin es.", sagte Liadan mit belegter Stimme. Sie hörte sich an, als habe sie lange geweint und noch nicht ganz damit aufgehört. Ich sah in die blauen Augen, die so unnatürlich gegen die rabenschwarzen Harre wirkten. Die roten Äderchen traten stark hervor. Sie musste lange Zeit viele Tränen vergossen haben. Und ganz plötzlich kam die Erinnerung wieder, spülte eine Flut von Bildern in mein Bewusstsein und verdrängte das Vergessen, das die Schwärze um mich herum so erholsam gemacht hatte. Ich spürte, wie sich eine kleine Träne aus meinem Augenwinkel löste und warm und feucht über meine Wange rollte. Wieso hatte er das getan? Viele weiter folgten der kleinen Träne und überzogen meine Wangen schon bald mit einer salzigen Schicht. Liadan nahm meine Hand wieder in ihr eigene und seufzte schwer. "Du... warst ohnmächtig", meinte sie zögernd. Ich antwortete nicht. In meinem Hals saß schon wieder dieser riesige Kloß, der mir das Sprechen versagte. Ich sah nur noch einmal in die Augen meiner Freundin und bemerkte gerade noch, wie sie eine Träne aus den Augen blinzelte. Ein schwaches lächeln glitt über die schmalen Lippen. Aber mit jeder Geste, mit jedem Wort schien sie ein Stück von mir wegzurücken und mich allein in einer Schwärze zurückzulassen, die mich immer mehr umfing und drohte, mich zu ersticken. Diese schreckliche Schwärze, die mir auch Sean entrissen hatte. Es lag etwas bedrohliches in ihr und ich spürte, wie ich mich instinktiv zusammenkauerte, um mir selbst etwas Wärme zu spenden. Doch die Kälte, die mich umfing, wie eine starke, eiserne Hand, wollte nicht loslassen. Die Zeit war stehen geblieben. Immer wieder sah ich Liadan ins Zimmer kommen, um mir etwas zu Essen zu bringen. Ich rührte kaum etwas an. Anfangs aß ich noch wenige Happen, um ihr keine Sorge zu bereiten, aber schon bald war auch dieses Gefühl des Mitfühlens verschwunden, meinen anderen Empfindungen in die hohle, leere Schwärze gefolgt. Ich mochte nicht essen, es gab keinen Reflex mehr in meinem Körper, keinen Instinkt des Überlebens, es schien als wäre er mit Sean gestorben. Die Suppe, der Salat, oder was auch immer, starrten mich nur nichtssagend an. Ich musste den Raum lange nicht verlassen haben, denn Liadan forderte mich immer öfter mit gedrückter Stimme auf, etwas mit ihr zu unternehmen. Überhaupt drang ihre Stimme immer gedämpfter an mein Ohr, ob das an mir oder an ihr lag, vermochte ich nicht zu sagen. Ihre Vorschläge blieben weitestgehend unbeachtet. Ich wollte nicht. Ich wollte nichts. Ich wollte... Sean! Aber er war nicht da. Seine sanfte, dunkle Stimme war nicht da, um mir zu zeigen, dass ich nicht allein war in meiner dunklen Umgebung, seine schützenden Arme nicht da, um mich da rauszuholen, seine Augen nicht, um mir wieder die Schönheit der Welt zu zeigen. Ich weinte. Es war das einzige, wozu ich mich in der Lage fühlte - weinen. Unerschöpflich rannen die salzigen Wassertropfen über mein Gesicht, meinen Hals, versickerten in der Bettdecke. Manchmal, war es nur ein leises Wimmern, dass sie begleitete, manchmal aber auch ein lauter Aufschrei aus tiefster Seele, ein aufgebrachtes Schluchzen und ein resignierendes Schniefen. Am Rande dieser ewigen, unendlichen Schwärze, bemerkte ich, wie Liadan immer bedrückter wurde, wie sich ihre Augen mit immer tieferen Ringen unterlegten und wie sie immer dünner wurde. Inzwischen musste auch ich schrecklich abgemagert sein. Das Essen war für mich immer noch eine widerliche, unnütze Angelegenheit, die ich mir nur an den Tagen aufbürdete, wenn die Schatten etwas zurückkrochen und den Blick auf meine Freundin freigaben, in deren Augen die tief verankerte Sorge schimmerte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)