Und du liebst mich doch von Amunet ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Mit müden und trüben Augen saß Harry vor seinem Frühstück. Den Lärm, den seine Schulkameraden machten, bekam er nicht mit. Und auch, dass er seinen Teller mit dem belegten Sandwich und dem gebackenen Schinken nicht angerührt hatte, bemerkte er nicht. Am liebsten wäre der Gryffindor in seinem Bett liegen geblieben. Die Nacht war für ihn viel zu kurz gewesen. Er konnte sich zwar nicht mehr an die Einzelheiten seines Albtraums, seiner Vision mit Voldemort erinnern, doch das hartnäckige Dröhnen in seinem Schädel wollte nicht verschwinden. Harry hatte brutales, hämmerndes Kopfweh. Seine Augen taten ihm weh und sobald er zuließ, dass sein Körper die Geräusche um ihn herum bewusst wahrnahm, hätte er schreien können. Und schlecht! Schlecht war ihm auch noch und das am ersten Schultag des neuen Jahres. Es war zum Verzweifeln. Die Schicksalsgötter mussten es in diesem Jahr besonders schlimm mit ihm meinen. Oder was hatte er sonst verbrochen, dass er so gequält wurde? Er wusste es nicht und erst als Ron ihn am Arm zupfte, damit sie noch rechtzeitig zum Unterrichtsbeginn kamen, erwachte er aus seiner Trance. Dem Schritttempo von Ron und Hermine folgend, eilte er durch die Gänge der Schule und konnte es nicht fassen, in welche Richtung er gelenkt wurde. Das durfte einfach nicht sein! Die erste Stunde und dann DAS! „Oh, bitte nicht“, flehte Harry leise, von den Anderen ungehört, zu sich selbst. Sekundenlang dachte er daran, wie schön es doch bei den Dursleys sein konnte und dass Flucht gar nicht einmal so schlecht war. Es half aber alles nichts. Die erste Schulstunde dieses Jahr war eine Doppelstunde Zaubertränke mit den Slytherins. „Oh, Happy Day”, murrte Harry ironisch. Sie kamen gerade noch pünktlich. Snape kam gleichzeitig mit dem Trio am Klassenraum an. Man konnte seiner düsteren Miene deutlich ansehen, dass er den Gryffindors gerne Punkte abgezogen hätte. Im Raum selbst waren alle anderen Schüler schon anwesend. „Heute beginnen wir mit einem neuen Fachgebiet der Zaubertrankmagie“, begann der Professor ohne Umschweife seinen Unterricht. „Wir werden heute mit Heiltränken, ihren Wirkungsweisen und ihren Nebenwirkungen beginnen. Schlagt euer Lehrbuch, Seite 15 auf und lest euch die Kapitel drei bis sieben durch. Danach beginnt jeder für sich mit dem brauen folgenden Trankes!“ Ein Schwenker mit dem Zauberstab und auf der Tafel stand in akribischer Schrift das Rezept für einen Trank, der sich „Lieschen“ nannte. „Die Zutaten, die nicht in eurem persönlichen Vorrat zu finden sind, könnt ihr von meinem Schreibtisch nehmen. Ihr habt jetzt noch eine Stunde Zeit, danach werden wir einige Tränke an ihren Brauern testen.“ Ein Gemurmel ging durch die Klasse, verstummte jedoch dank Snapes Blick sofort wieder. Missgelaunt begann Harry die geforderten Kapitel zu lesen, konnte sich jedoch nicht wirklich auf den Text konzentrieren, da die Buchstaben aufgrund seines Kopfwehs die Angewohnheit hatten, wie wild hin und her zu springen. Nach und nach klappten alle Bücher zu und die Schüler begannen mit dem Brauen. Frustriert verfolgte der Gryffindor das Tun seiner Kameraden, während er sich immer noch mit Kapitel vier quälte. Als dann auch Neville zu seinem Kessel griff, reichte es Harry und er legte das Buch beiseite und fing, mit einem flauen Gefühl im Magen, an, den Trank zuzubereiten. „Arbeitsschritt 4: Man füge vier gemahlene Krallen eines Falken, vermengt mit 50 Gramm pulverisierter Schlangenhaut in das köchelnde Wasser.“ Gesagt getan. „Nun müssen in 30 Sekundenintervallen erst 10 ml. Wermut, dann 21 ml. Drachenblut und 2 Tropfen Tollkirschextrakt in den Sud gegeben werden.“ Irritiert runzelte Harry seine Stirn. Waren Tollkirschen nicht giftig? Mit einem leichten Schulterzucken gab der 15-Jährige auch diese Zutaten in den Kessel und gerade, als er zum nächsten Punkt der Rezeptur übergehen wollte, bemerkte er, wie sein Trank erst rot, dann grün und schließlich schwarz wurde. Noch bevor er etwas wie: „War das im Buch nicht anders beschrieben“ nuscheln konnte, entstanden große, wirklich große Blubberblasen! Snape, der Harry die letzten ein bis zwei Minuten wohl genau beobachtet haben musste, sprang von seinem eigenen Arbeitsplatz auf, schrie ein lautes „Alle in Deckung!“ und dann, dann machte es auf einmal BOOM! Nach der Explosion herrschte Totenstille. Keiner wagte sich zu bewegen, geschweige denn, ein einziges Wort zu sagen. Harry, der sich in letzter Sekunde noch unter sein Pult gerettet hatte, schwante schlimmes. Noch nie hatte er es geschafft, seinen Kessel zum Explodieren zu bringen. Oh, er hatte schon unzählige Zaubertränke ruiniert, aber das hier war die Krönung. Der Qualm im Raum verhinderte, dass er etwas sehen konnte und dennoch wusste er, dass Snape sich vor ihm aufgebaut hatte. „Air Extro.“ Der Zauberspruch Snape’s reinigte innerhalb von Sekunden die Luft. Harry griff nach seiner Brille, die ihm von der Nase gefallen war, putzte das rußige Ding mit seinem noch dreckigeren Pullover ab und setzte sie sich auf die Nase. Er wünschte sich, seine Sehhilfe nicht aufgesetzt zu haben. Sein „Lieblingslehrer“ stand, soweit er das mit dreckiger Brille sehen konnte, mit einer Fratze des Zorns vor ihm. Es war direkt verwunderlich, dass der Mann noch nicht in die Luft gegangen war. Nie zuvor hatte der ehemalige Todesser Harry so... so... so unsagbar hasserfüllt angesehen. Dem Gryffindor wurde ganz anders zumute. Und sein penetrantes Kopfweh meldete sich auf einmal wieder. „Mr. Potter“, Snape’s Stimme war leise, doch den brodelnden Zorn konnte man nicht überhören. „Bitte tauschen sie Ihren Platz mit Mr. Zabini und setzen Sie sich zu Mr. Malfoy an den Tisch.“ Ohne zu zögern kam Harry der Aufforderung nach und verließ seinen angestammten Platz neben Ron und Hermine. Er traute sich noch nicht einmal, Draco oder seine Klassenkameraden anzusehen, allerdings konnte er deren Blicke auf sich spüren. „Ich denke, Mr. Potter, Sie werden mir zustimmen, wenn ich sage, dass es sinnvoll wäre, wenn Sie das restliche Schuljahr zur Sicherheit aller neben Mr. Malfoy verbringen. Vielleicht kann ja Mr. Malfoy verhindern, dass Sie uns alle umbringen.“ Kurz hob Harry seinen Kopf, um Einspruch zu erheben, die abwehrende Handbewegung seines Lehrers hinderte ihn jedoch daran, seinen Mund zu öffnen. „Des weiteren werden Sie von heute an genau einen Monat lang jedes Wochenende zu mir ins Büro kommen und Strafarbeiten erledigen.“ Wieder wollte Harry etwas sagen, um es gleich darauf bleiben zu lassen. „Und außerdem macht das 60 Punkte Abzug für Gryffindor.“ Der Tränkemeister wandte sich den übrigen Gryffindors zu: „Bedanken sie sich bei Mr. Potter für den exzellenten Start in ein neues Schuljahr.“ oooOOOooo Vereinzelte Wolken wanderten über den ansonsten strahlend blauen Mittagshimmel. Mit einem Grashalm im Mund, auf dem er hin und wieder kaute, lag Harry, Abstand zu seinen Schulkameraden haltend, am See. Der Baum, der hinter ihm stand, spendete genug Schatten, so dass er nicht befürchten musste, einen Sonnenstich zu bekommen. Die Temperaturen waren gerade für diese Jahreszeit und überdies für englische Verhältnisse sehr hoch. Das fröhliche Lachen einiger Erstklässler, die im Wasser planschten, stieß auf taube Ohren. Harry war so sehr in Gedanken vertieft, dass die Welt hätte untergehen können und er hätte nichts mitbekommen. Sein ganzes Wesen war mit der höchst peinlichen und grausamen Zaubertrankstunde ausgefüllt. Dass Snape ihn vor der ganzen Klasse runtergemacht hatte, war nicht das Schlimmste gewesen. Draco hatte sich die restlichen Unterrichtstunden bis zum Mittagessen (warum hatten sie Heute morgen auch alle Fächer mit den Slytherins?) über ihn lustig gemacht. Diese unqualifizierten Kommentare, die von „Potter, nur weil du der Junge-der-lebt bist, heißt das noch lange nicht, dass wir alle unsterblich sind“ über „Danke, Potter, du hast es geschafft, dass ich das komplette Schuljahr deine potthässliche Fresse neben mir ertragen muss“ zu „Was hast du eigentlich in deinem Schädel? Matsch? Schaffst es ja noch nicht einmal, einen einfachen Zaubertrank anzurühren. Selbst Longbottom ist nicht so ein Versager wie du.“ gereicht hatten, hätte er ja noch ignorieren können, aber nicht die furchteinflößenden und vorwurfsvollen Blicke der Gryffindors. Innerhalb von vier Stunden hatte sich die Nachricht von der Explosion im Kellergewölbe durch die ganze Schule verbreitet. Ron und Hermine waren bemüht, Harry zu trösten, allerdings war diese Mühe vergebens. Harrys ohnehin schon angeschlagenes Selbstvertrauen war unter den Nullpunkt gesunken. Er zweifelte wieder einmal an seiner Existenz. Was oder wer war er schon? Ein Held, wie ihm die Zauberergemeinschaft einredete, war er ebenso wenig wie der letzte Abschaum, was ihm seine „netten“ Verwandten immer wieder einzutrichtern versuchten. Alles, was er wusste, war, dass er der Junge war, der Schuld am Tod von zwei Menschen hatte. Wegen ihm waren Cedric und Sirius gestorben. In den Ferien hatte er die Tatsachen so tief in sein Unterbewusstsein verdrängen können, dass er sie irgendwie ohne andauernde Weinkrämpfe und Schuldgefühle überstanden hatte. Jetzt jedoch waren gerade diese verdrängten Emotionen dabei, wieder aufzutauchen. Am liebsten hätte Harry seinem Unmut mit einem lauten, verzerrenden Schrei Luft gemacht, doch er konnte nicht, durfte nicht. Frustriert schnaubte er auf und schloss seine Augen. Für wenige Momente wollte er von einer heilen Welt träumen. So hörte er nicht, wie sich federleichte Schritte näherten und so bemerkte er auch nicht, dass sich jemand neben ihm ins Gras setzte. Erst als eine hauchzarte Berührung an seiner Nasenspitze kitzelte, öffnete Harry seine Lider. Erschrocken riss er seine Augen weit auf, während beim Erkennen seines Gegenübers ein zischender Laut seiner Kehle entschlüpfte. „Malfoy, was?“ „Ganz ruhig, Potter, ich werde dich schon nicht fressen.“ Dracos Stimme war alles andere als glaubwürdig. Der schnarrende, spöttische Tonfall schien ihm angeboren. „Was soll das?“ Wütend blickte Harry auf den Strohhalm in Dracos Hand, der noch vor kurzem über seine Nase getänzelt war. „Weißt du, Potter, ich frage mich, was ich mit deinem kleinen Geheimnis anfangen soll.“ Harry schluckte. „Meinem Geheimnis? Ich habe kei...“ „Versuchs erst gar nicht. Du bist der schlechteste Lügner, den ich kenne.“ Auf diese Bemerkung wusste Harry nichts zu erwidern. Er wusste, dass Draco recht hatte und das ärgerte ihn ungemein. „Potter, Potter...“ Der Slytherin schüttelte seinen Blondschopf, um gleich darauf einen finsteren Blick aufzusetzen: „Ich denke, ich werde dich ein bisschen erpressen.“ „Mich erpressen? Womit denn? Denkst du, dir glaubt jemand mehr wie mir?“ „Nein, natürlich nicht. Wer würde schon einem Malfoy mit zweifelhaftem Ruf, jetzt, nachdem mein Vater dank dir denunziert wurde, eher glauben, als dem großen Harry Potter höchstpersönlich? Oh nein, Potter, so leicht mache ich es dir nicht. Mein Wort ist heute vielleicht nicht mehr so viel Wert wie deines, doch dafür habe ich das hier.“ Mit einer schnellen, galanten Bewegung zog Draco etwas aus der Innentasche seines Zauberumhanges und hielt es Harry ins Gesicht. Wie schockgefroren starrte Harry auf das Foto in Dracos Hand. Sein Herz raste wie ein Sucher im Sturzflug. Auf dem Foto war er im Zug von Hogwarts zu sehen. Doch war es kein harmloses Bild. Nein, es war ein magisches Foto, das ihn beim Masturbieren zeigte. „Wie? Nein, wann?“ „Sagen wir einfach, du warst ein wenig zu... mh... abgelenkt, um es zu bemerken.“ „Was willst du von mir?“ „Das, mein Freund, wirst du noch früh genug erfahren.“ Die Art, mit der Draco das Wort „Freund“ aussprach, tropfte nur so vor Hohn. „Das Bildchen hier schenke ich dir. Ich habe davon noch ein halbes Dutzend.“ Harry hätte Draco zu gerne das dreckige Grinsen aus dem Gesicht geschlagen, beherrschte sich jedoch noch gerade so. Seine Hautfarbe war durch den Schock ganz bleich und dann vor Scham knallrot geworden. In seinem Kopf befand sich regungslose Fassungslosigkeit. Unfähig, die unwillkommenen Informationen in seinem Gehirn zu ordnen, sah er zu, wie der Slytherin elegant aufstand und Richtung Schloss schlenderte. „Was wollte Malfoy von dir?“ Ron war gerade auf Harry zugetreten, nachdem Seamus und Dean das ungleiche Pärchen bemerkt hatten. Der Anblick war auch zu verboten. Harry Potter und Draco Malfoy in einem scheinbar friedlichen Gespräch vertieft. Für Ron, als bester Freund Harrys, war sofort offensichtlich, dass es eine erzwungene Konversation durch den Slytherin sein musste. Harry würde niemals freiwillig eine Unterhaltung mit Malfoy führen und in Anbetracht der Tatsache, dass Harry schon den ganzen Tag von Malfoy getriezt wurde, erst recht nicht. Sein Ich-mache-mir-Sorgen-um-Harry-Modus war in Kraft getreten. „Nichts, Ron.“ „Sicher?“ „So sicher, wie man sein kann, wenn man zum 100. Mal an einem Tag gesagt bekommen hat, dass man eine Flasche in Zaubertränke ist.“ Das schiefe Grinsen in Harrys Gesicht beruhigte Ron, jedoch konnte es das Gefühl nicht verdrängen, dass sich hinter Harrys Augen nicht doch noch eine andere Wahrheit verbarg. Als hätte Harry die Zweifel unter den Sommersprossen von Ron gelesen, lenkte er den Rothaarigen ab: „Wo ist eigentlich Hermine?“ „Ach so, die... ja, also, die wollte zur Eulerei und ihrem Viktor einen Brief schicken.“ „Bist du immer noch sauer, weil sie dir einen Korb gegeben hat?“ „Nein, das ist es nicht.“ „Und was ist es dann, Ron? Ist ja nicht gerade so, als hätte Herm dir keine Chance gegeben."“ „Weiß ich doch, doch daran liegt es ja auch nicht.“ „Ah! Willst du es mir erklären?“ „Ach, ist doch nicht so wichtig, Harry, ich werde mich schon wieder einkriegen.“ „Wollen wir’s hoffen. Wann fängt eigentlich die nächste Stunde an?“ Ron blickte kurz auf seine Uhr und stieß ein: „In fünf Minuten!“ raus. Ron, Harry und noch ein halbes Dutzend anderer Schüler packten blitzschnell ihre Sachen zusammen und rannten eiligen Schrittes ihrer nächsten Unterrichtsstunde entgegen. oooOOOooo Der Nachmittag verlief für Harry wesentlich besser als der Vormittag. Sie hatten Verwandlung bei Professor McGonagall und Harry konnte, da er es mit nur zwei Versuchen schaffte, ein Meerschweinchen in eine Blumenvase zu verwandeln, fünf Punkte für sein Haus gewinnen. Und auch in Wahrsagen hatte er ein bisschen Glück. Professor Trelawney prophezeite ihm weder seinen Tod, noch eine schwierige Dekade voller Schmerz und Pein, nein, sie beschränkte sich lediglich darauf, ihm eine heftige und leidenschaftliche Affäre vorauszusagen. Diese Prophezeiung führte allerdings zu den interessantesten Spekulationen unter den Mädchen. Hauptsächlich Parvati und Lavender sorgten für entsprechenden Klatsch. Cho Changs Name war plötzlich wieder in aller Munde. Keiner hatte vergessen, dass Harry im 4. Schuljahr besonderes Interesse an der Ravenclaw gezeigt hatte. Nach dem Tod von ihrem Freund Cedric war es jedoch still um das Traumpaar Potter / Chang geworden. Harry waren diese Gerüchte und Halbwahrheiten jedoch wesentlich lieber, als seine Ich-habe-meinen-Kessel-zum-explodieren-gebracht-Tatsache. Ron verbrachte nach dem Unterricht fast jede Minute an Harrys Seite, so dass dieser keine Chance mehr hatte, in seine trübe Stimmung zurück zu fallen. Das Abendessen kam und ging, ohne dass der Schwarzhaarige einen dummen Kommentar oder Blick von Malfoy abbekommen hatte. Die Schlafenszeit brach herein und im Gemeinschaftsraum wurde Snape-Explodiert in zweier Teams gespielt. Dean und Seamus spielten gegen Ron und Harry. Dank einer Glückssträhne lagen Dean und Seamus mit fünf gewonnen Spielen im Voraus, doch Harry und Ron gaben sich unter viel Lachen und Flüchen die größte Mühe, den Vorsprung einzuholen. Erst als Hermine um 23:00 Uhr ihr Buch „1001 Ratschlag zur Haushaltsführung junger Hexen“ zuschlug und die Jungen ins Bett scheuchte, löste sich das freudige Beisammensein. Gerade als Harry in das Schlafzimmer getreten war, kam ihm eine Eule durch das offene Fenster entgegen geflogen. Sie war mittelgroß und augenscheinlich einer der Schulwaldkäuze. Gediegen landete sie auf Harrys Schulter, damit jener ihr den Brief vom Bein machen konnte. Verwundert runzelte der Gryffindor seine Stirn. Wer um alles in der Welt konnte ihm jetzt noch einen Brief schicken? Einen Augenblick dachte er daran, dass es Sirius war, doch fast gleichzeitig drang der Tod seines Paten wieder in sein Bewusstsein. Harry langte kurz in seine Nachttischschublade, holte einen Keks heraus und gab diesen der Eule, die ihre Flügel spreizte und mit einem stolzen Aufschrei aus dem Raum flog. Zögerlich faltete er das Papier auseinander. Ohne einen ersichtlichen Grund zitterten seine Finger. Die Geräusche von seinen Freunden, die herumalberten und sich mit Handtüchern quer durch Bad und Betten jagten, gerieten in den Hintergrund. Seine Augen flogen über das Pergament und hingen ungläubig auf den säuberlich geschriebenen Worten. » Potter, komm heute Abend Punkt 0:00 Uhr auf den Astronomieturm. ALLEINE! Wir haben etwas zu besprechen. Du weißt, warum! Solltest du nicht auftauchen, wird das für dich Konsequenzen haben. Du weißt, welche!« Nicht ganz eine halbe Stunde noch. Harry wusste nicht, ob er wirklich zu dem Treffen gehen sollte. Vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt, um Ron von seiner Blamage zu erzählen? Harry zauderte. Was sollte er bloß tun? Mit seinen Freunden – nein, mit Ron, denn Hermine würde er nie etwas von der Zugaffäre verraten, könnte er eventuell einen Ausweg aus dem Dilemma finden. Doch als sein schlaksiger Kumpel mit hundemüden Augen ins Zimmer kam, sich auf sein Bett legte und fast sofort einschlief, wusste Harry, dass er da alleine durch musste. Zehn Minuten später, als alle Lichter aus waren, schnappte er nach seinem Tarnumhang und schlich sich aus den schützenden Gryffindorgefilden. Harry musste sich beeilen, wenn er noch rechtzeitig kommen wollte. Er war froh, dass den Anderen nicht aufgefallen war, dass er sich nicht fürs Bett fertig gemacht hatte. Als die Lichter ausgegangen waren, lag Harry mit seiner kompletten Alltagsbekleidung unter seinem Bettzeugs. Zeitlich hätte er es niemals geschafft, rechtzeitig zu kommen, wenn er sich vorher noch hätte umziehen müssen. Sollte er pünktlich erscheinen, konnte er sich noch glücklich schätzen. Die Bilder und Treppenstufen flossen förmlich an seiner Wahrnehmung vorbei. Total außer Atem kam er zwei Minuten vor 0:00 Uhr am Turm an. Weder Filch noch Mrs. Norris hatte er gesehen oder gehört. Die Karte der Rumtreiber, die er aus reiner Gewohnheit dabei hatte, zeigte die Beiden bei dem Punkt Severus Snape im Keller. Kurz sammelte er sich und dann drückte er die Klinke runter, betrat den Raum, wo seine Geißel auf ihn wartete. „Malfoy?“ Nichts. Keine Antwort. Absolute Stille. Harry drehte sich einmal im Kreis und konnte den blonden Slytherin nirgends entdecken. Hatte Draco ihn reingelegt? War das nur ein Test, um zu sehen, wie Harry reagieren würde? Der Gryffindor schnaubte und wendete sich in Richtung Tür zum gehen, als er an einen festen Gegenstand prallte und auf seinem Hintern landete. „Au! Verflucht, Potter, kannst du nicht aufpassen?“ „Malfoy?“ „Shh.. sei still oder willst du Filch anlocken?“ Harry rappelte sich mühselig auf, richtete seine schiefe Brille und sah einen ulkigen Anblick vor sich. Von Draco, der wohl ebenfalls dabei war, vom Boden aufzustehen, konnte er nur einzelne Körperteile in der Luft schweben sehen. Er sah den Kopf, den rechten und den linken Fuß, jedoch keine Beine. Der Brustkorb war teilweise zu sehen und sonst nichts mehr. „Du hast einen Tarnumhang?“ „Hast wohl gedacht, du wärst der Einzige hier mit diesem Luxus.“ „Ähm... eigentlich schon...“ „Da hast du dich geirrt. Jetzt zieh schon das verdammte Ding aus, so kann man sich ja gar nicht gescheit unterhalten.“ Mit diesen Worten öffnete Draco den Verschluss von seinem Umhang und vor Harry stand ein Malfoy im edelsten Seidenschlafanzug, den er in seinem ganzen Leben gesehen hatte. Der leichte Stoff schmiegte sich an Draco’s grazile Figur und betonte seine langen Arme und Beine um einiges. Harrys Herz schlug plötzlich schneller. Er wusste nicht, weshalb, doch der Anblick schien seinem Körper eine Reaktion zu entlocken. „Potter, mach hin! Ich will nicht die ganze Nacht vertrödeln.“ Mit einem Surren fiel auch Harrys Tarnumhang. „Also, was genau willst du?“ Ein schiefes Grinsen tauchte in Malfoys Gesicht auf und in den grau-blauen Augen, erglomm ein eigenartiges Funkeln. Harry, gebannt von den Veränderungen in Dracos Augen, sah, wie die Pupillen sich vergrößerten und die Ränder dunkel wurden, während die Augen an Farbe gewannen. Nach einigen Momenten, Harry konnte nicht sagen, wie lange er in diese faszinierenden Seelenspielen gestarrt hatte, waren die Augen strahlend Blau. Er musste den Kloß in seinem Hals herunter schlucken. „Also, Malfoy, was... was willst du jetzt von mir?” „ALLES!“ „Bitte?“ Verunsichert klebte Harrys Blick auf Malfoy, der sich auf ihn zu bewegte. Instinktiv wich Harry zurück, bis er über eines der Sitzkissen stolperte, sich mit den Füßen darin verhedderte und zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten auf seinem Hintern saß. Den blonden Slytherin hatte Harry jedoch nie aus den Augen gelassen und der Frosch in seinem Hals fand es äußerst beunruhigend, dass dieser seine Schritte noch nicht zum stoppen gebracht hatte. Als Draco endlich bei ihm angekommen war, ging dieser in die Knie und beugte seinen Kopf weit herunter. Für etliche Sekunden, die Harry wie Stunden vorkamen, glaubte er, in den blauen Tiefen Lüsternheit zu entdecken, doch als Dracos Wange die seine berührte und er von dem unerwarteten Körperkontakt fast Ohnmächtig wurde, schaltete sein Verstand ab. Der Gryffindor war restlos überfordert mit dieser Situation. Die Spannung zwischen ihnen irritierte und schwächte den Dunkelhaarigen, ohne, dass er eigentlich wusste, weshalb. Draco öffnete seinen Mund und ein warmer Lufthauch streifte Harrys Ohr, verursachte, dass sich die feinen Nackenhärchen aufrichteten und das durch Harrys Körper Schauer liefen. „Du...“, ein rauchiges Flüstern, „wirst...“, eine kleine spannungssteigernde Pause, „mein...“ und Harry konnte Dracos rechte Hand seine Wange entlang zu seiner Halsbeuge streicheln fühlen, „...Sklave sein.“ Abrupt löste sich Malfoy, tat so, als hatte diese knisternde Energie von eben niemals existiert. Es dauerte etwas, bevor Harrys Gehirnmasse sich aus ihrem Watte ähnlichen Zustand wieder zurückverwandelt hatte. „Niemals!“ „Wirklich, Potter?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen starrte Draco spöttisch auf Harry, dessen Gesicht eine rote Verfärbung angenommen hatte und dessen Gefühlswelt zwischen Verwirrung und Wut schwankte. „Potter, du kennst die Konsequenzen und ich weiß, dass du sie um jeden Preis verhindern willst.“ „Was genau soll ich machen?“ Harry hatte aufgegeben – vorerst zumindest. Ihm würde schon noch etwas einfallen, um sich aus Dracos Falle heraus zu winden. „Sei pünktlich morgen früh, Pardon, heute um 7:30 Uhr vor dem Slytheringemeinschaftsraum. Du weißt ja. wo er liegt.“ Mit diesen letzten Worten griff Draco seinen Tarnumhang auf, zog ihn sich in einer gleitenden Bewegung über und verschwand, noch ehe Harry etwas dazu sagen konnte. „Scheiße!“ Verärgert, da er in nicht mehr als 6,5 Stunden wieder aufstehen musste, verließ auch Harry den Astronomieturm. Das war er also gewesen, der erste Schultag seines 6. Schuljahres in den Mauern von Hogwarts. Fortsetzung folgt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)