Erwärme mein Herz von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 32: Keine Gnade ----------------------- sooo leute... ein neues Kapitel! juhu! hat mal wieder länger gedauert, ABER es lag nicht an mir...^^ sondern an meiner Beta-Leserin, hat sich ein bissl zeit gelassen... *hihi* aber macht ja nix. viel spass jetzt mit diesem grausamen und erschütternden Kapitel... bis zum nachwort. ............................................. Kapitel 32: Keine Gnade Das Blut von 25 Menschen… Wie erstarrt blickte Hitomi zu den Gefangenen hinüber und zählte sie hastig durch. Zweimal verzählte sie sich, aber es stand sowieso außer Frage: Es waren genau 25. Inklusive Merle. „Baijne, beginne mit dem Ritual…“, verkündete der Präsident gelassen. Der schwarze Häuptling sprang von seinem Grauen und schritt zu den Gefangenen hinüber. Diese hatten mittlerweile auch begriffen, was hier gerade passierte und drängten sich panisch zusammen. Die blonde Frau konnte nicht mehr aufhören zu schluchzen, einige der Männer versuchten sich ungeschickt aus ihren Fesseln zu befreien und Merle stand inmitten von ihnen, die Katzenohren aufmerksam nach oben gestellt, den wachen Blick auf ihre Tochter gerichtet. Sie wehklagte nicht mehr, sondern versuchte Nora irgendwie zwingen zu wollen, sie endlich anzusehen. Doch Nora tat nichts der gleichen. Ihre glasigen Augen waren auf keinen bestimmten Punkt der Felswand gerichtet, als würde sie bereits sehen, was dahinter lag. Der Regen wurde nun stärker und machte die ganze Szenerie damit noch trister und hoffnungsloser. Eilends zog Hitomi ihre Kapuze über die Haare, wie viele andere auch und beobachtete, wie Baijne den Erstbesten aus der Traube, der sich zusammendrängenden Gefangenen, heraus zog. Er erwischte den pickligen Jungen, der nicht sprach. Seine Augen flogen wild umher, ansonsten verzog er keine Mine, als hätte er sein Schicksal bereits akzeptiert. Der Schwarze zog den Jungen unbarmherzig auf das goldene Siegel, drückte ihn in die Knie und zog dann ein langes, säbelartiges Messer aus seinem kniehohen Stiefel. Die Klinge schien irgendwie elastisch zu sein, und doch sah ja man auf die Entfernung, dass es extrem scharf sein musste. Hitomi wollte irgendetwas tun, irgendetwas sagen, vielleicht mit vollem Karacho auf Baijne zu reiten, aber ihr Körper war wie versteinert. Sie konnte nichts anderes, als auf die breite Klinge ins Baijnes rechter Hand zu starren, die sich jetzt schnell und geschmeidig auf den Jungen nieder senkte. Baijne schlug ihm mit einer einzigen, schnellen Bewegung den Kopf ab. Der schmale Körper des Jungen sackte zusammen und das Blut breitete sich schnell zu einer großen Lache aus. Für einen Moment schien die Welt nicht mehr zu atmen. Jeder der Anwesenden starrte auf das, was sie da sahen, voller Grauen und Ekel. Dann war der Moment vorbei. Baijne trat einen Schritt zurück, in seinen Augen die pure Genugtuung. Mehrere der Gefangenen schrieen entsetzt auf und die blonde Frau übergab sich zu den Füßen des nebenstehenden Soldaten. Merle stand das Fell zu Berge und selbst Brisaeye verzog leicht die Mundwinkel. Hitomi schloss für einen Moment die Augen und musste sich zwingen ihren Würgreiz zu unterdrücken. Als sie sie wieder öffnete, geschah etwas Seltsames. Der Körper und der abgeschlagene Kopf des Jungen schienen in das Siegel zu versinken… Ein unsichtbarer Sog verschluckte die sterblichen Überreste vollständig, bis nur noch das Blut übrig war, welches sich in den tiefen Rinnen und Ritzen des Siegels verteilte. „Es hat begonnen!“, verkündete Dornfels, der immer noch am selben Fleck stand wie zuvor und mittlerweile völlig durchnässt war. Auch Hitomi spürte wie die Nässe bereits über ihre Haut kroch und zum ersten Mal seit Monaten wünschte sie sich einen Regenschirm. Die Regentropfen fielen kontinuierlich auf sie herunter, hart und unnachgiebig. Allerdings schienen sie das Siegel nicht zu berühren, als würde ein Schild sie davon abhalten. „Mach weiter, Baijne!“, befahl Dornfels, der nun ein wenig unruhig zu werden schien. Baijne nickte, stampfte ein paar Schritte zurück und zog willkürlich das nächste Opfer aus den Reihen. Es war ein kleiner, knochiger Mann, mit kurzen, grauen Haaren und einem grimmigen Gesichtsaudruck. Sein von Falten zerfurchtes Gesicht sah so aus, als hätte er schon viel gesehen in seinem Leben, wahrscheinlich auch den letzten Krieg. Doch das hier, das übertraf alles. Hitomi sah, wie seine Unterlippe bebte und er beim Anblick von all dem Blut am Ganzen Körper anfing zu schlottern. Baijne zog ihn unnachgiebig in die Mitte des Siegels und das was sie gerade schon einmal erlebt hatten, wiederholte sich, so schnell, dass Hitomi es nicht einmal mehr schaffte die Augen zu schließen. Der Körper des Mannes lag zuckend am Boden, sein Kopf daneben. In Hitomi’s Körper zog sich alles angewidert zusammen. Wer würde den Mann wohl vermissen? Falls er noch lebende Verwandte hatte, würde irgendjemand von ihnen auch nur Annähernd eine Vorstellung davon haben, wie er zu Tode gekommen war? Falls sie das überleben würde, schwor sich Hitomi, es ihnen zu erzählen. Ganz Gaia sollte erfahren, was Dornfels und das Volk getan hatten. Sie würde sich die Gesichter der Gefangenen einprägen und ihre Namen herausfinden… Das war das Mindeste. Diese Gedanken schoben Hitomi’s Ekel für den Bruchteil einer Sekunde beiseite, aber nicht lange. Als das Siegel den Körper einsog, breitete sich der bleierne Geruch des übrigen Blutes vehement aus. Hitomi versuchte, möglichste flach zu atmen und wandte den Blick ab. Tränen stiegen ihr in die Augen, leise und verzweifelt. Verdammt, Brisaeye hatte Recht behalten! Jetzt konnte nur noch ein Wunder helfen. Doch natürlich geschah nichts. Der Regen fiel konstant weiter, und Baijne führte seine Schlachtung ohne Pause weiter. Jetzt zog er die blonde, wimmernde Frau aus dem todgeweihten Haufen von Gefangenen, die Hitomi bereits kennen gelernt hatte. Mit ihrer letzten Kraft versuchte diese sich an Merle zu klammern, die Baijne immer wieder böse anfauchte. „Wenn du dich einmischt, Katzenweib, schneid ich dir wirklich noch deinen Schwanz ab und lasse dich so lange ausbluten, bis all deine Wut aus deinem Körper gewichen ist…“ Das saß. Merle war still. Baijne kicherte boshaft. Er packte die blonde Frau grob am Arm und schubste sie auf das Siegel zu. Ihr Gang war erschöpft und schlapp und als sie das Blut in den Rinnen des Siegels sah, schien es so, als würde sie sich augenblicklich noch einmal übergeben. Ihre Augenlider flatterten, dann brach sie zusammen. „Verflucht!“, stieß Baijne aus und hatte scheinbar Mühe, die Frau mit einem Arm weiter zu bugsieren. „Brisaeye! Hilf mir!“, befahl er dann. Das schwarze Mädchen blickte erst unschlüssig zu Dornfels, dann zu Hitomi. Es schein zu bedeuten: „Ich dachte, ich soll sie nicht aus den Augen lassen?“ Dornfels aber nickte in seiner Ungeduld nur und scheuchte Brisaeye mit verärgerter Mine vom Pferd. Wenn das nicht ein Moment war… Hitomi sah, wie Brisaeye viel schneller als ein normaler Mensch zu ihrem Bruder hinüber huschte und die Frau wieder aufzurappeln versuchte. Eilig glitt Hitomi von ihrem Pferd hinunter und watschelte über den aufgeweichten Boden zu Dornfels hinüber. Ihr Mantel und ihre Röcke waren von der Nässe so schwer, dass sie Mühe hatte, einen Fuß vor den Anderen zu setzen. „Dornfels! Hört augenblicklich auf damit!“, schrie sie ihm entgegen. Der Präsident aber lächelte nur grimmig. „Tut mir leid mein Mädchen… Diesen Wunsch kann ich euch leider nicht erfüllen…“, erwiderte er aalglatt. Hitomi grollte. „Wenn ihr es nicht tut..., dann… Dann – “ Ihr Blick schweifte panisch umher, auf der Suche nach irgendetwas, was sie gegen ihn richten konnte, natürlich gab es wieder mal nichts. Ehe sie noch irgendetwas sagen konnte, stellten sich auch zwei besonders große Soldaten vor Dornfels, wie Bodyguards vor einen prominenten Schauspieler. Wenn sie doch nur irgendetwas tun könnte, dass dieses „Ritual“ unterbrochen würde! Sie hastete zurück zu den Pferden, beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Baijne gerade die immer noch bewusstlose blonde Frau auf das Siegel legte, als es ihr einfiel. Jetzt, wo sie wieder ein bisschen klarer denken konnte und nicht mehr wie versteinert war, war der Gedanke von vorhin gar nicht mehr so abwegig… Wie eine Furie ging sie auf die beiden Herrenlosen Pferde zu, die sowieso schon die Nüstern blähten, verwirrt vom Geruch des Blutes. „Ey-Jahhhh!!!“, schrie sie und hampelte vor den Pferden herum wie eine Irre. Ihr war sehr wohl bewusst, dass sie sich damit selber in Gefahr brachte, aber wenn die Pferde durchdrehten, konnte sie ein wenig Zeit hinaus schinden. Sofort warf der Fuchs aufgeregt seinen Kopf nach oben und der Braune tat es ihm gleich. Hitomi fuchtelte weiter mit ihren Händen vor den Augen der Pferde herum, nahm ihren Mantel zu Hilfe, schwenkte ihn herum und brüllte immer wieder unverständliche, wilde Laute. Es reichte. Die Pferde fingen erschrocken an zu wiehern und stiegen auf. Obwohl sich sofort die Soldaten näherten um sie zu beruhen, schlugen sie weiterhin aus und Hitomi hörte auch nicht auf mit ihrem Geschreie und Gezeter, bis sie von hinten an den Armen gepackt wurde. Brisaeye und ein anderer Mann aus dem Volk zogen sie zur Felswand, weg von den Pferden, aber es war schon geschehen. Die Pferde gingen durch, trampelten gegen die Felswand und rissen mit ihrem Aufruhr auch alle anderen Pferde mit sich. Zwei Soldaten wurden auf der Stelle abgeworfen, Dornfels musste sich hinter seine Bodyguards ducken, um nicht von seinem eigenen Pferd getroffen zu werden und inmitten von alledem stand Baijne gelassen über der blonden Frau. Er schien auf etwas zu warten. Dann als Hitomi zufällig in seine Richtung sah, grinste er höhnisch und tötete die Frau, wie die beiden anderen zuvor. „NEIIIIIIIN! Hört auf damit!“, kreischte sie verzweifelt. „Ihr Mörder! Ihr Schweine!“ Hitomi war schon so angeheizt von ihrem Gezeter, dass sie nicht mehr an sich halten konnte. Ihr fielen zahlreiche übler Schimpfwörter ein, die sie sich noch niemals getraut hatte auszusprechen, doch dummerweise hielt ihr der schwarze Volk-Mann jetzt unsanft den Mund zu, bevor sie den gaianischen Wortschatz um ein paar Flüche erweitern konnte. Sie sträubte sich, versuchte zu beißen, trat um sich, jedoch ohne eine reelle Chance. Der Griff der beiden Schwarzen war unerbittlich… Immerhin hatte ihre Pferde-Aktion funktioniert. Die aufgebrachten Tiere konnten sich mühelos freikämpfen, veranstalteten wilde Rodeoritts mit ihren Aufsitzenden, bis diese am Boden lagen und sie vielleicht noch ein wenig auf ihnen herum trampelten. Sogar Kagou musste mit Nora eilends von seinem Tier steigen, um das kleine Mädchen nicht zu gefährden. Schnell presste er sich mit Nora gegen die Felswand und hielt sie schützend in seinen Armen, während sein Pferd sich fast fröhlich zu seinen Artgenossen hinzu gesellte. Dann brachen sie allesamt aus und verschwanden angeführt von Baijnes Grauem, donnernd und mit viel Schlamm-Gespritze im schmalen Schluchten-Gang. „Lasst sie Laufen!“, bellte Dornfels den wenigen Soldaten hinterher, die noch nicht getreten worden waren und hinter den Pferden herhechelten. „Und bringt sie ja nicht zurück! Noch so ein Aufruhr und ich gebe dem Siegel 25 Opfer extra!“ Wütend wischte sich der sonst so würdevolle Präsident die Schlammspritzer aus dem Gesicht, was für ihn erniedrigender zu sein schien, als irgendetwas sonst. Allein für diesen Anblick hatte sich der Tumult gelohnt, dachte Hitomi und schmunzelte in sich hinein. Ein paar Herzschläge lang hatte sie glatt vergessen, wo sie sich befand, aber die Realität war einfach zu unmittelbar. Baijne machte seine Arbeit einfach weiter als wäre nichts gewesen. Alle restlichen Soldaten, die nicht mit Schmerzverzerrtem Gesicht am Boden lagen und sich die Knochen rieben, umstellten die Gefangenen jetzt wie eine eiserne Wand. Es war klar, dass niemand mehr aus diesem Kessel hinaus kommen würde, ohne sich nicht vorher mit dem gesamten Volk des flüsternden Windes anzulegen, die den Ausbruch der Pferde teilnahmslos beobachtet hatten. Hoffnungsvoll ruckelte Hitomi noch ab und zu an ihren menschlichen Fesseln… Ohne Erfolg. „Das habt ihr ja wirklich gut hingekriegt, mein Mädchen…“, säuselte Dornfels, als er sich wieder gefasst hatte, „Aber wir haben eigentlich keine Eile. An diesem Ort spielt Zeit keine Rolle… Also wenn ihr noch mehrere Ablenkungs-Manöver aus eurem hübschen Köpfchen zaubern wollt, nur zu…“ Er sah sie mit seinem altbekannten Lächeln an, kühl aber triumphierend. Als Antwort ließ Hitomi durch die schwarze Hand vor ihrem Mund ein lautes, wütendes Knurren verlauten, das dem von Merle sicherlich Konkurrenz machen würde. „Sei jetzt endlich still!“, zischte Brisaeye ihr ins Ohr. „Du kannst es nicht aufhalten….“ Insgeheim wusste Hitomi das auch. Aber die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt… Zwar konnte sie nicht auf ein Wunder hoffen, aber… vielleicht auf ein Gewitter? Wenn es schon regnen musste, warum konnte dann nicht ein Blitz mitten in den Kessel einschlagen und das Siegel einfach in zwei Teile spalten? Etwas Abwegigeres gab es wohl kaum noch und so musste sie resigniert mit ansehen, wie Baijne weitermachte. Er tötete. Drei, vier, fünf, sechs Gefangene und immer weiter, unaufhaltsam. Hitomi betrachtete jedes Mal das Gesicht des Opfers, versuchte es sich einzuprägen, presste dann aber panisch ihre Augen zusammen, ehe Baijne seine bluttriefende Klinge auch nur anhob. Jedes Mal befürchtete sie, Baijne würde Merle aus dem Grüppchen heraus ziehen. Seltsamerweise schien er sie aber absichtlich zu umgehen… Typisch für Baijne, schließlich hatte die Katzendame ihn ein ums andere Mal mehr als nur gereizt. Warum also nicht bis zum Schluss warten? Es ging endlos weiter. Wie am Fließband verrichtete Baijne seine blutige Arbeit und der Geruch dabei wurde schließlich so penetrant, dass man es nicht mehr aushielt. Viele der jungen Soldaten flüchteten mit vorgehaltener Hand in den Felsengang und auch Hitomi konnte nicht mehr an sich halten. Ihr Magen bäumte sich protestierend auf und entleerte sich vollständig auf den durchweichten, matschigen Boden. Der schwarze Mann, der bis dahin noch ihre Fessel war, entfernte sich angewidert von ihr und gesellte sich mit Lichtgeschwindigkeit zu seinen Kumpanen. Hitomi richtete sich zitternd wieder auf und lehnte sich gegen die Felswand. Brisaeye musterte sie mit besorgtem Blick. „Bald ist es vorbei…“, flüsterte sie ihr zu. Hitomi konnte nichts erwidern. Jegliche Kraft war aus ihrem Körper gewichen, und ihr Blick auf das Siegel war verschleiert, obwohl der Regen sich stark abgeschwächt hatte. Jetzt konnte Hitomi nicht mehr hinsehen. Es waren nur noch eine Handvoll Gefangene übrig, aber wenn sie auch nur noch einmal mit ansehen musste, wie Baijne einem von ihnen den Kopf abschlug, würde sie ohnmächtig werden und das war das wenigste was sie wollte. Sie musste irgendetwas tun… Merle durfte nicht sterben! Doch sie musste vorsichtig sein… Sie musste an ihr Kind denken, an Van… Wenn sie ihn nur noch einmal sehen konnte, sein Gesicht berühren könnte, wäre sie schon mehr als glücklich. Dann, nach einer unheimlichen Weile, war es so weit. Das Siegel hatte sich 24 Opfer geholt und eines fehlte noch. Dornfels lief ungeduldig umher und trieb Baijne noch mehr an. „ring es zu Ende…“, ordnete er düster an. Baijne stellte sich breitbeinig vor Merle, die jetzt stocksteif da stand, das Fell glänzend vor Nässe. „Hast du noch einen letzten Wunsch?“, fragte er sie höflich. Merle schwieg und blickte dann trostlos zu Nora hinüber, die immer noch von Kagou gehalten wurde, allerdings von all dem nichts mitzubekommen schien. Sie wirkte, als wäre sie hypnotisiert worden. „Ich möchte mich von meiner Tochter verabschieden.“ „Bitte… Nur zu…“, sagte Baijne grinsend und verbeugte sich spottend vor Merle. „Dein Wunsch sei mir Befehl.“ Hiomi rieb sich das Wasser aus den Augen, um besser sehen zu können. Tatsächlich schritt Merle zu Nora hinüber, ohne Baijne auch nur eines Blickes zu würdigen. Dieser stand reglos da, rieb die Klinge seines Schwertes flüchtig an seiner Hose ab, tat aber nichts, um Merle aufzuhalten. Was das möglich? Durfte Merle sich von Nora verabschieden, ohne dass jemand etwas dagegen sagte? Hitomi’s Gedanken wurden von hässlichen Bildern durchzuckt, wie Baijne ihr rücklings in den Rücken fiel… Doch nichts dergleichen geschah. Merle war bei Nora angelangt und legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter. „Nora… Nora ich bin’s…“, hauchte sie, rüttelte mit ihren gefesselten Händen sanft an der kleinen Schulter, wollte, dass die glasigen Augen sie noch einmal ansahen. Nora’s Blick war immer noch auf den Fels gerichtet, weit weg von der realen Welt. „Nora! Sieh mich doch nur einmal an! Ich bin deine Mutter!“, flüsterte Merle kaum hörbar, nun mit erneut aufkeimender Verzweiflung. Hitomi wäre am liebsten zu ihr hinüber gerannt. Spürte die Katzenfrau denn nicht, dass ihr Mädchen nicht bei ihnen war? Dass Kagou irgendetwas mit ihr gemacht hatte? Der Katzenmann mit dem nachtschwarzen Fell hatte Nora nicht losgelassen, sondern hielt sie nach wie vor verkrampft fest und starrte Merle feindselig an. Merle drehte jetzt das Gesicht von Nora zu sich, betrachtete es voller Leid und lächelte dann, für einen winzigen, verträumten Augenblick. „Genug jetzt!“, fauchte Kagou die Frau an, die quasi seine Schwägerin war, schlug ihre Hand weg und funkelte anklagend zu Dornfels hinüber. „Es wird Zeit, Präsident!“ Sofort war Baijne zur Stelle und stand, ohne dass ihn jemand gesehen hatte, direkt hinter Merle, packte sie am Arm und zerrte sie zum Siegel. Merle hatte aufgehört sich zu wehren. Ihr Blick lag immer noch auf Nora und sie nahm es einfach hin, dass sie hier und jetzt sterben sollte, für einen höheren Plan. „Nein! Merle!“ Jetzt hielt Hitomi es nicht mehr aus. „Das könnt ihr nicht machen!“, schrie sie. Sofort gebot Brisaeye ihr Einhalt, hielt sie vorsichtshalber fest, damit sie nicht erneut etwas Dummes anstellen konnte. Für einen kurzen Moment sah Merle zu ihr herüber, entschuldigend fast. „Nein…“, keuchte Hitomi erneut. „Nein, nein, nein, nein…“ Wieso musste das passieren? Sie fühlte sich so unendlich hilflos und verlassen… Sie kannte Merle schon so lange, hatte gesehen wie das kleine, quirlige Kätzchen erwachsen wurde, zu einer selbstbewussten, unbeirrbaren Frau. Und das sollte jetzt einfach vorbei sein, hier im Regen, auf einer vergessenen Insel? Baijne drückte Merle in die Knie. Er lachte böse. Er hob sein Schwert. Er setzte zum Hieb an. Merle presste die Augen zusammen, tat keinen Mucks, rührte sie nicht. Hitomi presste ebenfalls ihre Augen zusammen und wartete auf das tödliche Geräusch. Aber es geschah nichts. Hitomi öffnete ängstlich ihre Augen, erwartete das Schlimmste, doch Baijne stand immer noch da, mit erhobenem Schwert. Seltsamerweise war sein Gesicht vor Anstrengung verzerrt und seine Lippen waren hart aufeinander gepresst. „Was ist los Baijne?“, fragte der Präsident ungeduldig. „Ich kann… es nicht… bewegen!“, keuchte er und langte mit der zweiten Hand an den Schwertgriff, erfolglos. Das Schwert schien irgendwie in der Luft fest zu hängen und nach weiteren, ereignislosen Sekunden, glaubte Hitomi den Grund dafür zu erkennen. Zuerst schien es niemand zu bemerken, weil alle gebannt auf die Szenerie um Baijne und Merle starrten, doch dann, als Kagou ein wütendes Grollen von sich gab, wanderten alle Augen zu Nora. Das kleine Katzenmädchen hatte sich von ihrem Leibwächter gelöst, welcher irgendwie steif und verkrümmt auf dem schlammigen Boden kauerte, unfähig sich zu bewegen. Nora stand ganz ruhig da, die glasigen Augen geradeaus auf ihre Mutter gerichtet. „Nicht Sie“, sagte sie dann, mit einer erstaunlich klaren und erwachsenen Stimme. Hitomi musste feststellen, dass sie das Mädchen noch nie hatte sprechen hören… „Wie bitte?“, fragte Dornfels verständnislos. „Nicht Sie“, wiederholte Nora langsam und deutete zur Verdeutlichung ihrer beiden Worte auf Merle. Dornfels, der jetzt aufgehört hatte, wie ein Tiger auf und ab zu streifen, schien von dieser weiteren Verzögerung nicht sehr begeistert und strich sich nachdenklich über seinen Schnurrbart. „Sie darf nicht sterben…“, sagte Nora jetzt, weil anscheinend niemand auf ihrer Worte reagierte. Gebannt beobachtete Hitomi jetzt Dornfels. „Na gut“, sagte er zu ihrer Verblüffung. Nora’s Blick lag unvermindert auf ihrer Mutter und die Starre von Baijne und Kagou schien sich nicht aufzulösen. „DU!“, fuhr der Präsident dann den Soldaten an, der am nächsten bei ihm stand. „Schaff sie vom Siegel!“ Eilig nickte der Soldat, der nicht älter als 16 sein konnte und half Merle beim aufstehen. Hastig entfernte sich Merle vom Siegel und Hitomi winkte sie zu sich. „Oh Gott sei dank!“, seufzte sie und nahm ihre mitgenommene Freundin in die Arme. Merle schien nicht verletzt zu sein, bis auf ein paar Schrammen und blutige Kratzer. Ihr Stolz und ihre Würde, die hatten wahrscheinlich den meisten Schaden genommen. Hitomi zog Merle bis ganz an die Felswand und als sie sich gerade fragte, was Nora dazu bewegt hatte ihre Mutter vor dem Tod zu bewahren, löste sich der Bann auf. Kagou konnte sich wieder rühren und packte sich Nora, wobei er sofort in unverständlicher Lautstärke auf sie einmurmelte. Baijne ließ sein Schwert niedersausen und obwohl Dornfels noch zu überlegen schien, wo er jetzt ein 25tes Opfer herbekommen sollte, nahm der schwarze Anführer ihm diese Entscheidung ungefragt ab. Als er sich mit einem lautlosen, unsichtbaren Satz den jungen Soldaten holte und am Rande des Siegels niederstreckte, war jede weitere Option überflüssig. Ein weiterer Kopf rollte, Blut spritzte und das Siegel holte sich seinen letzten, unvermeidlichen Zoll. Der Körper versank in goldenen Symbolen und Schriftzeichen, während sich die Rinnen mit roter Flüssigkeit füllten. „Endlich!“, jaulte Dornfels auf. Gebannt starrte er auf das Siegel, fast mit ebenso glasigem Blick wie Nora. Er wartete auf das, was da kommen mochte. ------------------------------------- Nachwort: Ich kann mir denken, dass einige von euch dieses kapitel jetzt vielleicht nicht so toll finden... es sterben ziemlich viele leute, zwar "unbedeutende", aber trotzdem... mir isses echt nicht leicht gefallen das zu schreiben... und trotzdem war es nötig... Ich habe mir diese geschicht nunmal "ausgedacht", und es musst mal etwas passieren, das zeigt wie gnadenlos dornfels handelt und wie gnadenlos meine vorstellung des gaianischen atlantis ist. ich wollte zu anfang Merle wirklich sterben lassen, hab es aber dann doch nicht übers herz gebracht... naja. ich hoffe auf eure kommis, seid ruhig ehrlich... ich verkrafte (fast) alles! das nächste kapitel ist noch nicht gemacht und es kann auch noch ne weile dauern.... hab grad sehr viel zu tun wiedermal, im studium... also, ich hoffe ihr könnt euch noch gedulden... chears, eure Chiyo-san Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)