Antons Reisen von Yeo ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3 Anton wird der Zugang zum Altar im See gewährt. Er geht über einen schmalen Steg auf den Herrn im Anzug zu, welcher, eine Tüte Fischfutter in der Hand haltend, eine kleine Gruppe Koi-Karpfen herbeizulocken versucht. Die Süßwassertiere lassen sich jedoch träge in den schwachen Wellen treiben, ohne auch nur das geringste Interesse zu heucheln. Der Herr gibt seinen Versuch Kontakt mit der Fauna des stehenden Gewässers aufzunehmen auf und schluchzt die Worte: "Das liegt nur daran, dass wir hier immer nur die bereits verstorbenen Tiere halten können..." Den feinen Zwirn betrachtend, aus dem der beige Anzug des fremden Mannes besteht, beginnt Anton sich ein wenig zu schämen. Zwar ist sein Körper nach dem tragischen Unfall wieder hergestellt worden, seine Kleidung jedoch blieb in ihrem zerrissenen, blutverschmierten Zustand. Trotzdem sucht der Tote den Dialog mit seinem Gegenüber. "Sie sind wohl auch einer, der nach dem Tod hier gelandet ist?", eröffnet Anton das Gespräch. Der Gastgeber wirft seinem, im Gegensatz zu ihm unscheinbaren, Gast einen freundlichen Blick zu und begegnet ihm mit den Worten: "Falls du mich für einen Menschen hältst, liegst du vollkommen falsch." "Aber was sind Sie denn dann? Doch nicht etwa... Entschuldigen Sie die freche Frage, aber sind Sie vielleicht Gott? Oder sogar der Leibhaftige?", stottert Anton mit zitternden Händen. "Such dir was aus. Ich verwalte das hier alles. Zu mir kommen die Toten der irdischen Welt." "Und was passiert jetzt? Ich muss doch nicht etwa hierbleiben?" "Warum? Ist es dir nicht angenehm genug?" "Doch, es ist schön. Ich dachte nur...", sagt Anton, während er etwas ganz anderes denkt. "Das Jenseits ist dir also zu bizarr? Du könntest nicht in einer Welt leben, in der es keine Regeln gibt?" "Wie bitte? Aber das meine ich doch gar nicht..." Anton verliert die Ruhe. Was der Herr im Anzug sagte, war genau das, woran er eben dachte. "Wir unterscheiden hier nicht zwischen Reden und Denken. Hier bleibt nichts geheim, mein Freund. Wenn dir die Regellosigkeit nicht zusagt, musst du mir nur sagen, was du jetzt willst. Aber komm mir jetzt nicht mit >mach mich wieder lebendig<, solchen Scheiß lass' ich nicht gelten." Während Anton erschreckt ist über die vulgäre Ausdrucksweise, die ihm entgegengebracht wird, versucht er eine gut Alternative für den Aufenthalt im "Nirvana" zu finden. "Und ich kann mir jetzt irgendwas ausdenken? Was für Optionen stehen mir denn überhaupt zur Verfügung?" "Hmm... Sehr beliebt ist es als Geist auf der irdischen Welt herumzuspuken. Nur bedenkt vorher niemand, wie langweilig es sein kann alles sehen, aber nicht machen zu können. Es besteht auch die Möglichkeit sich hier irgendwo heimisch zu machen. Du musst wissen, dass das Jenseits keine festgelegte Größe hat. Hier hat bisher jeder sein Fleckchen gefunden. Dann gibt es noch das Programm mit der Seelenreinigung. Das halte ich für das Sinnvollste. Weniger Papierkram für mich." "Was ist das?" "Da wird die Energieansammlung, die allgemein als ,Seele' bekannt ist, in den großen kosmischen Äther eingebunden, was für einen kurzen Augenblick den ultimativen Moment des maximalen Glücksgefühls zur Folge hat. Danach ist allerdings für alle Ewigkeit jegliche Existenz dieser Lebensform ausgelöscht." "Das ist nichts für mich. Ich bin zu Höherem bestimmt. Ich kann noch nicht aufhören, bevor ich alles geschafft habe, was ich mir vorgenommen habe. Im Sommer beginnt mein Jurastudium." "Um ganz ehrlich zu sein, ist diese Einstellung der Grund, warum ich dich persönlich zu mir eingeladen habe. Du musst wissen, dass ich mich nur sehr selten zu diesem Schritt entscheiden kann. Du nennst es vielleicht ,Ehrgeiz', aber ich wage es zu behaupten, dass du ein überhebliches Arschloch bist." "Dürfen Sie denn überhaupt so mit mir sprechen? Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich ihre Haltung mir gegenüber für inakzeptabel halte. Sagt man sich nicht immer, dass ,der Herr des Himmels', oder wie auch immer, ein sehr freundlicher Mann wäre." "Mein Freund. Wir im Jenseits geben den Spinnern auf der Erde nicht die Vorlagen für ihre Märchengeschichten über das Leben nach dem Tod. Und wenn du es genau wissen willst, ich darf hier tun und lassen, was ich will", unterrichtet der feine Herr den eingeschüchterten Anton. Plötzlich verändert sich die ganze Welt um die beiden, dem Disput verfallenen, Gesprächspartner in eine infernalische Schreckensvision, der die schlimmsten Antons nicht im geringsten nahekommen könnten. Riesige, schwarze Dornen ragen aus dem Boden, vom donnernden Himmel hagelt es ein Gemisch aus organischem Abfall und brennenden Felsbrocken, Blut spritzt durch die schwefelhaltige Luft, Todesschreie zerfetzen Antons Trommelfell, während verfaulte Leichenhände den jungen Mann mit einem festen Griff packen, um ihn unter die Erde zu ziehen. Die Stimme des Mannes im Anzug ertönt in einem derart lauten Ton, dass man glaubt, sie wäre allgegenwärtig. Boshaft schreit sie Anton hinterher: "Ich kann hier wirklich alles machen!" Wo einst die Koi-Karpfen waren, schwimmen nun nur noch Fischgräten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)