Antons Reisen von Yeo ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 2 Im Jenseits erfährt Anton, dass es sich bei dem Metallschrott um die verlorengegangene Ladung eines Transportflugzeuges handelte, welches zufälligerweise zur falschen Zeit am falschen Ort seinen Weg mit dem des jungen Mannes kreuzte. Das Leben nach dem Tod hatte sich Anton jedenfalls immer anders vorgestellt. Bei der Betrachtung der frei durch den weiten Raum gleitenden Farbschwaden muss er sich prompt an die Lehre über die spektrale Zerteilung des Lichts aus dem Astronomieunterricht erinnern und die Physikkenntnisse, die er sich in all den langen Jahren als Schüler aneignen konnte, widerlegen die auftretenden Formen der Landschaft, die sich vor ihm aufbauen. Am Himmel scheint sich ein weißes Meer zu erstrecken, in dem schwimmende Inseln ihre Bahnen ziehen, die blumenbewachsene Berge beherbergen, deren unendliche Gipfel von purpurnen Wolkenschlangen umkreist werden. Unter den Füßen breitet sich eine kristallene Ebene aus, durch die sich die hypnotisierenden Spiele sich scheinbar ständig vermehrender, farbenfroher Irrlichter, die keine feste Form aufweisen können und scheinbar zu dem werden, was man sich wünscht zu sehen, beobachten lassen. "Das geht doch gar nicht! Das ergibt vorne und hinten keinen Sinn", schlussfolgert Anton besserwisserisch in Gegenwart eines in einer hellen Aura schimmernden Bewohners der fremdartigen Welt, der sich von der anmaßenden Haltung seines Gegenübers jedoch nicht irritieren lässt und ihn den weiteren Weg führt. Obwohl Anton sich nicht erklären kann, warum, folgt er seinem Vordermann bedingungslos durch die rätselhaften Täler und Wälder, die eigentlich nicht mal wirklich als solche identifiziert werden können, doch der frisch Verstorbene hält es für das Einfachste sich etwas Bekanntes bei der Betrachtung der bizarren Umgebung vorzustellen, um seinen Glauben an die rationale Entschlüsselung von Naturphänomenen nicht völlig zu verlieren. Jedes Mal, wenn Anton die scheinbar fliegende, ihn geleitende Kreatur vor ihm etwas fragt, erhält entweder gar keine Antwort oder das Wesen reagiert mit einem extrem grellen Ton, der von dem jungen Mann als Zeichen des genervt seins angesehen wird. Ab der Hälfte des zurückzulegenden Weges fragt er sich immer häufiger mit welcher Wellenlänge die mysteriöse Gestalt vor ihm wohl kommuniziert, wenn sie ihren markerschütternden Ruf von sich gibt. "Wahrscheinlich ist das wie bei den Walen oder den Fledermäusen", denkt er sich. "Die benutzen doch auch so eine Art Ultraschall, um sich miteinander zu verständigen. Das ist ja barbarisch!" Das vornewegschwebende Geschöpf dreht sich plötzlich um und sendet Anton einen erbosten, beleidigten Blick zu. Zum ersten Mal fällt dem vom Schrotthaufen getroffenen auf, dass sein Führer überhaupt so eine Art Gesicht besitzt, wenn es auch mit dem eines Menschen nicht wirklich vergleichbar ist. Augen und Mund sind jedenfalls vorhanden, eingebettet in eine dunkle, bedrohliche, sich stimmungsabhängig verformende Masse, die zu Beginn der Wanderschaft durchs Nirvana, wie Anton die fremde Welt mittlerweile nannte, noch hell und sanft erschien, da sie damals noch durch die helle Aura erleuchtet wurde, die mit jedem zurückgelegten Meter abzunehmen scheint. Auch das Umfeld der beiden hat schon lange nicht mehr den einladenden, verspielten "Froher-Märchenwald-Charakter", den man vorher in jedem kleinen Detail dieser Welt entdecken konnte. Vielmehr kann man mittlerweile von einer erschreckend realistischen Landschaft sprechen, die maßgeblich durch verfaulte, tote Bäume mit weitverzweigten Ästen, die sich mit den Nachbarsbäumen verknoten, gekennzeichnet ist. Auch die glänzenden Regenbogenfarben mussten einem tristen Gemisch aus Erdfarben und den dunklen Tönen der dicken Wolkendecke über den Köpfen der beiden Wanderer weichen. Anton wundert sich, dass er diese Veränderungen erst jetzt bemerkt. Wahrscheinlich liegt der Grund darin, dass er so lange damit beschäftigt war über seine Wale und die Fledermäuse nachzudenken. Das anführende Wesen eilt immer schneller voran bis es schließlich auf einer kleinen Anhöhe stoppt. Anton, der sein Tempo anpassen musste, ist über sich selbst erstaunt, da er trotz seines hastigen Voranschreitens kein bisschen erschöpft ist. "Liegt wohl daran, dass ich tot bin", sagt er leise vor sich hin. Als auch er die Anhöhe erreicht und von ihr aus hinab ins nächste Tal schaut, muss er sich doch stark wundern - eine prunkvolle Villa mit Pool, chic verziert mit Marmortieren und ein bezaubernder Blick auf einen kleinen, von Palmen umzäunten See, in dem ein Altar angebracht wurde, auf welchem wiederum schon von Weitem ein adrett gekleideter Herr zu erkennen ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)