Edwardson von Onichanjo ================================================================================ None ---- Ist der Mensch zu etwas Besserem bestimmt? Bin ich zu etwas besserem bestimmt? Beweisen diese Gedanken nicht gerade, dass wir einfach zu nichtig sind, um uns einzugestehen, dass unser Leben in erster Linie sinnlos ist? Oder ist das alles ein großer Plan? Ich lag auf dem Flachdach der Garage unseres Sommerhauses, überall zwitscherten Vögel und ich ließ meine Beine an der Hauswand hinunterbaumeln. Meine Mutter hasste es, wenn ich das tat. Man konnte sich aus dieser Höhe zwar nicht lebensgefährlich verletzten, aber dennoch sei es gefährlich und ich solle gevölligst die Füße einziehen. Der Himmel war unheimlich blau und wohin man auch sah, eine Wolke war nicht in Sicht. Vielleicht war heute ein guter Tag, vielleicht würde ich heute alle Sorgen vergessen können. Aber dieses Gefühl wollte sich nicht einstellen, eher war da eine unangenehme Vorahnung. Irgendwas an dieser Idylle war falsch, irgendetwas war schlecht... . Ich setzte mich auf und sah mich um. Was ich erblickte war eine schöne Vorstadtgegend mit gepflegten Gärten, sauberen Autos, Müttern die stolz ihre Kinder in verspielt verziehrten Kinderwägen vor sich herschoben... Ich wusste, dass meine Familie nicht in dieses Bild passte, dass bei uns etwas faul war. Aber keiner aus unserer Nachbarschaft durfte etwas davon wissen... das war die Lebensaufgabe meiner Eltern. Einen Sohn, lebenslänglich im Gefängnis sitzend, war wirklich nichts, was man stolz präsentieren konnte und eine Tochter, die diesen Sohn trotz allem nicht hasste, war noch weniger zu dulden... Die vielen Briefe, die wir uns regelmäßig schrieben waren immer wieder Anlass für Streiterein mit meinen Eltern, doch ich ignorierte das, so gut ich konnte. Luke, mein Bruder, hatte einen Menschen getötet. Kennt ihr den Film Sleeper? Mit Bret Pitt? Nun so muss es gelaufen sein. Sein Opfer hieß "Herr Stein" und wie sich herausstellte war Stein ein Psychologe in "Edwardson" gewesen. Einer Schule für schwererziehbare Jungen, die mein Bruder besucht hatte. Stein war ein pädophilies Schwein, er hatte den Jungen schlimme Dinge angetan, aber mein Bruder hatte nie darüber gesprochen. Er schrieb mir mal, dass sei eine eiserne Regel, die er niemals brechen würde. Regeln waren das, worauf sein Leben bis dahin basiert hatte und er brach sie nur ungern. Wieso ich davon erfahren habe? Nun, die Zeitungen waren voll davon. Als mein Bruder den Stein ermordet hatte, meldeten sich überall alte Edwardson Insassen zu Wort. Diese erzählten die schrecklichsten Geschichten, von Folter und anderen Dingen. Zeitweise sah es sogar so aus, dass mein Bruder ein milderes Urteil bekommen könnte. Doch er nutze diesen Tumult nie aus. Schob die Schuld der Tat nie auf einen anderen, als auf sich. Luke hatte sich damit abgefunden und schwieg, wenn man ihn fragte, ob der Stein ihm auch was angetan habe. Die meisten glaubten irgendwann nicht mehr an einen Zusammenhang und sagten, es sei vielleicht Zufall, dass gerade ein schlechter Mensch von einem schlechten Menschen getötet wurde. Denn ein schlechter Mensch war mein Bruder in den Augen der Gesellschaft allemal. Seit er zehn war, lebte er in irgendwelchen Heimen, galt als Unruhestifter. Einige verdächtigten ihn sogar bereits einen Mitschüler getötet zu haben. Wenn er kein schlechter Mensch war, dann zu mindest ein Ballast für die Gesellschaft. Zu der Zeit des Gerichtsurteils kannte ich ihn noch nicht, ich begann erst drei Jahre nach seiner Inhaftierung ihm zu schreiben. Heute bin ich mir sicher, dass es auf keinen Fall ein Zufall war, das mein Bruder eigentlich das Opfer war, welches sich verzweifelt an alle Regel halten wollte. Der Mord an Stein war kein Regelbruch gewesen, denn keine Regeln unterbot Rache, nein einige Regeln verlangten Rache. "He... kommst du mit? Wir wollen in die Stadt!", rief ein Mädchen vom Nachbarhaus zu mir herüber. "Wartet auf mich! Ich hol nur schnell mein Geld!", rief ich zurück, stand auf und ging über das Flachdach zurück zu meinem Fenster, mit etwas Anlauf konnte man sich bequem hineinhieven. Das Mädchen, was gerufen hatte hieß Mara und war eine gute Bekannte von mir. Meine Eltern waren immer bemüht gewesen, dass ich in der Nachbarschaft so viele Freunde, wie möglich gewinnen sollte. Nur das mein Interesse demgegenüber eher gering war störte meine Eltern nicht... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)