Ein mal eins von fastcaranbethrem ================================================================================ Kapitel 2: ((2x4) Wurzel aus 4) /8 ---------------------------------- Die Wochen zogen dahin. Eigentlich waren erst zwei Wochen vergangen, aber es klingt stilistisch besser, wenn "die" Wochen dahinzogen. Sie trafen sich zum Dinner, zum Sonntagsspaziergang an der Seine, zum Ausflug nach Bois de Boulogne, zum Theaterbesuch im Théâtre Henry IV und spätestens bei Putenflügel Foi gras im Restaurant á la Provencale war Athos seiner zauberhaften Begleiterin verfallen. Er schaute tief in die hellblauen Augen unter dem langen schwarzen Wimpernkranz. Sein Blick streichelte die zarte elfenbeinfarbene Haut. Sein Verlangen begann sich zu regen, wenn ihre Zunge über die roten Lippen strich und eine der goldblonden Locken sich im Dekollete verfing. Irritiert schreckte er zurück, wenn er auf einmal Aramis in ihren Gesichtszügen sah. Meistens half ein Glas Wein dabei Aramis zu vergessen und wieder Celinè's Antlitz zu sehen. Der Abend begann in Paris. Der einzige Unterschied zum Tag bestand in dieser Stadt darin, dass es nach Sonnenuntergang dunkler war. Auf den Hauptstraßen und Alleen herrschte das übliche Gedränge und in den Bordellen ging es so turbulent wie immer zu. Einbrecher brachen ein. Mörder mordeten. Gewisse Damen boten gewisse Dienste an und geizten nicht mit gewissen Reizen. Fackeln wurden entzündet und die jeweilige Bezirkswache war damit beauftragt regelmäßig zu überprüfen, dass sie brannten. Der helle Schein tanzte durch die Straßen und verdrängte die Schatten in die unbeleuchteten Seitengassen, wo sie sich versammelten und überlegten, was sie unternehmen wollten. Dieses Mal war Porthos an der Reihe Constance zu ihrem Vater zu begleiten, was dieser mit Freunden tat. Auf einem Silbertablett einen Grund serviert zu bekommen, um in unmittelbare Reichweite von Marthas Küche zu gelangen, ließ er sich nicht entgehen. Aramis begleitete die beiden, einfach weil sie Dienstschluss hatte und der Gedanke allein zu sein sie schlichtweg langweilte. "Ich danke euch, für eure Begleitung", sagte Constance, während sie die Allèe des Brouillards entlang liefen. Porthos schwelgte bereits in Gedanken im kulinarischen Hochgenuss. "Keine Ursache. Wir warten bis du deinen Besuch beendet hast und begleiten dich anschließend in den Louvre zurück." "Darauf wette ich", entgegnete Aramis "Und wie du warten wirst." "Was meinst du?" knurrte Porthos und der Ringkampf begann. "Was werde ich wohl meinen!" Beide Kontrahenten zogen sich in ihre jeweilige Ringecke zurück, während ihre Trainer Anweisungen gaben. "Du musst ja nicht immer wieder darauf herumreiten. Jeder Mensch hat eben seine Laster." Es gongte zu Runde zwei. "Aber niemand lebt sie mit dieser Perfektion aus, wie du." "Ach ja?" "Ja!" Porthos ließ enttäuscht die angrifflustig gehobenen Schultern sinken. "Lass uns aufhören, es ist heute nicht dasselbe wie sonst." Gleichmütig zuckte Aramis die Achseln und schwieg. "Weißt du, was Athos heute Abend vorhat?" brach sie nach einer Weile die Stille. Porthos wusste es und während er verheißungsvoll mit seine Augenbraue spielte, weil er annahm, das wirke verheißungsvoll, erzählte er seinem Freund, was er wusste. "Aber wer sie genau ist weiß ich nicht. Sie muss eine Kundin von deinem Vater sein, Constance." Constance, noch immer irritiert, von Porthos rotierenden Brauen, glaubte sich zu erinnern. "Sie heißt .... sie heißt ... Celinè de Comferrey. Genau, dass war ist ihr Name. Warum bleibst du stehen, Aramis? Ist etwas?" Verwundert sah sie den vor Schreck erstarrten Musketier an. "Celinè de Comferrey, sagst du?" "Ja, da fällt mir übrigens ein, dass sie dir unglaublich ähnlich sieht. Kennst du sie?" "Sie sieht Aramis ähnlich?" mischte sich Porthos ein, lockerte die Muskeln, setzte den Mundschutz ein, rückte die Boxerhosen in Position und wartete auf den Gong. "Das arme Ding. Es muss schrecklich sein, mit solchen Gesichtszügen gestraft zu sein." Er betrachtete verwundert das kalkweiße Gesicht seines Freundes. "Aramis, was ist mit dir? Das sollte nur ein Scherz sein. Aramis?" "Constance, weißt du, wo sie wohnt?" fragte Aramis und bedachte Porthos mit höchster Nichtachtung. "Ja, Quai Malaquaise, Nummer 9. Ich habe gehört, wie mein Vater die Adresse nannte, um das Kleid ..." Den letzten Rest des Satzes hörte Aramis nicht mehr, auch nicht das verwunderte Rufen ihrer Freunde. Wie eine Besessene hetzte sie die Straßen entlang -zwei Querstraßen zu weit, drei falsch, zwei Passanten umstoßend, sich etliche Flüche zuziehend, über einen Abfalleimer stolpernd und einem Fuhrwerk ausweichend. Keuchend und nach Luft ringend erreichte sie die Quai Malaquaise. Stadthäuser der reicheren Schicht erstreckten sich entlang der Seine. Große Bäume im ersten Grün des Frühlings flankierten die breite Allee und spendeten an einem heißen Sommertag den ersehnten Schatten. Nummer 9, Nummer 9, raste es durch Aramis Gedanken, während sie auf das hohe Marmorportal zusteuerte und den schweren Eisenklopfer auf das massive Eichenholz der Torflügel fallen ließ. Sekunden später öffnete sich lautlos einer der Flügel und das Gesicht eines älteren knochigen Mannes erschien. Die Überraschung, die Gesichtzüge seiner jungen Herrin in denen des unbekannten Besuchers wiederzufinden, ließ ihn vor Schreck erstarren und gab Aramis die wertvolle Zeit ihn widerstandslos beiseite zu drängen, um in das Haus zu gelangen. "Junger Mann? Monsieur, Sie können doch nicht..." Zu mehr kam der alte Diener nicht mehr. Dreistigkeit und Jugend siegten. Unbehelligt erreichte Aramis die obere Etage. Wahllos öffnete sie die einzelnen Türen und musste enttäuscht feststellen, dass sich die Gesuchte nirgends befand. "Verlassen sie sofort Madam Comferrey's Anwesen, Monsieur, oder ich hole die Wachen!" Der unsichere Blick aus den fast blinden Augen verriet deutlich, dass sich in diesem Haus nirgends Wachen aufhielten. "Wo ist Ihre Herrin?" Der zornige Blick aus den blauen Augen ließ den Alten erzittern. Er schwieg beharrlich, aber sein Blick glitt in die entsprechende Richtung und verriet ihn. Ohne den Diener weiter zu beachten stürmte Aramis weiter, öffnete die Tür und trat ein. Celinè de Comferrey, angekleidet im hauchzarten Seidenhemd, drehte sich von ihrem Frisiertisch aus um und starrte verblüfft ihren abendlichen Besucher an. Ihre Gesichtszüge rutschten ihr aus dem feingepuderten Gesicht, fielen zu Boden und ergriffen die Flucht. "Verzeiht, Madam", mit asthmatisch rasselndem Atem erschien ihr Diener in der Türfüllung. "Er ließ sich einfach nicht ..." Aramis gab der Tür einen Stoß und erstickte den Rest des Satzes unter der zufallenden Tür. Der Diener ward ausgesperrt. "Renée?" hauchte Celinè de Comferrey. "RENEÈ", quiekte sie, als ihr wirklich bewusst wurde, wer da vor ihr stand. "Du lebst noch", kreischte sie desillusioniert und verärgert. "Celinè, was suchst du hier?" "Warum siehst du so absurd aus, was soll dieser Aufzug?" Bevor Aramis zu einer Antwort kam, ging die Tür am gegenüberliegenden Ende des Salons auf und Athos kam herein. Sein letzter Handgriff an seiner Kleidung zeigte, zu welchem Zweck er hier war. "Ich habe Stimmen gehört ... Aramis?" Verblüfft sah er eine der Personen an, die er hier am wenigsten erwartete. "Athos", Aramis nickte ihm zur Begrüßung zu. "Verzeih, ich wollte dich nicht stören. Ich wollte nur Madam de Comferrey sprechen." "Tust du aber", zischte Madam de Comferrey mit süß-saurem Lächeln. "Seid ihr miteinander verwandt?" fragte Athos. "Vetter zweiten Grades." "Cousine vierten Grades." Beide sahen sich an. "Wir kennen uns kaum", sagte Aramis "Nur flüchtig", warf Celinè ein. "Praktisch gar nicht." Athos runzelte verwirrt die Stirn. "Aber die unglaubliche Ähnlichkeit?" "Die gleiche Großtante." Er hob skeptisch eine Augenbraue, enthielt sich aber einer Antwort. "Ich weiß, dass ich unpassend komme, aber lässt du uns bitte kurz allein, Athos?" Mit einem Nicken verabschiedete sich Athos und schloss die Tür hinter sich. Stille erfüllte den Raum. Stille, so frostig wie die Antarktis, Stille, so scharf wie die Klinge eines Messers. Celinè's akribisch geschminkte Lippen zitterten empört. "Oh, wie kannst du es wagen?" Ihre Nasenflügel bebten. "Wie kannst du es wagen mit Männerkleidern herumzulaufen? Und woher kennst du Monsieur Athos?" "Wir arbeiten zusammen?" "Ihr arbeitet zusammen? Ach, Madam arbeitet mit ihm zusammen, bei den Musketieren? Bist du komplett wahnsinnig geworden? Weißt du, was du mir damit antust? Warum musstest du wieder auftauchen?" "Warum musstest du nach Paris kommen?" entgegnete Aramis frostig. "Warum musstest du geboren werden?" Aramis schnaubte abfällig. "Fängst du schon wieder damit an? Als ob meine Existent ein persönlicher Affront gegen deine ist." Celinè ließ sich auf eine der Chaiselongues nieder und hob die Hand zur Stirn, als befände sie sich am Rande der Ohnmacht. "Seit ich denken kann, bringst du mich in peinliche Situationen." Genervt rollte Aramis mit den Augen. "Du hast keiner Sinn für Anstand und Etikette, du setzt dich über alle Regeln der Gesellschaft hinweg", schluchzte sie im weinerlichen Tonfall. "Du stößt die Leute gedankenlos vor den Kopf und wen sehen sie, wenn sie mich ansehen, das Mädchen, welches Lady Lamberts Debütentenball als Pferdeauktion bezeichnete." Abrupt setzte sie sich auf. Der perfekt gelegte Lockenberg hüpfte schwungvoll in seine Ausgangsposition zurück. "Weißt du eigentlich, was die Leute zu Hause sagten, als du verschwandest? Du seiest mit dem Stallburschen durchgebrannt. Nur gut, dass ich zu dieser Zeit schon verheiratet war." "Mit dem Stallburschen? Der, dessen Augen immer tränen und der Haare wie ein regennasser Igel hat?" "Ja, der, " entgegnete Celinè genervt. "Er verschwand mit dir zusammen." Aramis pfiff durch die Vorderzähne. "Der mit den vielen Knien? Da kann ich ja noch von Glück reden, dass ich solch eine gute Partie bekam." "Du findest das wohl auch noch witzig?" Celinè schreckte hoch, wie von einer Tarantel gestochen. "Oh, Renée, wie konntest du nur. In Männerkleidung, als Mann ... das ist widernatürlich. Ich kann mich gesellschaftlich begraben lassen, wenn dies bekannt wird. Ich bin so gut wie tot." Theatralisch wedelte sie mit ihren Armen, während sie auf und ab lief. "Verschwinde doch einfach aus Paris", warf Aramis ein. "NIEMALS! Jetzt, da mein biederer, ach so verstaubter Ehemann begraben ist. Ich will endlich leben." "Eben warst du noch praktisch tot." "Ach verrecke doch!" "Besorge dir ein anderes Gesicht!" Es herrschte Stille, während die beiden Frauen ihre Kräfte sammelten. Sie standen sich schwer atmend gegenüber und lauerten auf die erste Reaktion des Kontrahenten, einem Torero in der Arena und seinem wildgewordenen Bullen gleich. Wobei die Rollenverteilung hier noch geklärt werden musste. "Mich tröstet nur, dass dein Gesicht unter der ganzen Schminke ein anderes Aussehen angenommen hat", griff Aramis unter finster zusammengezogenen Augenbrauen an. Celinè schnappte nach Luft, wie ein auf dem Trockenen gelandeter Fisch. "Wie kannst du es wagen? Ich habe es gar nicht nötig." Aramis schnaubte verächtlich. "Ich habe dein Gesicht, und so sieht es nicht aus." (Falls es dem Leser bis dahin nicht aufgefallen ist: Es handelt sich hierbei um ein eineiiges Zwillingspaar. Selbst die unterschiedlichen Charaktere konnten nicht über die übereinstimmende Äußerlichkeit hinwegtäuschen. Warum man trotzdem in Aramis einen Mann sah? Nun, beide sind bisher getrennt von einander aufgetreten und selbst wenn, sollte man sich nicht von der Macht der entsprechenden Kleidung, Schminke und Frisur täuschen lassen. Außerdem entsprach Aramis Kleidung, Auftreten und Redeweise der eines Mannes, soweit sie in der Lage war diesen zu kopieren. Während Celinè alles daran setzte das perfekte Ebenbild männlicher Träume zu verkörpern. Notfalls mit Gewalt. Zurück zum Schwesternstreit.) "Wenigstens muss ich nicht Männerkleider tragen und nach Pferd riechen, um von den Männern bemerkt zu werden." "Wenigstens muss ich nicht vorgeben unter 20 zu sein, um mein albernes Kichern zu erklären", giftete Aramis zurück. "Wenigstens habe ich keine Nase, die wie ..." Hier verstummte Celinè, als sie sich dem Ende der mentalen Sackgasse näherte. Beide Schwestern ließen sich auf der Chaiselongue nieder und starrten, ohne das es ihnen bewusst war, in gleicher Haltung zur Tür. Das Kinn auf den Ellenbogen gestützt. "So kommen wir nicht weiter", bemerkte Aramis resigniert. "Warum musst du mir immer alles vermiesen. Es lief gerade so gut!" "Gut? Athos kann sich gerade die wenigen Annehmlichkeiten leisten, ohne die er nicht zu leben gedenkt und seine Bedürfnisse liegen weit unter den deinen." Celinè lächelte süffisant und ihre Augen bekamen einen bösen Glanz, als sie zu merken begann, wie zugetan ihre Schwester Athos war. "Oh, ich glaube seinen Bedürfnissen habe ich mehr als genüge getan und sie ausreichend befriedigt, " sagte sie im gehässigen Ton. Unmerklich zuckte Aramis zusammen, aber erwiderte nichts. Was hätte sie auch sagen können? Obwohl sie sich derart ähnelten, würde sie nicht einmal annähernd so nah an Athos herankommen, wie Celinè nach nur 2 Wochen - ,Verzeihung, wenigen Wochen. Sie musste sich mit Freundschaft und einem gelegentlichen kameradschaftlichen Klaps zwischen die Schulterblätter zufrieden geben. "Tue ihm nicht weh! Er ist mehr Wert, als alle Männer, die ich kenne." Aramis seufzte und stand auf. "Mehr wert, als dein Francois?" rief ihr Celinè nach, aber die Spitze verfehlte ihr Ziel. Nein, wie Francois, dachte Aramis lächelnd. Und Francois hatte ihr ihre Schwester nicht wegnehmen können. Die kalte Abendluft ließ sie frösteln. Aramis zog den Mantel fester um die Schultern und machte sich auf den Heimweg. Zu Hause wartete ein ausgebrannter Kamin, ein kaltes Bett und die Ungewissheit, was die nächsten Wochen bringen würden. Das ihre Schwester sie verraten würde, bezweifelte sie. Damit würde sich Celinè selbst schaden, aber das Gefühl Athos bei ihrer berechnenden und gefühlskalten Schwester zu wissen, riss tiefe Wunden in ihr Herz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)