Kiss The Rain von Ryuu-chan (Ryuichi x Shuichi) ================================================================================ Kapitel 2: Track 1 +++ Awaken ----------------------------- Track 1 +++ Awaken Authors note: (für die animexx-Gemeinde) Gomen nasai, dass der Prolog direkt in die Adult Section gestellt wurde! >_< Wer es nicht lesen kann, der schaue entweder hier www.project-angel-sanctuary.de.vu nach, oder hinterlasse mir ein Kommentar mit e-Mail Addy. ^_~ Mit einem lautlosen Aufschrei erwachte Shuichi schweißgebadet und schrak von seinem provisorischen Nachtlager auf der Couch hoch. Schwer atmend wischte er sich die kleinen Schweißperlen aus dem Gesicht und sah sich in dem dunklen Zimmer um. Das Geräusch seines eigenen Herzschlages ließ ihn sich ein wenig beruhigen. Was hatte er da gerade eben geträumt? Mit einem Ruck schlug er die Bettdecke zur Seite und setzte sich vollends auf. Der pinkhaarige Sänger konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken als er seine revoltierende Boxershorts erblickte, die sich ihm fröhlich entgegenstreckte. Es war zum Mäuse melken! Erneut stöhnend vergrub er seine immer noch zitternden Finger in die zerzausten Haare und schluckte trocken. Seine Kehle fühlte sich an, als ob er einen zehnstündigen Marathon mit offenem Mund mitten durch die Wüste gemacht hätte. Und so fühlte er sich selbst auch. Seit Tagen, vielleicht auch Wochen (Shuichi hatte es versäumt die Tage zu zählen) schlief er nun schon jede Nacht einsam auf der Couch. Wie Yukis Bett aussah - davon träumte er schon nicht mal mehr... was ihn allerdings nicht davon abhielt von anderen Männern zu träumen... bemerkte der Sänger trocken. Und dieser andere Mann war kein anderer als Sakuma Ryuichi, Shuichis größtes Vorbild. Verwirrt oder vielleicht auch etwas irritiert über die Tatsache, dass er gerade den besten Sex seines Lebens hatte (wenn auch nur mit der Hilfe seines eigenen Unterbewusstseins...) und das wohl bemerkt NICHT mit dem Schriftsteller Eiri Yuki, ging der junge Sänger in die Küche und schaffte es, sich aus dem Gewühl von leeren Bierdosen noch irgendwo eine Flasche ganz normales Wasser zu beschaffen. Während er diese ansetzte und mit hastigen Zügen zu trinken begann, zauberte er zudem noch aus einem Küchenschrank eine angefangene Tüte Erdbeersticks; wahrscheinlich die letzte dieser Art in der Wohnung. Nachdem er seine Lieblingsspeise bis auf ein paar Krümel fast vollständig verputzt hatte und sich seufzend in die Couch zurück fallen ließ, sah die Welt doch schon wieder ganz anders aus. Sogar ein kleines, zufriedenes Lächeln machte sich auf dem ziemlich schmal und blass aussehenden Gesicht des Sängers breit, was selbst Shuichis Kollegen in letzter Zeit ungewohnt selten zu sehen bekamen. Das alles hatte unter anderem mit der Couch zu tun und - wie sollte es auch anders sein - mit Yuki Eiri, Shuichis Lebensgefährte; wenn man das denn so nennen konnte. Selbst der sonst so fröhliche Shuichi wusste im Moment nicht einmal mehr was er Yuki bedeutete. Das Lächeln verschwand und machte einer nahezu versteinerten Miene Platz. Shuichi erinnerte sich nicht mehr genau wann es mal wieder passiert war; er hatte mit Yuki gestritten. Eigentlich war es gar kein richtiger Streit gewesen, dennoch waren die Folgen verheerend. >> Flashback << Das Geräusch der ins Schloss fallenden Haustür ließ Shuichi aufhorchen. Yuki war wieder zurück! Über alle Backen grinsend ließ der pinkhaarige Sänger beinahe den Topf fallen, den er in der Hand hielt und stürmte aus der Küche. Mit einem äußerst nervigen, aber dennoch liebenswerten "Yuuuukiiiiiiii!" breitete er die Arme aus und erwartete den blonden Schriftsteller im Flur - zu seinem Erstaunen war er nicht dort. Ein paar mal zwinkerte er erstaunt, bis ihn ein Geräusch aus dem Wohnzimmer herumfahren ließ. Seltsam, Yuki begrüßte ihn doch sonst immer... Auch wenn die Begrüßung meist nur aus einem mürrischen "Bin wieder da..." bestand. Dennoch ließ sich Shuichi seine Vorfreude auf Yuki nicht nehmen; schließlich war er drei Tage auf einem wichtigen Kongress in Kyoto gewesen (das jedenfalls hatte ihm Yuki mit nicht viel mehr als zehn Worten in seiner Verabschiedung erklärt...). Mit einem beinahe schon manischen Glitzern in den Augen tänzelte der junge Sänger schließlich in dem Wohnraum des Apartments, das er zusammen mit dem Schriftsteller bewohnte um den zweiten Anlauf zur Begrüßung zu machen. Hätte er einen Schwanz gehabt ((nein, nicht was ihr denkt... >_<)), dann hätte er sicherlich damit gewedelt. "Yuuukiiii, du bist wied-" Mitten im Satz wurde Shuichi grob unterbrochen. Auch der eigentlich geplante Überfall auf den blonden Mann wurde gestoppt. "Tu mir einen Gefallen und verschwinde." Als erste Reaktion auf diesen ruppigen Tonfall folgte ein erneutes Zwinkern von Shuichi, dieses Mal jedoch erkannte man an seinem Blick, dass ihn die Worte des Mannes verletzt hatten. Er schluckte kurz und versuchte so das ungute Gefühl zu vertreiben, das sich in seinem Bauch breit machte. Die nagende Angst, dass es zwischen ihm und Yuki wieder so würde wie früher, begann an ihm zu nagen. Erneut setzte Shuichi an, mit dem blonden Schriftsteller ein Gespräch zu beginnen. "A-no Yuki, ich dachte du freust dich mich-" abermals unterbrach ihn die raue Stimme seines Gegenübers. "Warum sollte ich mich freuen dich zu sehen...? Ha..." Yuki wand Shuichi den Rücken zu und zündete sich eine Zigarette an. Der blaue Rauch hang über ihm wie eine Gewitterwolke. Shuichi senkte leicht verstört den Blick. Was war passiert? Yuki benahm sich so, als ob er getrunken hätte, aber - gleich so aggressiv? Ein prüfender Blick des Sängers bestätigte seine Vermutungen. Der blonde Mann schwankte leicht und wenn ihn nicht alles täuschte, hatte er ziemlich blass und übermüdet gewirkt. Es kostete Shuichi viel Mühe, erneut eine Unterhaltung zu beginnen. Sein naiver Tonfall fiel ihm dabei gar nicht auf. "Yuki, du hast getrunken, oder? Was... was ist denn... passiert...?" Die heftige Bewegung, mit der sich Yuki zu ihm herumgedreht hatte, gepaart mit einem schon fast tödlichen Blick, ließ Shuichi bis auf das Äußerste zusammen fahren. "Was geht DICH das an?" Dass er gerade das "dich" so eindeutig betonte, traf Shuichi am meisten. Ja, was ging es ihn an? Er wich dem stechenden Blick der goldenen Augen aus und trat nervös er von einem Bein auf das andere. Yukis eisige Blicke spürte er so deutlich auf sich wie tausend Nadelstiche. Stille. Nach einer Weile hörte er Fußtritte. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete Shuichi, wie Yuki wortlos an ihm vorüber ging und im Schlafzimmer verschwand, dessen Tür kurz darauf mit einem lauten Knall geschlossen wurde. Selbst acht Stunden später hatte der pinkhaarige Sänger den Schriftsteller nicht mehr zu Gesicht bekommen. Als er vorsichtig versuchte die Tür zum Schlafzimmer zu öffnen, musste er feststellen, dass sie abgeschlossen war. "...Yu...ki...?" Auch nach mehreren Minuten kam kein Laut aus dem dahinter liegenden Raum. Shuichis Finger ballten sich zu einer Faust. Der Schmerz, der ihn in diesem Moment mit ungehemmter Wucht traf, ließ ihn an der Tür herabrutschen und sich vor ihr zusammen kauern. Unter leisem Schluchzen bewegten sich seine Schultern auf und ab. Eine Frage quälte ihn bereits die ganze Zeit - Warum? >>Flashback end<< Seit dem hatte er mit der Couch Vorlieb nehmen müssen. An jenem Abend hatte er nicht einmal ein Kissen, geschweige denn eine Decke gehabt und fürchterlich gefroren. Mittlerweile hatte er sich mehr oder weniger mit der unbequemen Sitzgelegenheit abgefunden. Er wusste nicht, ob Yuki die Tür noch immer verschloss; aber er wollte auch gar nicht mehr neben ihm in einem Bett schlafen. Jedenfalls nicht solange das, was vorgefallen, nicht geklärt war. Das Gefühl warmer Tränen, die seine Wangen herab rannen riss Shuichi in die Wirklichkeit zurück. Schnell wischt er sie weg, schluchzte einmal und vergrub sein Gesicht im Kissen neben ihm. Seine Fäuste trommelten auf das Polster. Er wusste nicht einmal, ob Yuki jetzt zu Hause war! Ein gedämpftes "Bakaaaaa..." erschall. Yuki schien nicht zu wissen, wie sehr er den jungen Sänger dieses Mal verletzt hatte. Es dauerte nicht lange, da war Shuichi wieder eingeschlafen. Nicht ohne sich, wie schon wieder so viele Male in der letzten Zeit, in den Schlaf geweint zu haben. Der Traum war schon wieder in Vergessenheit geraten. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ K staunte nicht schlecht, als Shuichi am nächsten Morgen überpünktlich in dem kleinen Konferenzraum des NG Gebäudes erschien. In letzter Zeit war er eher immer später gekommen und hatte sich mit fadenscheinigen Ausreden stets versucht aus der Affäre zu ziehen und daher auch oft erneute Bekanntschaft mit der blank polierten Magnum machen müssen. Das etwas mit Shuichi nicht stimmte, dass hatte K schon lange bemerkt, aber dass er jetzt sogar eine Viertelstunde früher zum verabredeten Treffen kam, dass war selbst dem hoch gewachsenen Amerikaner zu viel. Mit einem verdutzten Gesichtsausdruck legte er den Stapel Zettel, den er noch eben in der Hand gehalten hatte zur Seite, zog aus seiner Tasche ein weißes Stofftuch und begann seine geliebte Waffe zu putzen, die das eigentlich gar nicht mehr nötig hatte. "He-hey, Shuichi! Schon so früh am Morgen hier? Gooooood!" sagte K, nachdem sich Shuichi mit einem eher nüchternen "Morgen..." angemeldet hatte. Der pinkhaarige Sänger beachtete K's, für ihn zu gute Laune nicht weiter, sondern ließ sich auf den erstbesten Stuhl gegenüber von seinem Manager plumpsen und schmiss seinen Rucksack dazu mit einem unschönen Laut auf den Tisch. "Ist noch keiner hier?" fragte er stattdessen und beobachtete misstrauisch die Waffe in den Händen des Amerikaners. K lachte kurz. "No! Du bist viel zu früh!" "Oh..." der junge Sänger zog die Augenbrauen in die Höhe und machte ein verwundertes Gesicht. Scheinbar hatte er wirklich nicht auf die Uhr geachtet. Nachdem er einmal uninteressiert mit den Schultern gezuckt hatte, lehnte er seinen Kopf gegen die Rückenlehne und begann mit dem Stuhl auf und ab zu wippen. Eine ganze Zeit lang sah sich K das Schauspiel an. Nein, Shuichi gefiel ihm ganz und gar nicht. Dass er sich schon um diese Uhrzeit hier befand, war wohl das deutlichste Anzeichen dafür, dass etwas geschehen musste. "Shuichi!" "Ha-hai!" Unter dem plötzlich so barschen Tonfall zuckte der arme Shuichi so heftig zusammen, dass er fast nach hinten übergekippt wäre und stellte sofort das Wippen ein. Beinahe verängstigt blickte er den großen Mann vor ihm an, der sich ihm mit langsamen Schritten näherte, ohne auch nur einmal den Blick von seiner Waffe zu richten. Was hatte der Kerl jetzt schon wieder vor? Mit einem lauten Knall donnerte K die Waffe genau vor Shuichi auf den Tisch, natürlich nicht ohne dass die Mündung genau auf den Oberkörper des jungen Sängers zeigte. Shuichi schluckte hart und der Angstschweiß trat ihm ungewollt ins Gesicht. Wenn er eines nicht mochte, dann waren das Waffen am frühen Morgen. Zumal war er sich keiner Schuld bewusst, sodass K hätte einen "Angriff" auf ihn rechtfertigen können. Er war doch pünktlich, nein sogar überpünktlich gekommen! Der undurchdringbare Blick des Amerikaners traf ihn, als der sich nach vorne bückte um ihm in die Augen sehen zu können. Einige Momente lang musterte K seinen Schützling. "Isst du auch genug, Shuichi?" *blink* "Eh?" Verdutzter hätte der Gefragte wohl kaum noch aussehen können. War K jetzt wirklich... Shuichi suchte gedanklich nach Worten... durchgeknallt?! Übertrieben K zulächelnd streckte er vorsichtig seine Hand nach der Waffe aus und schob die Mündung langsam von sich weg. K beachtete das nicht einmal, sondern wartete scheinbar auf eine Antwort. Stattdessen stellte Shuichi eine Gegenfrage. "Ähh, K wieso fragst du?" erleichtert registrierte der pinkhaarige Sänger, dass die Waffe in der Position blieb, in der er sie hinterlassen hatte. K richtete sich plötzlich wieder auf und zu Shuichis endgültiger Erlösung steckte er auch die Waffe wieder weg. Ein Seufzen konnte er sich drauf hin nicht verkneifen. "Warum ich frage? You know..." während K sprach drehte er Shuichi den Rücken zu und ging mit langsamen Schritten wieder zurück zu seinem Platz. Der Sänger hinter ihm beobachtete alles argwöhnisch. Irgendwas schien K wieder auszubrüten. Ob er von ihm und Yuki wusste...? Nervös sah er sich in dem kleinen, schmucklosen Raum um. "Du siehst nicht gut aus, Shuichi. Um nicht zu sagen, du gefällst mir nicht..." K war stehen geblieben und besah sich scheinbar interessiert die Tafel am Ende des Zimmers. "Und...?" hakte Shuichi nach und verdrehte die Augen. "Und." Stille. Der pinkhaarige Sänger war nahe daran einfach aufzustehen und der Raum zu verlassen. Zum einen, weil er es wirklich langsam mit der Angst zu tun bekam, zum anderen, weil er nicht sonderlich große Lust verspürte, diese Unterhaltung fortzusetzen, weil er wusste worauf sie hinaus laufen würde. "Das ist schlecht für's business!" mit einem Ruck drehte sich K wieder zu ihm herum und zog in einer blitzschnellen Bewegung seine Waffe, richtete sie dabei zielgenau auf Shuichis Kopf. Nun war es um den Frontmann von Bad Luck geschehen. Unter einem verzweifelten Aufschrei kippte er samt Stuhl nach hinten, während K das mit einem fast schon zufriedenen Lächeln quittierte. Im selben Augenblick öffnete sich die Tür und die beiden anderen Bandmitglieder Hiro und Fujisaki betraten den Raum. Hinter ihnen folgte Sagano, der beinahe einen Herzinfarkt bei Shuichis und K's Anblick erlitt. Verdutzt sahen die anderen beiden erst ihren Leadsänger, der sich mühsam und leise fluchend wieder aufzurichten versuchte, dann ihren Manager an. K lachte laut los und ließ die Magnum mehrmals um seinen Finger drehen. "Gooood Morning! Let's begin! Hahahaha!" +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Auch für andere Menschen in Japan war dies ein ganz normaler Morgen. Sie erwachten aus einem süßen Traum, in dem sie durch Welten gereist waren, die nur aus Süßigkeiten bestanden, kuschelten schließlich eine Stunde mit ihrem rosa Plüschhasen, aßen mit ihm zusammen Brötchen mit viel zu viel Schokoladencreme und widmeten sich dann ihren Videospielen. Ryuichi Sakuma, der wohl berühmteste und begnadetste Sänger ganz Japans, war einer von ihnen. An diesem Morgen musste er sich allerdings nicht mit nervigen Konferenzen, noch mit geladenen Waffen von einem gewissen Manager herum schlagen. Mit einer großen Tüte Kartoffelchips zu seiner Linken und nicht zu vergessen mit seinem Kumaguro zur Rechten, saß er vor dem Fernseher in seinem Apartment und sammelte die neuesten hundertfünfzig Pokemon, nachdem er obiges bereits hinter sich gebracht hatte. Eigentlich ein ganz normaler Tag. Doch heute schien nicht alles so wie sonst. Selbst die Erfindungen Nintendos, die besten Kartoffelchips und die heiß geliebte Gesellschaft seines Kuscheltieres waren nicht mehr genug. Etwas trieb Ryuichi dazu, sich vom Fernseher loszureißen und unruhig im Wohnraum auf und ab zu gehen; Kumaguro fest unter den rechten Arm geklemmt. Schließlich blieb sein Blick an dem übergroßen Wohnzimmerfenster hängen. Die Millionenmetropole Tokio erstreckte sich in einem unglaublichen Panorama vor ihm, über deren Wolkenkratzern schwere, unheilvoll aussehende Regenwolken hangen. Minutenlang betrachtete der Sänger dieses Bild und bald glaubte er etwas wie Sehnsucht in sich zu spüren. Sehnsucht nach was? Stillschweigend wand er sich von dem Anblick der Großstadt ab und ließ seine Blicke durch das Zimmer gleiten. Er schmunzelte. Eigentlich war seine Wohnung sehr untypisch eingerichtet, auch wenn sie relativ groß erschien. Weder protzige Einrichtungsgegenstände noch sonstige unnütze Anschaffungen waren hier auffindbar. Ein Schrank, ein Sofa, ein Tisch; nichts unnormales für eine ganz normale Junggesellenwohnung. Das gewisse Etwas fehlte eben noch. Bei diesem Gedanken verschwand der kindliche Ausdruck in Ryuichis Gesicht. Junggeselle. Er war Anfang Dreißig und immer noch allein stehend. Lächelnd blickte das kleine Stoffhäschen in seinem Arm an. Allerdings war es eine Spur trauriger als sonst. Wortlos ging der grünhaarige Sänger zu dem kleinen Schrank zu seiner Rechten und begutachtete seine CD Sammlung. Draußen begann es zu regnen. Nach wenigen Sekunden zog er etwas zwischen den CD-Hüllen hervor; eine kleine Autogrammkarte, auf der mit unleserlicher Handschrift ein Name, sowie eine Widmung dahingekritzelt war. Schwere Wassertropfen prasselten mittlerweile in einem gleich bleibenden Rhythmus gegen das Fenster. Das Bild auf der Karte war durch die Schrift kaum mehr erkennbar. Langsam strich Ryuichi mit seinen von Schokolade befleckten Finger darüber, so vorsichtig, als ob er es sonst kaputt machen würde, gerade so, als ob er etwas bewahren wolle. Mehrere Minuten vergingen, in denen der Sänger in dieser Position verharrte und nichts weiter tat, als das Foto anzusehen. Ein Tropfen schlug plötzlich mit einem dumpfen Laut auf das Papier, verschmierte die schwarze Unterschrift und ließ sie in bizarren Formen verlaufen. Kumaguro fand sich auf einmal auf dem Boden sitzend wieder. Der Mann, der ihn gehalten hatte, kniete neben ihm, das Bild fest an sich gedrückt, sodass die schwarze Farbe seinen gelben Pullover beschmutzte. Sein Schluchzen hallte in dem kleinen Raum wieder, begleitet von der traurigen Melodie des prasselnden Regens. Eines wusste Ryuichi in diesem Moment; nein - er fühlte sich wieder an das erinnert, was er eigentlich über Jahre hinweg schon gewusst hatte. Menschen, die eigentlich alles besaßen, taten es in Wirklichkeit nicht. Liebe konnte man nicht kaufen. Einsamkeit auch nicht - sie kam einfach. Sie war bei ihm und wurde sein stummer Begleiter. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ "Wir müssen etwas unternehmen!" Mit ausgebreiteten Armen stand der blonde Amerikaner vor versammelter Mannschaft in dem kleinen Konferenzraum. Das ganze Unterfangen war seit ein paar Minuten viel mehr in eine Art Motivationstraining für die Bad Luck Bandmitglieder ausgeartet, als die eigentlich geplante Konferenz. Mit einem mürrischen Gesichtsausdruck bemerkte Shuichi, dass K's Augenmerk besonders ihm galt und rieb sich schmerzlich den Hinterkopf, auf dem er gerade ziemlich unsanft aufgekommen war. Innerlich schickte er K gerade zum Teufel. "Wir sind nicht viel erfolgreicher geworden, guys! Wir sind berühmt, aber unsere Umsätze liegen noch weit unter denen Nittle Graspers. Das darf nicht so sein!" "Würde mich nicht wundern, wenn der gleich wieder anfängt zu schießen... verrückter Ami!" flüsterte Shuichi dem neben ihm sitzenden Hiro zu, der nur zustimmend nickte. "Dreimillionen Platten in einer Woche haben sie verkauft! Das muss Bad Luck toppen!" Bei diesen Worten zog K wirklich seine Waffe. Sagano zuckte merklich zusammen, verfolgte K's "Präsentation" jedoch mit wachsendem Interesse. "Wir müssen..." Mit der Magnum in der einen, der Kreide in der anderen Hand schrieb K mit großen, unübersehbaren Buchstaben das Wort "EINSATZ" an die Tafel hinter ihm. "... mehr Einsatz zeigen! Ihr müsst euer Bestes geben!" Und er schoss wirklich in die Luft. Alle Anwesenden fuhren erschrocken zusammen. Stille folgte, in der lautlos ein paar Staubkrümel von der Decke herab rieselten und K's Anzug einen gräulichen Schimmer verliehen. "Was ist?" fragte Shuichi ungestüm, als er bemerkt hatte, dass K's Blick wieder auf ihm ruhte, als ob dieser irgendetwas von ihm erwartete. "Liebeskummer hat im Geschäft nichts zu suchen!" war des Managers einzige Antwort auf die Frage seines Sängers. Dann brach der Tumult aus. "Nicht schon wieder diese alte Leier..." Fujisaki hielt sich den Kopf und massierte seine Schläfen. "Shindo-kuuuun! Das kann nicht dein Ernst sein?!" auch Sagano konnte nicht an sich halten. "Sicher, oder was haben sie erwartet? Das ist natürlich der Grund für das ganze Theater in der letzten Zeit." war die nüchterne Antwort des grünhaarigen Keyboarders. Hiro blickte seinen Freund nur stumm von der Seite an, stütze dabei seinen Kopf auf seinem Arm ab. Shuichi beobachtete das Geschehen um ihn herum mit großen Augen. Sicher, in den letzten Wochen war er alles andere als konstruktiv gewesen, aber war das ein Grund so auf ihm herum zu hacken? Hatte denn niemand Verständnis für ihn? Er hatte sich doch versucht zusammen zu reißen! Mit einer hastigen Bewegung stand er auf. "Was würdet ihr denn an meiner Stelle tun?" fragte er böse in die Runde Alle Gespräche wurden eingestellt, nur von K konnte man ein verhaltenes Lachen hören, das schon fast als zufrieden zu deuten war. Shuichi bemerkte es mit einem wütenden Seitenblick. "Ihr habt keine Ahnung davon, wie es ist wenn man... wenn man..." er rang nach Worten, während sich seine Augen mit Tränen füllten. Warum konnte man ihn nicht einfach in Ruhe lassen, wenn er denn schon keine Hilfe von irgendwem erwarten konnte? "Ach, ihr könnt mich doch alle mal!" Mit diesen Worten rannte der pinkhaarige Sänger letztendlich aus dem Raum, seinen auf dem Tisch liegenden Rucksack vergaß er. Selbst das Türknallen schien ihm entfallen zu sein. Zurück ließ er seine verdatterten Kollegen, die bis auf K nicht zu wissen wussten, was jetzt schon wieder in Shuichi gefahren war. "Das kann nicht so weiter gehen, K." sagte Fujisaki kurz und packte auch seine Sachen zusammen. Sagano, der versucht hatte dem in Rage geratenen Sänger hinterher zu laufen und dabei nur knapp einen Heulkrampf unterdrücken konnte, beachtete man nicht weiter. Er scheiterte wahrscheinlich an der Staubwolke, die Shuichi hinter sich herzog. Nun versuchte er verzweifelt, Fujisaki zum Hierbleiben zu überreden, was der Künstler allerdings mit Absicht übersah. "Ich weiß, deshalb musste es so kommen." antwortete K mit grinsend verzogenem Mund. Nun sah auch Hiro seinen Vorgesetzten vollkommen verständnislos an, erntete jedoch nur ein noch breiteres Grinsen. "Ich habe da so eine Idee..." +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Fast hätte es Shuichi geschafft, ohne irgendwelche Umschweife aus dem Gebäude zu flüchten, wäre in dem Moment, als er mit gesenktem Kopf durch den Haupteingang stürmen wollte, nicht Thoma Seguchi im Weg gewesen. Mit voller Wucht rempelte er ihn ungewollt an und riss ihn und sich selbst beinahe von den Füßen. Erst als Shuichi aufblickte, erkannte er Thoma. "Seguchi-san... gomen nasai..." verlegen sah der Sänger zur Seite, bückte sich und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete er, wie Thoma sich aufrichtete und ihn merkwürdig ansah. Anstatt ein Wort über den Vorfall zu verlieren, stellte er eine untypische Frage für diese Situation. "Wieso bist du nicht bei der Besprechung, Shindo-san?" Seine Stimme verriet wie immer nichts. Verwirrt sah der pinkhaarige Sänger Thoma an. Manchmal wunderte er sich insgeheim darüber, dass Thoma Seguchi stets bestens über alle Termine Bad Lucks informiert war. Stotternd suchte Shuichi nach einer Ausrede. Er konnte ja schlecht sagen, dass er mal wieder Ärger mit Yuki hatte und deshalb nicht wirklich dazu imstande war zu arbeiten. Jedenfalls nicht zu Thoma. "Ano... ich... also..." "Du solltest Privatprobleme von beruflichem trennen. Das solltest du mittlerweile gelernt haben, Shindo-san." Shuichi brauchte einige Sekunden, bis er den Inhalt des Satzes verstanden hatte. Wieso wusste er- doch er kam nicht mehr dazu den Gedanken zu Ende zu denken. Mit offenem Mund und einem erstaunten "Ah..." registrierte er den äußerst eindringlichen Blick des Produzenten und sah mit an, wie dieser sich einfach von ihm abwandte und davon ging. Ohne ein Wort, eine Geste - nichts. Shuichi blieb wie der sprichwörtlich begossene Pudel in der Eingangshalle stehen und er wäre dort auch sicherlich noch länger geblieben, wenn ihm nicht nach einiger Zeit der Mund zu trocken geworden wäre. Langsam drehte er sich um und verließ nun endgültig das Gebäude. Hatte er irgendetwas getan, womit er Thoma verärgert haben mochte? So sehr er auch überlegte, ihm fiel nichts ein. Alles war in Ordnung gewesen, mal ganz davon abgesehen, dass er die Leute von Nittle Grasper die letzten Wochen kaum zu Gesicht gekommen hatte - Thoma inklusive - und sich somit auch keine Gelegenheit ergeben hatte, in welcher Form auch immer, seinem Vorgesetzten auf den Schlips getreten zu sein. Der Bad Luck Frontmann war ratlos - und langsam wirklich ziemlich wütend. Mit einem lauten Scheppern landete der öffentliche Papierkorb, der vor dem riesigen NG Haupthaus gestanden hatte, auf der Straße, nachdem ihn Shuichi mit einem gewaltigen Tritt dorthin befördert hatte. Ein unschuldiger Autofahrer musste das Lenkrad hart nach links einschlagen, um das umher fliegende Geschoss nicht frontal abzubekommen. Einige Passanten waren stehen geblieben und beäugten das Geschehen verwirrt. Als ob das noch nicht genug wäre, begann Shuichi schließlich laut los zu schreien. Ob er so seiner Wut Luft machen wollte, oder ob es einfach sein schmerzender Fuß war, das war dahingestellt. Grübelnd war Shuichi nun schon seit Stunden durch Tokio gewandert, ohne jeglichen Orientierungssinn oder eine Ahnung was er überhaupt machen sollte. Zurück nach Hause wollte er noch nicht, denn so lief er Gefahr, Yuki dort anzutreffen. Und das war wirklich das Letzte, was er sich in diesem Moment wünschte. Er wollte allein sein. Das Gesicht hinter dem Kragen seines Parkas versteckt, sodass es schon wieder fast zu auffällig erschien, als dass ihn niemand als Shindo Shuichi hätte identifizieren können, stapfte er missmutig durch die Innenstadt; vorbei an bunt geschmückten Schaufensterläden und angepriesenen Produkten. Schon eine geraume Zeit lang fragte er sich, wieso Thoma anscheinend von den Problemen mit Yuki wusste. Der blonde Mann war ihm schon immer ein Rätsel gewesen, um nicht zu sagen geheimnisvoll und vielleicht doch nicht so vertrauenswürdig und gutmütig wie er es immer vorgab. Der Blick, mit dem er ihn vorhin gemustert hatte, ließ Shuichi nicht mehr los. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken, als er ihn sich noch einmal ins Gedächtnis rief. "Ja wen haben wir denn da? Ist das nicht Shindo-san?" Shuichi blieb wie zur Eissäule erstarrt stehen. Das konnte doch nicht- "Tatsuhaaaa...." Seinem Schicksal ergeben senkte der Sänger den Kopf. Er war der zweitletzte Mensch, dem er jetzt begegnen wollte. "Ganz genau!" Mit einem unverschämten Grinsen im Gesicht legte Yukis schwarzhaariger Bruder ihm den Arm um die Schultern und zwang ihn so, weiter zu gehen. "Na, was liegt an?" Shuichi rollte die Augen. Vielleicht war er doch der Letzte Mensch...? "WAS willst du?" fragte er gespielt grob, anstatt zu antworten. "Ist ja schon gut! Ist ja schon gut!" schnell zog Tatsuha den Arm wieder zurück; er hatte wohl doch verstanden, dass der pinkhaarige Sänger nicht bei bester Laune war. "Ich hab dich hier schon eine Weile rumgeistern sehen. Weißt du eigentlich, dass du drei Mal im Kreis gelaufen bist?" Am liebsten hätte Shuichi ihn in diesem Moment umgebracht. "Ja, weiß ich." Log er, denn er hatte wirklich nicht darauf geachtet, wohin er gegangen war und beschleunigte seinen Schritt. Tatsuha ließ sich jedoch nicht abhängen. "Jetzt warte doch mal, ich wollte doch nur nett sein!" "Dein nett kenne ich! Nachher versuchst du's wieder bei mir. Nein, danke!" "Hey! DAS war nicht nett! Ich wollte doch nur ein bisschen mit dir reden!" "Ach ja?! Damit auch du dich über mich und Yuki lustig machen kannst?" Die beiden waren gerade dabei, ziemlich viel Aufsehen zu erregen. "Bingo. Allerdings will ich mich nicht amüsieren, sondern ernsthaft mit dir reden. Ich habe vorgestern mit meinem Bruder gesprochen." Shuichi blieb ohne Vorwarnung einfach stehen. Dass Tatsuha wirklich ernsthaft reden wollte, trieb ihn schon beinahe dazu, in hysterisches Gelächter auszubrechen und ihn einfach abzuhängen, doch dass er mit Yuki gesprochen hatte, machte ihn neugierig. Dass auch Yukis Bruder von allem wusste, störte ihn nun schon weniger. Tatsuha, der alle Mühe gehabt hatte mit dem pinkhaarigen Sänger mitzuhalten und sich durch die Menschenmassen zu quälen, stolperte bald über Shuichi, konnte es aber gerade noch verhindern, ihn umzurennen und sein Gleichgewicht zu halten. "Also? Wohin gehen wir?" fragte der schwarzhaarige triumphierend. Die beiden hatten sich ein kleines Restaurant etwas abseits der Innenstadt ausgesucht, in dem man ungestört an einem kleinen Gemütlichen Ecktisch reden und natürlich auch essen konnte. Und das tat Shuichi; seit Tagen hatte er sich nur von irgendwelchen Resten ernährt die er irgendwo in der Wohnung gefunden hatte. (((A.d.A.: Mit Resten meine ich keinen Müll... *hust*))) Tatsuha beobachtete den pinkhaarigen Sänger eine Zeit lang stumm und wunderte sich über dessen Magengröße. "Hast wohl länger nichts mehr von Yuki vorgesetzt bekommen, wie?" Genau damit traf er einen wunden Punkt. Shuichi stockte mitten in der Bewegung und schob letztendlich den noch halbvollen Teller von sich. Vielleicht war die dritte Portion wirklich etwas zu viel gewesen... Betrübt sah Shuichi auf den Tisch. "Habt ihr gestritten?" fragte Tatsuha gelassen, während er sich genüsslich über den Bauch strich und sich nach hinten lehnte. "Ich dachte den Grund für das alles könntest du mir sagen?" "Hm, halbwegs." "Was meinst du damit?" alarmiert richtete sich Shuichi auf und verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen. Hatte Tatsuha vielleicht doch keine Ahnung von allem und wollte durch ihn an Informationen herankommen? Tatsuha hingegen belächelte Shuichis Drohversuch nur. "Ist ja gut. Ich wollte lediglich wissen, wie schlimm es um euch steht." Shuichis Antwort bestand nur aus einem bösen, trotzigen Blick. "Ich hab nur kurz mit Yuki gesprochen. Es scheint ernst zu sein." "Das brauchst du mir nicht zu sagen! Nur der Grund für das alles ist mir unbekannt." bemerkte der Sänger spitz. "Hast du dich noch nicht mit ihm unterhalten?" "Wenn er mal zuhause wäre und dann nicht immer gleich die Tür abschließen würde hätte ich es gerne gemacht." Er wusste, dass er unfair Tatsuha gegenüber war, konnte jedoch nicht anders. "Aha." Der schwarzhaarige Mann machte ein merkwürdiges Gesicht, das Shuichi alarmierte. Doch bevor dieser etwas sagen konnte, kam man ihm zuvor. "Ich kann dir nur so viel sagen; und es ist nicht weil ich dich beunruhigen will - es ist wirklich ernst. Ich weiß selber nur dass, was ich dir jetzt sagen werde und was ich mir daraus zusammen gereimt habe." Tatsuha machte eine kurze Pause, scheinbar um nach Worten zu suchen. Mit unüblich ernstem Gesicht fuhr er fort. "Ich denke, ihr beide solltet einen Schlussstrich ziehen." Diese Worte trafen Shuichi wie ein Schlag mitten ins Gesicht. Wieder kam ihm sein Gegenüber zuvor. "Es könnte gefährlich werden und damit meine ich auch dich. Scheinbar hat jemand von... du weißt schon... Yukis Vergangenheit Wind bekommen." "Das ist mir egal!" fuhr Shuichi empört auf, stieß mit seinem Knie gegen die Tischkante als er aufzustehen versuchte, sodass die Gläser darauf gefährlich zu tanzen begannen und durch den Lärm aufgeschreckt auch ein paar Gäste zu ihnen herüber blickten. "Ich - ich liebe-" mitten im Satz verstummte er plötzlich. Liebte er ihn? Liebte er ihn wirklich? "Ist okay, Shu-chan." Der schwarzhaarige Mann schien zu verstehen, was in diesem Moment in Shuichi vorging und er hakte auch nicht mehr weiter nach. Dafür war Shuichi ihm sehr dankbar. Verstohlen entfernte er die Tränen in seinen Augenwinkeln mit dem Ärmel seines Pullovers. Hinter seiner Stirn begann es zu arbeiten. Nach einigen Minuten Stille hatte der pinkhaarige Sänger eine Frage. "Tatsuha, woher weißt du davon? Ich glaube kaum, dass Yuki dir davon erzählt hat..." Schmerzlich verzog Tatsuha das Gesicht. Shuichi schien einen Volltreffer gelandet zu haben. "Erwischt. Na ja, Mika und Thoma haben mir etwas davon erzählt. Aber erst nachdem ich gefragt hatte..." Daher wehte also der Wind. Mika, Yukis Schwester, und Thoma; deshalb wusste der blonde Produzent wie es um Shuichi und den Schriftsteller stand. Also musste Yuki mit Thoma... "Aber lass uns von etwas anderem reden." Galant wechselte Tatsuha das Thema und ergriff plötzlich Shuichis Hand, riss diesen dabei aus seinen Überlegungen. "Sag mal, Shu-chan. Du weißt doch, dass ich dir vor ein paar Wochen ein Angebot gemacht hatte... " Den Rest des Satzes flüsterte er. "...dass ich dich beim Sex Ryuichi und du mich Yuki nennen-" "Du hast wohl 'nen Schaden!" rief Shuichi laut los und riss seine Hand aus der ungewollten Umklammerung, während sein Kopf die Farbe einer Tomate annahm. Sicher hatte er Tatsuhas "Angebot" von vor ein paar Wochen nicht vergessen, aber er hatte nicht wirklich vor es anzunehmen. Er spürte die fragenden Blicke der Tischnachbarn im Nacken. "Was denn...?" beleidigt verzog der schwarzhaarige Mann den Mund. "Ich krieg ihn ja sowieso nie zu sehen. Ihr habt ja keine Ahnung; seht ihn wahrscheinlich jeden Tag. Yuki schreibt ihm einen Liedertext, du singst mit ihm..." "Mit wem?" verständnislos blickte Shuichi Tatsuha an. "Mit Ryuu-chan natürlich! Was für eine Frage! Eigentlich könnte ich euch beide dafür umbringen, weißt du das?" Shuichi spürte einen heftigen Tritt gegen das Schienbein, und zog die Augenbrauen in die Höhe. "Ryuu-chan? Hört sich... na ja... an." "Klar Ryuu-chan! Er ist das niedlichste, süßeste, geilste,..." Und so begann die längste Unterhaltung über Ryuichi Sakuma, die Shuichi in seinem ganzen Leben jemals geführt hatte. Eigentlich war es keine Unterhaltung, sondern eher ein Zuhören, da der mit dem Wein überschwänglich gewordene Tatsuha die ganze Zeit ununterbrochen auf ihn einredete. Vielleicht war es auch kein wirkliches Zuhören, denn die Gedanken des pinkhaarigen Sängers glitten ab - zu einem ganz bestimmten Ereignis der letzten Nacht. Der Traum, den er gehabt hatte, war sehr intensiv gewesen und er hatte bis jetzt noch gar keine Gelegenheit dazu gehabt, ihn sich noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. Er war sogar so real gewesen, dass er nicht wusste, wenn er genau darüber nachdachte, ob es wirklich nur die Fiktion seines Unterbewusstseins war. Shuichi glaubte noch immer den Schweiß Ryuichis an seinen Fingern zu spüren, seine heisere Stimme zu hören und seinen heißen Atem zu erkennen, der ihm eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken gejagt hatte... "Shuichi...?" "Mhm..." Der Angesprochene blinzelte zweimal, ehe er realisierte, dass Tatsuha seine "Unterhaltung" wohl unterbrochen haben musste, als er gemerkt hatte, dass Shuichi nicht ganz bei der Sache war. "Was ist mit dir? Du bist ganz rot im Gesicht." Shuichi setzte sich mit einem Ruck auf. Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt! Wieso musste er so was träumen? Wieso musste er HIER daran denken? Wieso ausgerechnet in Tatsuhas Anwesenheit? Wieso ausgerechnet von Ryuichi Sakuma?! Als er an sich herab blickte konnte er ein Aufstöhnen nicht unterdrücken. Seine Hose bäumte sich ihm entgegen jetzt. Hastig versuchte er diesen Anblick mit einer Serviette zu verdecken. "Ich... bin..." "Geil?" "Was?!" mit schreckensweiten Augen sah Shuichi Tatsuha an. Das konnte doch nicht- "Na ja, nachdem was ich dir jetzt alles erzählt habe..." Innerlich seufzte Shuichi erleichtert, fühlte sich jedoch immer noch nicht sicher, vielleicht nicht doch ertappt worden zu sein. Er musste hier raus. "... müde. Ich bin nur so müde, weil..." "...weil du so geil bist?" unschuldig lächelte Tatsuha. "A-ano.... Äh, ich geh dann mal. Arigato für alles." So schnell er nur konnte und vor allem erst nachdem er sich vergewissert hatte, dass seine Hose den Widerstand aufgegeben hatte, stand der pinkhaarige Sänger auf und verließ auf direktem Wege das Restaurant. Tatsuhas Versuch ihn aufzuhalten ignorierte er einfach. Sollte er doch sehen, wie er die Rechnung bezahlte. Schadenfroh grinste Shuichi in sich hinein während er durch die Tür trat. Es war spät geworden. Als er den Nachhauseweg einschlug, stand der Mond bereits blass am Abendhimmel. Während er dem Sonnenuntergang entgegen ging, kam Shuichi schließlich zu dem Entschluss, dass er wohl besser mit Yuki reden sollte, als sich Gedanken über diesen äußerst seltsamen Traum zu machen. Mit weitaus schlechterer Laune als gerade stapfte er durch die herannahende Nacht. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Auch andere Menschen in dieser Stadt erlebten heute einen ganz normalen Abend. Früher als sonst, stapfte Ryuichi ins Badezimmer und suchte sich eine der vielen bunten Zahnbürsten aus dem Glas auf dem Waschbecken aus. "Grün? Kuma-chan bekommt grün na no da!" Er bestrich sie lachend mit Zahnpasta und begann sich mit abstrakt wirkenden Bewegungen die Zähne zu putzen. Kumaguro, das kleine Stoffhäschen, saß dabei neben dem Zahnbürstenglas und sah dem grünhaarigen Ryuichi fröhlich zu. Zehn Minuten später, nachdem auch das Kuscheltier mit Zahnpasta versorgt worden war, ging im Schlafzimmer das letzte Licht aus. Es war gerade erst dunkel geworden, als Ryuichi sich in das übergroße Bett kuschelte. Heute hatte er keine Termine gehabt; kein Anruf hatte ihn gestört, nicht einmal einer seiner Bodyguards vor der Haustür war zu ihm herein gekommen. "Keiner hat an uns gedacht, Kuma-chan. Wir waren ganz ungestört heute, ne?" Ryuichi lag auf der Seite, sodass er Kumaguro, der neben ihm unter der Decke lag genau im Auge hatte. Sanft strich er über das künstliche, weiche Fell. Immer und immer wieder. Doch niemand antwortete ihm. "Ob noch jemand so allein heute war, wie wir, Kuma-chan?" "Keiner...?" Seine Hand glitt unter sein Kopfkissen und fand ein Stück Papier; die Autogrammkarte. Es dauerte nicht lange, da war Ryuichi auch schon eingeschlafen. Im fahlen Mondlicht, das durch die halb geöffneten Jalousien in das Zimmer trat, sah man etwas in den Augenwinkeln des Mannes glitzern. +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Das kleine Schlüsselbund zitterte in seinen Fingern, als Shuichi die Tür aufschloss. Vielleicht war Yuki ja wieder nicht zu Hause heute Abend? Die Chancen standen gut; in letzter Zeit war er kaum noch auffindbar. Er fragte sich, ob er wirklich noch mit ihm reden wollte. Er hatte Angst, Angst dass er alles nur noch schlimmer machen würde. Doch als er die Tür öffnete und in die Wohnung trat, musste er sich wohl eingestehen, dass so gut die Chancen auch gestanden hatten Yuki nicht anzutreffen, er heute kein Glück hatte. Vor ihm stand der blonde Schriftsteller, in der Rechten eine Dose Bier, in der Linken eine angezündete Zigarette. Shuichi erstarrte für einen Moment und ein übles Gefühl kroch seine Kehle hinauf. Yukis Blick verhieß nichts Gutes, doch er zwang sich, ganz normal die Tür zu schließen. Wortlos verfolgte der andere seine Bewegungen. Nachdem sich Shuichi der Schuhe entledigt und seinen Parka verstaut hatte, versuchte er irgendwo anzufangen, obwohl er kaum an einen Erfolg glaubte. "Yuki, wir-" Wie erwartet wurde ihm von seinem Gegenüber das Wort abgeschnitten. "Wo bist du gewesen?" Schockiert über diese Frage riss der pinkhaarige die Augen auf. Was um alles in der Welt gab ihm das Recht, DAS von ihm wissen zu wollen? Gut, er war später als sonst wieder gekommen, aber war Yuki nicht derjenige der kam und ging wie er wollte? "I-ich war... arbeiten." Shuichis Gewissen versetzte ihm einen kleinen Seitenstich. Das klang alles andere als glaubwürdig, aber befand er sich hier in einem Verhör? Eigentlich war es an ihm Fragen zu stellen. "Da hat mir Seguchi aber etwas anderes erzählt." Lässig lehnte sich Yuki an die hinter ihm befindlichen Wand und zog an der Zigarette. Thoma. Der Name machte Shuichi langsam wütend. "Von Thoma? Was hast du mit ihm zu schaffen?" Dass diese Frage mehr als nur lächerlich in diesem Moment war, wusste Shuichi. Doch auch er konnte nicht aus seiner Haut. "Ich wüsste nicht, was dich das angeht. Aber weil ich heute nett bin - wir waren essen." "Und was noch?" Shuichi hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, doch das was er die ganze Zeit gedachte hatte, war nun ausgesprochen und hang wie der Pestgeruch in der Luft. Yukis Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. "Warum sollte ich dir das sagen?" Gefährlich blitze er ihn an. Das hatte gesessen. Ungewollt merkte der junge Sänger, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen, konnte sie jedoch nicht aufhalten. "Was es mich angeht...? Was es mich angeht?! Ich dachte wir leben hier zusammen und erzählen uns alles! Und du hast nichts besseres zu tun, als mich seit Wochen aus dem Schlafzimmer zu verbannen und ewig nicht da zu sein?! Und du fragst mich, was es mich angeht?!" Die letzten Worte waren mehr geschrieen als alles andere. "Hm." Yuki trank scheinbar gelassen einen Schluck aus der Bierdose. "Yukiiiii, nani?!" "Du verstehst gar nichts." Mit diesen Worten ging er kopfschüttelnd in Richtung Schlafzimmer. "Ist das alles, was du mir zu sagen hast? Wie soll ich dich denn verstehen, wenn du nicht mit mir redest, Yuki?" verzweifelt sah Shuichi ihm nach. Wieder Erwartens blieb der blonde Mann stehen und schien tatsächlich einen Moment lang zu überlegen. "Du hast dich hier einquartiert. Ich hab dich nicht darum gebeten, also mach jetzt nicht so einen Aufstand." Dann ging Yuki endgültig ins Schlafzimmer und verschloss die Tür hinter sich. Einmal, zweimal, dreimal atmete Shuichi tief ein, bevor es aus ihm heraus brach. Aufschreiend rannte er ins Wohnzimmer, schmiss sich auf die Couch und weinte seinen Schmerz laut heraus. Minutenlang konnte er sich kaum beruhigen. Warum? Warum behandelte Yuki ihn so? Wenn er doch wenigstens den Grund wüsste, könnte er sicherlich Verständnis für all das zeigen. Aber so? Ihm noch die Schuld in die Schuhe schieben? Unentwegt flogen die schmalen Schultern auf und ab. Das Kissen unter Shuichis Kopf war bereits vollkommen durchnässt. Bis er einschlief, hämmerte die ganze Zeit nur eine Frage in seinem Kopf: Warum blieb er hier? Währenddessen saß Yuki wie versteinert auf dem Bett im Schlafzimmer und starrte stur auf den Boden. Die Asche der Zigarette war schon lange auf den Boden gefallen, die Zigarette selbst bereits ausgegangen. Von all dem, was gerade im Nebenraum passierte, bekam er nichts mit. Hinter seiner Stirn arbeitete es unentwegt. Schließlich stand er auf und ging zu dem kleinen Schreibtisch, den er als Arbeitstisch umfunktioniert hatte und setzte sich dahinter. Mit überaus langsamen Bewegungen zog er eine neue Zigarette aus der Packung und wollte sie anzünden, als sein Blick auf dem kleinen, bereits abgegriffenen Bildaufkleber darauf haften blieb, den er und Shuichi damals in dem Freizeitpark gemacht hatten. Ein Tag voller Erinnerung und Schmerz. Automatisch glitt sein Blick auf den Schreibtisch, fand einen Brief und ein kleines Foto. Eine ganze Zeit lang verharrte der blonde Schriftsteller so, bis er plötzlich die Zigarette in seinem Mund auf den Boden schmiss und den Aufkleber von seinem Feuerzeug riss. Der kleine Papierfetzen verschwand in irgendeiner Ecke des Zimmers. Auch die halbvolle Bierdose fand noch Platz in einer anderen Ecke. Yukis Kopf fiel haltlos auf seine Arme auf dem Schreibtisch. Seine Schultern bebten. Es war der Abend, an dem er seit langem wieder Tränen vergoss. To be continued... Authors note: Wahhhhh! Fertiiig! Tut mir wahnsinnig leid, dass ich so viel geschrieben hab (gute Güte, das erste Kapitel ist über elf Seiten lang! O_O ) , aber die Ereignisse überschlugen sich und der Hintergrund musste ja erstmal aufgebaut werden... *an Kopf pack* Eine kleine Bemerkung zu Yuki: Ich hab doch ein bisschen Mitleid mit ihm gehabt und ihn deshalb nicht ganz so grauenvoll hingestellt. ...wenn ich ehrlich bin, tut er mir sogar ein bisschen leid... :-/ Meint ihr nicht, die Einschnitte mit Ryuichi sind zu kitschig? Ich wollte die Zwielichtigkeit, die eigentlich in seinem Leben steckt so verdeutlichen... Ich hoffe jedenfalls, dass euch der Anfang der Geschichte mindestens so gut gefällt wie meine letzte! :P Ich würde mich über Kommentare sehr freuen. *bittebittebitäää*(Hab Angst, dass ihr mit mir nicht zu frieden seid...) Bis zum nächsten Kapitel! *wedel* Nächster Track wird spannend! ^_~ Familienkrise & Krankenhaus! Aber mehr wird nicht verraten! ;) Eure Ryuu-chan Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)