Familienbande von Rogue37 ("Geliebter Dämon" geht weiter) ================================================================================ Kapitel 16: Schicksal --------------------- Konnichiwa meine treuen Leser, ich weiß ich wiederhole mich, aber da ich weiß, was ich euch zumute, freut es mich jedes Mal aufs neue, dass diese Story einigen wenigstens so wichtig zu sein scheint, dass sie trotz der ZEit, die ich immer brauche, um was neues hochzuladen, treu dabeibleiben und mich so lieb unterstützen. Ich erachte das nicht als selbstverständlich und verneige mich in tiefster Dankbarkeit vor euch. Immerhin habe ich dieses Mal an die 10 Seiten (Word-Format) fertig bekommen. Viel Spaß damit: Unschlüssig stand Rijan vor der Matratze, auf der sie normalerweise schlief. Ihr neuer Kampfanzug lag ausgebreitet darauf. Er schimmerte im Licht der Sonne in einem warmen Ockerton. Sie genoss den Anblick, konnte sich aber nicht überwinden, die Hand nach dem anschmiegsamen Stoff auszustrecken. Es erschien ihr ein früheres Leben gewesen zu sein, in dem sie ständig gegen Dämonen gekämpft hatte. Und wenn sie darüber nachdachte, war dies auch nicht so falsch. Es war noch nicht lange her, da war sie in Sesshoumarus Armen, an seiner Seite, gestorben. Dies war ein neues Leben. Es hätte ihre Chance sein können, mit Dingen abzuschließen, die nie mehr als eine Pflicht oder Aufgabe gewesen waren. Und doch … während sie nun hier in ihrem Zimmer stand und auf Sesshoumarus Geschenk hinab schaute, da stellte ein Teil ihrer Seele diese eine Frage: War es nicht doch mehr als nur Pflicht gewesen? Pflicht und Schuld das waren die Gründe gewesen, warum sie einst in die Fußstapfen einer Dämonenjägerin getreten war. In Fußstapfen, die ihr viel zu groß erschienen waren. Doch das war bereits Jahre her. Seit dem hatte sich viel verändert. Sie hatte Jahre lang Dämonen gejagt und unzählige zur Strecke gebracht. Irgendwann war es nicht mehr nur eine Schuld gewesen, irgendwann hatte sie es getan, weil irgendjemand es hatte tun müssen. Und doch, jetzt an der Seite eines Dämon, im Haus eines Dämons, jetzt war es ihr nicht mehr ohne weiteres möglich in ihre alte Rolle zurückzuschlüpfen. Nicht zum ersten Mal wurde ihr das bewusst. Nur hatte sie nicht gedacht, dass sie sich so schnell damit auseinander würde setzen müssen. Sie seufzte tief und griff schließlich nach dem Anzug. Langsam streifte sie ihn über und begann die vielen Panzer und Bänder anzulegen. Ihre Finger arbeiteten wie von allein, als hätte sie diesen Anzug nie ausgezogen. Als hätte sie nie aufgehört, eine Dämonenjägerin zu sein. Und doch, in ihrem Inneren fühlte es sich falsch an. Dies war der Anzug einer Jägerin, doch sie war nicht länger eine Jägerin. Sie wusste auch, dass sie nie wieder eine würde sein können. Zu sehr war sie in die Welt der Dämonen verstrickt. Sie liebte immerhin einen. Wie sollte sie da seinesgleichen weiterhin vernichten können? Ein Lachen entrann ihrer Kehle. Seinesgleichen? Nein, niemand auf dieser Welt war wie Sesshoumaru. Nicht einmal sein Sohn war wie dieser stolze Dämon. Dieser stolze und sture Dämon, wie Rijan sich nicht verkneifen konnte, hinzuzufügen. „Hast du nie daran gedacht, dass deine Vergangenheit dich nur auf das hier hat vorbereiten sollen?“ Akikos Stimme drang von der Tür zu ihr durch. Sie drehte sich nicht zu ihm um. Sie hatte seit Minuten gewusst, dass er hier war. Sie fühlte seine Anwesenheit. Nein, sie fühlte es nicht. Sie konnte Sesshoumaru fühlen, das war etwas anderes. Akiko umgab eine Ausstrahlung, eine Aura, die die Aufmerksamkeit auf ihn zog. Das konnte sie spüren, sobald er sich näherte. Niemand konnte einen Dämon, ein Geschöpf wie Akiko ignorieren. Gleichzeitig wurde ihr bewusst, wie schlecht das für einen Dämon war, der eigentlich im Verborgenen leben sollte. Zumindest noch eine Zeit lang. Langsam ging Rijan zu einem Spiegel. Sie band den Gürtel fest um ihre Taille und verstaute ihr Schwert daran. Dann blickte sie sich im Spiegel an. Minutenlang sagte sie nichts, bewegte sich nicht einmal. Früher hatte sie einen anderen Anzug getragen. Sie hatte längere Haare gehabt und war nicht so dünn gewesen. Sie war ein anderer Mensch gewesen. So einfach war das. Nun blickte sie ein fremdes Geschöpf an. Jemand, der nicht sie war und doch ihr seltsam vertraut erschien. Sie strich sich die Haare hinter die Ohren und wurde sich gleichzeitig bewusst, dass die kurzen Haare sie im Kampf stören würden. Dennoch konnte sie daran nichts ändern. Der Anzug schmiegte sich an sie wie eine zweite Haut zeichnete deutlich ihre Gliedmaßen und Rippenknochen ab. Sie sollte wirklich mehr essen. Die Schatten unter ihren Augen verliehen ihr ein gespenstisches Aussehen. Dunkle Augen, die sie aus einem blassen Gesicht anstarrten. Vermutlich war sie noch blasser geworden, seit sie sich betrachtete. „Hast du?“ Sie erinnerte sich daran, dass Akiko sie etwas gefragt hatte und konzentrierte sich auf eine Antwort. Doch ihr Blick blieb an ihrem Spiegelbild haften. War es möglich, dass ihre Vergangenheit wirklich nur dazu gedient hatte, sie darauf vorzubereiten, nun hier und heute für Sesshoumaru in den Kampf zu ziehen? In einen Kampf, den sie nicht einmal benennen konnte? Von dessen Gegner sie nichts wusste? Was wäre aus ihr geworden, wenn sie sich niemals von Sesshoumaru getrennt hätte? Wenn sie immer bei ihm geblieben wäre. An seiner Seite erwachsen geworden wäre? Es war müßig darüber nachzudenken. Ihr Leben war nun einmal anders verlaufen. Es hatte aus ihr das gemacht, was sie nun anstarrte. Dieses Geschöpf, das sie selbst ein wenig ängstigte. Sie war so lange damit beschäftigt gewesen, das Leben einer anderen fortzuführen, die Mission, die selbstauferlegte Pflicht zu erfüllen, dass sie wohl wirklich vergessen hatte, wer sie war. Und nun, hier in ihrer eigenen Uniform, in ihrem eigenen Gewand, blickte sie zum ersten Mal seit sehr langer Zeit in das Gesicht der Frau, zu der sie geworden war. War es das, was Sesshoumaru damit auch bezweckt hatte? Ihr ihre eigene Identität zurückzugeben? Es würde ihm ähnlich sehen, durch kleine Dinge Großes zu bewirken. Ohne viel Worte darum zu machen. Sesshoumaru war kein Freund von Worten. Mittlerweile konnte sie verstehen warum. Worte konnte man auslegen, sie ließen einen Spielraum zu. Eine konkrete Tat war etwas handfestes, etwas unwiderrufliches. Eine Tat sagte mehr als tausend Worte es jemals konnten. Und mittlerweile war sie erstaunlich gut darin, zu verstehen, was er ihr damit klar machen wollte. Sie hatte diesen Anzug nicht einfach so bekommen. Es war an der Zeit sie selbst zu sein. Zu tun, was sie für richtig hielt, was ihr Herz, ihre Seele ihr sagte. Entschlossen blickte sie sich im Spiegel an, starrte in ihre Augen und schluckte. Richtig, sie wusste, was zu tun war. Womöglich war es wirklich Schicksal, dass sie heute hier stand. Dass sie diese Uniform trug und wusste, was sie zu tun hatte. Vielleicht war es aber auch nur ein Zufall. Es spielte keine Rolle. Sie wusste, was die Stunde geschlagen hatte. Es war an der Zeit aufzuwachen. Die Vergangenheit ruhen zu lassen und sich darauf zu konzentrieren, was sie eigentlich wollte. Ihr neues Leben zu beginnen. Es würde keine Irrungen und Wirrungen mehr geben. Sie wusste nun, was zu tun war. Sie war keine Jägerin mehr. Sie würde wirklich nie wieder eine sein. Das hier war nicht die Uniform einer Dämonenjägerin. Das hier war was sie wollte. Es war neu, sie konnte damit anstellen was ihr in den Sinn kam. Und sie hatte sich entschieden. Es war der Anzug einer Kämpferin, einer Kriegerin, wenn man so wollte und sie würde damit für das kämpfen, was ihr lieb und teuer war. Sie würde für und um Sesshoumaru kämpfen. Langsam drehte sie sich um und blickte in Akikos Gesicht. Er lächelte. „Liest du meine Gedanken?“, fragte sie und erwiderte sein Lächeln. Akikos schüttelte seinen Kopf. „Das ist nicht nötig. Man sieht es in deinem Gesicht.“ Er stieß sich von dem Türrahmen ab und schickte sich an das Zimmer zu verlassen. „Dann lass uns gehen.“ Chidori stand mit geschlossenen Augen auf der Treppe vor dem Haus. Sie atmete tief die frische, klare Luft ein. Sie hörte das Rauschen der Blätter im Wind, fühlte wie eine Luftbrise ihre Haut streichelte und ein angenehmes Kribbeln darauf zurückließ. In der Ferne hörte sie einige Menschen ein Tier jagen. Sie runzelte die Stirn und konzentrierte sich mehr. Richtig, sie jagten einen Bären. Ein leises Knarren hinter ihr, verkündete ihr die Ankunft ihrer Begleiter. Sie drehte sich herum und blickte ihren Sohn an. Entschlossen schüttelte sie ihren Kopf. „Du wirst nicht mitgehen.“, erklärte sie entschieden. Akikos goldene Augen verdunkelten sich, während Zorn in ihm aufwallte. „Das hast du nicht zu entscheiden.“ Chidori ging einen Schritt auf ihn zu und berührte mit ihrer inneren Handfläche seine Wange. Einen Moment verharrte sie schweigend. „Du bist mein Sohn. Selbstverständlich ist das meine Entscheidung.“ Akiko schüttelte seinen Kopf und unterband damit die Berührung seiner Mutter. „Du bist noch nicht so weit, Akiko. Das weißt du so gut wie ich.“ Er streckte seinen Rücken durch, wollte dadurch autoritär wirken, doch es verfehlte seine Wirkung. Chidori konnte man nicht einschüchtern. Sie blickte ihn wie ein störrisches Kind an. „Er braucht meine Hilfe.“, beharrte er. Hilfesuchend blickte er zu Rijan, die neben ihm stand, doch deutlich konnte er sehen, dass er das alleine auszufechten hatte. „Er braucht alle Hilfe, die er bekommen kann. Das ist sicher. Aber wenn ich mir um dich Sorgen machen muss, dann kann ich ihm nicht wirklich helfen.“ Akiko machte einen Schritt auf seine Mutter zu und umfasste ihre Schultern. „Ich werde nicht hier bleiben. Du kannst mich dazu nicht zwingen.“ Er schluckte kurz. „Wenn ich nicht mit euch gehe, wird er mich nicht mehr als seinen Sohn anerkennen. Du kennst ihn.“ Er sah das Zögern in ihrem Blick und wusste, dass er gewonnen hatte. Sesshoumaru konnte Schwäche nicht ertragen. Blieb Akiko zurück, dann würde das unweigerlich so aussehen, als wäre er schwach. Und Sesshoumaru hatte kein schwaches Kind. Chidori blickte ihren Sohn schweigend an. Sie wollte nicht, dass er sie begleitete. Etwas in ihrem Inneren schrie bei dem Gedanken daran so deutlich auf, dass sie das nicht einfach ignorieren konnte. Chidori lebte zu lange auf dieser Erde, um ihre innere Stimme einfach zu ignorieren. Bei einem so deutlichen Gefühl hatte das etwas zu bedeuten. Sich gegen eine Vorahnung zu stellen, würde übel enden. Das wusste sie und doch stand sie hier und blickte ihren Sohn an. Sah wie wichtig es ihm war, nicht als Schwächling vor seinem Vater zu stehen. Wie hätte sie ihm das verwehren können? Natürlich hatte er Recht. Es gäbe keine Basis mehr für Akiko und Sesshoumaru, wenn er nicht mit kam. Wenn er nicht bei dem half, was vor ihnen lag. Und doch schrie es so laut in ihr auf, dass sie davon Kopfschmerzen bekam. „Chikuso!“, fluchte sie leise und drehte ihm den Rücken zu. Sein Lächeln fühlte sie trotzdem. „Baka.“, murmelte sie und war sich nicht sicher, ob sie ihn meinte oder doch sich selbst. Ein Schatten fiel auf sie, als Rijan neben sie trat. „Ich beschütze ihn. Das verspreche ich dir.“ Erstaunt blickte sie diesen einfachen Menschen neben sich an. Sie hätte gelacht, wenn sie nicht den Ton in Rijans Stimme vernommen hätte. Wie konnte ein Mensch einen Dämon beschützen? Wie vermessen musste ein Mensch sein, so etwas ernsthaft in Erwägung zu ziehen und doch strahlte von diesem schwachen Wesen etwas aus, dass Chidori nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte. Bei keinem der Dämonenjäger, die gekommen waren, um sie zu vernichten, hatte sie jemals eine solche Aura gefühlt. Eine solche Willensstärke. Nachdenklich blickte sie Rijan nach, als diese sich in Bewegung setzte und die Stufen hinunterging. Ein Mensch, ein einfacher Mensch und doch war es ihr gelungen, Chidori einen Moment lang zu beruhigen. Denn wenn sie etwas in den vergangenen Wochen gelernt hatte, dann dass zumindest Rijan nicht zu den Menschen zählte, die große Worte spukten, ohne deren Bedeutung zu kennen. Was Rijan sagte, kam aus ihrem Herzen und hatte deshalb Gewicht. Manchmal vermutlich sogar mehr Gewicht als die Worte, die Chidori selbst gelegentlich aussprach. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als sie den beiden schließlich folgte. Sie marschierten mehrere Tage und Nächte, rasteten meist nur kurz und nur, wenn es unbedingt nötig war. In der Regel war dies der Fall, wenn Rijan keine Energie mehr hatte. Sie machte einmal mehr die Erfahrung, wie viel schwächer ein Mensch im Vergleich mit einem Dämon war. Akiko zeigte zwar so viel Anstand, dass er auch vorgab, etwas Schlaf zu brauchen, doch wusste Rijan genau, dass dem nicht so war. Chidori machte daraus nicht einmal einen Hehl und verfiel zurück in ihre alte Art, Menschen das Gefühl zu geben, nicht mehr als lästige Fliegen zu sein, die sie zerdrücken konnte, sobald ihr danach war. Dennoch hatte sich etwas zwischen den beiden Frauen geändert. Rijan fühlte es deutlich. Als wäre in Chidori eine Mauer eingestürzt, als hätte sie endlich ihren Frieden gefunden. Gelegentlich hatte Rijan sogar den Eindruck, Chidori hätte sich vom Leben praktisch verabschiedet. Als würde sie ihre letzte Reise antreten. Dieser Gedanke stimmte sie nachdenklich, denn sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Andererseits schien Akiko nichts derartiges zu fühlen. Und er war immerhin ihr Sohn. Ihm müsste auffallen, wenn etwas so gravierendes in seiner Mutter vorgegangen wäre. Das beruhigte sie etwas, dennoch wurde sie den Gedanken nicht mehr los und ertappte sich öfter dabei, wie sie Chidori beobachtete. Ihre Bewegungen, ihre Reaktionen analysierte. Die Art wie sie mit ihrem Sohn umging. Es wirkte nichts daran wirklich verdächtig, dennoch beunruhigte es Rijan. Ihr Instinkt war in den letzten Wochen schwächer geworden, dass er sich nun so deutlich regte, musste etwas bedeuten. Sie konnte sich das unmöglich einbilden. Als Rijan einmal neben Akiko ging, ertrug sie es nicht länger, nicht darüber zu sprechen. „Kommt dir deine Mutter nicht anders vor?“ Akiko hatte einen kleinen Ast vom Boden aufgehoben und fuchtelte geistesabwesend damit herum. „Anders?“ Er lachte leise und blickte zu seiner Mutter, die in einiger Entfernung vor ihnen ging. „Dir fällt erst jetzt auf, dass meine Mutter grundsätzlich anders ist?“ Rijan verzog das Gesicht und schüttelte ihren Kopf. „Ich meine das ernst. Etwas an ihr ist anders.“ Er klopfte mit dem Ast an sein Bein. „Sie scheint ihren Groll auf dich niedergelegt zu haben. Vielleicht ist es das, was dich verwirrt.“ Rijan dachte eine Weile darüber nach. Konnte es damit zusammenhängen? Gelegentlich ließ Chidori noch Spitzen in ihre Richtung ab, doch erschien es Rijan wirklich so, als wollte die Dämonin dadurch einfach nur ein Bild aufrecht erhalten. Die Sticheleien waren nicht mehr so boshaft wie noch vor einigen Tagen. „Hm, vielleicht hast du Recht.“ „Ganz bestimmt sogar. Sie ist meine Mutter, ich würde wissen, wenn sich etwas grundlegend geändert hätte.“ Akiko legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Einen Augenblick lang lauschte er schweigend, ehe er sich kurz schüttelte und Rijan am Ellenbogen ergriff. „Und nun komm, wir müssen weiter.“ Rijan wälzte sich unruhig auf dem harten Boden. Sie hatten eine Rast eingelegt und sich zum Schlafen niedergelegt. Seit vier Tagen waren sie nun unterwegs und Rijan hatte die Müdigkeit gequält bis sie keinen Schritt mehr hatte tun können. Es hatte ihr einen abfälligen Blick Chidoris eingebracht, als sie darum gebeten hatte, in dieser Nacht eine Pause einzulegen. Ursprünglich hatte die Dämonin dem Wunsch nicht stattgeben wollen, doch ein Blick von Akiko hatte genügt um ihre Meinung zu ändern. Rijan rollte sich auf den Rücken und starrte in die Dunkelheit. Sie konnte das Rauschen der Baumwipfel hören, ohne sie zu sehen. Die Nacht war dunkel, es war Neumond und einen Augenblick lang war Rijan versucht ihre innere Unruhe auf diese Tatsache zu schieben. Doch sie wusste natürlich, dass dies nichts damit zu tun hatte. Es ängstigte sie mehr als sie sagen konnte, dass sie von Sesshoumaru nichts mehr spürte. Seit diesem Überfall auf ihr Inneres schien er wie verschwunden zu sein. Als würde es ihn nicht mehr geben. Sie verdrängte diesen Gedanken die meiste Zeit über, doch nun im Schutz der Dunkelheit, krochen Zweifel und Angst in ihr von Einsamkeit zerfressenes Herz und fanden dort nahrhaften Boden. Mit einem Mal schien sie der Gedanke, Sesshoumaru auf so schreckliche Art verloren zu haben, unerträglich. Die Möglichkeit, dass ihre letzte Begegnung mit ihrem Verrat zu tun hatte. Dass sie nicht einmal mehr die Chance hatte, ihm zu erklären, was geschehen war. Ihn nicht um Verzeihung bitten zu können. Ihr Herz fing an zu rasen und ihre Kehle schnürte sich abrupt zu. Keuchend und nach Luft ringend setzte sie sich auf und versuchte ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen. Sie schloss die Augen, doch sofort begann sich dann alles um sie herum zu drehen. Sie fühlte, wie sie fiel und öffnete panisch wieder ihre Augen. „Tief einatmen.“ Eine Stimme drang aus einiger Entfernung zu ihr durch und nach einem Augenblick des Zögerns schien sie darauf zu hören und tief Luft in ihre Lungen zu pumpen. Sie wiederholte dies ein paar Mal und schien dadurch ruhiger zu werden. Ihr war noch etwas schwindelig, doch das Gefühl zu fallen, schien verschwunden zu sein. Langsam stand sie auf und ging zu dem schwachen Schein des Lagerfeuers hinüber. Chidori saß mit dem Rücken zu ihr dort und starrte in die Flammen. Ihre Hände waren zu dem Feuer gestreckt, als schien sie sich wärmen zu wollen. Dennoch strahlte sie soviel Kälte aus, dass wohl kein Feuer der Erde ihr in dieser Nacht Wärme spenden konnte. Rijan setzte sich schweigend neben sie und tat es ihr gleich. Die Flammen strahlten eine angenehme Wärme aus und erfüllten sie mit etwas Zuversicht. „Manchmal mitten in der Nacht erwache ich und weiß nicht, wo ich bin. Ich weiß nicht, wann ich bin, ich weiß nur, dass ich allein bin.“ Chidoris Worte brachten die Kälte zurück in Rijans Herz. Sie hatte dieses Gefühl vergessen wollen, doch nun spürte sie es wieder überdeutlich. „Und was tust du dagegen?“ Chidori blickte sie aus den Augenwinkeln an, ehe sie wieder in die tanzenden Flammen blickte. „Früher bin ich in Akikos Schlafzimmer geschlichen und habe seinem Atem gelauscht. Ich nahm seine Hand in meine und fühlte seine Wärme. Das vertrieb die Einsamkeit.“ Kurz schloss Rijan die Augen und lauschte der Stille um sie herum. Sie hörte Chidori neben sich atmen, hörte das Knattern des Holzes, wenn es vom Feuer erfasst wurde und sie nahm Akikos gleichmäßigen Atem wahr. „Früher?“ Sie öffnete die Augen wieder und betrachte Chidoris schönes Profil. Das Feuer warf Schatten auf ihre blasse Haut und ließ sie einen Moment lang sehr unnahbar aussehen. „Hai, früher. Heute ist mein Sohn ein Mann und es steht mir nicht mehr zu, mich ihm derart zu nähern. Nun vergeht diese Einsamkeit nicht mehr.“ „Aber er ist immer noch dein Sohn. Er ist ein Teil von dir.“, widersprach Rijan leise. Chidori lächelte leicht und blickte Rijan nun direkt an. „Richtig, aber er wird sein eigenes Leben führen. Früher oder später wird es soweit sein und es ist besser sich damit bereits heute abzufinden. Irgendwann, Rijan, kannst du der Einsamkeit nicht mehr entrinnen. Sesshoumaru könnte dir das auch bestätigen.“ Rijan schluckte schwer. Seinen Namen zu hören, erinnerte sie daran, warum sie nicht schlafen konnte. „Er hat sich vor langer Zeit für diese Art des Lebens entschieden und er ist stärker als ich es je sein werde. Doch selbst ein so mächtiger und stolzer Dämon wie Sesshoumaru erträgt manchmal die Einsamkeit nicht länger.“ „Das sind die Momente, in denen er zulässt, dass ihn jemand begleitet, richtig?“ Chidori nickte, ihr Lächeln vertiefte sich. Offenbar fand es ihre Zustimmung, dass Rijan so schnell verstand. „Ich habe mich immer gefragt, warum er Jakens und meine Anwesenheit toleriert hat.“ „Einsamkeit, Rijan, das ist die Antwort auf fast alle Fragen. Manchmal macht einen der eigene Herzschlag vollkommen wahnsinnig und man braucht etwas, dass dieses Geräusch übertönt.“ Nun war es an Rijan zu lächeln. Richtig, Jaken und sie hatten es wohl stets verstanden das Geräusch seines Herzschlages zu übertönen. Sie hatten meist ununterbrochen geredet. „Glaubst du es geht ihm gut?“ Ihre Stimme brach leicht, als sie endlich aussprach, was sie bewegte. Eine Weile sagte Chidori dazu nichts, stocherte stattdessen mit einem Ast in den Flammen herum. Der Ast fing Feuer und beide Frauen sahen zu wie er immer weiter abbrannte, bis er beinahe Chidoris Hand verglüht hätte. Sie ließ ihn in letzter Minute fallen und räusperte sich leicht. „Wenn du wissen möchtest, ob er noch lebt, hai, dann ist dies der Fall.“ Ihre Blicke trafen sich. „Aber wenn du mich fragst, ob ihm etwas geschehen ist, dann kann ich dir das nicht beantworten. Du und Akiko, ihr seid es, die das wissen müssten.“ Einen Augenblick lang flackerte in Chidoris Augen etwas auf, dass Rijan berührte. Doch die Augen der Dämonin verschlossen sich gleich wieder. Sie brach den kurzzeitigen Kontakt der beiden Frauen ab. Offenbar hatte sie für heute genug von sich preisgegeben. „Meinst du, wir werden ihn finden?“ „Wenn er gefunden werden möchte …“ Rijan streckte sich müde. „Ich werde mich noch etwas hinlegen.“ Sie stand auf und entfernte sich einige Schritte. Doch dann blieb sie stehen und starrte auf Chidoris Rücken. „Wenn ich dich eines Tages frage, wirst du mir dann deine Geschichte erzählen?“ Chidori verharrte in der Bewegung. Einen Moment lang schien sie zu erstarren, doch der Moment ging vorüber. „Hai, wenn du mich eines Tages fragst, erzähle ich dir die Geschichte von Sesshoumaru und mir.“ Rijan schüttelte leicht ihren Kopf. „Ich möchte deine ganze Geschichte hören.“ Die Schultern der Dämonin bebten leicht, als würde sie ein Lachen unterdrücken. „Meine Geschichte begann mit ihm. Er war dabei als ich geboren wurde.“ Sie hätte es gerne bestritten, aber Chidoris Offenbarung, diese wenigen Worte, die sie sprach, verblüfften Rijan derart, dass sie darauf nichts mehr erwidern konnte. Schweigend ging sie daher zu ihrem Lager zurück und legte sich nieder. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass Chidori ihn bereits ihr ganzes Leben lang kannte. Ein wenig verstand sie nun, von welcher Einsamkeit sie vorhin gesprochen hatte. Akiko blieb abrupt stehen und schloss gequält die Augen. Haltsuchend stützte er sich an einem Baumstamm. Sein Atem kam kurz und gepresst. Er fühlte die Hand seiner Mutter auf seiner Schulter, wusste auch ohne sie anzusehen, dass sie sich Sorgen machte. Barsch unterbrach er den vertrauten Kontakt zwischen ihnen und ging einige Schritte um Abstand zwischen sie beide zu bringen. Er wollte ihr nicht wehtun, sie nicht von sich stoßen. Und doch konnte er manchmal nicht anders. Die meiste Zeit konnte er die Stimmen, Gedanken und Gefühle in seinem Kopf kontrollieren, doch wenn es seinen Vater betraf, schien ihm das nicht immer gelingen zu wollen. Vielleicht lag es daran, dass sie sich ihm näherten. Er wusste es nicht, wusste nicht einmal woher er wusste, wohin er zu gehen hatte. Es war ein Instinkt, nein, mehr als das, es war als würde ihn etwas magisch anziehen. Als könnte er sich dem gar nicht entziehen. Es zog ihn unaufhörlich in eine bestimmte Richtung und rief nach ihm. Es war nicht sein Vater, der diesen Ruf ausstieß, auch das wusste Akiko längst. Er wäre vermutlich das letzte Geschöpf auf dieser Erde, nach dem Sesshoumaru jemals rufen würde. Sein Blick fiel zurück auf das verschlossene Gesicht seiner Mutter. Nein, vielleicht war er doch nicht das letzte Geschöpf dieser Erde. Er seufzte kaum hörbar und blickte betreten zu Boden. Er hasste es, wenn er sie von sich stieß. Wie sollte er ihr aber begreiflich machen, dass nicht er es war, der das tat. Dass es die Gefühle seines Vaters waren, die in ihm Oberhand gewannen und dass er es war, der ihre Anwesenheit nicht ertragen konnte? Wie könnte er ihr das ins Gesicht sagen, auch wenn er annahm, dass sie das wusste. Nein, sie war seine Mutter, sie beide waren eine Familie, er hätte ihr nie mit Absicht weh tun können. „Es ist in Ordnung.“ Überrascht blickte er zu Chidori zurück, doch sie stand an Rijans Seite und schien sich gerade mit ihr zu unterhalten. Sie hatte nicht zu ihm gesprochen. Und dennoch war es die Stimme seiner Mutter gewesen, die in ihm geklungen hatte. Einen flüchtigen Moment lang fragte er sich, wie sie das gemacht hatte, doch dann stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht und er resignierte. Nein, eigentlich wollte er gar nicht wissen, wie sie das getan hatte. Im Grunde wollte er nicht einmal wirklich wissen, welche Macht und Kraft in seiner Mutter schlummerte. Seit Rijan mit ihm gesprochen hatte, beobachtete er seine Mutter genauer. Er konnte Rijans Ansicht nach wie vor nicht teilen. Grundlegend schien sich bei Chidori nichts geändert zu haben und dennoch … Allmählich fing er an Chidoris dämonische Präsenz wahrzunehmen. Lag es daran, dass sie sich auf einem Kriegsmarsch befanden? Oder waren seine Sinne schärfer geworden? Oder lag es womöglich doch daran, dass sich Chidoris Kräfte, ihre Macht oder was auch immer es sonst war, sich anfing zu entfalten. Dass all jenes, was sie Jahrzehnte vielleicht sogar Jahrhunderte lang begraben hatte, nun langsam aus der Erde hervorbrach und im Glanz der Sonne zu erstrahlen begann? „Wir müssen weiter.“, meinte er schließlich leise und setzte sich wieder in Bewegung. Getrieben von dem unbändigen Wunsch ein Ziel erreichen zu wollen, das ihm bisher verborgen geblieben war. „Akiko scheint verwirrt zu sein.“, meinte Rijan leise, während sie mit zügigen Schritten neben Chidori ging. Die Dämonin wirkte dabei wie die Erhabenheit in Person, während Rijan keuchte und sich den Schweiß von der Stirn wischte. Ein unwirscher Blick auf ihre Begleiterin, ließ sie kurz fluchen. Sollte Chidori wissen, warum sie das tat, sagte sie immerhin nichts dazu und allein dafür war Rijan an diesem Tag bereits sehr dankbar. Mit zwei Dämonen unterwegs zu sein, offenbarte Rijan einmal mehr, dass sie als Mensch Grenzen hatte und dass die letzten Wochen, in denen sie ihr Training sträflich vernachlässigt hatte, ihre Grenzen deutlich herab gesetzt hatten. Sie verfluchte sich selbst dafür. Als wäre es nicht schon schlimm genug mit einer Frau konkurrieren zu müssen, die offenbar perfekt war. Nein, Rijan musste es ihr sogar noch leichter machen, indem sie selbst das nicht mehr in die Waagschale werfen konnte, was bisher für sie gesprochen hatte. Chidori hielt einige Äste beiseite, damit Rijan hindurch gehen konnte. „Was auch immer ihn zu unserem Ziel führt, scheint dafür zu sorgen, dass seine Gedanken sich wieder mit denen seiner Vorfahren mischen.“ „Macht dir das keine Sorgen?“ Rijan blickte aus zusammengekniffenen Augen angesprengt in die Schatten, die sie umgaben. Etwas bewegte sich unweit in einem Gebüsch und Rijan nahm automatisch eine Abwehrstellung ein. Doch als sich dann ein Fuchs aus dem Grün quälte, entspannte sie sich wieder etwas. Ihre Sinne waren während ihrer Wanderungen erstaunlich scharf geworden. Sie nahm wieder die einzelnen Geräusche war. Konnte unterscheiden was natürlich war und was durch Fremdeinwirkung hervorgerufen wurde. Ihre Nase unterschied zwischen einfachen Gerüchen, die das Laub um sie herum ausströmte und solchen, die von Menschenhand hinterlassen worden waren. Irgendwo in der Ferne wurde ein Tier gebraten. Sie roch es deutlich und einen Moment lang wurde ihr bewusst, dass sie selbst auch beträchtlichen Hunger hatte. Doch nun war nicht der Zeitpunkt um an solche niedere Triebe zu denken. Essen konnte sie auch später. „Nein, ich vertraue auf Sesshoumaru.“ Rijan nickte nachdenklich. Richtig, sie wusste nicht was geschehen war, aber offenbar war Sesshoumaru über seinen Schatten gesprungen und hatte seinem Sohn geholfen. Es verwunderte sie nicht großartig, dass er dazu in der Lage gewesen war. Noch weniger verwunderte es sie, dass er sich solange damit Zeit gelassen hatte. Lächelnd schüttelte sie ihren Kopf. „Er kann ziemlich stur sein, nicht wahr?“ Chidori lachte leise und Rijan blieb einen Moment lang wie angewurzelt stehen. Der Waffenstillstand zwischen ihnen war angenehm, dennoch war es derartig seltsam Chidori herzlich lachen zu hören, dass es Rijan immer wieder in einen Zustand des Schocks zurückversetzte. Flüchtig erahnte sie, wie Chidori einmal gewesen sein musste. Sie erinnerte sich an das Lagerfeuergespräch neulich Nacht. Sesshoumaru war bereits bei ihrer Geburt anwesend gewesen. Wie lange mochte das her sein? Und waren sie von da an gemeinsam aufgewachsen? Müssten sie dann nicht wie Bruder und Schwester sein? Oder existierten derartige Unterschiede bei Dämonen nicht? Im Grunde wusste sie sehr wenig über Dämonen und deren familiäre Bindungen. „Hai, das kann er.“, bestätigte Chidori nicht ohne einen Anflug Wärme in ihrer sonst so beherrschten Stimme. Einen Moment lang lullte dieser Ton Rijan vollkommen ein und erfüllte sie von ihnen heraus mit Wärme. Sie schüttelte sich leicht um diesen Zustand von Benommenheit wieder loszuwerden. „Was glaubst du wer Akiko führt?“ Sie beide waren sich sicher, dass es nicht Sesshoumaru war. Woher sie diese Gewissheit nahm, wusste Rijan nicht, doch es konnte einfach nicht anders sein. „Ich denke, das werden wir noch früh genug erfahren.“ Wohl wahr. „Stimmt es dich nicht misstrauisch, dass ihn jemand führt?“ Chidori blieb einen Moment lang stehen und sah Rijan mit einer Spur Belustigung an. „Redest du immer so viel?“ Rijan errötete und blickte beschämt zu Boden. „Ähm, ja. Eigentlich schon.“ Ein seltsames Geräusch drang zu ihren Ohren durch. Sie blickte überrascht wieder auf und stellte perplex fest, dass Chidori in schallendes Gelächter ausgebrochen war. Sie lachte, bis ihr Tränen in die Augen traten und sie sich den Bauch halten musste. Dieses einfache Verhalten ließ sie um Jahre jünger erscheinen, als wäre sie gerade mal so alt wie Rijan selbst vielleicht auch und es machte sie attraktiv. Ungemein attraktiv, selbst Rijan musste das in diesem Moment neidlos anerkennen. „Was ist?“, fragte sie verwirrt. Sie konnte sich diesen Anfall nicht erklären. „Nichts.“ „Und warum lachst du dann?“ „Die Vorstellung wie du Jahre lang neben Sesshoumaru marschiert bist und geredet hast ohne Luft zu holen, während er sich ausschwieg, ist einfach zu komisch.“ Rijan wollte etwas sagen, besann sich dann aber doch eines besseren. Einen Moment dachte sie über dieses Bild nach und musste dann selbst lächeln. Wenn man so darüber nachdachte, war es in der Tat sehr komisch. „Nun ja, Gegensätze ziehen sich an.“ Chidori nickte und schaffte es langsam ihr Lachen wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln und setzte ihre Wanderung fort. „War er früher auch so wortkarg, wie er es heute ist?“ Mit einem Mal war es angenehm jemanden zu kennen, der Sesshoumaru schon so viel länger kannte als sie selbst. Es war ihr nun möglich, etwas über diesen Dämon zu erfahren, was ihr nie zuvor jemand hatte sagen können. „Nein.“ Chidori schüttelte ihren Kopf und ihr Lächeln vertiefte sich, als sie sich zu erinnern schien. „Nein, eigentlich nicht. Er war noch nie jemand, der besonders gern unnötige Gespräche geführt hat, aber als er noch jünger war, war er sehr viel redseliger als er das heute ist.“ „Über was hat er damals gesprochen?“ Chidori hielt erneut Zweige beiseite, als Rijan an ihr vorüberging. „Nun, über alles, worüber man eben reden kann. Ich erinnere mich, dass er aber schon immer gerne darüber gesprochen hatte, einmal mächtig und stark zu werden. Das war ihm schon als Junge wichtig gewesen. Er hatte seinen Vater einmal besiegen wollen.“ „Der dann aber bei der Geburt seines Halbbruders gestorben ist.“ „Hai, es war das einzige, was Sesshoumaru jemals wirklich gewollte hatte. Seinem Vater beweisen, dass er ein würdiger Nachfolger dieser starken Familie ist. Dass er in der Lage war das Erbe anzutreten.“ Sie seufzte leise. „Sein Vater und er hatten zum Schluss sehr unterschiedliche Vorstellungen von Stärke. Die Stärke die Inu no taishou sich gewünscht hätte, war Sesshoumaru nie in der Lage gewesen zu erlangen.“ Ihr Blick richtete sich auf ihren eigenen Sohn. „Es scheint Ironie des Schicksals zu sein, dass Akiko wohl all jene Stärke besitzt die Inu no taishou geschätzt hat und das genau das ist, was Sesshoumaru nicht akzeptieren kann.“ Rijan schwieg eine Weile und dachte darüber nach. Das waren neue Dinge, die sie gerade erfuhr. Also war Akiko seinem Großvater sehr ähnlich. Dann schien es kein Wunder zu sein, dass Sesshoumaru mit seinem Sohn nicht wirklich klarkam. „Ich finde das sehr traurig.“ Chidori lächelte leicht, doch dieses Mal war dieses Lächeln voller Trauer. „Da sind wir einmal einer Meinung. Akiko strengt sich genauso vergeblich wie sein Vater einst an, eben jenem zu gefallen. Und mein Sohn wird genauso wenig jemals schaffen, was er erreichen möchte: Die Anerkennung seines Vaters.“ Einen Moment lang legte sich sein Schatten auf die Gesichtszüge der Dämonin, doch genauso gut hätte es nur Einbildung sein können. Manchmal verfluchte Rijan Dämonen dafür, solch perfekte Masken zur Schau stellen zu können. Man sah etwas und war sich doch nie sicher, ob es wirklich so war. „Akiko, warte auf uns.“ Rijan sah ihr dabei zu, wie sie ihrem Sohn nacheilte. Sie folgte den beiden in einigem Abstand. Es waren neue Dinge, die sie in Erfahrung brachte. Ihr wurde erst jetzt bewusst, wie wenig sie eigentlich über die Vergangenheit von Sesshoumaru wusste. Vor einigen Monaten hatte sie sich darüber aufgeregt, dass er nie seinen Sohn erwähnt hatte, nun wurde ihr klar, dass er nie etwas erwähnt hatte, was vielleicht von Bedeutung gewesen war. Was sie aber vielmehr zum Nachdenken brachte, war die Tatsache, dass sie auch nie gefragt hatte. Natürlich wusste sie, dass Sesshoumaru ihr vermutlich sowieso nicht geantwortet hatte, dennoch es war ihr nie in den Sinn gekommen, ihn einmal über seine Kindheit zu befragen. Wie er aufgewachsen war. Die Art, wie er sich heute gab, hatte sie irgendwie vergessen lassen, dass auch Sesshoumaru irgendwann einmal klein gewesen war. Dass auch er vermutlich nicht mit dieser dämonischen Arroganz und Überheblichkeit geboren worden war. Spätestens als sie Akiko kennengelernt hatte, hätte ihr das bewusst werden müssen. Dennoch war dies nicht geschehen. Was also sagte ihr das? Dass sie sich nicht für Sesshoumaru interessierte? Dass es ihr egal war, woher er stammte. Dass die Vergangenheit keine Rolle spielte? Sie schüttelte ihren Kopf, während sie geistesabwesend weiter ging. Keine Rolle? Gerade sie sollte wissen, wie sehr die Vergangenheit einen Menschen prägen konnte. Wie prägend manche Erlebnisse sein konnten. Ihr Blick glitt nachdenklich nach oben und haftete sich auf Akikos Rücken. Majestätisch und erhaben wirkte er, wie er als ihr Führer durch den Wald ging. Zielsicher trugen ihn seine Füße über Gras und Erhebungen hinweg. Als hätte er nie etwas anderes getan. Sie betrachtete sein Haar, das sich seinen Bewegungen anmutig anpasste. Die Eleganz, die er plötzlich ausstrahlte, erinnerte sie schmerzhaft an seinen Vater. Einen Moment lang war sie versucht zu glauben, alles wäre in Ordnung und es wäre Sesshoumaru dem sie folgte. Doch die roten Strähnen, die das silberne Haar durchzogen, erinnerten sie daran, dass dem nicht so war. Schlimmer noch, dass sie nur auf dieser Wanderung waren, weil etwas nicht stimmte. Weil Sesshoumaru sie verlassen hatte und ihm etwas widerfahren sein musste. Einmal mehr sorgte sich Rijan darum, wer Akiko gerade führte. Was wenn es der Feind war? Wenn sie in eine Falle liefen? Die Wahrscheinlichkeit dafür war groß. Sie schloss kurz die Augen und konzentrierte sich auf die Gefühle in ihr. Versuchte ihre eigenen komplett herunterzufahren und nach einem Hinweis auf den Mann, den sie liebte, zu stoßen. Doch nichts ertönte in ihr. Kein Ruf nach ihr, nicht einmal das Gefühl, das er bei ihr war. Er hatte sie verlassen und zwar so unwiderruflich, dass sie es tagein, tagaus fühlte. Sie konzentrierte sich wieder auf den Weg und steigerte ihr Tempo. Und wenn schon. Sie musste nicht fühlen können, dass er bei ihr war. Sie wusste, dass dem so war. Sie hatte ihn schon verstehen können, bevor sie auf eine Art verschmolzen waren, die ihr bis heute noch nicht klar war. Seit sie ein Kind war, hatte sie stets verstanden was er gesagt hatte, ohne jemals ein Wort an sie zu richten. Sie wusste, was er nun zu ihr sagen würde. Es spielte keine Rolle, ob eine Falle auf sie wartete. Man nahm, was man bekam und kümmerte sich um die auftretenden Probleme, wenn es so weit war. Eine andere Möglichkeit hatte man sowieso nicht. Diese Erkenntnis ließ sie lächeln. Richtig, sie hörte ihn das förmlich sagen. Seine Stimme hallte in ihrer Seele nach und ließ sie wieder etwas zur Ruhe kommen. Er hatte nach ihr gerufen. Vielleicht nicht bewusst, vielleicht nicht gewollt, aber ein Teil seiner selbst hatte so unwiderruflich nach ihr verlangt, dass sie nun auf diesem Weg gelandet war. Das war die einfache Wahrheit. Es mochte keine Liebe sein, die ihn an sie band, aber etwas, ein Gefühl, eine Gemeinsamkeit, irgendetwas war es. Und mit dem seltsamen Gefühl von Sicherheit, wurde sich Rijan darüber klar, dass es dieses Mal an ihr war, ihn zu retten. So wie er es schon so viele Male zuvor bei ihr getan hatte, so würde sie dieses eine Mal sich über seinen Willen hinwegsetzen und ihn retten. „Baka!“, murmelte sie, doch das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand nicht mehr. Akiko hielt erneut inne. Es war dunkel geworden und der Wind hatte aufgefrischt. Vereinzelte Regentropfen trafen seine erhitzte Haut. Es war als würde er seinem Ziel sehr nahe sein. Die letzten Meter war er gerannt. Er hatte nicht bewusst sein Tempo gesteigert, doch er hatte es auch nicht verhindern können. Etwas ihn ihm hatte ihn bewogen, sich zu beeilen. Doch ganz plötzlich war der Kontakt, der Drang einen bestimmten Ort zu erreichen, erloschen. Nun stand er auf einer kleinen Anhöhe und blickte verwirrt um sich. Er fühlte nichts mehr. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und seine Lungen verlangten nach Luft. Warum war er hier? Hier war nichts. Er konnte von hier aus sehr weit blicken, doch alles was er erkennen konnte, waren Flüsse, Seen und Wälder. Weite Landschaft rings um sie herum. War er in die Irre geführt worden? Seine Knie gaben nach und er ließ sich schweratmend auf dem Boden nieder. „Geht es dir gut?“ Er blickte zu seiner Mutter empor und nickte. Hai, ihm ging es gut. Er wusste nur nicht, was geschehen war. „Ich fühle nichts mehr.“ Dennoch beunruhigte ihn das nicht so sehr, wie er vermutet hatte. Sein Vater war nicht tot. Diese Gewissheit trug er in sich. Er wollte seine Mutter fragen, was das bedeuten könnte, doch er schwieg als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. Sie stand neben ihm, die Hände zu Fäusten geballt und starrte Richtung Osten. Sie schien etwas zu sehen, was ihm verborgen geblieben war. Mühsam rappelte er sich wieder auf und blickte in die gleiche Richtung. Nach wie vor erkannte er dort nichts, was ihm weiterhelfen konnte. Hinter sich hörte er Rijan den Hügel erklimmen. Sie atmete flach und schien müde zu sein. „Du kennst diesen Ort, richtig?“ Akiko warf Rijan einen erstaunten Blick zu, doch diese starrte auf den kerzengeraden Rücken seiner Mutter. Chidori reagierte nicht, starrte nur in die Dämmerung und ihr Blick begann sich zu verklären. Sie erinnerte sich an etwas. An etwas, dass sehr lange her zu sein schien. „Stimmt das?“ Seine Stimme klang belegt. „Hai.“ Mehr sagte sie nicht. Er konnte förmlich sehen wie sich die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen. Offenbar stellte sie Zusammenhänge her, die ihm nicht bekannt waren. Ohne weiter auf ihre Begleiter zu achten, begann Chidori damit den Hügel wieder hinabzugehen und sich in Richtung Osten zu bewegen. Es schien sie nicht zu kümmern, dass es anfing zu regnen, dass ihr der Wind ins Gesicht peitschte und ihre Gewänder aufblähte. Die Müdigkeit, die ihren Körper ohne Zweifel peinigte, ignorierte sie einfach. Kein Wort kam über ihre Lippen und sie wirkte eine ganze Spur blasser, als noch vor wenigen Augenblicken. „Wir sollten ihr folgen. Ich glaube sie kennt nun den Weg.“ „Und das Ziel.“, ergänzte er an Rijan gewandt. Sie nickte und beide folgten Chidori durch die Dämmerung, die das Land langsam überzog. Chidori wurde schwer ums Herz, während sie automatisch einen Fuß vor den anderen setzte. Sie würden noch die ganze Nacht hindurchmarschieren müssen, ehe sie endlich ihr Ziel erreichten. Doch immerhin wusste sie nun, wohin sie ihr Weg führte. Was das Ende ihrer Reise war. Die Ironie an der Geschichte blieb ihr dabei nicht verborgen. Sie seufzte leise und das Geräusch vermischte sich mit dem Seufzen des Windes und trug ihren Laut hinein in die Dunkelheit, die sie nun umgab. Dunkelheit erfüllte schließlich auch ihr Herz, als sie in weiter Entfernung die mächtigen Mauern des Hauses erblickte, dass ihr nach all den Jahren immer noch so vertraut war, als wäre es erst gestern gewesen. Doch was den Schatten auf ihre Seele legte waren weder die Mauern noch die Erinnerungen, die sie damit verband. Es war die Tatsache, dass in jenem Haus, in dem seit Jahrhunderten niemand mehr wohnte, Fackeln entzündet worden waren, die das Anwesen in ein unwirkliches Licht tauchten. Unbewusst griff sie sich an die Kehle und würgte kurz. Sie hatte es geahnt. Geahnt vom Beginn ihrer Reise an bis zu jenem Moment oben auf dem Hügel, doch es nun zu sehen, war etwas, auf das sie offenbar doch nicht vorbereitet gewesen war. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, eines, das ihre Augen nicht erreichte. „So ist das also!“ Sie unterdrückte den lächerlichen Wunsch lachen zu müssen. Ihr Schicksal … Wer hätte gedacht, dass ihr Schicksal an jenem Ort Erfüllung finden würde, an dem sie einst geboren worden war. Fortsetzung folgt ... Ab nächstes Mal wird dann auch Sess endlich wieder mit von der Partie sein, nach unzähligen Verhandlungen mit diesem Mann und ständigem umschreiben des Skripts konnte er sich wohl nun damit anfreunden und wird uns mit seiner herrlich arroganten Art wieder den letzten Nerv rauben. Nya, eigentlich nicht, im Grunde wird er ziemlich leiden müssen, aber da er mit von der Partie ist, scheint es seinen Zuspruch zu finden. Im Übrigen ... ich denke gerade darüber nach, wenn ich einmal fertig mit der Story bin, eine Art "behind the Scenes" hochzuladen. Diskussionen zwischen Autor und Hauptdarsteller Aber bis dahin ist es ja noch ein gutes Stück. Vorbild dafür ist aber ganz klar meine Yena, die so was in Perfektion kann. ICh hab da schon Tränen gelacht. Okay, das mal wieder von mir. Thanx fürs Lesen und die Geduld. Eure Rogi Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)