Familienbande von Rogue37 ("Geliebter Dämon" geht weiter) ================================================================================ Kapitel 15: Erlösung -------------------- Oh wow, ich erwache gerade aus einem Delirium oder so etwas in der Art. Mich hat es grad mitten in der NAcht aus dem Bett getrieben und euch diesen Part hier zu präsentieren und ich bin eigentlich sehr zufrieden damit. Ich hoffe er findet Anklang. Wir biegen somit tatsächlich auf die Zielgerade ein. Kaum zu fassen, es war auch wirklich eine schwere GEburt, bis ich endlich wieder da angekommen bin, wo ich von ANfang an hinwollte. Okay, ich sag nachher vielleicht noch ein paar Worte. Viel Spaß erst mal beim Lesen: Rijan wurde durch die ersten Sonnenstrahlen geweckt, die zögernd den Weg zu ihrem Bett fanden. Sie kitzelten angenehm auf ihrer Haut und sie öffnete einen Moment später die Augen. Im ersten Moment schmerzte die Helligkeit, die sie plötzlich umgab, doch dann gewöhnte sie sich wieder an den Anblick. Wie lange war es her, dass die Sonne geschienen hatte? Sie war sich nicht sicher, hatte jegliches Zeitgefühl längst verloren. Einen Moment lang war Rijan versucht aufzustehen, frische Luft einzuatmen und die Sonne zu genießen, doch sie entschied sich dagegen. Sie konnte nicht die nötige Kraft aufbringen um wirklich aufzustehen. Sie legte einen Arm über ihre Stirn und starrte an die hölzerne Decke. Etwas war heute anders . Sie konnte es noch nicht einordnen, aber etwas hatte sich definitiv verändert. Eine Weile lag sie schweigend da und versuchte das seltsame Gefühl einzuordnen, einen Sinn dahinter zu verstehen, doch die Sonne stand schon wesentlich höher am Himmel, als es ihr endlich klar wurde. Das Gefühl, das sie versuchte einzuordnen, war nicht da. Sie fühlte überhaupt nichts. Als wäre sie am Abgrund der Welt gestanden, darüber hinausgegangen und hätte festgestellt, dass es danach nichts mehr gab. Das traf am ehesten, was in ihr vorging. Nichts, absolute willkommene Leere. Sie konnte sich nicht einmal mehr darüber Sorgen machen, dass sie nichts mehr fühlte. Auch ein Gefühl der Freude stellte sich nicht ein, dass der Schmerz endlich nachgelassen hatte. Benommen stand sie auf und schritt langsam über den von Sonnenstrahlen erwärmten Boden. Die Welt erschien ihr plötzlich surreal. Als wäre sie nicht wirklich hier. Vor dem Haus hörte sie Vögel zwitschern, sie konnte Bewegung in den Gebüschen vor ihrer Terrasse wahrnehmen. Fasziniert stand sie einen Augenblick lang still und schloss die Augen. Ihre Sinne waren hoch konzentriert. Wann war dies das letzte Mal der Fall gewesen? In letzter Zeit hatte sie derartige viele Stimmungsschwankungen mitgemacht, dass es ihr wie eine Ewigkeit vorkam, seit sie das letzte Mal einfach nur existiert hatte. Ein Rumoren in ihrem Bauch zauberte ihr einen Augenblick lang ein Lächeln auf die Lippen. Sie folgte diesem ursprünglichen Instinkt und verließ ihr Gemach. Als sie durch die dunklen Korridore ging, verspürte sie erstmals keine Bedrohung mehr. Es war dunkel, nicht mehr und nicht weniger. Doch die Dunkelheit konnte sie nicht mehr erschrecken. Sie war dort gewesen, am dunkelsten Ort dieser Erde, tief in ihrer Seele, sie hatte es überlebt, was sollte ihr jetzt noch etwas anhaben können? Mit trägen Bewegungen öffnete sie die schwere Tür und betrat den großen Saal. Essensdüfte strömten ihr zugleich entgegen und ließen ihren Magen noch einmal lautstark zu Wort kommen. Sie ignorierte die auf sie gerichteten Blicke, übersah geflissentlich, dass Chidori und Akiko einen seltsamen Blick austauschten. Sie schwieg und sagte kein Wort. Es war als könnte sie auch überhaupt nicht sprechen. Sie war hier an diesem Ort gemeinsam mit ihr mittlerweile sehr vertrauten Dämonen und doch erschien es ihr nicht, als wären sie wirklich zusammen hier. Langsam setzte sie sich an den Tisch und betrachtete das aufgereihte Essen, das nun vor ihr stand. Die verschiedenen Gerüche verstärkten ihren Appetit, sie versuchte daran zu denken, nicht zu viel und zu schnell zu essen. Ihr Magen war Nahrung nicht mehr wirklich gewohnt, doch dann dachte sie, dass auch Nahrung ihr nichts anhaben konnte. Also schaufelte sie sich den Teller voll und begann ihn langsam zu leeren. Während all der Zeit war sie sich Akikos Blick mehr als bewusst. Irgendwann blickte sie schließlich auf und sah ihm direkt in die Augen. Der Stich, der sonst eingesetzt hatte, blieb dieses Mal aus. Diese goldenen Augen hatten keine Wirkung mehr auf sie. „Das mit dem Messer war nicht wirklich ich.“, sagte sie schließlich und stellte fest, dass ihre eigene Stimme ihr furchtbar fremd vorkam. Akiko runzelte die Stirn und strich sich unbewusst über die Stelle, in die Rijan das Messer gerammt hatte. „Und du meinst, dass hier bist du wirklich?“ Zweifel klangen in seiner Stimme mit. Er blickte hilfesuchend zu seiner Mutter, doch die schien kein großes Interesse an der Szene zu haben. Dennoch nahm Rijan die angespannte Haltung dieser Dämonin wahr. Sie vernahm jedes einzelne gesprochene Wort. „Hai, vor langer Zeit bin ich das einmal gewesen. Ein Fremdkörper in einer mir fremden Welt.“ Richtig, das war es. Es war Monate her, dass sie so gefühlt hatte. Die Ereignisse hatten sich danach ständig überschlagen, aber so hatte sie sich die meiste Zeit ihres Lebens gefühlt. Ausgestoßen vom Rest der Welt. Es gab für sie keinen Ort auf dieser Erde, der ihr real vorkam, solange sie allein war. Auch das hätte sie bekümmern müssen, doch nichts geschah. Sie fühlte wirklich nichts mehr. Sie betrachtete Akiko einen Moment länger, zeichnete seine Gesichtszüge mit den Augen nach, verglich ihn mit seinem Vater und stellte auch dabei fest, dass sie Akiko nun endlich wieder als eigenständigen Dämon betrachten konnte. Er war nicht sein Vater und würde es auch nie sein. Vermutlich war das auch besser. Ein Sesshoumaru reichte für die komplette Menschheit. Es war seltsam seinen Namen in Gedanken auszusprechen, ohne dass eine Reaktion erfolgte. Einen Moment hatte sie mit dem Untergang der Welt gerechnet, doch nichts geschah. Die Welt hörte nicht auf zu existieren, der Himmel brach nicht über ihr zusammen und auch die Sonne lachte auf sie herab. Was hatte sie gedacht, würde passieren? Als ob Sesshoumaru derartig viel Macht besitzen würde. Sie blickte zu Chidori und betrachtete auch sie auf diese neue Art und Weise. Es schmerzte sie nicht länger diese Frau zu betrachten. Es spielte keine Rolle mehr, wie wichtig sie einmal gewesen ist. Wie wichtig sie vielleicht immer noch war. Es hatte keine Bedeutung mehr. Sie lächelte als sich ihre Blicke trafen. Chidori zögerte einen Moment, erwiderte dann aber das Lächeln. Doch Rijan konnte sehen, dass es nicht bis in ihre Augen reichte. In ihren Augen spiegelte sich Trauer wieder. Doch warum trauerte Chidori? Sie hörte, dass Akiko sich langsam erhob und blickte zu ihm zurück. „Du möchtest schon gehen?“, fragte sie und er nickte. „Frauen sind mir einfach zu kompliziert.“, meinte er resigniert und bedachte seine Mutter mit einem skeptischen Blick. Diesmal lächelte sie wieder und von der Trauer war nichts mehr zu sehen. Einen Moment blickten sich Mutter und Sohn in die Augen, ehe Akiko wohl nicht anders konnte, als auf das Lächeln seiner Mutter zu antworten. Kopfschüttelnd, aber mit einem Lächeln, drehte er sich um und verließ den Raum. Rijan blickte ihm nicht nach, sonder widmete sich wieder ihrem Essen. „Eine Wunderheilung, hm?“, fragte Chidori und erhob sich anmutig von ihrem Platz. Rijan nickte, antwortete jedoch nicht, da sie gerade kaute. „Es ist also vorbei. Glaubst du das?“ Erneut nickte sie und sah Chidori fest in die Augen. Offensichtlich war es vorbei. „Nichts mehr zu fühlen, Rijan, ist nie ein gutes Zeichen. Das wird nicht von Dauer sein. Du bist momentan wohl nur zu erschöpft, als dass dein Körper auch nur noch eine weitere Attacke aushalten könnte.“ Chidori zog sich einen Stuhl heran und ließ sich grazil darauf nieder. Rijan fragte sich, wie sie das machte. So einfache Dinge wirkten bei Chidori grundsätzlich majestätisch. Die Dämonin schien etwas von Rijans Gedanken zu erahnen, denn sie lächelte müde. „Einen Moment dachte ich, es wäre dein Verdienst gewesen.“ Erst als sie die Worte aussprach, wurde Rijan klar, dass das der Wahrheit entsprach. Sie wusste, dass Chidori Gedanken beeinflussen konnte. Sie hatte die Erinnerungen ihres Sohnes blockiert. Vielleicht vermochte sie das auch bei Gefühlen. „Ich könnte das nur in Verbindung mit dem Verlust deiner Erinnerungen schaffen. Und eine solche Macht auszuüben steht mir nicht länger zu.“ Nachdenklich nickte Rijan. „Glaubst du, das macht es besser? Sich selbst zu verfluchen?“ Chidoris Blick schweifte ab, sie schien sich an etwas zu erinnern, dass nur ihr vorbehalten war. Dann schüttelte sie ihren Kopf und kehrte ins hier und jetzt zurück. „Es macht es nicht besser und vielleicht auch nicht erträglicher. Aber es war das Einzige, was ich habe tun können.“ Zuerst wollte sie darauf etwas erwidern, doch dann wurde Rijan klar, dass es dazu nichts mehr zu sagen gab. Es war Chidoris Entscheidung gewesen, ihr Weg, wenn man so sagen mochte. Diesen Weg konnte man grundsätzlich nur selbst wählen. Es stand einem anderen nie zu, darüber zu urteilen, ob er richtig oder falsch war. Sie musste selbst wissen, was für sie richtig war. „Dann solltest du mich verstehen. Mein Weg ist weiterzuleben. Ein Tag nach dem anderen bis es endlich vorbei ist.“ Chidoris rote Augen brannten sich in Rijans dunkle Augen hinein. Es erschien Rijan, als könnte Chidori bis auf den Grund ihrer Seele blicken, doch es störte sie nicht. Was sie sagte, war die Wahrheit. Irgendwann zwischen ihren ganzen Zusammenbrüchen, zwischen all dem Schmerz, der Wut, dem Hass, der Verzweiflung, irgendwann heute Nacht in ihren Albträumen hatte sie den Entschluss gefasst, jeden einzelnen Tag ab sofort zu überstehen. Es ging nicht darum wie sie das schaffte oder wie lange sie das schaffte. Sie dachte nicht in Zeiträumen, es war nur einfach immer ein Tag. Mehr lag nicht in ihrer Macht. Akiko ließ sich langsam auf seinem Bett nieder und streckte die müden Glieder von sich. „Das wirkliche Ich.“, spottete er. „Dass ich nicht lache.“ Er hatte Rijans Kummer gesehen. Tagelang hatte er sich dieses Drama in unendlichen Akten ansehen müssen und nicht einen Moment würde er daran glauben, dass sie heute Nacht göttlichen Beistand erhalten hatte, der ihr den richtigen Weg aus diesem Elend zeigte. Er ließ sich zurückfallen und schloss müde die Augen. Wann hatte er das letzte Mal einen erholsamen Schlaf hinter sich gebracht? Er wusste es längst nicht mehr. Ihm schien, als würde er sich den lieben langen Tag nur noch Sorgen machen. Und wenn es keine Sorgen mehr waren, dann waren es Vorwürfe. Und wenn es keine Vorwürfe mehr waren, dann war er zu müde um überhaupt zu denken. Dann legte er sich zur Ruhe, nur um frustriert festzustellen, dass er keine Ruhe finden konnte. Die Tür zu seinem Zimmer wurde leise geöffnet. Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, wer ihm gefolgt war. Er war sich nicht einmal mehr sicher, ob er nicht nach ihr verlangt hatte. Im Grunde machte es sowieso keinen Unterschied mehr. Es war ja nicht so, dass Jamie freiwillig bei ihm war. „Ich werde dir deine Seele wiedergeben.“ Er unterließ es zu erwähnen, dass er sich keineswegs sicher war, ob er das konnte. „Hai, wenn Ihr das möchtet.“, antwortete sie leise und er hörte sie näher kommen. Das Geräusch, das ihre Schuhe verursachten, wenn sie mit dem hölzernen Boden in Berührung kamen, hallte in dem stillen Raum wieder. Im Geiste zählte er ihre Schritte mit. 11 Schritte, es waren immer 11 ihrer Schritte von der Tür bis zu ihm. Niemals 10, niemals 12, immer 11. So war das mit Jamie in jeder Hinsicht. Es würde sich nie etwas ändern. Er seufzte betrübt. „Nein, ich möchte das nicht.“, meinte er und konnte die Wut in seiner Stimme sogar selbst hören. Fünf Schritte ... „Dann lasst es.“ So einfach war ihre Welt. Er liebte die Einfachheit ihrer Welt. Sie war eine verlässliche Größe, wenn alles andere aus den Fugen geriet. „So einfach ist das nicht.“ 11. Er öffnete die Augen und bemerkte den Schatten, den sie auf ihn warf. Er blickte nicht zu ihr, schloss lieber wieder die Augen und konzentrierte sich auf das Gespräch, das er gerade führte. „Die Dinge können ganz einfach sein, wenn man nur möchte.“ Er seufzte. Das waren seine Worte. Er hatte sie das gelehrt. Er hatte sie eigentlich alles gelehrt und so den einzigen Menschen geschaffen, den er in der Lage war zu lieben. Sein Gegenstück. Und doch wusste er, dass sie nicht real war. Ihr Duft stieg ihn ihm die Nase und sein Herz weigerte sich einmal mehr zu akzeptieren, was sein Verstand längst wusste. Sie war real, verdammt. Sie war realer als jeder andere Mensch, den es auf dieser Erde gab. Sie war unschuldig, herrlich unschuldig und sie war ehrlich, ehrlicher als jedes andere Geschöpf auf dieser Welt. Idiot, meinte die zynische Stimme in seinem Inneren, sie weiß nicht einmal was Ehrlichkeit ist. Es trieb ihn zu ihr, so wie es ihn immer zu ihr trieb. Ihre Umarmung war Trost und Heilung zugleich. Er richtete sich auf, rutschte an die Bettkante vor und barg seinen Kopf an ihrer Brust. Automatisch legte sie die Arme um ihn und hielt ihn fest. Verdammt, das hatte er ihr nicht beigebracht. Oder doch? Er wusste es längst nicht mehr. Die Wahrscheinlichkeit war sehr hoch, dass er es doch gewesen war. Niemand außer ihm scherte sich auch nur einen Augenblick um Jamie. Sie war sein Geschöpf. Wie konnte man seinem eigenen Geschöpf so absolut verfallen? Seine Arme schlangen sich fest um sie, nahmen ihr fast die Luft zum Atmen, doch sie machte keine Anstalten vor ihm zurückzuweichen. Kein Wort des Schmerzes. Er hörte es nur an ihrem Atem, der schwerer kam. Dennoch lockerte er seinen Griff nicht. „Ich kann dich nicht verlieren, Jamie. Bei allem was mir heilig ist, ich kann dich einfach nicht verlieren.“, flüsterte er und schloss erneut die Augen. „Ich werde mein Herz verlieren, wenn ich dir deine Seele zurückgebe.“ Und dann schrie er auf, von blindem, unfassbarem Schmerz gepeinigt. Automatisch ließ er von ihr ab, stieß sie von sich und krümmte sich unter unfassbaren Schmerzen zusammen. Er bekam keine Luft mehr. Verdammt, was war los mit ihm? Er riss sich das Hemd vom Körper, in der irrsinnigen Annahme, er würde dadurch besser atmen können, doch es änderte natürlich nichts. Er fluchte, sofern er dazu noch in der Lage war, die Atemnot trieb ihm Tränen in die Augen. Er hatte gesagt er würde sein Herz verlieren, doch im Moment fühlte es sich an, als würde ihm jemand seine Seele mit brachialer Gewalt entreißen. Ihm war als würde sein Körper jeden Augenblick zerbrechen. Akiko schlang panisch die Arme um sich selbst, zog die Beine an und versuchte dadurch verzweifelt seine Seele oder was immer man ihm gerade rauben wollte, zu behalten. Eine neue Schmerzwelle brach über ihm zusammen, raubte ihm fast das Bewusstsein. Und dann als er wirklich aufgeben wollte, als er keine Möglichkeiten mehr hatte sich selbst weiterhin zu schützen, war es vorbei. Stille umgab ihn und er lag vollkommen erschöpft und am ganzen Körper zitternd auf seinem Bett und pumpte soviel Luft in seine Lungen wie er nur konnte. „Akiko-sama.“ Erst jetzt nahm er Jamies Stimme wieder deutlich war. Er hob eine Hand um Jamie zu signalisieren, dass wieder alles in Ordnung war. „Ich muss zu meiner Mutter.“ Die Worte kamen nur stoßweiße aus seiner Kehle. Sein ganzer Körper schmerzte als hätte er gerade einen wirklich Kampf hinter sich. Mühsam richtete er sich auf. Jamie kam an seine Seite und half ihm dabei. „Habe ich dir weh getan?“, fragte er leise, als er sich auf sie stützte um aufzustehen. Sie schüttelte nur ihren Kopf und stützte sein Gewicht so gut sie es zu tun vermochte. Rijan blinzelte verwirrt und wurde sich im nächsten Moment bewusst, dass sie auf dem Boden lag. Ihr Kopf dröhnte und schmerzte, sie musste hart aufgeschlagen sein. Ihr Körper zitterte und ließ sich nicht unter Kontrolle bringen. Besorgte roten Augen starrten auf sie nieder. „Bewege dich nicht.“, ordnete Chidori an und Rijan hätte darüber beinahe gelacht. Nicht, dass sie besonders gerne Befehlen nachkam, aber im Moment hätte sie sich nicht einmal bewegen können, wenn ihr Leben davon abgehangen hätte. Sie schnaufte heftig und starrte benommen an die Decke. Langsam versuchte ihr Verstand sich ein Bild zu machen. Hatte sie das Bewusstsein verloren? Nein, das war es nicht gewesen. Ihr war seltsamerweise bewusst, dass sie nicht in Ohnmacht gefallen war und doch schien sie sich nicht erinnern zu können, was geschehen war. Im einen Moment hatte sie noch auf ihrem Stuhl gesessen, etwas Fisch gegessen und einen Becher Wasser in die Hand genommen und im nächsten war die Hölle über ihr hereingebrochen. Sie hatte mit Chidori über ihren neuen Lebensweg gesprochen. Richtig, dass sie nichts mehr fühlte und endlich wusste, was sie zu tun hatte und welch Ironie des Schicksals: Im nächsten Moment war es mit der Surrealität vorbei gewesen und ein derartig heftiger seelischer Schmerz war über ihr zusammengebrochen, dass sie nicht einmal einen Augenblick Zeit gehabt hatte um sich auf diesen Angriff vorzubereiten. Die Welle war über sie hinweggeschwappt, hatte alle Mauern eingerissen und sie ungeschützt zurückgelassen. Und nun lag sie hier auf dem Boden - zu betäubt um etwas fühlen zu können. So viele Emotionen waren über sie hinweggerollt, dass sie im Moment vollkommen überfordert war. Sie hatte in letzter Zeit viel Schmerz durchlitten und so unerträglich er auch gewesen war, sie hatte ihn gefühlt. Jetzt jedoch war es anders. Sie wusste nicht, was anders war, aber dieses Gefühl, dass sich ihrer bemächtigt hatte, war anders gewesen. Seltsam und kein bisschen vertraut. Und nun war es wieder fort. Oder fühlte sie es nur nicht, weil sie noch unter Schock stand. Rijan fühlte wie Chidori sie sicher umfasste und langsam in eine aufrechte Position zog. „Es geht mir gut.“, meinte Rijan und wurde sich darüber klar, dass dem wirklich so war. Ihr war etwas flau im Magen und ihre Knie zitterten, aber ansonsten schien sie in Ordnung zu sein. Was immer der Anfall gewesen war, er war vorüber. Das seltsame war nur, dass sich ein Teil in ihr an etwas erinnern wollte. Sie wusste nur nicht mehr an was. Das Stirnrunzeln verursachte ihr Kopfschmerzen und so setzte sie sich wieder auf den Stuhl, den Chidori ihr zurechtrückte. Anschließend reichte sie ihr einen Becher mit frischem Wasser. „Es wäre nett, wenn du ihn dieses Mal trinken würdest.“ Hatte sie je zuvor erlebt, dass Chidori einen Anflug von Humor hatte? „Ich bemühe mich.“, meinte Rijan mit unsicherer Stimme und kippte das kühle Nass ihre trockene Kehle hinunter. „Hast du das gemeint, als du sagtest, es wird nur von vorübergehender Dauer sein?“ Sie betastete vorsichtig ihren Hinterkopf und zuckte abrupt zusammen, als sie die schmerzhafte Stelle berührte. Chidori kam nicht dazu auf diese Frage zu antworten. Die Tür wurde aufgestoßen und hereinkam ein deutlich wankender Akiko, der sich stark auf Jamie stützen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Chidori stand mit gerunzelter Stirn da und betrachtete ihren Sohn und dann wieder Rijan. Er also auch? Was hatte das zu bedeuten? Rijan folgte Chidoris Blick und sah Akiko aus großen Augen an. Er erwiderte ihren Blick nicht minder verwirrt. Und plötzlich, als sie in seine goldenen Augen sah, ergab alles einen Sinn und Rijan fuhr wie von der Tarantel gestochen auf, nur um zu merken, dass ihr Kopf diese abrupte Bewegung nicht guthieß. Sie keuchte schmerzhaft, ehe sie sich wieder von Chidori auf ihren Stuhl drücken ließ. „Sesshoumaru.“ Richtig, das war es gewesen, was ihr Verstand ihr hatte sagen wollen. Der Schmerz, der sie überrollt hatte, war nicht ihrer gewesen. Sie hatte nur solange keine Empfindungen mehr von ihm wahrgenommen, dass sie es vergessen hatte. Ein Teil seiner Macht schlummerte in ihr. Sie konnte seine Empfindungen wahrnehmen, wenn sie sich konzentrierte. Sie wusste allerdings nicht, dass sie das auch auf große Entfernungen konnte, denn sie ging nicht davon aus, dass Sesshoumaru noch in der Nähe war. Sie blickte zurück zu Akiko, der sich schwerfällig an die Wand lehnte und versuchte das Zittern seiner Glieder unter Kontrolle zu bringen. Sie konnte sehen wie seine Augen kurzzeitig tiefrot wurden, bemerkte jedoch auch, dass er nun offenbar in der Lage war, diese Verwandlung zu kontrollieren. Ganz so wie sein Vater das konnte. Kurz ließ sie das Lächeln. „Ich hätte wissen sollen, dass es nur Nachteile hat, der Sohn meines Vaters zu sein.“, meinte er schließlich entnervt und blickte zurück zu Rijan. „Erklärst du mir, was das gewesen ist? Du hast es offenbar auch gefühlt.“ Sie nickte, brauchte aber einen Moment, bis sich die Gedanken in ihrem Kopf geordnet hatten. „Ich kann fühlen, was dein Vater fühlt. Ein Teil seiner Seele ging vor einigen Monaten auf mich über, seit dem habe ich diese innere Verbindung zu ihm. Die kann ich allerdings nur wahrnehmen, wenn ich selbst im Einklang mit mir bin. Ansonsten ist alles zu verwirrend.“ Sie schloss kurz die Augen und versuchte sich auf ihn zu konzentrieren, doch nichts geschah. „Es geschah allerdings noch nie, dass mich etwas von ihm so derart überrollt hat.“ Sie schauderte, als sie an die Schmerzen dachte. „Ich dachte jemand entreißt mir meine Seele, bis mir später klar wurde, dass es nicht meine Seele war, die man mir entreißen wollte.“ Ihre Blicke trafen sich und er schluckte schwer. Er hatte keine solche Verbindung zu seinem Vater wie Rijan sie hatte. Daran hatte vermutlich auch die jüngsten Erlebnisse nichts geändert. Und dennoch fiel ihm erst jetzt wieder ein, dass dies nicht der erste solcher Momente war. Als sein Vater hier angekommen war, hatte er gewusst, dass er verletzt war. Akikos Schulter hatte sich irgendwann verfärbt, ohne dass ihm etwas passiert gewesen wäre. Er hatte kurzzeitig einen heftigen Stich verspürt ehe seine Körper dann die Verfärbungen gezeigt hatte. Er hatte nicht genau gewusst, was das bedeuten sollte, klar geworden war es ihm erst, als sein Vater schließlich vor ihm gestanden hatte und er seine Vermutung bestätigt bekam. Durchlitt sein Vater besonders heftige Schmerzen, so fühlte er diese. Manchmal auch mit körperlich sichtbaren Folgen. Es dauerte bis ihm klar wurde, was das bedeutete. „Er steckt in Schwierigkeiten.“, murmelte er und konnte diese Aussage doch nicht ganz begreifen. Er hatte ohne Zweifel gefühlt, dass dem so war, doch erschien es ihm unvorstellbar, dass Sesshoumaru - dieser mächtige und eigensinnige Dämon - auf Hilfe angewiesen sein könnte. Auf seine Hilfe? Was konnte Akiko schon bewirken? Er war soviel schwächer als sein Vater. Und doch, er musste etwas unternehmen. Sesshoumaru war nach wie vor sein Vater. Er konnte doch nicht zulassen, dass ihm etwas passierte? Es musste einen Grund geben, dass er das gefühlt hatte. Eine Gänsehaut überzog ihn, als er an dieses furchtbare Gefühle zurückdachte. Er hatte wirklich geglaubt, jemand würde ihm seine Seele entziehen. Rijan saß schweigend auf ihrem Stuhl und ließ die Worte auf sich wirken. Richtig, Sesshoumaru steckte offenbar in ganz gewaltigen Schwierigkeiten. Wut überfiel sie so unerwartet, dass sie nicht anders konnte, als sie herauszulassen. Sie gab einen wütenden Laut von sich, nahm den Becher, aus dem sie vor kurzem noch getrunken hatte und schleuderte ihn quer durch den Raum. Er fiel mit einem dumpfen Knall auf den Boden. Beinahe hätte sie deswegen lachen müssen. Mein Gott, ihr Körper schien keinerlei Kraft mehr zu haben. „Dieser Mistkerl.“, fluchte sie, doch die Beleidigung klang nicht aufrichtig. Ihre Stimme brach bei den Worten. Akiko bedachte sie mit einem skeptischen Blick und sie seufzte resigniert. „Er hat das gewusst.“, meinte sie schlicht und starrte wieder auf ihre Hände. „Mein Training.“ Akiko schien zu dämmern, was sie hatte sagen wollen. Richtig, wenn sie nicht so abgelenkt gewesen wäre, hätte sie das auch längst wieder gewusst. Sie hatte es gefühlt, dass ihn etwas beunruhigt hatte. Er hatte seinen Sohn unbarmherzig auf einen Kampf vorbereitet. Er hatte Rijan einen neuen Kampfanzug geschenkt. Auch das hatte sie längst wieder vergessen. Sie war damals wütend gewesen, jetzt fiel es ihr wieder ein. Weil er ihr einfach nur zu verstehen gegeben hatte, ein neuer Kampf stand bevor. Einfach so. Ohne weitere erklärende Worte hatte er ihr das durch diese simple Geste mitgeteilt. Verdammt, wie hatte ihr das entfallen können? Er hatte sie neulich Abend verlassen wollen, auch das hatte sie gefühlt und doch wieder vergessen. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass etwas in der Luft lag. Er hatte nach etwas oder jemandem gesucht, auch daran erinnerte sie sich nun wieder. „Chikuso, chikuso, chikuso.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Wie hatte das passieren können? Sie hatte Nebensächlichkeiten so wichtig werden lassen und dabei das Wichtigste außer Acht gelassen. Auf seine ganze eigene Art hatte Sesshoumaru ihr unmissverständlich klar gemacht, dass ein schwerer Kampf bevorstand, vermutlich sogar ein noch schwerer als den, den sie noch nicht all zu lange hinter sich gelassen hatten. Sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. Was in aller Welt konnte noch schlimmer sein, als die komplette Verschwörung der Dämonen und Menschen gegen Sesshoumaru selbst? Während sowohl Akiko als auch Rijan diese Erkenntnisse erlangten und sich in endlosen Flüchen übten, stand Chidori etwas abseits. Sie hatte sich mit jedem gesprochenen Wort etwas weiter zurückgezogen und war über den Schutz, den der Schatten der Wand ihr gewährte, äußerst dankbar. Schweigend stand sie da und betrachtete die beiden jungen Leute, die verschiedener nicht hätten sein können. Der eine ein Dämon, die andere ein Mensch. Mann und Frau, Akiko, der Ältere, vom Verstand her noch so viel jünger, Rijan, die Jüngere, mit Augen die so viel älter waren als sie selbst. Unterschiede, die deutlicher nicht hätten sein können. Rijan war es gewohnt zu kämpfen. Sie strahlte diese Aura aus. Akiko hatte in seinem ganzen Leben noch nie kämpfen müssen um sich selbst zu retten, geschweige denn, dass er jemals einen anderen gerettet hätte. Unterschiede, deutlich sichtbare Unterschiede. Und doch verband sie etwas, das größer war als jeder Unterschied jemals hätte sein können. Sie beide waren die einzigen Wesen auf dieser Erde, die für Sesshoumaru von Wichtigkeit waren. Die einzigen, die ihm so wichtig waren, dass er sie ein Teil seiner selbst fühlen ließ. Chidori lebte bereits zu lange auf dieser Erde und kannte diesen Dämon besser als jedes andere Geschöpf, als dass sie nicht wüsste, dass es kein Zufall oder Schicksal war. Sesshoumaru allein konnte bestimmen, wer in der Lage war ein Teil seiner selbst aufzunehmen. Nein, sie beneidete bestimmt niemanden darum, derartig intensive Gefühle oder Schmerzen eines anderen wahrzunehmen, doch jetzt in diesem Augenblick, während sie die beiden Wesen betrachtete, die beide noch vollkommen mitgenommen waren, empfand sie erstmals ein Gefühl, von dem sie nicht gedacht hätte, dass sie es jemals fühlen würde. Und doch konnte sie den Stich der Eifersucht, der das letzte bisschen ihres Herzens verglühte, deutlich erkennen. Sie hatte schon lange keine Hoffnung mehr. Sie war nicht so vermessen oder so naiv an Vergebung zu denken, doch genau jetzt wurde ihr klar, dass sie verloren hatte. Dass sie für immer verloren hatte. Sie blickte zu ihrem Sohn und kämpfte tapfer gegen ihre eigenen Tränen an. Noch etwas, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Ihre Tränen waren längst versiegt, doch heute würde sie sich ein letztes Mal dieser Schwäche hingeben. Sie würden also kämpfen. Ein müdes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht und erstmals seit vielen, vielen Jahren wurde sie ganz ruhig. Sesshoumaru hatte sie ausgeschlossen, das war nicht neu. Sie hatte es auch nicht anders verdient. Es geschah ihr Recht, dass sie mitansehen musste, wie andere ihm wichtig waren, während er an sie nicht einmal einen Gedanken verschwendete. Doch die Ruhe in ihrem Inneren rührte daher, dass sie von dem Moment an, als er ihr Schlafzimmer betreten hatte, gewusst hatte, dass dies das Ende sein würde. Es hatte gedauert bis ihr das wirklich klar geworden war, doch im Grunde hatte sie es gefühlt, seit sie ihn wiedergesehen hatte. Und vermutlich hatte er das auch gewusst. Dazu hatte sie keine innere Verbindung oder sonst etwas gebraucht. Es war die ihr angeborene Macht, die sie das hatte wissen lassen. Sie war dankbar für den Frieden, der endlich nach all der Zeit in ihr einkehrte. Sie war so unsagbar müde geworden über die Jahre hinweg. Doch nun würde es endlich vorbei sein. Dieser bevorstehende Kampf würde alles ändern. Sie fühlte wie alles in ihr zu Kribbeln begann. Wie die lange unterdrückte Macht zurück an die Oberfläche kam. So viel stärker, als sie damals gewesen war. Damals als Chidori ihre eigene Macht versiegelt hatte. Der Schwur endete hier und heute. Sie ließ das Gefühl über sich hinwegrollen, erfreute sich an dem Kribbeln, dass es verursachte. Sie fühlte sich lebendig. So lebendig wie schon eine Ewigkeit nicht mehr. Sie wandte ihren Blick von Akiko ab und betrachte Rijan einen Augenblick lang. Wer hätte gedacht, dass sie diejenige war, die den Frieden in dieses Haus zurückbrachte? Chidori lächelte flüchtig. Nicht mehr lange und es würde endlich vorbei sein. Das war der Grund, warum sie Rijan ins Leben zurückgeholt hatte. Damit sie endlich den Fluch von ihr nahm. Fortsetzung folgt ... Und? Wie findet ihr die Entwicklung? Würd mich im besonderen Mal interessieren, ob es jemandem bewusst damals aufgefallen ist, dass Akiko eine Verletzung seines Vaters hatte, als sie sich gegenüberstanden? Gott, mir sind die Charas so ans Herz gewachsen. Aber gut, ich lass euch zu Wort kommen. Ich möchte mich auf diesem Wege mal wieder ausdrücklich dafür bedanken, dass ich eine derartig treue Leserschaft habe,die mich auf diesem langen Weg nun schon begleitet und nie die Geduld mit mir verliert. Das ist das tollste Kompliment, dass man mir machen kann. Domo arigato. Ich ziehe den Hut vor euch. Mata ne Rogi Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)