Freundschaft ist... von FlameHashira (Wichtelgeschichte für ChiaraAyumi) ================================================================================ Kapitel 1: ...wenn man sich umeinander kümmert ---------------------------------------------- „Hey Tsukishima!“   „Hmpf.“   „Ich habe Yamaguchi heute noch gar nicht gesehen, wo ist er denn? Kommt er noch zum Training nach?“   „Wieso interessiert dich das, du Winzling?“   „Hmmm“, grummelte Hinata, so als würde er kurz vor der Explosion stehen, was definitiv dem Spitznamen geschuldet war. „Yamaguchi gehört zum Team, deshalb interessiert es mich! Ich bin sicher, alle anderen wüssten auch gerne Bescheid! Außerdem ist er viel freundlicher als du!“   Nichts konnte für ihn gleichgültiger sein als Hinata's Beurteilung darüber, welche Menschen als freundlich galten und welche nicht. Es war nicht so, als würde Kei versuchen, besonders freundlich zu sein – schon gar nicht gegenüber jemandem, der so anstrengend und nervig war, wie Hinata. Ob es überhaupt mal einen Moment geben würde, an dem der Winzling nicht seine Nerven überstrapazierte, mit seiner viel zu lauten Stimme und seiner energischen Liebe zu Volleyball und dem kleinen Titan? Er sollte sich wohl keine Hoffnung machen.   „Was auch immer.“   „Hey! Du hast mir nicht geantwortet!“   Wenn er antworten wollen würde, hätte er es getan. Deshalb ignorierte er Hinata einfach weiterhin, während er die Turnhalle nun endlich richtig betrat. Den Winzling wegzuschieben, war dabei kein Problem. Er versenkte seine Hand in dem nervig-orangenen Haar und schob ihn weg, als würde er eine Fliege verjagen wollen. Was ein passender Vergleich war.   „Wo hast du denn Yamaguchi verloren, Tsukishima? Normalerweise taucht ihr hier immer gemeinsam auf.“   Es war verwunderlich, wie schnell es auffiel, wenn jemand nicht da war. Dabei war Tadashi selbst jetzt noch relativ ruhig – lag es an dessen Aufschlägen, die er mittlerweile so hart trainierte?   Kei hob den Blick, um Sugawara anzusehen, welcher eine neugierige Miene im Gesicht trug und die Tür im Auge behielt, falls Tadashi wohl doch noch auftauchen würde. Hinter ihm erkannte Kei auch wieder dieses nervende, orange Haar.   „Yamaguchi ist krank“, antwortete Kei dennoch langsam. „Er bleibt wohl die restliche Woche zu Hause, um sich zu erholen.“   „Krank!? Wie kann er denn nur krank geworden sein!?“ Hinata drückte sich an Sugawara's Schultern hoch, um über eben jene zu Kei zu sehen.   Es war so lächerlich. „Normale Menschen werden nun mal krank. Es ist nur eine Grippe oder so etwas, also nicht besorgniserregend.“   „Hm“, schnaubte Hinata. „Solltest du nicht besorgter sein als bester Freund?“   „Ich bin mir sicher, dass Yamaguchi eine simple Grippe überleben wird, auch, ohne dass ich besorgt um ihn bin und jetzt lass mich in Ruhe.“   Kei war sich sicher, dass Hinata über die restliche Zeit hinweg weiterhin irgendwelche Sprüche klopfen würde – die vermutlich allesamt keinen Sinn ergeben würden. Vorerst hatte er jedoch seine Ruhe, da sie nun alle da waren und somit das Training starten konnten. Nach einem ausgiebigen Warm-up durchliefen sie das mittlerweile alltägliche Training – das beinhaltete Annahmen, Angriffsübungen und Aufschläge. Anschließend wurden sie wie so oft in zwei Teams eingeteilt und konnten in einem Spiel unter Beweis stellen, ob sich bestimmte Dinge verändert und bestenfalls verbessert haben könnten. Kei's Augenmerk lag hierbei allen voran bei den Blocks. Nachdem diese im Finale gegen die Shiratorizawa so gut funktioniert hatte, war er zuversichtlicher. Dennoch benötigte es noch eine Perfektion, ein Abrunden – um auch starke Bälle aufhalten zu können. Ushijima war ein großer Gegner gewesen, aber bei den Nationalmeisterschaften hatten sie es vermutlich mit weiteren dieser Art zu tun. Einen von unzähligen Schlägen abzublocken, würde da nicht ausreichen!   Auch seine Kondition war in diesem Falle eine Art Problem, aber wer sollte auch schon bei jemandem wie Hinata mithalten können? Wobei Kei wohl zugeben musste, dass auch die meisten anderen in ihrem Team eine bessere Kondition besaßen als er selbst. Sicherlich zurückzuführen darauf, dass er viel mehr Zeit gebraucht hatte, um ein eigenes Ziel für sich zu suchen – den Mut zu besitzen, sich messen zu wollen, weil er gelernt hatte, Volleyball zu mögen.   Dieses Wissen darüber wäre wohl Grund genug, um sein Training darauf zu fixieren. Mittlerweile trainierte er sogar nach dem offiziellen Training mit dem restlichen Team, wenn auch selten so lange wie die meisten. Kei brauchte einfach ausreichend Schlaf und Abstand, selbst wenn er angefangen hatte, diesen Sport nun ernsthaft zu mögen. Heute blieb er jedoch wieder nur so lange, wie das offizielle Training anstand; er hörte sich einen kleinen Vortrag über das richtige Essen an und was sie noch verbessern musste – dann verschwand ihr Coach und ließ sie im Grunde alleine zurück. Das war völlig normal, für sie alle, vor allem auch, dass ein paar Leute die Zeit ausreizten, solange es möglich war. Im Grunde könnten Hinata und Kageyama genauso gut hier in der Halle campieren.   „Tsukishima, willst du etwa schon gehen? Hast du noch etwas vor?“   Kei sah zu ihrem Kapitän hoch, welcher weniger neugierig wirkte, als Sugawara und Hinata. Wobei Sugawara in Hörreichweite stand – man konnte hier definitiv nichts geheim halten.   „Das habe ich“, antwortete er dennoch kurz angebunden. „Ich werde morgen sicherlich wieder länger bleiben können.“   „In Ordnung, dann komm gut nach Hause.“   Kei nickte Sawamura noch einmal zu, er sah keinen Sinn darin, sich bei den anderen zu verabschieden, die bereits mit ihrem Training angefangen hatten – und herumbrüllen wollte er sowieso nicht. Diese Aufgabe erfüllte Hinata zur Genüge, von Tanaka und Nishinoya mal ganz zu schweigen. Also machte er sich lieber still und unbemerkt aus dem Staub und stattete dem Clubraum noch einen kurzen Besuch ab, um sich umzuziehen und bereit für den Heimweg zu machen. Das dauerte alles nicht so lange, vor allem da er nicht auf Tadashi warten musste, welcher immer wieder irgendwelche Sachen an dieser Stelle erzählen würde – die Kei mal mehr und mal weniger interessierten.   Draußen war es bereits recht kühl und als ihm das klar wurde, machte es ihm mal wieder bewusst, wie leicht es an dieser Stelle war krank zu werden. Es war ein Wunder, dass ihr Team bislang verschont geblieben war davon und es hatte sicherlich nicht damit zu tun, dass sie alle gut auf sich selbst achtgaben.   Es musste Glück sein.   Nun hatte Tadashi dieses Glück offensichtlich verloren, doch dafür war die Wahrscheinlichkeit wohl hoch, dass es ihm wieder gut ging, wenn die Nationals anfingen. Ihr Team war nicht so groß aufgestellt, wenn einer von ihnen krank wäre, während dieser wichtigen Phase, dann hätten sie ein kleines Problem. Der Ausfall bestimmter Personen wäre hierbei wohl schlimmer als der andere und auch wenn es seltsam für Kei war, konnte man wohl davon ausgehen, dass sein Ausfall schwerwiegend sein könnte. Glücklicherweise fühlte er sich bislang wirklich so gesund, wie man sich nur fühlen konnte. Dennoch betrat er einen der spätabends noch geöffneten Geschäfte; sein Eintreten wurde durch ein nerviges Ding-Ding angekündigt.   „Wir schließen bald!“, wurde ihm von der Kasse aus zugerufen.   Kei warf einen Blick in die Richtung des demotivierten Erwachsenen und fragte sich, ob er auch in solch einer Position enden würde. Dann ging er einfach weiter in den kleinen Laden hinein und fand sich zwischen Regalen wieder, die nicht ansatzweise höher waren als seine normale Körpergröße. Akribisch scannte er das Angebot ab, um das Richtige finden zu können. Schließlich griff er nach ein paar Crunchy Fries, Instant-Ramen und zuckerhaltiger Limonade. Es war keine gesunde Ernährung, aber darauf gab er gerade keine Acht. Schließlich bezahlte er alles bei dem Mitarbeiter an der Kasse, stopfte es in seine Tasche und verließ den Laden wieder. Dieses Mal machte er sich direkt auf den Weg zur Bushaltestelle. Er lebte nicht weit entfernt von der Karsuno, mit dem Bus sparte er sich jedoch ein wenig Fußweg und damit auch Zeit.   Sein Weg führte ihn jedoch ohnehin nicht zu sich nach Hause, sondern einige Häuser weiter, wenn auch immer noch in derselben Nachbarschaft. Unterwegs hatte er eine kurze Nachricht an seine Mutter verfasst, um sie zu informieren, doch schließlich kam er bei seinem Ziel an und klingelte an der Tür.   „Oh, hallo Kei. Mit dir habe ich heute gar nicht gerechnet.“   „Guten Abend, Yamaguchi-san. Ich wollte Tadashi einen Besuch abstatten“, sein Blick ging über den Mann, welcher ihm die Tür geöffnet hatte – Tadashi's Vater. „Sind Sie auf dem Weg zur Nachtschicht?“   „Das bin ich in der Tat“, stimmte der Mann ihm zu. „Komm rein. Tadashi ist oben im Zimmer.“   Kei zog sich die Schuhe aus, bevor er ins Haus kam. Die Lichter waren alle aus, bis auf jenes im Flur – der Blick zur Treppe war dennoch freigelegt. „Ich gehe nach oben, haben Sie eine gute Schicht“, wünschte Kei noch, während er bereits die ersten Stufen nach oben nahm.   Das Haus war komplett still und es würde ihn nicht verwundern, wenn Tadashi auch tief und fest schlafen würde. Dennoch ging er ganz nach oben und ans Ende des Flurs, wo das Zimmer von Tadashi auf der linken Seite lag. Er war so oft hier und brauchte nicht einmal Licht, um sich zurechtzufinden. Selbst mit der Vermutung, dass Tadashi schlief, klopfte Kei an, statt einfach hereinzugehen. Als er, wie erwartet, keine Antwort erhielt, öffnete er die Tür so leise wie möglich. Das Zimmer von Tadashi war dunkel und stickig, das Licht vom Mond war das Einzige, was ein wenig dabei half, sich zu orientieren. Glücklicherweise war es ordentlich genug, damit er nicht über alles Mögliche stolperte. Kei schloss die Tür hinter sich wieder leise und legte seine Tasche zur Seite ab, ehe er ans Bett herantrat.   Er griff nach dem feuchten Tuch auf der Stirn seines besten Freundes und zog es weg, als er spüren konnte, dass es nicht mehr kühl war. Mit dem Tuch ging Kei ins angrenzende Bad, wo er es unter kaltem Wasser hielt und anschließend auspresste, bevor er damit zurückkehrte. Es war vermutlich das kalte Gefühl, welches dann dazu führte, dass ein Zucken durch Tadashi's Körper ging und sich dessen Gesicht verzog. Danach öffneten sich die Augen langsam und auch nur gerade so, dass er sehen konnte, was vor sich ging.   „...Tsukki?“   Kei legte das feuchte Tuch wieder ordentlich auf die Stirn seines Freundes: „Ich bin es wirklich.“   Tadashi wirkte dadurch nur noch verwirrter: „Ich habe dich gar nicht erwartet.“   „Ich hatte auch nicht direkt vor, herzukommen“, erwiderte Kei. „Aber ich wollte sehen, wie es dir geht.“   „Ganz egal, wie viel wir trainiert haben; es ging mir immer tausendmal besser als jetzt“, antwortete Tadashi halb im Scherz. „Du hättest aber nicht vorbeikommen müssen.“   „Unsinn, wir wohnen doch sowieso nicht weit voneinander entfernt. Es ist nur ein Katzensprung. Hast du heute schon was gegessen?“   „Nur etwas Misosuppe, die noch übrig war.“   „Soll ich dir Ramen warm machen?“, bot Kei sogleich an. „Ich kann dir sicherlich auch etwas Tee kochen, wenn du magst.“   Da er der Jüngste in seiner Familie war, war Kei es gewohnt, umsorgt zu werden – dadurch hatte er aber sich aber auch abgucken können, was es brauchte, wenn man krank war.   „Ja … das wäre schön, danke Tsukki.“   Kei ließ seine Tasche stehen und kramte nur die Instant Ramen hervor; im gleichen Zug holte er die Crunchy Fries hervor und stellte sie auf den Nachttischschrank von Tadashi. Auch wenn es diesem noch nicht gut genug zu gehen schien, hätte er sie bereitstehen und würde sich sicherlich daran erfreuen, etwas anderes essen zu können, als Suppe. Sobald er aber hatte, was er brauchte, ging er wieder nach unten, um in der Küche die Instant-Ramen fertigzustellen. Den Tee kochte er nebenbei auf – das alles dauerte nicht viel Zeit und so machte er sich schon bald wieder auf den Weg nach oben. Tadashi hatte seine Nachttischlampe eingeschaltet, wodurch es in seinem Zimmer heller war. Ebenso hatte er sich etwas hochgesetzt, damit er vermutlich auch gleich essen konnte.   „Hier ist alles“, kündigte Kei an. Den Tee stellte er auf dem Tisch ab, die Ramen reichte er direkt an Tadashi weiter. „Brauchst du sonst noch etwas?“   Kei war sich durchaus darüber bewusst, keinen sehr fürsorglichen oder besorgten Eindruck zu hinterlassen – das hob er sich für Personen auf, die er eben mochte. Tadashi gehörte dazu, deshalb kümmerte er sich um diesen auch.   „Nein, ich bin rundum zufrieden“, antwortete Tadashi mit etwas rauer Stimme, die wohl davon zeugte, wie wenig er sprach, wenn er krank war. „Vielleicht solltest du jetzt aber gehen, nicht dass du dich noch ansteckst.“   „Selbst wenn, bis zu den Nationals haben wir noch ein paar Wochen. Lieber werde ich jetzt krank wie du als später, wenn es darauf ankommt.“ Und auch wenn Kei mittlerweile motivierter war, so hatte er definitiv auch nichts gegen eine kleine Pause vor Volleyball.   „Wenn das so ist …“, Tadashi neigte ein wenig den Kopf. „Wollen wir uns einen Film ansehen?“   Sicherlich war es komplett bescheuert, sich neben eine kranke Person ins Bett zu setzen und einen Film so dicht beieinander zu schauen, aber wie Kei bereits gesagt hatte – lieber er wurde jetzt krank, als später noch.   „Warum nicht“, zuckte er daher mit den Schultern.   Kei griff nach Tadashi's Laptop, der auf dessen chaotischen Schreibtisch lag und kam mit diesem zu seinem besten Freund ins Bett, welcher vorsichtig Platz für ihn machte. Er machte das Licht aus, während Tadashi nach einem geeigneten Film auf Netflix Ausschau hielt und sich dann für Jurassic Park entschied. Ein großartiger Klassiker, welchen Kei mehr genoss, einfach weil Tadashi einschlief; kaum hatte er seine Ramen aufgegessen und vielleicht zwei Schlücke Tee getrunken. Kei machte sich noch eben die Mühe, seiner Mutter zu schreiben, dass er bei Tadashi übernachten würde; dann konzentrierte er sich, im Bett eingesunken, mehr auf den Film. Kapitel 2: ...wenn du dein letztes Geld teilst ---------------------------------------------- „Hinata! Du Idiot!“   „Fass dir selber an die Nase! Ich bin doch nur dir hinterhergelaufen!“   „Warum läufst du mir überhaupt hinterher?!“   „Na . . . Ich dachte wir machen ein Wettrennen!“   „Du verdammter Idi-“   MIIIIIIIEP   „Runter von der Straße!“ - „Was macht ihr Idioten denn da?!“ - „Haut gefälligst ab!“   „Iiiek!“ Shoyo zuckte zusammen, sein ganzer Körper geriet unter Anspannung und er starrte mit aufgerissenen Augen zu den Autos. Köpfe verschiedener, unbekannter Personen streckten sich aus ihren Fenstern und winkten wild, während sie böse zu ihnen starrten. „Uhh!“   Das waren aber ganz schön fiese Blicke!   „Komm schon!“   „Uuurgh!“, würgte Shoyo, als Tobio ihn am Kragen packte und mit sich zog. Runter von der Straße, welche sie bisher erfolgreich versperrt hatten. Sie sollten wohl froh darüber sein, dass niemand einfach weitergefahren war. Dennoch begann er nun nach Tobio's Hände zu schlagen, die ihn festhielten, sobald sie auf der anderen Straßenseite angekommen war. „Hör auf so an mir herumzuziehen!“   „Ich habe nur dafür gesorgt, dass du nicht niedergefahren wirst, du Idiot!“   „Ich kann mich wundervoll alleine bewegen!“ Shoyo blies seine Wangen auf, aber nicht für lange. Irritiert begann er sich umzusehen. „Also, wo sind wir hier?“   In Miyagi würde es genügen, einen Blick um sich herumzuwerfen und nach einem Straßenschild Ausschau zu halten. Selbst wenn sie die Gegend nicht direkt kennen würden, würden sie dadurch auf eine richtige Fährte kommen, wo sie sich in etwa befanden und hinbewegen müssten, um an einen bekannteren Ort zu kommen. Tokio hingegen war eine gigantische Stadt! Sich hier zu verlaufen, war auch ohne ihre völlige Orientierungslosigkeit ziemlich einfach.   „Ich... Habe absolut keine Ahnung!“, gab Tobio verbissen zu, verzog das Gesicht unzufrieden.   „Na toll – und was machen wir jetzt? Wir scheinen ja von dort gekommen sein, lass uns doch einfach zurücklaufen!“   „Und was hast du auf der anderen Straßenseite vor? Dort führt der Weg immer noch in verschiedene Richtungen!“   Shoyo spitzte nachdenklich die Lippen, drehte sich um und betrachtete die andere Straßenseite, nur um festzustellen, dass Tobio komplett richtig lag! Dort drüben würden sie wohl auch nicht den Rückweg finden. „Dann... Lass uns einfach Daichi anrufen! Ich bin sicher, er wird uns weiterhelfen können! Dort drüben ist ein Straßenschild, dass werden wir ihm sagen und schon werden wir wieder im Motel sein!“ Triumphierend bedachte er Tobio mit seinem Blick, selbst dieser könnte doch nichts gegen seinen Plan sagen, oder!? Shoyo war von seiner Idee komplett überzeugt.   „Hmpf…pfff...“, grummelte Tobio, während er das Gesicht verzog, als hätte er etwas Schlechtes gegessen. „Fein! Dann ruf ihn doch an!“   Shoyo blinzelte irritiert: „Ich? Aber ich habe mein Handy nicht bei mir!“   „Wieso läufst du mir hinterher, ohne ein Handy bei dir zu haben!? Du bist so ein Idiot!“   „Aaaargh! Hör auf mich andauernd einen 'Idioten' zu nennen! Ich reagiere einfach instinktiv, wenn du anfängst zu rennen!“   Für Shoyo war es ganz normal, dies als eine Art Herausforderung anzusehen. Es schalteten sich ganz automatisch jegliche Gehirnzellen bei ihm aus, welche für ein rationales Denken zuständig waren.   „Schön, dann rufe ich ihn eben an“, schnaubte Tobio nun. Zumindest war er schlau genug gewesen, sein Handy bei sich zu tragen – wenn auch vor allem deshalb, weil er hatte Musik hören wollen. Ein schreiender Shoyo war jedoch Grund genug dafür gewesen, ebenfalls einfach schreiend zu rennen und sich nicht weiter um Musik zu kümmern. Tobio zog sein Handy hervor und löste den Bluetooth, damit er anschließend die Handynummer von Daichi heraussuchen konnte. Sobald er sie unter seinen überschaubaren Kontakten gefunden hatte, tippte er auch direkt darauf und hielt sich das Handy ans Ohr. Er würde es niemals laut aussprechen, aber die Idee war wohl gut. Zumindest war sie besser, als nur hier herumzustehen und nichts zu tun!   „Kageyama?“   Tobio zuckte zusammen und stellte sich aufrecht hin, als würde Daichi direkt vor ihm stehen, dabei klang dessen Stimme nicht einmal streng – sie war eher verwirrt.   „Sawamura“, erwiderte er, sein Blick glitt dabei zu Shoyo, welcher ihm anstrahlte und fast ermutigend zunickte. Lächerlich. „Wir haben ein kleines Problem.“   „Wer ist denn wir?“   Tobio war sich sicher, dass Daichi das schon wissen musste, dennoch antwortete er bereitwillig: „Hinata und ich.“   „In Ordnung, mit wem hat er sich dieses Mal angelegt?“   Etwas Verwirrung überkam ihn, ehe er an all die Momente zurückdachte, in denen sich Shoyo wohl mit jemand anderem angelegt hatte. Wobei er größtenteils nur Ushijima im Kopf hatte, jedoch könnte man wohl sagen das sich Shoyo auch mit Oikawa angelegt hatte, mit der Johzenji vielleicht . . . Nun, es könnte sein, dass die Liste noch länger war und Tobio nichts davon wusste, anders als Daichi.   „Mit Niemandem“, antwortete Tobio – obwohl man sagen könnte, dass Shoyo sich mit ihm angelegt hatte. Immerhin waren sie im Grunde nur deshalb in dieser Situation. „Wir haben uns verlaufen.“   „Was heißt hier verlaufen?“ Jetzt klang Daichi schon einen Hauch verärgert, vielleicht genervt? „Du wolltest joggen gehen und hast versprochen nur, um das Motel zu rennen.“   „Das war auch mein Plan.“   „Und dann?“   „Dann ist mir Hinata schreiend hinterhergerannt. Also bin ich schreiend weitergerannt und nun sind wir irgendwo in Tokio.“   Tobio hörte, wie Daichi tief durchatmete und in etwa wiederholte, was er gerade gehört hatte. Dann gab es Gelächter – war das Sugawara? Bevor er weiter darüber sinnieren könnte, wer da noch lachte, kam Daichi scheinbar wieder darauf zurück, sich um sie kümmern zu wollen.   „Könnt ihr ungefähr ausmachen, wo ihr seid? Irgendein Straßenschild oder dergleichen?“   „Uhm“, Tobio sah sich um, dass hatte er vorher ja auch schon getan. Glücklicherweise schien es fast so, als gäbe es in Tokio keinen Ort, ohne Straßenschilder. „Hier ist was, 3-Chome-15-12 Sendagaya“, las er so deutlich wie möglich vor, damit Daichi das vielleicht notieren oder sich merken konnte. Nach einer kleinen Drehung, die ein unglaublicher Geruch beeinflusst hatte, fügte er noch etwas hinzu: „Wir stehen vor einem Lokal. Das Lukla Village.“   „In Ordnung, ich habe es mir aufgeschrieben. Wir werden zu Ukai gehen und ihm Bescheid geben“, antwortete Daichi nachdem er eine kurze Pause gebraucht hatte, um wirklich alles aufzuschreiben. „Ihr bleibt gefälligst, wo ihr seid! Und lass dein Handy auf laut, ich rufe dich gleich nochmal an! Wehe, ihr stellt irgendeinen Unsinn an, verstanden?“   Da war wieder dieser leicht bedrohliche Unterton, den selbst Tobio erkennen konnte.   „Verstanden!“   Sobald er das gesagt hatte, hörte er das Piepen, weil Daichi aufgelegt hatte. Tobio versicherte sich nochmal, ob sein Handy auf laut gestellt war, bevor er es zurück in die Tasche seiner Sportjacke schob, ehe er den Reißverschluss auch nochmal zuzog. Daraufhin traf er dann auf fragende braune Augen, die zu Shoyo gehörten.   „Sie reden mit Ukai und melden sich dann. Wir sollen hier warten.“   Und auch wenn sie beide nicht gerade gut darin waren, auf solche Anweisungen zu hören, wussten sie es dieses Mal besser. Mit ihrem Orientierungsinstinkt würden sie niemals heil im Motel ankommen, weil sie nicht einmal wüssten, wo sie langgehen sollten.   „Oh man“, jammerte Shoyo plötzlich wieder. Er drückte seine Hände gegen seinen Bauch und verzog das Gesicht, so dass er aussah, als hätte er Magenprobleme.   Was kein schöner Anblick war.   „Was? Musst du scheißen?“   „Sei nicht so vulgär!“, pflaumte Shoyo ihn sofort an. „Und nein! Muss ich nicht! Ich habe einfach unglaublich großen Hunger!“   „Wieso das denn auf einmal?“   „Na, dass Rumgerenne und jetzt diese Warterei . . .“   „Wir stehen hier noch keine fünf Minuten!“ Tobio fragte sich wirklich, wie er es dauerhaft mit diesem Kurzstreckengrübler aushielt. „Wir stehen vor einem Lokal, sicherlich gibt es dort was zum Mitnehmen. Also hol dir doch was.“   „Glaubst du ernsthaft, ich habe Geld bei mir, wenn ich schon nicht mein Handy mit mir trage?“   Das war ein guter Einwand. „Nein, weil du ein absoluter Idiot bist!“   Ehe Shoyo etwas darauf erwidern könnte – was er definitiv getan hätte – spürte Tobio eine Vibration von seiner Jackentasche kommen und die klaren Geräusche seines Klingeltons. Schnell zog er den Reißverschluss auf und drückte auf sein Handy herum, ohne einen Blick darauf zu werden.   „Hallo?“, fragte er sofort.   „Kageyama. Ukai macht sich auf den Weg, um euch abzuholen. Bewegt euch also ja nicht von der Stelle!“, hörte er den Befehl von Daichi sofort. „Er sagt, es wird ein wenig dauern, aber wenn ihr nicht vor Ort seid, wenn er auftaucht, verbringt ihr die Nacht auf der Straße!“   Tobio verzog minimal das Gesicht, als er diese Drohung vernahm. „Wir haben verstanden“, antwortete er sofort folgsam.   Dann wurde auch schon erneut aufgelegt, wogegen er aber nicht einmal etwas hatte. Daichi war offensichtlich nicht sonderlich glücklich über diese Situation – dabei hätte es wohl durchaus schlimmer kommen können? Tobio schob sein Handy wieder zurück in seine Jackentasche, ehe er wieder zu Shoyo blickte, welcher immer noch das Gesicht ganz kläglich verzog und innerlich zu sterben schien. Er verdrehte die Augen, fragte sich wirklich, wieso er mit diesem Knirps in einem Team war und kramte dann in seiner zweiten Jackentasche herum.   „Ein wenig Geld habe ich bei mir“, meinte Tobio schließlich, während er alles herausholte, was sich in seiner Tasche angesammelt hatte. „Vielleicht kriegen wir ja was dafür dort im Lokal.“   „W-wirklich?“, fiepste Shoyo; seine Augen wurden riesig groß und sahen ihn hoffnungsvoll und fast schon emotional berührt an. „Du bist der Beste, Kageyama!“   „Jaja“, versuchte er das direkt abzuwimmeln und drückte das Geld an Shoyo heran. „Geh rein und schau einfach. Ich warte hier, nicht, dass Ukai auftaucht und uns nicht sieht.“   Vielleicht wollte er auch einfach nicht mit Shoyo hineingehen, sonst bekäme er auch nur mächtigen Hunger. Glücklicherweise strahlte der kleine Mittelblocker nur über das Gesicht, nahm alles an Geld, welches Tobio ihm entgegenstreckte und betrat dann hüpfend das kleine Lokal hinter ihnen. Kopfschüttelnd sah er dem Kleineren kurz nach, ehe er sich darauf konzentrierte, ihre Umgebung nach dem bekannten Blondschopf ihres Coachs abzuscannen. Lange blieb er nicht alleine – allerdings nur weil Shoyo auftauchte, nicht wegen Ukai.   „Hier Kageyama! Ich habe dir auch ein Nikuman mitgebracht!“, grinste Shoyo ihm entgegen, während er die angesprochene Teigtasche ihm entgegenhielt. „Ich habe extra eines mit Curry für dich bestellt, ich weiß ja, dass du die am liebsten hast.“   Tobio nahm das Nikuman entgegen, ehe er Shoyo mit erhobener Augenbraue ansah: „Du tust gerade so, als hättest du es bezahlt, aber das war mein Geld.“   „Das weiß ich doch! Aber ich habe trotzdem an dich gedacht!“   „Du hast dich doch nur schlecht gefühlt, aber mein Geld auszugeben, was ich dir gegeben habe, damit du mir nicht nervend in den Ohren liegst, war doch eine dämliche Idee!“   „Kannst du auch was anderes als zu nörgeln? Jetzt iss das Ding!“   „Du bist ein Idiot, Hinata!“, meinte Tobio nochmal zur Verdeutlichung seiner vorangegangenen Worte, dennoch biss er schließlich in sein Nikuman hinein. Glücklicherweise schmeckte es großartig, auch wenn es nicht an denen herankam, die Ukai in seinem Laden verkaufte.   Auch wenn sie im Normalfall immer laut waren, egal wann oder wo, so gab es einen Moment, wo sie auf etwas anderes fixiert waren. Essen. Also standen sie ruhig beieinander, während sie ihre Nikuman verspeisten, auch wenn sie dabei aussahen wie ein paar Hamster – anstatt diese ruhig zu essen, wurde es mal wieder zu einer Art Wettkampf. Tobio stopfte so viel wie möglich in sich hinein, während er zusah, dass Shoyo genau dasselbe versuchte. Er kaute so schnell und stark wie es ihm möglich war, um schneller alles herunterschlucken zu können, als Shoyo und-   „Ha! Gewonnen!“, rief Shoyo begeistert aus, seine Stimme etwas kratzig davon, wie schnell er alles heruntergeschlungen haben musste. Er verzog das Gesicht ein wenig, kurz nachdem er so herumgebrüllt hatte, und wischte sich über den Mund.   Tobio knurrte ein wenig, nachdem er nun auch fast an seinem Nikuman erstickt war. „Das war nur Glück! Nächstes Mal gewinne ich wieder!“   „Haha! Träum weiter, Schlappiyama!“   „Sag das nochmal und ich hau’ dir eine runter, du Idiot!“   „Heeeeey! Warum schafft ihr es nicht, friedlich und ruhig beieinander zu sein!?“   „Oh, Ukai!“ - „Sie waren ja ganz schön schnell, Ukai!“   „Natürlich, euch kann man ja nicht zu lange aus den Augen lassen. Los jetzt“, ihr Coach nickte in die Richtung, aus welcher er gekommen war. „Zurück zum Motel und dann könnt ihr euch erstmal eine Predigt von mir anhören!“   „Hmpf“, machte Tobio, unisono mit Shoyo neben sich. Vermutlich teilten sie auch denselben Gedankengang; nicht nur von Ihnen, Coach Ukai. Kapitel 3: ...wenn du Tränen beim Abschied hast ----------------------------------------------- Wenn es jemand wagen würde, ihn emotional zu nennen, dann würde Hajime definitiv ablehnen. Innerlich, nur für sich und niemand anderem, konnte er sich aber eingestehen, durchaus emotional werden zu können. Nicht diese Emotionen während eines heftigen Spiels oder nach einem anstrengenden Sieg oder einer verzweifelten Niederlage. Wer wurde bei so etwas nicht ansatzweise emotional?! Er dachte eher an andere Sachen – vor allem alles, was mit Freundschaften zu tun hatte, mit schweren Entscheidungen und vielleicht dem einen oder anderen Film. Trotz allem war er definitiv nicht ansatzweise so emotional wie sein bester Freund.   Hajime drückte seine Emotionen meistens verbunden mit Wut aus, das machte es ihm einfacher, seine Sorgen anzusprechen oder ähnliche Gefühlslagen und Gedanken. Auch wenn Tooru ihn hin und wieder in den Wahnsinn trieb, war dieser wohl die eine Person, welche er seiner Emotionen recht leicht offenlegen konnte. Mit dem einen oder anderen Schlag vorher. Dennoch lag ihm Tooru durchaus am Herzen; sie hatten schließlich ihre gesamte Kindheit und Jugend miteinander verbracht, ganz egal wie leicht oder schwer es mal geworden war.   Nun hatten sie ihren Abschluss an der Johsai über sich gebracht und schon weitaus vorher hatten sie gewusst, dass sich ihre Wege trennen würden. Schon allein wenn er daran dachte, fühlte sich sein Herz ein wenig schwerer an. Selbst wenn Hajime gerne über diesen Idioten meckerte und sich aufgeregt – er bezweifelte jemals eine ähnliche Freundschaft zu jemand anderen aufbauen zu können, wie das was sie hatten. Hajime würde nach Tokio gehen und dort studieren – aber Tooru würde bald in ein Flugzeug steigen und über 20 Stunden fliegen, um nach Argentinien zu kommen. Sie wären also bald mehr als 17.000 Kilometer voneinander entfernt!   Es würde keine spontanen Übernachtungen oder Besuche geben. Sie könnten nicht mehr gemeinsam zur Schule laufen und natürlich gäbe es auch kein gemeinsames Training. Es gäbe einfach nichts mehr gemeinsam. Zumindest nicht so, wie sie es bislang gewohnt waren. Natürlich hatte Hajime seinem besten Freund Mut gemacht, als dieses Angebot gekommen war und auch jetzt noch hielt er es für eine großartige Chance, welche Tooru definitiv ergreifen sollte. Sich nicht mehr täglich sehen zu können, war der wohl größte Minuspunkt – aber sie würden es ertragen. Hajime hatte sich extra mit Tooru hingesetzt, um ihre Laptops darauf vorzubereiten, dass sie zukünftig wohl über einer Webcam miteinander reden und sich sehen würden. Glücklicherweise könnten sie auch immer miteinander telefonieren und es gab auch nach wie vor die Gelegenheit, einander zu schreiben. Schon jetzt hatte Tooru ihn für die nächsten Semesterferien zu sich eingeladen – insofern es einen bezahlbaren Flug gäbe – und auch Tooru würde definitiv mal wieder zu Besuch nach Japan kommen.   Ihre Freundschaft würde sich verändern, es gäbe sicherlich ein paar Schwierigkeiten, aber Hajime glaubte fest daran, dass sie auch das gemeinsam bewältigen könnten!   Nun war nicht mehr viel Zeit, knapp eine Woche und dann wäre Tooru auf und davon. Vorher half er ihm dabei, sein Zimmer in Tokio einzurichten und sie würden diese Tage auch gemeinsam in der Großstadt verbringen – das war auch einer der Gründe dafür, weshalb er mit seinem Abschiedsgeschenk heute noch fertig werden musste. Immerhin würde Tooru ihn die nächsten Tage wirklich keine Zeit oder Ruhe lassen. Das Geschenk sollte auch eine Überraschung werden, also war es unvermeidlich, dieses fertigzustellen, bevor sich Tooru an ihn klammern würde, als wären sie siamesische Zwillinge.   Hajime würde sich nicht unbedingt als unfassbar kreativ bezeichnen, aber er empfand seine Arbeit bereits als außergewöhnlich gut!   Hoch konzentriert drückte er sich die Zunge im Inneren gegen die Wange, während er den Klebestift möglichst gerade über die Ränder des Fotos zog. Er stellte den Klebestift weg – weit weg genug, um nicht versehentlich mit den Ellbogen daran zu kommen, was bereits viel zu oft vorgekommen war, aber auch nicht zu weit weg. Er schob das Foto über den Rand des Tisches, um es mit den Fingerkuppen anheben zu können, damit er es wenden und anschließend auf die vorgemerkte Stelle ablegen und andrücken konnte.   Glücklicherweise hatte Hajime kein Problem damit seine vorgenommenen Aufgaben dann zu erledigen, wie er es wollte. Dadurch war er bereits sehr weit mit seinem kleinen Projekt und gerade dabei einige Fotos aus ihrer Jugend aufzukleben.   Ein Fotobuch.   Es mochte ein Geschenk sein, auf welche jede Person kommen würde, dadurch wurde es aber sicherlich kein schlechtes Geschenk. Es gab natürlich haufenweise Fotos von ihnen, die meisten waren jedoch digital und wurden schnell früher oder später vergessen. Deshalb empfand er ein Fotobuch als wirklich perfekt. Tooru könnte es sich jederzeit ansehen und auch so in seiner Wohnung hinstellen. Um an Fotos von ihnen zu kommen, hatte er sich hier und da mit Leuten kurzschließen müssen. Hajime war definitiv kein Fan davon, haufenweise Fotos zu machen – das war eher Tooru's Aufgabe innerhalb ihrer Freundschaft. Tooru zu fragen wäre aber wohl das Auffälligste überhaupt und der Kerl war zu neugierig für sein eigenes Wohl – daher fiel das weg.   Er hatte an Tooru's ältere Schwester herantreten müssen, um an zumindest einige Fotos zu kommen, die sich auf Tooru's Handy versteckten. Laut dieser war das kein einfaches Unterfangen gewesen. Die heutige Jugend lässt ihr Handy ja gar nicht mehr aus den Augen! Hajime verdrehte die Augen, als ob Tooru sinnbildlich für alle jungen Leute stand.   Mattsun und Makki hatten ihm mit weiteren Bildern ausgeholfen; auch ihre Trainer hatte Hajime anschließend nach Fotos gefragt und weitere entnahm Hajime dem Social Media-Profil von Tooru, welches eindeutig zu viele Selfies besaß. Er hatte alle Bilder professionell ausdrucken lassen – immerhin sollten sie eine gute Qualität haben und das war echt teuer gewesen. Glücklicherweise würde er im Studentenwohnheim unterkommen, also brauchte er nicht viel Zeug neu zu kaufen und er hatte sein Erspartes zum Teil für dieses Geschenk ausgeben können. Vermutlich hätte er auf wirklich alles verzichtet, um dennoch das Geld für diese Sache auszugeben; selbst wenn das nicht sonderlich rational war.   Wie gesagt – er war emotional. Emotionaler, als man ihm vermutlich zutrauen würde.   Deshalb saß er auch mitten in der Nacht immer noch an diesem Fotoalbum, obwohl er wusste, dass Tooru mit ihm joggen gehen wollte, sobald die Sonne aufgegangen war. Er wusste auch, dass Tooru viel früher auftauchen würde und Hajime hätte dann vielleicht nur wenige Stunden Schlaf tanken können. Deshalb würde er das definitiv später bereuen, aber gerade gab es nichts Besseres, als dieses Fotoalbum weiterzuführen. Wann immer die Fotos aufgeklebt waren, schrieb er hier und da noch etwas dazu – ein Datum, ein Ereignis oder einfach dumme Kommentare von ihm darüber, wie hässlich das Alien-Shirt war, was Tooru da trug. Es gab viel zu kommentieren.   Dennoch machte sich jetzt schon ein minimales Gefühl von Vermissen in ihm breit. Wenn er Bilder davon sah, wie sie gemeinsam Karaoke sangen – Hajime fragte sich definitiv, wie Tooru ihn dazu bekommen hatte, aber er ignorierte jede Erinnerung daran. Verschiedene Trainingscamps, die sie gemeinsam besucht hatten, Pyjama-Partys mit ihren anderen Teammitgliedern oder auch einfach nur unter ihnen. Es gab ein Bild, wo Hajime einen Pfannkuchen auf dem Kopf hatte, weil man Tooru definitiv nicht die Pfanne oder das Wenden überlassen sollte. Es gab ein Bild, auf welchem sie diese lächerlichen Partner-Shirts trugen, die Tooru spaßeshalber gekauft hatte. Ein Pfeil zeigte auf die Person neben sich, unter darüber stand Mein Ass oder Mein Zuspieler. Auch hier weigerte sich Hajime jegliche Erinnerung darüber anzuerkennen, wie es dazu gekommen war, dass er dieses Shirt getragen hatte.   Er erinnerte sich aber noch an Makki und Mattsun und all ihren doofen Scherzen!   Da bekam er glatt das Bedürfnis danach, Tooru zu schlagen – auch wenn dieser keine Ahnung hätte, weshalb. Hajime schüttelte den Gedanken ab und fixierte sich wieder auf seine Aufgabe vor sich. Es waren nicht mehr viele Fotos und auch nicht mehr viele Seiten; er hatte alles bereits vorher kalkuliert und sich vorgeschrieben, damit es jetzt kein Durcheinander geben würde. Bisher lief alles genauso wie geplant! Zum Glück hatte er sich dazu entschieden, das alles allein zu machen – sonst wäre das alles im absoluten Chaos geendet.   Hajime wurde in den nächsten Stunden fertig, konnte alles wegräumen und gut verstecken und viel für rund 3 Stunden noch ins Bett, um etwas zu schlafen. Dabei vergaß er, sich einen Wecker zu stellen – was ohnehin unnötig war. Tooru hatte schon längst keine Scham mehr, in das Haus der Iwaizumi's einzubrechen und so wachte Hajime auf, als sich ein Körper halb auf ihn warf.   „Iwa-chaaaan! Wieso bist du denn noch im Bett!?“   Auch wenn es schwer vorstellbar war, in diesem Augenblick dachte er daran, wie sehr er das vermissen würde, wenn Tooru erstmal nicht mehr hier in Japan wäre.   „Geh runter von mir, Shittykawa! Du bist verdammt schwer!“   „Unhöflich! Wie kannst du so etwas nur sagen!“   „Ich sage zu dir, was ich will, du Nervensäge!“   „Ich stehe nicht auf, bevor du dich entschuldigst!“   „Wenn du nicht von selbst aufstehst, dann prügel ich dich von mi-“, Hajime sog die Luft ein, als er eine Berührung vernahm, mit der er vielleicht hätte rechnen können. „Wag es dir ja nicht - geh sofort von mir run-hngh- Oikawa!“   „Ich kenne deine Schwachstellen, Iwa-chan! Also entschuldige dich besser sofort bei mir – oder ich werde meinen Vorteil nutzen!“   „Den Teufel werde ich tu-hun- Nein! Hör auf!“ Hajime verzog das Gesicht und biss die Zähne zusammen, um jegliches Kichern oder Lachen zu unterbinden, während er anfing, mehr und mehr zu zappeln. Er sollte es besser wissen und nicht mehr auf dem Bauch schlafen, in dieser Position war es einfach unfassbar schwer Tooru von sich zu bekommen – und dieser tat wie er gedroht hatte. Hajime drückte sein Gesicht tiefer in sein Kissen, um seine Geräusche zu verbergen, die ihm zischend und glucksend entkamen. Er verrenkte sich vermutlich die Schulter bei seinen Versuchen, die kitzelnden Finger von seinen Seiten zu drücken und allgemein den Körper seines besten Freundes loszuwerden. Nebenbei zischte er wahllos Drohungen von sich, die ihm instinktiv über die Lippen kamen, weil er es gewohnt war, Tooru Schläge zu drohen.   „Jungs!“   Die Finger, welche sich in seine Seiten gedrückt hatten, um ihn zu kitzeln, blieben ganz plötzlich bewegungslos und Tooru gab einen überraschten Laut von sich. Hajime drehte den Kopf, um zu seiner Zimmertür zu sehen, in welcher sein Vater aufgetaucht war.   „Wisst ihr eigentlich, wie spät es ist?“   Tooru löste sich von ihm, wodurch sich Hajime schnell aufrichten konnte. „Ah, entschuldigt bitte, Iwaizumi-san! Wir werden jetzt ganz ruhig sein!“   Sein Vater wirkte nicht wirklich so, als würde er das glauben und während er die Tür langsam hinter sich zuzog, glaubte Hajime zu hören, wie er es vor sich hin grummelte, was verdächtig nach „Wer's glaubt...“, klang und nur noch mehr verdeutlichte, dass Tooru viel zu oft hier zu Besuch war. Hajime wartete noch einen Augenblick ab, bevor er grob in sein Kissen packte und es Tooru schleunigst ins Kissen warf.   „Du Vollidiot! Ich sollte dich am besten mit meinem Kissen ersticken!“   „Iwa-chaaaan! Hör auf damit, dass Kissen ist voll mit deiner Sabber- urks!“ Schnaubend ließ Hajime locker, wodurch sein Kissen rasch wieder in sein Bett fiel und Tooru sich wieder aufrichtete. „Jetzt mach dich endlich fertig, Iwa-chan! Ich warte unten in der Küche auf dich!“   „Jaja...“   Seufzend sah Hajime seinem besten Freund nach, ehe er sich schwer aus dem Bett löste und erst einmal streckte. Tooru hatte definitiv Glück, dass er sein bester Freund war!   Irgendwie brachte Hajime den Tag über sich und in einer Zeit, in welcher Tooru ihm mal nicht am Arsch klebte, schaffte er es sogar das Fotoalbum zu zahlreichen Personen zu schleppen, damit diese eine Unterschrift und ein paar liebe Worte hinterlassen könnten. Wenn sich Tooru nicht über dieses Geschenk freuen würde, würde Hajime ihn definitiv verprügeln! Sobald er alle unterzeichnen lassen hatte, verpackte er es ordentlich – na ja, so ordentlich wie er es konnte. Er verstand nicht, wie es Menschen schaffen konnten, ein Geschenk so fein säuberlich zu verpacken, wie man es in Werbungen oder allgemein dem Fernsehen sah. So ließ es sich auch wesentlich einfacher verstecken und er hatte die restlichen Tage seinen Schlaf sicher. Tage, die er auch weiterhin zu 90 % mit Tooru verbrachte. Sie sahen sich Star Wars an und zahlreiche Dokumentationen, welche beweisen wollten, dass Außerirdische existierten – danach gab es auch Filme mit Godzilla und King Kong, so hatten sie beide irgendwie ihren Spaß. Auch jetzt verbrachten sie ihre Zeit auch viel mit Sport und Volleyball – es war ihr Glück, dass ihre Trainer es immer noch erlaubten, dass sie die Turnhalle benutzten, obwohl sie nicht mehr offiziell Schüler waren.   Umso näher der Abschied kam, umso mehr ging es auch darum, die Sachen von Hajime zu packen, die er mit nach Tokio nehmen würde – was am Ende auch dazu führte, dass sie die Sachen herüberbrachten. Und dann brach Hajime bereits die erste Regel des Studentenwohnheims – er ließ Tooru mit bei sich schlafen, weil dieser keine Lust hatte, sich ein Hotel zu suchen. Vermutlich wollte er sich einfach nicht trennen und Hajime erlaubte es irgendwie? Auch wenn das Bett definitiv zu klein war für zwei Personen, waren sie es irgendwie schon gewohnt – weil Tooru sich nie auf ein Sofa oder dem Gästefuton verbannen ließ.   Der Tag der Trennung rückte unvermeidbar näher und auch wenn Hajime ein wehmütiges Gefühl verspürte, teilte er die Aufregung, welche Tooru herumzappeln ließ. Viel von seinem Kram konnte Tooru nicht mitnehmen, ohne vermehrte Umkosten – dafür wartete auf ihn eine voll ausgestattete Wohnung – klein, aber ausreichend für ihn.   „Vielleicht suche ich mir auch eine WG“, ließ Tooru verlauten. „Ich meine – wie soll ich ganz alleine wohnen? Ich brauche definitiv Leute um mich herum.“   Manche Personen träumten von ihren eigenen vier Wänden, doch zu Tooru passte es besser, sich unter Menschen begeben zu wollen. An einem so fremden Ort war es vermutlich normal, wenn man nicht alleine sein wollte – auch wenn Tooru sicherlich schnell Anschluss fand. Der Kerl war einfach viel zu sozial und gesellig, als dass er ewig alleine sein könnte.   „Komm erstmal an“, meinte Hajime fast etwas belehrend. „Und Stress dich nicht gleich mit so etwas.“   „Das werde ich schon nicht, Iwa-chan“, winkte Tooru ab, sein Lächeln wackelte ein wenig.   Der Abschied rückte einfach immer näher. Damit es kein Chaos am Flughafen geben würde, hatte sich Tooru in Miyagi bereits von alleine verabschiedet. Nur Hajime war also hier bei ihm, umgeben von zahlreichen Menschen, welche vermutlich in den Urlaub fliegen wollten oder einfach hier arbeiteten. Sie standen bereits vor der Sicherheitskontrolle, welche dann auch zum Gate führen würde. Die Schlange war glücklicherweise nicht so lang, wie die Menschenmenge vermuten lassen würde. Hajime starrte seinen besten Freund an und dieser starrte zurück – sie mussten ein lächerliches Bild abgeben.   „Ich schätze, du musst langsam gehen, was?“   Tooru nickte langsam: „Ich lasse zwar gerne auf mich warten, aber in diesem Falle wäre das wohl eher kontraproduktiv.“   Hajime erinnerte sich viel zu gut an all die Male, die er Tooru aus seinem Zimmer zerren musste, damit dieser nicht weitere zehn Versuche startete, sein Haar anders zu stylen. Im Normalfall trug dieser seine Haare immer gleich, aber dennoch gab es Momente, in denen er plötzlich etwas Neues probieren wollte.   „Wehe, du benimmst dich scheiße in Argentinien!“, meinte Hajime nun ernst. „Wenn ich irgendwas mitbekomme, schlag’ ich dich wieder!“   „Dann würdest du zumindest vorbeikommen“, gluckste Tooru, während er sein Handgepäck neben sich auf den Boden fallen ließ und die Arme ausstreckte. „Naaaaa? Bekomme ich eine Umarmung?“   „Du bekommst jetzt gleich einen Schlag.“   „Ein blauer Fleck zur Erinnerung wäre jetzt auch nicht das Schlimmste.“   „Du bist ein Idiot.“ Trotzdem trat Hajime etwas näher, um seinen besten Freund in die Arme zu schließen. Er würde nicht weinen! Dennoch spürte er eine gewisse Wärme zu Kopf steigen, die darauf schließen ließ. So ein Mist! Er blinzelte so oft wie möglich, während er sich gleichzeitig versuchte, alles an Tooru einzuprägen. Dessen Parfüm – welches ein wenig minzig war – und einfach das Gefühl ihrer Umarmung. Doch schließlich löste er sich wieder, sicherlich mit feuchten Augen und vielleicht auch wackeligen Beinen – nichts davon ließ er sich anmerken. Dennoch sah er auch feuchte Augen bei Tooru, dennoch immer noch ein Lächeln. Hajime presste die Lippen aufeinander, ehe er nach seiner Tasche griff, die er stets bei sich hielt. Mit etwas Mühen, schaffte er das Geschenk hervorzuziehen, welches er verpackt hatte – es war wohl deutlich zu erkennen, dass er es auch wirklich alleine verpackt hatte. „Hier, dass ist für dich.“   „Du hast ein Geschenk für mich!?“   „Wonach sieht's denn sonst aus?“, grummelte Hajime, während er sich durch das Gesicht fuhr, vielleicht vor allem um seine Augen von der überschüssigen Feuchtigkeit zu befreien. „Dann hast du wenigstens was Sinnvolles während des Flugs zu tun!“   „Danke, Iwa-chan!“, Tooru sah ihm strahlend entgegen. „Das macht mich echt wahnsinnig glücklich!“   Und diese Worte klangen ehrlich, genauso ehrlich wie dessen Strahlen zu sein schien. Ein seltener Anblick. „Jetzt geh schon, bevor es noch Ärger gibt, und melde dich, wenn du gut angekommen bist.“   „Ohhh, es ist so süß, wie besorgt du um mich bist!“   „Ich nehme das Geschenk gleich wieder an mich!“   „Nein, nein, nein!“, fiepste Tooru, der versuchte das Geschenk schleunigst in sein Handgepäck zu drücken, ohne zu viel vom Geschenkpapier zu zerreißen. „Ich werde mich melden, versprochen, Iwa-chan! Wünsch mir Glück, dass kein nerviges Kind neben mir sitzt.“   „Jaja“, brummte Hajime, während er noch ein paar Schritte mitlief, doch schließlich war es an der Zeit zurückzutreten und Tooru alleine durch die Sicherheitskontrolle gehen zu lassen.   Er winkte noch einmal, als der Blick seines besten Freundes ihn erneut traf, bevor dieser zum Gate ging, um durch eben jenes zu verschwinden. Hajime würde niemals zugeben, dass er ein paar Tränen vergoss, sobald Tooru nicht mehr zu sehen war. Kapitel 4: ...wenn ihr zusammen ein Chaos bereinigt --------------------------------------------------- „Und deine Eltern sind echt damit einverstanden, dass wir bei euch in der Küche all das Zeug zubereiten?“   „Solange wir alles wieder aufräumen, ist es ihnen egal, was wir hier treiben.“   Daichi nickte ein wenig, während er seine Jacke ordentlich aufhing und mit einem prall gefüllten Beutel Sugawara folgte. Obwohl sie sich schon ewig kannten, war er doch recht selten bei seinem wohl besten Freund. Sie verbrachten wohl grundsätzlich zu viel Zeit mit Volleyball und damit auch in der Turnhalle. Da war kaum Zeit für privatere Besuche bei jemandem Zuhause.   „Wo treibt sich denn Asahi noch herum?“, fragte er nach, als sein Blick die Räumlichkeiten abscannte und den großgewachsenen Japaner nicht entdecken konnte.   Sugawara winkte entspannt über der Schulter ab: „Er hat vorhin angerufen und gemeint, es dauert etwas. Er muss wohl noch etwas einkaufen, weil er es nicht übers Herz gebracht hat, den letzten Himbeersaft einer älteren Dame vor der Nase wegzuschnappen.“   „Er ist so eine halbe Portion“, seufzte Daichi schwer.   Andererseits hätte er es wohl genauso gehandhabt und keiner alten Dame etwas einfach weggenommen. Immerhin waren sie noch jung und agil; sie konnten noch in ein weiteres Geschäft gehen, ohne dass es ihnen Probleme bereitete. Er hob die Tüte auf die Anrichte der Küche, während er bereits ein paar herausgesuchte Zutaten entdecken konnte, für welche Suga zuständig gewesen war. Vielleicht hatten sie etwas übertrieben - doch andererseits gab es im Team ein paar Leute, die ständig essen konnten. Es gab also nie zu viel.   „Vielleicht sollten wir etwas Ordnung hereinbringen“, schlug Daichi vor. Das Kochen und Zubereiten der Snacks würde sowieso im Chaos enden, das musste aber nicht gleich so anfangen.   „Klar doch“, antwortete Suga glücklicherweise folgsam. „Ich habe hier auch alle Rezepte schon ausgedruckt, wir können es ja danach ein wenig sortieren.“   Daichi nickte ein wenig und nahm sich ein paar der ausgedruckten Rezepte, um damit zu starten. Sicherlich würde es etwas schwierig werden, da manche Zutaten für mehrere Gerichte da waren, aber sie fänden auch dafür sicherlich schon eine Lösung. Suga war eine Unterstützung mit der zweiten Hälfte der Zettel und bald wirkte es zumindest ein wenig sortierte, als zuvor. Dann klingelte es erneut an der Tür und ohne Umschweife machte sich Suga auf den Weg, eben jene zu öffnen.   „Da bin ich! Entschuldige die Verspätung, Suga.“   „Ist doch kein Problem, du hast ja auch angerufen. Daichi ist auch schon in der Küche.“   „Und … hat er gute Laune?“   „Ich kann euch sehr gut hören!“, rief Daichi, um das Gespräch zu unterbrechen, bevor es vielleicht in eine Richtung gehen würde, welche für Aufregung sorgen würde.   „Uuurgh“, hörte er Asahi machen, während Suga im Hintergrund lachte.   Daichi musste nicht lange warten, bis Asahi mit Suga in der Küche auftauchte und seinen Einkauf ebenfalls abstellte. Er warf dem Größten ihrer Runde einen kritischen Blick zu, der diesen sofort erblassen ließ, sagte aber nichts weiter. Stattdessen lachte auch Daichi auf und schüttelte den Kopf – es fragte sich echt, wie Asahi sich nur immer wieder wie ein kleiner Angsthase verhalten konnte! Andererseits hatten sie in ihrem Team eindeutig genug Draufgänger. Es war zwar umständlich Asahi zu ermutigen, aber dennoch besser so, als eine weiterer Brüllaffe, den Daichi unter Kontrolle halten musste.   „Wir haben ja ganz schön viel Zeug hier herumstehen“, skeptisch blickte Asahi zu seiner Tüte, als er diese auf den Tisch hob.   „Das wird alles schon leer“, winkte Sugawara unbesorgt ab. „Wir waren gerade dabei, die Zutaten nach Rezepten zu sortieren, um etwas Ordnung in die Sache zu bringen.“   „Eine großartige Idee!“   „Dann übernimm du doch diese Rezepte“, Daichi teilte seinen Stapel ein wenig, um Asahi etwas davon abzugeben.   Ihre Idee war simpel, wenn auch zeitaufwendig. Bevor sie bald nach Tokio zu den nationalen Meisterschaften fahren würden, wollten sie das Team nochmal motivieren und vielleicht auch einfach einen gemeinsamen Moment teilen. Also hatten sie – als die Ältesten des Teams – entschieden, ein großes Mahl vorzubereiten. Sie hatten auch Takeda-Sensei in die Überraschung eingeweiht und ihr Lehrer war glücklicherweise bereit dazu gewesen, dabei zu helfen, alles in die Halle mitzutragen. Natürlich war die Halle nicht der beste Ort für ein solches Mahl, aber es gab einfach genug Platz für sie alle und es war ein Ort, wo man sie auch stets zusammenfand. Sie hatten einige Tage damit verbracht, genauer zu planen, was sie alles kochen würden und hatten dadurch einige Rezepte. Die Zutaten, die gekauft werden mussten, hatten sie untereinander aufgeteilt, damit es halbwegs ertragbar war, einkaufen zu gehen. Nun ging es nur noch darum, alles auch zu kochen und herzustellen, was wohl die meiste Zeit kosten würde – selbst wenn sie das zu dritt machen würden.   „Wie wollen wir vorgehen?“, sprach Asahi an, während er alles zurechtstellte? „Fängt jeder von uns was Eigenes an oder arbeiten wir alle zusammen an einem Rezept und arbeiten uns so vor?“   „Hmm“, machte Daichi nachdenklich. Er war sich nicht sicher, was davon für weniger Chaos sorgen würde, vor allem da es auch um Schnelligkeit ging. Immerhin hatten sie dennoch nicht ewig Zeit. „Wir sollten jeder jeweils ein eigenes Rezept anfangen. Es wird schon nicht so schwer sein, aufeinander Rücksicht zu nehmen – schließlich sind wir doch ein eingespieltes Team, oder?“   „Aber natürlich sind wir das!“, grinste Sugawara ihm entgegen. „Dann kümmere ich mich um die Anpan! Die werden bestimmt hervorragend!“   „Dann kümmere ich mich um die Karaage, wenn das in Ordnung ist, natürlich?“   „Jaja, macht nur“, stimmte Daichi zu. „Ich werde die Yakitori anfangen zu machen!“   „Sehr gut. Ich mache noch das Radio an, für etwas Musik“, kündigte Sugawara noch kurz an, bevor auch schon irgendwelche Pop-Musik durch die Küche hallte.   Das gemeinsame Kochen fing völlig harmlos an, alles lief gut. Die Zutaten wurden einander auf Wunsch gereicht und jeder erfüllte sein Rezept. Wenn man etwas nicht wusste, dann wurde jemand anderes gefragt und gemeinsam fand man immer eine Lösung. Daichi wusste einfach nicht, wie es hatte dazu kommen konnte, dass völliges Chaos ausbrach.   „Warum klebt der ganze Teig plötzlich an dem Tuch!?"   „Ahhh! Das Öl! Es brennt! Feuer!“   „Wir müssen es löschen!“   „Wir brauchen Wasser!“   „Nein! Einfach nur mit einem Tuch abdecken!“   „Mit einem Tuch!?“   „Es brennt immer mehr!“   Es war nicht so einfach, eine Flamme zu löschen, wenn Asahi so herumhampelte und -brüllte. Irgendwie schaffte Daichi es dann doch, ein Tuch über den Topf zu werfen und die Flamme zu ersticken, welche aus diesem heraus gelodert war. Damit kam dann auch wieder Ruhe über sie alle und jedem entkam ein erleichtertes Seufzen. Dennoch fragte sich Daichi, wie das aus dem Ruder laufen konnte – und was das für Teigklumpen auf dem Blech von Suga darstellen sollten. Etwa ihre Anpan? Nun, er hatte ja irgendwas davon gesagt, dass der Teig am Tuch klebte.   „Ich dachte, ihr könnt kochen?“, fragte er indessen nach, immer noch etwas aufgeregt.   Ihm ging es jedoch besser als Asahi, welcher immer noch ganz blass war, ein verschrecktes Gesicht trug und sich an die Stelle fasste, wo sich sein Herz befinden musste – insofern dieses nicht gerade abgestorben war.   „Das kann ich auch!“, antwortete Suga dafür umso schneller. „Aber ich habe noch nie zuvor Anpan gemacht. Ich weiß wirklich nicht, was schiefgelaufen sein soll.“   Als Daichi zu Asahi blickte, um zu erfahren, was bei ihm schiefgelaufen sein könnte, hatte sich an dessen Anblick nichts verändert.   „Asahi? Atmest du noch? Hey?“, er winkte vor dem Gesicht ihres Mitschülers, um dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.   „Uhhh“, machte Asahi mit fast heiserer Stimme. „Ich bin fast gestorben vor Angst.“   „Du bist echt eine halbe Portion“, seufzte Daichi. „Vielleicht sollten wir doch jedes Rezept zusammen machen und alles nach und nach, damit nicht wieder so ein heilloses Chaos passieren wird.“ Er ertrug es nicht, heute mehrfach ein Feuer löschen zu müssen – ganz egal auf welche Art und Weise. Selbst wenn es gut gelaufen war, genauso hätte es auch irgendwie komplett schiefgehen könnte, vor allem bei der Panik, welche Asahi verbreitet hatte.   „Ja …“   „Ich denke das ist eine gute Idee“, stimmte Suga ebenfalls nickend zu. „Also die Anpan müssen wir sicherlich nochmal von vorne anfangen! Aber bis das Fett angefangen hat zu brennen, ist alles gut gelaufen bei Asahi, oder? Und bei dir doch auch Daichi? Dann machen wir doch erst eure beiden Sachen fertig und dann können wir weiter vorgehen.“   „Das wird wohl am klügsten sein“, antwortete Daichi. „Machen wir die Karaage – dieses Mal, ohne ein Feuer zu legen!“   Indem sie alles zusammen machten und absprachen, dauerte es viel länger, sich durch die zahlreichen Rezepte zu arbeiten. Immer mal hatte jemand keine Aufgabe und begann stattdessen irgendwelche Sachen zu erzählen, während die anderen beiden zuhörten und ihren Senf dazu gaben.   „Wisst ihr worüber sich Kageyama und Hinata letztens gestritten haben?“, erzählte Suga schnaubend. „Wer von ihnen eher ein Hut-Gesicht hat und ob sie sich mal Hüte kaufen sollten. Ich frage mich manchmal echt, wie die auf solche Themen kommen.“   „Ach, die beiden könnten sich doch über alles streiten“, verdrehte Daichi die Augen.   „Auch wenn mir die Lautstärke manchmal zu viel ist, ist es mir lieber sie streiten sich, als wenn sie sich einfach nur anschweigen und anstarren“, wandte Asahi ein und verzog das Gesicht. „Ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ich an ihre Blicke denken. Huhhh!“   „Das liegt daran, dass du eine halbe Portion bist.“   „Warum wiederholst du das bloß immer? Ich weiß es ja!“   Je mehr Zeit verging, umso voller wurde der Kühlschrank bei Sugawara oder die Tische, wo Essen zum Abkühlen stand. Außerdem wurde es auch draußen umso dunkler und als sie einen Schlüssel hörten, ahnten sie erst einmal, wie spät es mittlerweile wohl war. Zumindest hatten sie angefangen, die Küche aufzuräumen – auch wenn sie noch ganz am Anfang waren. Von dem Geruch eines kleinen Feuers war nichts mehr zu erahnen. Es war chaotisch, aber es war ein Chaos, welches man nicht unbedingt verstecken musste oder für Ärger sorgen würde.   „Ich gehe kurz zu ihnen“, merkte Sugawara an, um die Küche erst einmal zu verlassen.   Daichi und Asahi nickten ihm zu und kümmerten sich weiterhin darum, dieses Chaos zu bereinigen. Sie waren schon seit einer Weile dabei, mittlerweile konnten sie aber zumindest ein Ende hiervon erahnen.   „Oh Mann, ich hoffe, das Team freut sich auch ordentlich darauf, wenn wir das alles morgen vorbeibringen“, seufzte Daichi ein wenig. Es gab wohl keinen Grund, weshalb sie sich nicht darüber freuen sollten. Daichi erwartete aber einen monströsen Applaus für diese Arbeit!   „Vielleicht sollten wir das nächste Mal einfach Geld sparen, damit wir alle einladen können. Notfalls bestellen wir einfach Pizza oder so etwas“, warf Asahi ein.   Daichi war sich sicher, dass Asahi dieses Feuer immer noch in den Knochen lag, aber er entschied es ausnahmsweise mal nicht anzusprechen. Vielleicht auch aufgrund der Idee, die nicht so schlecht war, aber definitiv einen Punkt zu kritisieren beinhaltete.   „Ich denke nicht das Ukai begeistert davon wäre, wenn wir alle fettige Pizza essen“, warf er ein.   Natürlich hatten sie heute auch Sachen zubereitet, welche nicht unbedingt gesund waren, das waren jedoch Ausnahmen und der Großteil war das, was Ukai sie stets predigte zu tun: Etwas Ordentliches zu essen. Wobei man wohl darüber streiten konnte, ob ein Pizza-Abend zur Ausnahme wirklich Grund für Ärger wäre. Niemand wusste, wie sich überhaupt jeder von ihnen ernährte – wobei das wohl größtenteils von der eigenen Familie abhing.   „Nun, wir sollten es zumindest nicht direkt vor einem Turnier oder Spiel machen“, fügte Daichi also hinzu. „Dann sollte es wohl in Ordnung sein.“   Aber das lag sowieso in der Zukunft und niemand von ihnen wusste, ob es überhaupt nochmal so einen Augenblick geben könnte. Sie würden bald zu den Nationals fahren und danach wäre das Schuljahr schneller vorbei, als man gucken konnte – sie drei würden dann also andere Wege einschlagen. Daichi wusste nicht, ob er sich so viel Zeit nehmen konnte, wie es die Drittklässler der Date Tech scheinbar tun konnten.   „Na hallo Jungs – es sieht ja gar nicht so chaotisch aus, wie ich es mir vorgestellt habe.“   Wenn sie nur wüssten … Daichi begegnete Sugawara's Mutter mit einem freundlichen Lächeln: „Vielen Dank, dass wir Ihre Küche nutzen durften.“   „Aber nicht doch“, sie winkte ab und verzog das Gesicht zu einem Lächeln, welches Daichi definitiv von Suga kannte. „Als Koushi uns verraten hat, was ihr vorhabt, konnte ich ja nicht Nein sagen, oder? Eine ganz wundervolle Idee.“   Jetzt tauchte neben ihr auch Sugawara wieder auf: „Wir werden auch nicht mehr lange zum Saubermachen brauchen“, versprach er sogleich.   „Schon in Ordnung, dein Vater und ich werden warten. Wissen eure Eltern, dass ihr etwas später nach Hause kommt?“   „Natürlich“, antworteten Daichi und Asahi sofort nickend. Wobei das heute nicht einmal spät war. Sie warne häufig wegen des Trainings noch viel länger draußen, aber das musste man jetzt ja nicht thematisieren.   Sugawara's Mutter nickte noch einmal, ehe sie sich wieder entfernte und vermutlich anderen Tätigkeiten nachging.   „Ein Glück haben wir das größte Chaos schon bereinigt“, seufzte Suga leise. „Sonst wäre sie wohl nicht so gut gelaunt.“   „Dann sollten wir wohl auch nicht das Feuer ansprechen.“   „Definitiv nicht!“   Was hieß, sie sollten Asahi ein wenig heraushalten, weil dieser sonst aufgrund seltsamer Schuldgefühle irgendwas erzählen würde. Kapitel 5: ...wenn ihr aufeinander zugeht ----------------------------------------- „Woooooow! Und hier wohnst du?! Das ist ja megacool!“   „Ähm … ja.“   Kenma fragte sich in genau diesem Moment, ob er das alles noch bereuen würde.   „Wooooow! So ein riesiger Fernseher! Und was du alles für Konsolen hast … und oooooh! Sind das alle deine Videospiele?“   Natürlich war ihm von vorneherein klar gewesen, dass Shoyo eine sehr aktive Persönlichkeit besaß – voller Aufregung und seinem andauernden Rumgehampel. Dennoch zählte er Shoyo zu seinen Freunden, von denen er mittlerweile mehr hatte, als er je zuvor gedacht hätte. Es gab jedoch einen klaren Unterschied bei seiner Freundschaft zu Shoyo und seinen anderen Freunden. Er hatte Shoyo kennengelernt, ohne dass Kuroo dabei war oder intervenieren müsste. Na schön, er war nur durch Volleyball nach Miyagi gekommen, aber Kenma hatte sich ganz alleine verlaufen und sich mit Shoyo unterhalten. Auch wenn Shoyo wesentlich mehr gesprochen hatte, was aber bis heute der Fall war. Sie waren ziemlich gegensätzlich und obwohl Kenma so etwas vorzugsweise vermied, konnte er nicht anders, als Shoyo ins Herz zu schließen.   Und vielleicht erkannte er in Shoyo auch eine Möglichkeit zu leveln. Vor allem während eines Volleyball-Spiels. Shoyo war vielleicht kein End-Boss, aber er war eine Zwischenherausforderung, an welcher man sich selbst nur verbessern konnte – wie ein Event, um Erfahrungspunkte zu farmen.   „Dein Zimmer ist echt cool, Kenma! Wo sind denn deine Eltern?“   Kenma richtete seine nach innen gekehrte Aufmerksamkeit wieder nach draußen. Shoyo stand mittlerweile an seinem Schrank, der mit seinen Videospielen und etwaigen Sammlereditionen gefüllt war, wodurch sich auch mal eine Figur oder ähnliche Zugaben befanden, die es bei Sammlereditionen eben so dazu gab.   „Meine Eltern arbeiten noch. Sie werden sicherlich erst spätabends zurückkommen“, antwortete er nun langsam.   „Und ihr trainiert heute wirklich nicht!?“   „Nein“, worüber Kenma definitiv froh war. Shoyo hingegen wirkte wie jemand, der wirklich jeden Tag trainieren könnte und das traf auf einige Spieler von Nekoma auch zu. Auch wenn ihr Trainer es kaum erwarten konnte, bis die Nationals anfangen würden und es wichtig wäre, bis dahin viel zu trainieren, war er überzeugt davon, dass Pausen ebenso wichtig waren. Kenma war dieser Meinung auch, wobei es für ihn nicht ausreichend Pausen geben könnte, nur wäre irgendwann der Sinn weg, in einem Volleyballclub zu.   „Ich habe meinen Volleyball dabei! Wir könnten draußen in einem Park uns zusammen zuspielen!“   Kenma runzelte minimal die Stirn, während er Shoyo betrachtete und seinen Blick zu dessen Rucksack gleiten ließ: „Du hast da einen Volleyball drinnen?“   Shoyo übernachtete nur einmal bei ihm, da Montag wieder Schule war, war ein längerer Zeitraum nicht möglich. Kenma hatte geglaubt, dass dies dann sinnlos wäre, aber Shoyo ließ sich nicht davon überzeugen, bis zu ihren nächsten Ferien zu warten.   „Natürlich, ich habe eigentlich immer einen Volleyball dabei“, verriet Shoyo, während er die Arme vor der Brust verschränkte. „Man weiß immerhin nie, wann man einen Volleyball mal gebrauchen kann!“   Als jemand, der immer seine Handheld-Konsole mit sich trug, selbst wenn er eigentlich nur zum Training ging, konnte er wohl nichts dagegen sagen. Außer, dass so ein Volleyball wesentlich mehr Platz wegnahm.   „Eigentlich ist mir nicht nach Volleyball.“   „Wirklich nicht?“   „Hmhm“, machte Kenma. „Wenn es kein Training gibt, erhole ich mich gerne.“   „Oh, verstehe“, erwiderte Shoyo und es wirkte so, als könnte er es wirklich verstehen – obwohl Kenma sich da nicht so sicher war. „Und wie erholst du dich dann?“   „Ich spiele Videospiele.“   „Dann lass uns gemeinsam etwas spielen! Ich habe daheim keine Konsole, aber ich werde das schon hinbekommen!“   Für Kenma bedeutete das, er würde ein simples Spiel auswählen, vielleicht eines dieser Party-Games, die Kuroo ihm mal geschenkt hatte. Da Kenma eher selten Besuch hatte, spielte er diese Spiele auch nie – er war sich sehr sicher, dass sie übelst langweilig sein mussten, doch er war bereit, sich solchen Spielen zu stellen. Vielleicht war es ja ganz witzig, mit Shoyo zusammen?   „In Ordnung, dann lass uns“, Kenma ließ seinen Blick zu seinem Regal wandern, um vielleicht auf Anhieb ein passendes Spiel zu finden. „Mario Kart spielen?“   Dieses Spiel musste definitiv Kuroo ihm geschenkt haben, eine andere Möglichkeit gab es dafür nicht.   „Oh ja! Das habe ich schon ganz oft in der Werbung gesehen, das sah immer echt lustig aus!“   Es war farbenfroh, kindgerecht, wie gemacht für Familien und Freunde und vermutlich das einfachste Spiel, was Kenma hier besaß. Man konnte definitiv davon sprechen, dass es die beste Wahl für jemanden war, der scheinbar sonst nie irgendeine Konsole in den Händen hielt oder etwas halbwegs Ernstes gespielt hatte. Kenma machte sich also ganz direkt daran, seine Switch anzuschließen und das Spiel auszutauschen. Das alles war schnell erledigt, also reichte er Shoyo einen Controller und nahm sich einen Zweiten. Dann setzte er sich wenige Meter vom Fernseher entfernt auf den Boden und klopfte auf die Stelle neben sich. Shoyo kam sofort herbeigeeilt und schon wie er den Controller hielt, schrie geradezu danach, dass er nie zockte. Für jemanden wie Kenma, der sein Leben lang schon mit Videospielen zu tun hatte und es wirklich liebte und genoss, war das undenkbar und seltsam.   Kenma übernahm die ganzen Einstellungen, aber das war bei einem Spiel wie Mario Kart keine große Angelegenheit, sodass sie schon bald in der Charakterauswahl steckten. Er war sich sicher, dass es hier kaum Vorteile gab, sei es bei dem Charakter selbst oder dem Gefährt – also wählte er einfach etwas aus, was unauffällig war.   Den Shy Guy in einem der normalen Karts. Seine Wahl fiel schlicht und einfach aus, Shoyo konnte sich hingegen gar nicht entscheiden.   „Ich weiß nicht, wen ich nehmen soll!“   „Nimm einfach irgendwen.“   „Aber ich kann mich nicht entscheiden!“   „Hm“, Kenma verzog ein wenig das Gesicht und sah zurück zum Bildschirm. „Nimm Yoshi“, sagte er, was als Vorschlag gemeint war.   Shoyo runzelte kritisch die Stirn: „Sicher?“   „Er scheint beliebt zu sein, also nimm ihn doch einfach. Es macht ohnehin kaum einen Unterschied.“   „Na gut“, stimmte Shoyo zu, war danach aber wieder verzweifelt auf der Suche nach dem perfekten Gefährt.   Das dauerte Kenma alles schon viel zu lange. Er war kein ungeduldiger Zeitgenosse, aber wenn es um Videospiele ging, könnte sich das durchaus verändern. Dennoch wartete er darauf, dass Shoyo zufrieden mit der Auswahl seines Kart's war, wodurch sie dann auf die Kartenauswahl kamen. Kenma warf einen kleinen Blick in Shoyo's Richtung und entschied sich dann dafür, einfach mit dem Pilz-Cup zu starten – dort waren die Maps noch recht einfach und sollten auch für Shoyo machbar sein.   Zumindest dachte Kenma das.   „Ich komme hier nicht mehr weg!“   „Du musst nur rückwärts fahren.“   „Man kann hier rückwärts fahren?“   „Ja, mit dem Knopf hier.“   …   „Warum fliegt dieses Ding die ganze Zeit vor mir? Dieses Piepen ist so nervig!“   „Du fährst in die falsche Richtung. Du musst umdrehen.“   „... Oh!“   …   „Ahhh! Was ist denn das! Ich sehe nichts mehr!“   „Das sind doch nur ein paar Tintenkleckse. Man erkennt doch immer noch mehr als genug.“   „Jetzt bin ich auch noch in eine olle Banane gefahren! Wo kommen die denn alle her?“   „Das sind doch die Items. Du hast auch welche bei dir.“   „Was echt!? Wie benutze ich die denn!?“   …   Kenma konnte am Ende vom zweiten Cup bereits sagen, dass Shoyo derzeit ein wirklich schrecklicher Spieler war. Er hatte nicht erwartet, dass er plötzlich großartig darin wäre – denn von Anfang an war klar gewesen, dass Shoyo kein erfahrener Zocker war – doch dass er so mies war in einem Kinderspiel? Das war durchaus überraschend.   „Ich habe keine Lust mehr darauf, das zu spielen“, schmollte Shoyo, nachdem er zum wiederholten Mal der letzte Platz geworden war.   Sicherlich musste Kenma nicht anmerken, dass er bislang immer Platz 1 gewesen war. Es war auch nicht wichtig, vor allem da die Computer alle auf ganz einfach eingestellt waren und Shoyo selbst dann noch schlechter war als diese. So machte es selbst ihm keinen Spaß zu zocken; es fehlte eindeutig die Herausforderung. Eine Herausforderung, die bei einem Spiel wie Mario Kart sowieso nicht sonderlich groß war, aber noch schwächer wurde, mit einem Mitspieler, der … Shoyo war.   „Lass uns was anderes machen, Kenma! Wir könnten jetzt Volleyball spielen?“   Kenma suchte nach einer anderen Idee, irgendwas, was dafür sorgen würde, dass er im Zimmer bleiben könnte. Er hatte das mit seiner Erholung ernst gemeint, andererseits wäre es keine große Sache, sich einen Ball hin und her zu spielen.   „Na gut“, erwiderte Kenma also und kaum ausgesprochen, sprang Shoyo bereits förmlich auf und hechtete zu seinem mitgebrachten Rucksack. „Aber lass uns in der Nähe bleiben, ja? Mit Kuroo habe ich immer unten am Fluss gespielt.“   Das war weit genug weg, immer noch sehr privat und sicher – außer dem Ball landete in eben jenem Fluss.   „Was immer dir lieb ist, Kenma!“, rief Shoyo aus. „Komm schon! Ich freue mich schon darauf! Training ist immer gut.“   „Hmm“, machte er, dezent unmotiviert, dennoch raffte er sich auf.   Das Zocken war zwar nicht sonderlich spaßig gewesen, aber Shoyo hatte es mit ihm durchgezogen. Kenma hatte also nicht so viel dagegen, dasselbe nun für Shoyo tun zu können. Er wünschte sich aber dennoch, dass Shoyo einen anderen Wunsch gehabt hätte.   „Aber wir können nicht so lange draußen bleiben, wir müssen dann kochen.“   „Kochen!“, rief Shoyo überrascht aus, während sie nach unten gingen.   „Ja, meine Eltern haben darum gebeten, weil sie erst sehr spät zurückkommen werden. Mach dir keine Sorgen, es ist alles da und-“   „Oh, ich mache mir keine Sorgen! Ich freue mich schon darauf!“, unterbrach Shoyo ihn auflachend. „Es freut mich wirklich, dass ich heute bei dir übernachten darf, Kenma! Ich bin sicher, wir werden noch ganz viel Spaß haben! Wir werden die ganze Nacht durchmachen, oder!?“   „Wenn du das schaffst …?“   „Aber natürlich schaffe ich das!“   …   Shoyo schlief eine halbe Stunde nach dem Abendessen ein, als sie sich einen Film ansehen wollten. Kenma war davon weder verärgert noch überrascht. Er sorgte nur dafür, dass es sein Freund bequem in seinem Gästefuton hatte und ging ausnahmsweise ebenfalls früh schlafen, um Shoyo nicht zu stören.   So viel Rücksicht kannte Kenma von sich selbst gar nicht, aber gegenüber Shoyo war das … selbstverständlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)