Fettnäpfchen: eins von FreeWolf (Türchen 3 im YuKa-Adventskalender 2023) ================================================================================ Kapitel 1: Hiromi: null ----------------------- Eine Bewegung schräg hinter ihr ließ Hiromi erschrocken herumfahren. Ihre Faust wurde von einer flachen Hand mühelos geblockt, hing einen Moment in der Luft, ehe sie sie wieder zu sich zog. “Du solltest nicht so gewalttätig sein, weißt du.”, ließ Yuriy sie seelenruhig wissen, in dieser Art, die verriet, dass er innerlich gerade lachte. Hiromi fühlte, wie die Schamesröte ihre Ohren heiß werden ließ. Um sich nichts anmerken zu lassen, verschränkte sie missmutig die Arme vor der Brust und blickte zur Seite. “Sprichst du aus Erfahrung?”, gab sie zurück. “So kann man es sagen, ja.” Der Rothaarige seufzte, während er sich neben ihr niederließ. Und oh, Hiromi hatte vergessen, mit wem sie sprach, weil Yuriy und Kai praktisch jede freie Minute miteinander verbrachten, wenn sie konnten. Sie hatte sich an die Präsenz des anderen so gewöhnt, dass sie manchmal vergaß, welche Schreckgespenster in seiner Vergangenheit lauerten. Fettnäpfchen: eins; Hiromi: null. Sie drehte sich halb zu Yuriy um, eine Entschuldigung auf der Zunge, da fiel ihr Blick auf sein joviales Lächeln. “Deswegen kannst du mir auch glauben, wenn ich sage: Gewalt ist keine Lösung.”, fuhr Yuriy unbeirrt fort, während er ihr nun endlich eine Tasse hinhielt und vielsagend mit den Augenbrauen wackelte. “Kein Alkohol aber auch nicht.” Hiromi lachte und schloss die Hände um die Tasse und stieß mit dem Rothaarigen an. “Du bist ein schlechter Einfluss”, warf sie ihm spielerisch vor. Yuriy zuckte mit den Schultern. “Ihr vertragt nur alle nichts.” “Manche sagen, wir haben sogar biologisch bedingt eine gute Ausrede.” Hiromi zwinkerte ihm zu, während sie den ersten Schluck trank. Yuriy hatte Glühwein ins Dojo gebracht, wie Max kitschige Weihnachtslieder und Takao und Hiromi die Glücksbringer aus dem Schrein, zu dem sie immer wanderten, wenn der erste Schnee fiel. Es war nicht ganz traditionell, aber wen kümmerte Tradition, wenn sie und Takao und Kai eigene schafften, seit sie denken konnte? Yuriy grinste. “Touché” Sie saßen eine Weile da und beobachteten das Beyblade-Match, zu dem beinahe jedes Treffen zwischen Kai und Takao führte. Sie waren immer noch verbissen, immer noch stark, aber bei weitem nicht mehr so zerstörerisch wie noch vor wenigen Jahren. Nach einer besonders brenzligen Situation für Takao rief Yuriy: “Hiwatari! Deine Balance war schon mal besser!” Hiromi kicherte, als Kai einen glühenden Blick zu Yuriy warf. “Was weißt du schon, Ivanov? Du hast seit Jahren keinen Blade mehr angefasst!”, schoss er zurück. “Simple physics, Mr. Watson”, stichelte Yuriy weiter. “Und davon weiß ich ja doch ein wenig.” “Hey, hier spielt die Musik!”, kam es da von Takao, sein Grinsen selbstbewusst wie immer. Er zwinkerte Yuriy verschmitzt zu. Kai fluchte und hielt seinen Mittelfinger in Richtung Yuriy, bevor er sich wieder auf sein Match konzentrierte. Hiromi grinste in ihren Glühwein hinein. Was auch immer Yuriy bezweckt hatte, Kai war lange genug abgelenkt, um Takao Zeit zu geben, sich zu fangen und zum Gegenangriff anzusetzen. Auch mit oder gerade trotz Yuriys – Hilfe? Intervention? Hiromi war es nicht ganz klar. Trotz Yuriys Intervention ging Kai und Takao bald die Puste aus. Der Grund für den Kampf lange vergessen, klopfte Takao Kai freundschaftlich auf die Schulter, ehe er sich neben Hiromi fallen ließ, um mit seinen Schuhen zu kämpfen. Kai indes nahm Yuriys Tasse aus dessen Händen, um selber einen Schluck zu trinken. Er verzog unwillig das Gesicht und brummte etwas, was wohl nur für den Rothaarigen bestimmt war; nach einem Moment erkannte Hiromi den Tonfall und die Sprachmelodie, die sie bei Kai mit Russisch verband. Yuriy indes antwortete nicht, sondern lehnte sich nach hinten, stützte sich mit den Ellbögen auf dem glatten Holz der Engawa auf, ein kryptisches Lächeln auf den Lippen, das halb eine Einladung, halb eine Herausforderung war. Kai gab ihm die Tasse zurück, aber nicht ohne einen langen Augenblick zu verweilen und – Oh. Kai und Yuriy sahen sich nicht einmal direkt an, wechselten nur schnell einen Blick, und trotzdem hatte Hiromi das Gefühl, etwas Intimes zu stören, das nur ihnen beiden gehörte. Sie sah zur Seite, um den beiden unauffällig etwas Raum zu geben – soweit das eben möglich war, wenn man nebeneinander auf einer Engawa saß. Takao war kurz ganz still geworden, saß beinah wie eine Statue neben ihr. Erst als Hiromi sich bewegte, schien die Starre von ihm abzufallen. Er ruckelte ein letztes Mal an seinem Schuh, der polternd auf die Stufe zur Engawa fiel. "Es tut manchmal weh, weißt du.", sagte Takao später, als Kai und Yuriy sich verabschiedet hatten und sie gemeinsam mit Takao die Reste des Glühweins geleert hatten. Hiromi warf ihm einen Blick über die Schulter zu, während sie heißes Wasser in die Teekanne füllte. Sie legten gemeinsam den kurzen Weg in den Tatamiraum zurück, der angenehm aufgewärmt war, und fanden sich wie so oft dort am Tisch wieder. “Was tut weh?”, fragte sie, während Takao mit konzentriertem Gesicht eine kleine Menge Matcha in zwei Tassen maß. Sie füllte beide Schalen mit Wasser und blickte Takao erwartungsvoll an. Der sagte erstmal nichts, beinahe als überlege er es sich anders. “... Nicht weiter wichtig.”, versuchte er, einen Rückzieher zu machen, und Hiromi kämpfte mit dem Impuls, sich vor ihm zu ihrer stolzen (nicht vorhandenen) Größe von eins fünfundsechzig aufzubauen, die Hände in die Hüften gestemmt, wie sie es so oft getan hatte. Sie stupste Takao stattdessen mit dem Chasen an. “Komm schon. Das klingt als wär's wichtig.” Er begann, das Matchapulver bedacht mit dem Wasser zu vermischen, die Ohren rot wie immer, wenn er bei etwas ertappt wurde. "Es tut manchmal weh, jemanden zu lieben, der dich nicht liebt", kam dann von Takao. Hiromi fiel erst im zweiten Moment auf, dass Takao ihren Blick nicht traf, und dass er von einem der und nicht von einer die gesprochen hatte. Oh. “Du meinst Kai?”, fragte sie dann, was Takao mit schamesrotem Gesicht nicken ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)