Eine gute Tat von Seelendieb (Türchen Nummer 6) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Karl Weber blinzelte verdutzt, als er seinen Assistenten, Manager und Lebensgefährte anschaute. „Ich soll bitte was?!“ Tony lachte amüsiert auf. „Morgen kommt der Nikolaus ins Kinderheim und du begleitest die Zwerge bei ihren Gesängen am Klavier“, wiederholte er. „Tony... Ich kann Kinder nicht leiden! Sie sind laut, stinken und übertragen Krankheiten! Wie konntest du so einen Auftrag annehmen? Die können doch gar nicht so viel Geld bezahlen!“, echauffierte sich Karl lautstark. Tony lachte leise vor sich hin. Man sagte Künstlern und Musikern nach, dass sie sehr extravagant, exzentrisch und Lebewesen vom anderem Stern waren. Nun, Karl war ein sehr erfolgreicher Pianist und Solokünstler und diese Beschreibung passte perfekt auf ihn. „Karl, du machst es ehrenamtlich. Nimmst kein Geld dafür“, grinste Tony. Der Pianist verschluckte sich halb. „Bitte was?!“ „Ich darf dich daran erinnern, dass es deine eigene persönliche Idee war, da du dieses Jahr keine Lust hattest ein großes Benefizkonzert zu veranstalten.“ Karl öffnete schon den Mund und stockte. Da tauchte plötzlich ein Abend in einer Bar vor seinen Auge auf. „Du spielst den Nikolaus?“, fragte er misstrauisch und als Tony nur breit grinste, gab Karl sich geschlagen. Die Idee kam wirklich von ihm selber! Tief durchatmend betrat Karl das große Anwesen des Kinderheimes. Er kuschelte sich tiefer in seinen Pelzmantel, während er sich neugierig umschaute. Tatsächlich gefiel ihm, was er sah. Das Kinderheim war in einer ehemaligen Residenz irgend einer Gräfin untergebracht. Er sah Ziegen, Pferde, Katzen und sogar Hunde. Dann erblickte er einen großen Teich, der jetzt zugefroren war und verschiedene Spiel- und Klettermöglichkeiten sowie eine große Feuer- und Grillstelle. Sofort wurde ihm klar, dass hier das Wohl der Kinder wirklich an erster Stelle stand. Als er den Haupteingang erreicht hatte, klingelte er. Es dauerte auch nicht lange, da wurde die Tür geöffnet und er wurde durch hohe Gänge geführt. Was ihm sofort auffiel: es herrschte reges Leben und Bewegung, aber keine Hektik oder Geschrei. Es war ein sehr angenehmes Wuseln. Schließlich wurde er in eine Aula geführt. Dort stand zu seiner Verwunderung kein Konzertflügel, sondern ein sehr altes aber super gepflegtes Cembalo. Sprachlos näherte er sich dem Instrument und beinahe andächtig ließ er seine Finger über das Holz gleiten. Karl hatte keine Augen für den festlich geschmückten Saal. Er sah nur dieses schöne Instrument. Bedächtig zog er sich seinen Mantel, seine Handschuhe und den Schal aus und gab sie unbewusst einen etwa 16-jährigen Knaben, der neben ihm aufgetaucht war. Karl hatte sich schon fast an das Cembalo gesetzt, als er stirnrunzelnd stockte und aufblickte. Er sah gerade noch wie behutsam und umsichtig der Junge seine Sachen verräumte. Als der Jüngling sich nun zögernd wieder näherte, legte Karl den Kopf etwas schief. „Wer bist du?“, fragte er ruhig. Der Knabe räusperte sich etwas. „Ich heiße Leornardo, Sir. Und ich kümmere mich um das Cembalo“, erklärte er leise. Karl blickte zu dem Instrument und nickte. „Bis jetzt eine sehr gute Arbeit“, lobte er und setzte sich hin. Sofort spielte er probeweise alle Tasten an und dann ein einfaches Weihnachtsstück. Es klang gut, aber noch nicht perfekt. Er blickte zu Leonardo auf und sah in dessen Augen, was er selber dachte. So räumte er den Platz und ließ den Knaben das Instrument noch einmal nachstimmen. Karl hätte sich nie träumen lassen, dass ein Tag in einem Kinderheim so... erfüllend sein konnte. Er hatte spontan die Kinder bei ihrem Programm musikalisch begleitet und dann natürlich auch, wenn die Kinder dem Nikolaus ein Ständchen brachten. Ganz zum Schluss hatte er auch noch ein Weihnachtsstück von Bach gespielt – unter tosendem Applaus der Kinder. Spontan hatte er beschlossen, noch etwas zu bleiben und so ließ er sich das gesamte Heim zeigen. Er redete mit den Erziehern und den Kindern. Er beschloss, dass Tony auch zu Heiligabend hier den Weihnachtsmann spielen musste. Und er würde alle Hebel in Bewegung setzen, dass er auch wirklich ein Schlitten mit Rentieren aufgetrieben bekam! Am Nachmittag backte er mit den Kids noch Weihnachtsplätzchen und schließlich brachte Leonardo ihm seine Sachen. Karl zog sich langsam an und musterte dabei den Jungen. „Wie lange bist du schon hier?“, fragte er leise. Leonardo blickte schweigend zu Boden. Er wollte nicht darüber sprechen. Nicht darüber, dass man ihn schon vier mal wollte und dann immer wieder zurück ins Heim gebracht hatte. Karl musterte den Knaben vor sich. „Verstehe...“, meinte er leise. „Magst du mich noch bis zum Tor begleiten?“ Leonardo nickte und nach dem Karl sich verabschiedet hatte, liefen sie schweigend durch den Schnee bis zum großem Tor. Als Karl sah, dass Tony mit dem Wagen noch nicht da war, wandte er sich an Leo. „Kann ich dich am Sonntag zum Kaffee bei mir einladen? Damit wir gemeinsam den zweiten Advent verbringen können“, wollte er wissen. Leo biss sich auf die Unterlippe. Er musterte Karl sehr lange und eingehend. „Sie spielen mit den Gedanken, mich zu Ihnen zu holen?“, fragte er leise. Karl lächelte beinahe beschämt. „Ich weiß es nicht. Vielleicht... Leo, ich will ehrlich sein. Von allen Kindern, bist du rausgestochen. Du gefällst mir. Ich kann dir noch nicht sagen, ob ich dich so mögen oder gar lieben könnte, dass ich dich zu mir hole. Ich weiß auch nicht, ob du mich mögen oder so lieben könntest. Darum dachte ich, dass wir vielleicht uns kennen lernen könnten... zum Beispiel bei einem gemeinsamen Nachmittag. Außerdem muss mein Lebensgefährte auch damit einverstanden sein.“ sagte er ruhig. Leo lächelte warm und seine Augen strahlten, als er Karl fest ansah. Noch nie hatte er so ehrliche Worte gehört und er wusste, dass, wenn Karl sich entschied ihn zu adoptieren, dann würde es für die Ewigkeit sein. „Ich möchte gerne, aber Sie müssen es noch mit der Leitung absprechen“, erklärte er ruhig und Karl nickte. Da kam Tony auch schon angefahren. „Dann holen wir dich am Sonntag ab!“, sagte er und stieg in den Wagen, der direkt vor ihm gehalten hatte. Leonardo sah den davon fahrenden Wagen lange nach. Wie betäubt betrat Leonardo am Morgen des 24. Dezembers mit seinen ganzen Habseligkeiten, die er besaß, diese kleine Villa mit den ganzen verspielten Türmchen. Karl führte ihn in sein neues Zimmer, während Tony bereits in die Küche ging und Snacks sowie Getränke vorbereitete, denn sie hatten heute ein sehr strenges Programm vor sich! Leo fühlte sich nach wie vor wie im Traum: bei den letzten gemeinsamen Nachmittagen, hatten sie alle drei festgestellt, dass scheinbar alles zu passen schien. Es fühlte sich direkt so an, als ob sie schon immer eine Familie waren. Nun hatte Karl es irgendwie ermöglicht, dass Leo zu den beiden ziehen konnte. Über Weihnachten und Silvester. Erst einmal ein Jahr auf Probe. Und wenn dann alles passen würde, würden Karl und Tony ihn adoptieren. Wobei Leo sich sicher war, dass dies schon eher passieren würde. Denn wenn es nach Karl gehen würde, wäre Leo schon nach dem ersten gemeinsamen Nachmittag adoptiert worden - und dabei betonte Karl immer wieder, dass er keine Kinder mochte! Doch sowohl Tony als auch Karl hielten sich zurück und wollten somit Leonardo alle Zeit der Welt lassen. Leise lächelnd packte er mithilfe Karls seine Habseligkeiten aus und schon ging es weiter: Sie mussten noch einen Weihnachtsbaum fällen und diesen schmücken. Und sie hatten keine acht Stunden mehr Zeit! Denn 18 Uhr wurde zu Abend gegessen und dann war Bescherung! Und davor musste Tony noch als Weihnachtsmann im Kinderheim die Geschenke bringen - natürlich mit Schlitten und originalen Rentieren, die wiederum, auch festlich hergerichtet werden mussten. Mit Freudentränen in den Augen ließ Leo sich von Karl also zu Tony ziehen und gemeinsam gingen sie in den großen Park hinter der Villa, um sich einen Baum zu suchen. Ja, es würde ein strenger Tag werden. Aber ein Tag mit seiner neuen Familie! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)