Adventskalender Haikyuu!! 2023 von Scharon ================================================================================ Kapitel 19: Kuroo ----------------- Schon als ich Kenma gefragt habe, ob er mit Bokuto und Akaashi essen gehen will, hatte er nicht besonders glücklich ausgesehen. Aber er hatte drauf bestanden, dass es ok ist. Jetzt allerdings sieht er so aus als würde er nach einem Fluchtweg Ausschau halten, so wie seine Augen die Gegend abscannen. Wir gehen nebeneinander her, auf dem Weg zum Restaurant hinter dem Shoppingcenter. Es hat angefangen zu schneien, doch die kleinen Flocken haben keine Chance mit ihrem winzigen Durchmesser auch nur Teile des Bodens weiß einzufärben. Es ist auch gar nicht so kalt, zumindest fühlt es sich nicht an, wie kurz vor dem Gefrierpunkt, obwohl es die großen, grell leuchtenden Ziffern an den Kaufhauswänden behaupten. „Wir können immer noch wieder umdrehen“, lenke ich ein als Kenma seine Nase tiefer im Schal und seine Hände weiter in den Jackentaschen vergräbt. „Das wäre wirklich kein Problem.“ Bokuto ist einer der verständnisvollsten Menschen, die ich kenne. Wenn ich ihm sage, dass Kenma sich unwohl fühlt, wäre er sicher nicht mal eingeschnappt, geschweige denn böse. „Nein“, dringt es leise an mein Ohr und Kenma blinzelt langsam, steigt dann über eine große Pfütze am Straßenrand. Na gut, wenn er meint. „Du kannst auch neben mir auf dem Bürgersteig laufen.“ Erst jetzt fällt mir auf, dass Kenma eine große Lücke zwischen uns lässt. Er hält mehr Abstand als sonst, läuft sogar auf der Straße. Da ihm offensichtlich kein Gegenargument einfällt, tritt er zu mir auf den Bürgersteig hinauf, läuft aber auf der äußersten Kante. Ich seufze innerlich. „Was ist los?“ Er hadert doch mit etwas. Und das scheint ihn so sehr zu beschäftigen, dass er sogar meiner Nähe ausweicht. Wir hätten nicht her kommen sollen. Kenma schüttelt den Kopf. Ich senke nachdenklich den Blick, dann sehe ich mich um. Eine Seitenstraße abpassend, schiebe ich meine Hand an Kenmas Rücken und dirigiere ihn vom Weg ab. Er blinzelt irritiert, lässt sich aber von mir schieben bis wir, ein wenig abgeschieden von dem Trubel der Stadt, voreinander zum Stehen kommen. Er sieht mit nervös großen Augen zu mir auf. „Das ist mein Ernst.“ Ich neige mich vor, bis wir auf Augenhöhe sind und schaue ihn direkt an, meine rechte Hand ruht auf seiner linken Schulter. „Wir müssen das nicht tun.“ „Ist ok“, kommt es mit seinem üblichen, trocken Tonfall über seine Lippen. Jetzt seufze ich hörbar. „Ken, ich habe nicht das Gefühl, das es ok für dich ist.“ „Bist du dir da sicher?“ Ich weiche ein Stück zurück. Diese Reaktion überrascht mich. „Hast du nicht vielleicht Bedenken?“ Was? „Das Akaashi dich vielleicht nicht mag... oder mich?“ Ich blinzel ein paar mal. „Nein...“ „Dann steht dem nichts im Wege.“ Er dreht sich von mir weg, was meine Hand von seiner Schulter rutschen lässt und geht zurück auf die Hauptstraße. Noch immer überrumpelt, bleibe ich kurz stehen und sehe ihm nach. Dann folge ich ihm schnell. Vor dem Restaurant stehen Bokuto und sein Freund, unter dem großen Vordach, welches sie davor schützt von den zunehmenden weißen Flocken nass zu werden. „Kuroo!“, ruft Bokuto erfreut und macht einen schnellen Schritt auf mich zu, ehe Kenma und ich ebenfalls unter das Dach treten. „Hallöchen, mein Freund“, gebe ich zurück und wir fausten uns zu. Hastig dreht er sich um und legt den Arm um seinen Zuspieler. „Akaashi kennst du ja schon, von unseren Matches.“ Sein Lächeln ist noch viel wärmer geworden, seit er seinen Namen ausgesprochen hat. Man kann gleich sehen, wie verliebt er in den Dunkelhaarigen ist. Das freut mich wirklich sehr. „Ja, das stimmt.“ Ich grinse ihn an, woraufhin er mir höflich zunickt. „Ich finde es schön, dass wir alle die Zeit gefunden haben.“ Ich wende mich Kenma zu, der einen halben Schritt hinter mich gemacht hat. Ich wusste doch, das es ihm unangenehm ist, aber gut. Wenn er sich entschieden hat das durchzuziehen, dann unterstütze ich ihn. Ich bleibe zwischen ihm und den beiden stehen, bewege nur einladend meine Hände in seine Richtung. „Kenma kennt ihr beide ja auch schon“, füge ich nur hinzu. „Hallo“, kommt es leise durch den Schal. Bokuto grinst und auf Akaashis Gesicht formt sich ein kleines Lächeln, was ihm, zugegebener Maßen, sehr gut steht. Im Restaurant ist es, zu meinem Bedauern, ziemlich voll. Wir sind wohl nicht die einzigen, die in der Vorweihnachtszeit ein wenig Lust nach Genuss verspüren, auch um dem Alltagsstress zu entfliehen. Schon auf dem Weg zu unserem Tisch, muss die Kellnerin mehreren Gästen ausweichen und wir schlängeln uns ihr nach. Mir entgeht nicht, dass Kenma sich nervös umsieht. „Ist es dir zu voll? Das könnte ich gut verstehen.“ Meine Stimme ist ganz ruhig, während ich hinter Kenma her laufe und ihm so ein bisschen Freiraum ermögliche. „Nein. Ist ok“, gibt er leise zurück. Ich nicke und folge ihm weiter, bis wir im hinteren Bereich des Restaurants, ganz an der Wand, unseren Tisch erreichen. Gerade ausreichend für vier Personen, doch mit bequem anmutenden Lederbänken. Es hat fast etwas von einem amerikanischen Diner, wobei ich mir diese Bänke irgendwie rot vorgestellt hätte und die vor uns schlicht in Schwarz gehalten sind. Behutsam lege ich die Hände an Kenmas Schultern und schiebe mich, ohne ihn weiter zu berühren, hinter ihm vorbei, rutsche in die Ecke, bis an die Wand. Enge Orte sind Kenma unangenehm, daher überlasse ich ihm den Platz am Gang. So kann er, wenn er das Bedürfnis verspürt, einfach aufstehen und sich entfernen. Bokuto rutscht ebenfalls die Bank entlang und fordert Akashi mit einem leichten Klopfen neben sich dazu auf, sich an seine Seite zu setzen. Dabei strahlt er ihn an als wäre er die einzige Person in diesem Restaurant. Süß, wie verliebt er ist. „Ich bin echt gespannt! So voll, wie es hier ist, muss das Essen ja großartig sein!“ Mit ausladenden Armbewegungen sieht mich Bokuto an und lehnt sich über den Tisch zu mir. „Ja, davon kann man ausgehen“, gebe ich zurück, sehe im Augenwinkel wie Kenma die Hände in seinem Schoß vergräbt und den Blick gesenkt hält. „Oder? Ich hoffe, die Bedienung kommt bald!“ Er wendet sich um, so abrupt, dass die Tischdeko wackelt. „Bokuto-san...“ Akaashi spricht so leise, dass ich ihn kaum hören kann. Bokuto wendet sich ihm sofort zu und während er Luft holt, um weiter zu sprechen, schreckt Bokuto bereits zusammen. „Oh nein, bin ich schon wieder zu laut, Akaashi?“ Der schwarzhaarige Zuspieler lächelt sein Ass sanft an, der daraufhin die Hände vor sich auf den Tisch legt. „Tut mir leid. Ich bin nur so aufgeregt“, sagt Bokuto mit deutlich leiserer Stimme und grinst erst Akaashi und dann mich an. Ich nicke beeindruckt. Dann gleitet mein Blick zu Kenma, der nun auch zu den beiden aufsieht. Die Kellnerin kommt kurz darauf und auch nachdem wir unser Essen bestellt haben, müssen wir nicht lange warten, ehe sie mit vollbeladenen Armen zu unserem Tisch zurückkehrt. „Das sieht voll lecker aus...“, haucht Bokuto und ich kann sehen, wie ihm das Wasser im Mund zusammenläuft. Er hat Recht. „So, hier haben wir einmal das Menü mit Pilzen...“, setzt die Kellnerin an, greift sich einen Teller, während Bokuto seine Hand hebt, um ihr anzuzeigen, dass dies sein Essen ist. Als sie sich vorbeugt, um ihm den Teller anzureichen, gehen mehrere Menschen hinter ihr durch den Gang, was sie dazu zwingt näher an Kenma heran zu treten. Sofort schieben sich seine Arme nach hinten und er drückt sich in die Lehne, um Abstand zu gewinnen, doch der Raum ist nicht ausreichend, um ihr auszuweichen. Mit einer flüssigen Bewegung lege ich meinen Arm um Kenmas Schultern, ziehe ihn zu mir und neige mich mit ihm zusammen ein Stück in Richtung der Wand neben mir. Unter meinen Händen spüre ich die Anspannung seiner Schultermuskeln. „Sieh mich an, Ken“, flüstere ich und er wendet den Kopf von der Kellnerin ab, dreht ihn fast mechanisch anmutend zu mir und wandert mit seinem Blick meine Brust hinauf, bis er meine Augen fokussiert. Ich lächle sanft. „Alles ok?“ Er sieht mich mit großen Augen an, dann kehrt sichtbar Ruhe in seine Körperhaltung ein. „Ja“, wispert er und ich habe das erste Mal an diesem Abend das Gefühl, dass seine Antwort ehrlich ist. Hosted by Animexx e.V. 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