Adventskalender Haikyuu!! 2023 von Scharon ================================================================================ Kapitel 6: Iwaizumi ------------------- Schon als er zu Boden ging, hatte ich ein komisches Gefühl, doch als Oikawa, beim Versuch aufzustehen, wegbricht, weiß ich, dass er auf sein angeschlagenes Knie gefallen ist. Scheiße! Das darf doch echt nicht wahr sein! Es hat jetzt so lange gut gegangen... Wir holen schnell den Punkt, woraufhin ich mich sofort zu Oikawa begebe. Er starrt wie versteinert vor sich hin, während sich wilde Stimmen um ihn zu einem Brei aus Geräuschen vermischen. Er hat sich sichtbar erschrocken und sicher macht ihm das Gefühl, welches seinen Körper wohl durchströmen wird, eine riesen Angst. Schmerz. Das wird er niemals zugeben. Ich packe ihn am Kragen, hole ihn vom Schock zurück in den Moment, spreche ihn unverblümt auf sein Knie an. Er schüttelt den Kopf, während seine Augen mich förmlich nach Hilfe anschreien. Natürlich leugnet er es. Das war klar. „Lügner! Ich hab es genau gesehen.“ Los, gib es zu. „Lass mich dich nicht auffordern aufzustehen.“ Ich mustere ihn genau, sehe all dass was sein Mund nicht zu sagen vermag. Er braucht einen Arzt. „Es geht mir gut!“, protestiert Oikawa und ich weiche zurück. Mehr lügen. Natürlich. Ich lasse ihn los als er meine Finger aus dem hellen Stoff an seinem Kragen drückt. Schwerfällig lehnt er sich zur Seite, drückt sich mit den Armen und dem linken Bein hoch. Sein Körper zittert, die Lippen sind fest auf einander gepresst, ich überhöre auch das Keuchen nicht. Da steht er nun, mehr geht nicht, und starrt zu Boden. Er wird mich nicht um Hilfe bitten, dafür ist er nicht einsichtig genug. Doch wenn ich ihn da stehen lasse, versucht er womöglich noch zu laufen und verletzt sich noch schlimmer. Also trete ich an seine Seite, hebe ihn an seinem rechten Arm über meine Schultern und gehe los. „Nervensäge.“ „Es geht schon...“ „Ja, ja, schon klar.“ Ich bringe ihn zur Bank, wo er bereits in Empfang genommen wird. Mit einem Seufzen wende ich mich ab. „Iwaizumi.“ Ich sehe zu Kindachi hoch. „Ist es sehr schlimm?“ „Wird sich zeigen“, gebe ich knapp zurück und blicke auf meine Schuhe. Scheiße. Ich hoffe wirklich sehr, dass es nichts Ernstes ist. Mit bedrücktem Herzen gehe ich neben Oikawa auf dem Bürgersteig her, der sich durch die etwa einen Zentimeter hohe Schicht Neuschnee schiebt. Es weht kein Wind, was die dicken Flocken um uns herum einfach stur zu Boden rieseln lässt. Einzelne Sonnenstrahlen brechen durch die bauchigen Wolken und lassen unsere Umgebung vereinzelt glitzern. Es wäre ein wunderschöner Moment der fast schon romantischen Zweisamkeit, wenn da nicht etwas in seinen Händen wäre, was ihn stur zu Boden starren lässt, mit hängenden Mundwinkeln und einem Blick der rein gar nichts fokussiert. Krücken. Die Untersuchungen sind abgeschlossen, doch die Ärzte wollen sich noch beraten, was heißt, dass ein Ergebnis nicht vor morgen zu erwarten ist, wenn nicht erst übermorgen. Eine Zeit, die sich schier endlos erstreckt, wenn man gezwungen ist, sie abzuwarten und mit dem Schlimmsten rechnen muss. So eingeschränkt, wie sein Knie durch die angelegte Schiene ist, so regungslos verharren auch Oikawas Lippen. Auch wenn mich seine hyperengagierte Art sonst viele Nerven kostet und sein aufgeblasenes Geplapper mich zur Weißglut treibt, so ist es gerade im Moment erdrückend. Er lacht nicht, schreit nicht, weint nicht... diskutiert nicht, schimpft nicht, lügt nicht. Er ist still. So unerträglich still, dass ich irgendwann das Wort ergreife, um den klackenden Aufprall der Krücken, den jeder Schritt mit sich bringt, nicht mehr hören zu müssen, der wie ein Schrei immer wieder daran erinnert, wie unbefriedigend die Situation ist. „Wie auch immer das ausgeht, es wird sich ein Weg ergeben.“ Wow. Doch mir fällt wirklich nichts besseres ein. Ich möchte ihn trösten, doch ohne Wissen, wo soll ich ansetzen? Jedes Wort könnte ein Lüge sein und das hilft wohl keinem von uns. Ich wünsche mir, dass er etwas sagt, doch er setzt eisern Krücken und Fuß weiter vor einander, hebt nicht mal den Blick. „Das warten nervt“, beginne ich meine Gedanken auszusprechen und sehe hoch in den Himmel, der uns weiter mit kühlen weißen Bällchen bewirft. Dann gleitet mein Blick wieder zu ihm. Klack. Klack. Ich wünschte, ich könnte etwas tun. Klack. Klack. So sag doch bitte was. Klack. Irgendwas. Klack. „Oikawa...“ „Ist schon gut.“ Meine Augen weiten sich als seine Stimme leise, doch fest erklingt. „Gerade bleibt uns doch nichts anderes übrig als zu warten.“ Ich seufze innerlich, beobachte wie die Krücken in den tiefer werdenden Schnee einsinken. „Vielleicht ist auch nur irgendwas eingeklemmt oder gereizt.“ „Ja, vielleicht ist es das“, spreche ich ihm Mut zu, ohne allzu euphorisch zu klingen. Es ist eine Option. Gerade als ich den Kopf abwende, ertönt kein weiteres so erwartetes Klacken. Stattdessen wird die Bewegung neben mir schneller als Okawas rechte Krücke wegrutscht und er in meine Richtung kippt. Ich erschrecke mich, doch nur soweit, dass mein Körper instinktiv handelt. Mit gebeugten Knien schließe ich seine Schultern in meine Arme und schiebe im Fallen meine Hand an seinen Hinterkopf, bewahre diesen somit davor, gegen die Bordsteinkante zu schlagen als wir gemeinsam zu Boden stürzen. Die Knie, rechts und links neben seiner Hüfte, in den Schnee gestemmt, halte ich seinen Oberkörper umschlungen, dass meine Ellbogen mein Gewicht weitestgehend von seiner Brust nehmen. Mein Atem geht schnell als ich realisiere, was gerade passiert ist und ich hebe mich ein Stück über Oikawa an, um ihm ins Gesicht zu sehen. Mit großen Augen sieht er zu mir auf, sichtlich erschrocken, hat beide Hände zur Brust gezogen und liegt starr in meine Armen. „Alles ok?“, frage ich, mein Gesicht kaum 10cm von seinem entfernt. Er blinzelt, dann wird sein Blick etwas ruhiger. Scheinbar erkennt er gerade, dass die Gefahr gebannt ist. Dennoch dauert es einen Moment bis er nickt. Einen Moment in dem mir klar wird, wie nah wir uns gerade sind und der meine Wangen warm werden lässt. „Iwa...“, haucht er und nimmt meinen Blick gefangen, dass mein Herz schneller schlägt. Dann werden seine Augen schmaler und die Augenbrauen ziehen sich gequält zusammen. Ich keuche auf als sein Atem stockender geht und sich seine Augen mit Tränen füllen. „Iwa!“ Er drückt sich zu mir hoch, krallt die Finger in meine Jacke und presst sein Gesicht an meine Brust. Erst bin ich überrascht, doch dann ertönt sein Schluchzen und ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Hemmungslos weinend, schmiegt er sich an mich, während meine Hand seinen Kopf zu mir zieht und ich die Augen schließe. Es sticht in meine Brust, sein Wimmern, die Hilflosigkeit. Und dennoch bin ich froh, dass er sein Schutzschild des Schweigens hat fallen lassen, mir endlich seine wahren Gefühle zeigt. „Ich bin bei dir. Ich gehe nicht weg“, murmele ich in seine Haare, wiederhole meine Worte leise, wie ein Mantra, während Oikawa nicht aufhören kann zu weinen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)