Juliane und die Liebe von Erzsebet ================================================================================ Kapitel 4: Die Kröte für Haro ----------------------------- Den Weg zum Café am Damm legte Juliane ganz in Gedanken zurück, ohne auch nur einmal auf den Verkehr zu achten. Christians mail ging ihr nicht aus dem Kopf - sie wußte gar nicht recht, wie ihr war. Sollte sie tatsächlich einmal das Glück haben, daß ihre Gefühle ein bißchen erwidert wurden? Er hatte geantwortet auf ihre lange mail, in die sie eingeflochten hatte, daß sie ihn nicht nur so ganz nett, sondern schon sehr sympathisch fände. Er hatte diesen Satz nicht einfach ignoriert, sondern explizit darauf geantwortet, auch er fände sie nicht nur nett, sondern mehr als das, liebenswert, obwohl sie sich erst so kurz kennen würden. Er freue sich auf ihre nächste mail, man könne sich vielleicht vor ihrer Geburtstagsfeier noch einmal treffen, und schließlich wünsche er ihr noch alles erdenklich Liebe und Gute. Sie hatte zurückgeschrieben, von dem Gefühlssturm, den er mit seinen Worten bei ihr auslöste, wie gerne sie ihn wiedersehen würde - und daß sie ihn vielleicht am kommenden Morgen anrufen würde, wenn sie es nicht aushalten könne von ihm erst wieder zu hören, wenn sie in der Uni den mailaccount abfragte. Das Türschild vom Café am Damm brachte ihr schlagartig wieder den Grund ihres Hierseins ins Gedächtnis. Sie mußte jetzt mit ihren Gefühlen jonglieren, so wie mit ihren Männern, auch wenn sie nie tatsächlich über den Harem, von dem sie ihren Freunden gegenüber oft sprach, verfügt hatte. Nick hatte sie immer dazugezählt, aber das war eigentlich falsch - und nur Haro und Falk hatte sie teilweise parallel gehabt. Ihr Entschluß, Haro abzuservieren, über den sie vielleicht trotz der Antipathie auf ihrer Seite noch einmal nachgedacht hätte, wenn kein neuer Mann in Aussicht gewesen wäre, war nun unumstößlich. Auch wenn es mit Christian nichts werden sollte, wenn sie doch seine Bemerkungen einfach überinterpretiert hatte - weil sie gerne wollte, daß er etwas von ihr wollte - mußte sie Haro loswerden, denn er hinterließ ihr im eigentlichen und übertragenen Sinne einen schlechten Geschmack im Mund. Juliane war einige Minuten zu früh und mußte nun auf Haro warten. Sie bestellte sich einen Milchkaffee und beobachtete die zwei anderen Gäste im Nichtraucherraum, um sich nicht durch Gedanken an Christian von ihrem Vorhaben ablenken zu lassen. An dem kleinen Zweiertisch saßen sich zwei Mädchen, nun, vielleicht junge Frauen, gegenüber und unterhielten sich über Nostradamus. Es dauerte eine Weile, bis Juliane klar wurde, daß damit offensichtlich ein Tier dieses Namens, anscheinend ein Hund gemeint war. Eine der beiden kam ihr sogar vage bekannt vor und sie erinnerte sich, daß sie vorletzten Freitag mit ihr an einem Tisch im Cafe des ehemaligen Peter-Friedrich-Ludwig-Hospitals gesessen hatte, als die Lesung von Hajo Teschner stattfand. Sie war dort mit Falk verabredet gewesen, der erst ziemlich spät gekommen war, was Juliane wiederum sehr nervös gemacht hatte. Aber auch ihm hatte das Buch gefallen, aus dem Hajo gelesen hatte - sie selbst hatte keinen Zweifel daran gehabt, daß es gut und unterhaltsam sein würde, denn schließlich kannte sie Hajo und seine Werke ja aus einem Projekt des Literaturbüros, an dem sie beide teilgenommen hatten - und im Anschluß waren sie ins Murphy's gegangen. Da hatte Falk dann mit ihr Schluß gemacht, sie noch bis zum Ama begleitet und war aus ihrem Leben verschwunden. Im Murphy's hatte Juliane auch ihren ersten gemeinsamen Abend mit Viktor verbracht, am ersten Dezember des vergangenen Jahres - und irgendein Gast hatte den zwei Turteltäubchen, wie er meinte, dann auch noch je ein Glas Sekt ausgegeben -, und dort hatte sie auch, nachdem sie das zweite große Guinness intus hatte, Haro verliebt über den Tisch angeschaut, bis der endlich weichgekocht war und sie küßte. Hätte sie das nur gelassen, dann müßte sie nun nicht hier sitzen. Inzwischen hatte das junge Mädchen mit Brille wohl auch Juliane als vage bekannt eingeordnet, denn sie grüßte mit einem kurzen Kopfnicken zu ihr herüber, gefolgt von einem sehr erstaunten Blick ihrer Gesprächspartnerin und einem etwas heftigeren, im Flüsterton fortgesetzten Dialog zwischen den beiden. Aber nun hatte Juliane keine Gelegenheit mehr, die beiden weiter zu beobachten, denn Haro kam ins Café. Freudestrahlend ging er gleich zu ihr an den Tisch, wollte sie umarmen und küssen, aber sie wehrte das ab, kündigte eine Erklärung an - ließ Haro in dem Glauben, es sei der öffentliche Ort, den sie scheute - er setzte sich, bestellte und sie begann, ihm die Kröte zu verabreichen. Haro war ziemlich hartnäckig: er wisse doch, daß sie ihn begehre und ihr ihre Zweisamkeit gefallen habe. Und er erinnerte Juliane mit gesenkter Stimme daran, welche Lust sie offensichtlich empfunden hatte, als er sie bei ihrem zweiten Zusammentreffen rasiert hatte. Natürlich sprachen einige Tatsachen gegen Juliane, denn sie war es gewesen, die ihn gleich am ersten Abend ins Bett gezerrt hatte - auch wenn es seines gewesen war, denn sie hatte außer Viktor und ihrer heimlichen Affäre bis zu Nicks Besuch keiner Liebschaft die Haustür, geschweige denn ihre Schlafzimmertür geöffnet. Allerdings hatte sie gerade die Rasur - auch wenn es ihr Spaß gemacht hatte - in Erklärungsnöte gegenüber allen folgenden Bettgenossen getrieben, von denen Haro natürlich nichts wußte. Ja, er hatte sogar gedacht, nur er allein würde jemals ihre 'rasierte Muschi' zu Gesicht bekommen. Und außerdem war das Nachwachsen der Haare ausgesprochen unangenehm. Nun erzählte sie also - schon ein bißchen ins Schwimmen geraten, denn mit der brutalen Wahrheit wollte sie dann doch nicht herausrücken - es wäre eine rein körperliche Anziehungskraft und das wäre ihr nicht genug, sie wolle Liebe und Leidenschaft in einem und ihn könne sie nun einmal nicht lieben - denn sie stände nicht auf blond. Aber Haro ließ nicht locker: er wisse doch, was für ein 'geiles Stück' sie sei und daß sie es gar nicht lange ohne Mann aushalten könne - egal ob nun mit oder ohne Liebe. Die verhalten geäußerten Obszönitäten, die Juliane in der Tat aufs höchste erregten, machten ihr Haro jedoch zugleich noch unsympathischer. Er mochte zwar tatsächlich Recht haben mit seinen Spekulationen darüber, was sie erregte, aber es stand ihm nicht zu, einfach zu behaupten, er wisse es. Über diese Bevormundung und über den Verrat ihres eigenen Körpers nun ziemlich sauer geworden, kürzte sie die Angelegenheit ab, indem sie auf einen weiteren Termin an dem Nachmittag verwies, zusagte, sich zu melden, falls bei ihr einmal Not am Manne sei und Haro im Stillen zum Teufel wünschte. Mit hundertprozentiger Sicherheit würde sie sich spätestens in zwei Wochen melden, versprach Haro ihr, eher noch früher, aber natürlich würde er jetzt erst einmal ihre Laune akzeptieren. Da solle er sich lieber nicht zu große Hoffnungen machen, riet Juliane ihm, stand auf, zahlte ihren Milchkaffee und ging, um nach Hause zu radeln. Zuhause nahm sie die drei Comicalben von Nick, zog die Tanzschuhe an und machte sich auf den Weg zur Uni, obwohl es noch dreieinhalb Stunden bis zum Beginn des Kurses waren. Doch als sie bei Nick klingelte, wurden ihre Hoffnungen, ihn zuhause anzutreffen, zerstört. Sie warf also die Alben mit einer kurzen Dankesnotiz in den Briefkasten, fuhr zur Uni und vertrieb sich die Zeit bis zum Beginn des Kurses am PC, indem sie die mails von Christian und ihre Erwiderungen darauf wieder und wieder las. Vielleicht wollte er ja tatsächlich etwas von ihr - aber bei ihrem Glück hatte sie sicher nur wieder etwas falsch verstanden. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)