Juliane und die Liebe von Erzsebet ================================================================================ Kapitel 2: Dimitri und die anderen ---------------------------------- Julianes größeres Selbstvertrauen steigerte anscheinend auch ihre Attraktivität, denn nach der heimlichen Affäre gelang es ihr, sogar wildfremde Männer am ersten Abend ins Bett zu kriegen, wie Dimitri, den Typen, den sie eines Mittwochsnachts im Metro kennengelernt hatte. Und obwohl es hieß, im Metro könne man - insbesondere Mittwochs - niemanden angraben oder gar abschleppen, war Juliane das problemlos gelungen. Kurz vor vier hatte er noch hinter einem Bier allein an einem Tisch gesessen - sie an der Bar, das Jever, das der Barkeeper ihr der späten Stunde wegen ausgegeben hatte, in der Hand. Und er sah zu ihr herüber, lächelte fast ein wenig scheu - das hatte Juliane ermutigt. Sie war zu ihm gekommen, hatte gefragt, ob sie sich zu ihm setzen dürfe, denn es sei doch albern, wenn sie beide jeder für sich allein sitzen würden. Und er gestattete es. Sie begannen, sich über irgendwelche Nichtigkeiten zu unterhalten, schließlich waren die Flaschen geleert, und sie gingen hinaus, um nicht hinausgesetzt zu werden. Diese Nacht Mitte Mai war sehr lau gewesen und so standen sie noch eine ganze Weile in der Nähe der Treppe, die hinunter zum Metro führte, redeten weiter - und Juliane wurde immer unkonzentrierter. Ihr ging der Gedanke nicht aus dem Kopf, wie Dimitri wohl küssen mochte. Seine Stimme war angenehm, der russische Akzent machte ihn interessant und seine Lippen waren wirklich schön. Und so fragte sie ihn schließlich - für ihn wohl plötzlich und zusammenhanglos, denn er war sichtlich überrascht - ob sie ihn küssen dürfe. In diesem Moment kam ein Smartmobile um die Ecke, die die Hirschapotheke bildete - die Anlage bis zum Anschlag aufgedreht - wendete vor dem Zugang zum Metro, nur wenige Meter von Dimitri und Juliane entfernt, die sich - durch Julianes Rad voneinander getrennt - fast unbewegt gegenüber standen und fuhr wieder davon. Erst als von den Bässen nichts mehr zu hören war, rang Dimitri sich zu einer Antwort durch - man könne es ja mal probieren. Dimitri küßte nicht schlecht, natürlich landete Juliane noch in dieser Nacht mit ihm in seinem Bett und genoß ihren ersten völlig befriedigenden Sex, begleitet von den Klängen von Wolfsheim. Der Tag war schon angebrochen, als Juliane für einen Moment glaubte, ihr Glück gefunden zu haben. Dimitri war plötzlich aufgesprungen, erschrocken über ihr Zittern und ihren knallroten Kopf, schon fast am Telefon, um einen Notarzt zu holen, bevor sie ihm klarmachen konnte, daß sie nur einen Orgasmus hatte. Mittags verabschiedete sie sich nach einem ausgedehnten Frühstück dann artig und hörte nie wieder von ihm. Bis jetzt war Dimitri noch immer der einzige Mann, der wirklich gut im Bett gewesen war - und doch war es wieder nur eine Eintagsfliege gewesen. Auf die Dauer wurde es anstrengend und brachte doch nur für den Augenblick Freude. Inzwischen waren sogar einige Fehlgriffe zu verzeichnen. Da war der 'Erste Mai', der einzige ihrer Männer, der älter als sie gewesen war, und mit dem sie nur aus Frust über ihr immer noch nicht geheiltes, von Viktor gebrochenes Herz ins Bett gegangen war - ohne mehr getan zu haben, als aneinander zu fummeln. Und nach seinen weisen Ratschlägen für ihr Leben war Juliane über seinen Rückzieher von einer Beziehung richtig erleichtert gewesen. Dann war da noch Haro, die erste ihrer fruchtlosen Anzeigenbekanntschaften. Den hatte sie sich bei ihrem ersten Treffen schöngetrunken, weil sie unbedingt in dieser Nacht Sex haben wollte. Diesen eingebildeten, geschwätzigen und leicht untersetzten Dreißiger, der sich in seiner Anzeige als 'romantisch, nett und gutaussehend' bezeichnet hatte und es im Bett nicht brachte, ihr außerdem als Mensch ziemlich unsympathisch war und komisch roch, den wollte sie heute nachmittag abservieren. Sie hatte gestern abend telefonisch das bei ihm geplante Treffen in das Café am Damm verlegt und hoffte nun, daß sie Haro nach den drei Mal, die sie ihm mit wachsendem Ekel erlaubt hatte, an ihr rumzumachen, höflich davon überzeugen konnte, daß er nicht der Mann war, mit dem sie noch länger zu tun haben wollte. Falk dagegen, ihre zweite Anzeigenbekanntschaft, ein Sinologe und eloquenter Gesprächspartner, war als Mensch interessant und als Liebhaber sehr einfühlsam gewesen. Seiner Anzeige nach hatte er ja auch eine Frau gesucht, deren 'Luxusbody' er verwöhnen dürfe. Bei ihrem zweiten Treffen beklagte er allerdings, daß er ihren 'libidonösen Energien' nicht gewachsen sei und nach dieser Erklärung verabschiedete er sich vor dem Amadeus endgültig von ihr. Dort hatte sie sich dann mit einigen Bieren trösten - nein richtiger in Selbstmitleid versinken wollen, wenn sie nicht zwei ihrer albernen Freunde dort aufgestöbert und davon abgelenkt hätten. Und ihr Kummer über diesen Verlust war schon längst vergangen. Vielleicht lag das auch an ihrem E-mail-Partner, dem jungen Mann aus Bremen, den sie vor anderthalb Wochen beim 8. Oldenburger Rollenspieletag kennengelernt hatte. Sie hatte ein selbst geschriebenes Abenteuer geleitet, und er hatte einen der fünf Charaktere gespielt. Da er das System - Demiurgon - noch nicht kannte, hatte er sich zuvor einiges von ihr erklären lassen, und als sie dann spielten, schienen sie zeitweilig die einzigen Personen im Raum zu sein. Was für nette Ideen er gehabt hatte, das Abenteuer zu lösen! Und einen Tag später kam seine erste mail, in der er überschwänglich schrieb, wie gut ihm das Abenteuer gefallen habe. Sie hatte ihm sofort geantwortet, diesem gutaussehenden blonden Riesen. Übers Rollenspiel tauschten sie sich seitdem aus, bevorzugte Lektüre, Ostasien und zuletzt Internetsoftware für den Atari. Und natürlich hatte sie ihn zu ihrem Geburtstag in dreizehn Tagen eingeladen. Aber sie hatte sich am Vortag mit ihrer mail durch Hinweise auf ihre Gefühle Christian gegenüber wahrscheinlich zu weit vorgewagt und nun war damit zu rechnen, daß sie sich so die angenehme Korrespondenz verscherzt hatte. Ihrer jetzigen Erfahrung nach mochten zwar einige Männer direkte Frauen, aber nur für eine Nacht, während viele andere durch offenen Umgang mit den weiblichen Gelüsten gleich abgeschreckt wurden. Sie hoffte, daß Christian wenigstens zurückgeschrieben hatte - so konnte sie vielleicht zumindest ein wenig positive Energie für das Treffen mit Haro schöpfen. Und abends war dann noch der Tanzkurs in der Uni, also mal wieder ein Treffen mit Viktor, doch das tat nicht mehr halb so weh wie am Anfang. Denn seit sie ihn um Tips gebeten hatte, wie sie Haro wohl loswerden könnte, hatten sie wieder ein fast unbeschwertes, freundschaftliches Verhältnis, so wie zu der Zeit, bevor sie ihn zu mehr gedrängt hatte, als er ertrug. Nachdem sie die Cäcilienbrücke über- und den Schloßgarten durchquert hatte, kam sie an dem Haus vorbei, in dem ihr jugendlicher Liebhaber seit knapp einem Monat wohnte, und Juliane erinnerte sich daran, daß sie noch einige Comicalben von Nick bei sich neben dem Bett liegen hatte. Sie schmunzelte bei dem Gedanken an die Umstände, die sie bewogen hatten, die Alben auszuleihen. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)