Heart and Heat von Sturmdrache (Wichtelgeschichte für FlameHashira) ================================================================================ Prolog: Our summer begins ------------------------- Wie ein blutroter Ball stieg die Sonne am Horizont auf und tauchte die Welt in ein goldenes Licht, dass lange Schatten mit sich zog. Vögel zwitschern in den hohen Baumkronen oder flogen in den Bogen des Sonnenaufgangs. Grillen ziepten im Gras, Insekten brummten im Unterholz. Der Sommermorgen wuchs wie eine Knospe im Wald heran, die nach dem warmen Segen suchte, damit sie in ihren Farben erblühten. Ein lautes Gähnen schloss sich der Naturkulisse an. »Mir ist so laaaangweilig«, meckerte Asahi und beobachtete, wie ein Schmetterling auf einer Blume landete. Mit dem Rüssel saugte es den Nektar auf und flog dann gleich zur nächsten Blüte. »Sogar diese bunte Wetterfahne hat mehr Spaß als ich. Das ist unfair!« Er seufzte. Waren die Sommerferien nicht das Symbol von Spiel und Spaß? Asahi lachte trocken und glaubte fest daran, an Langeweile zu ersticken. Schließlich fühlte sich die Luft sehr heiß und dick an. Auch im Schatten des Baumes musste er schwitzen. Der 14-jährige Schüler dachte über die letzten Tage nach, wie er von den anderen im Stich gelassen wurde. Entweder kreuzten Urlaube, Training, Familienbesuche oder die Aussage »Keine Lust!« seine Sommerpläne mit den anderen Jungs. Sein Blick wanderte über das Meer aus Gras, bis er eine Blume entdeckte, die sein Interesse weckte. Seine lilafarbenen Augen leuchteten wie Sterne. »Das ist es!« Und schon sprintete er los und stolperte über einen Stein. »Wahhh! Autsch!« Die weiche Moosdecke zwischen den Sommerpflanzen dämpfte seinen Aufprall. Aus der Ferne lachte eine Krähe über seinen Sturz, was an seinem Ego kratzte. Asahi nuschelte fuchsteufelswild, bevor er den Kopf hob und die Krähe auf dem Ast mit dem Todesblick fixierte. Allerdings neigte der Vogel nur den Kopf und blinzelte den Tollpatsch unschuldig an. »Du Unglücksvogel«, murrte er und rappelte sich auf. »Um dich kümmere ich mich später.« Nachdem er den Dreck von der Kleidung klopfte, betrachtete er sein Ziel. Eine Pusteblume. »Bingo!« Er grinste breit und streckte die Hand nach der Pflanze aus. »Platsch!« Kurz stand Asahis Herz still und er stand aufrecht. Durch seinen Körper wallte eine Welle des Erschütterung, die bis auf die Knochen ging. Wasser saugte sich in die Fasern und das Shirt klebte an seinen Rücken. »Was? Aber wie? Woher kam das denn?« Wie von der Tarantel gestochen fuchtelte er wild mit den Armen herum und drehte sich mehrfach um die eigene Achse. Plötzlich traf etwas Feuchtes sein Gesicht. »Uff.« Schnell wischte er sich das Wasser aus dem Gesicht und schüttelte den Kopf. »Wer ist da?«, rief er laut. »Das ist nicht witzig!« Kochend vor Wut färbte sich sein Kopf rot. Geradeaus, rechts, links, nach hinten. Niemand war in der Nähe. Verwirrt kratzte er sich am Hinterkopf. »Sind die Geister hinter mir her?« Auf der weiten Lichtung lebten zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, doch in einigen Legenden spielten Geister verschiedene Streiche, um die Menschen in den Wahnsinn zu treiben. Auf einmal bekam Asahi eine Gänsehaut. Der Wind säuselte durch die Baumwipfel und die Sommerblätter raschelten wie ein verhängnisvolles Flüstern. »G-Geister?«, murmelte er nervös. »Buhh! Hallo Asahi!« Alle Nackenhaare von Asahi sträubten sich auf und der kalter Schweiß rann über seine Stirn. Jeder Muskel schmerzte bei der Anspannung, bis er sich traute, in Panik auszubrechen. »Wahhh! Die Geister haben es auf mich abgesehen.« Er strecke die Arme in die Höhe und rannte einfach los. Erneut fiel er über den gleichen Stein und landete mit einem »Nicht schon wieder!« auf dem Waldboden. Natürlich gab die Krähe ihren Senf dazu. Das Krächzen klang heiser und rau. »Ich hasse diese Krähe!« Ein schweres Seufzen entglitt ihm. »Das ist keine Krähe«, meinte eine bekannte Stimme. Asahis Ohren zuckten und konnte nicht glauben, wenn er da hörte. Zum zweiten Mal stand er auf und erkannte Kisumi, der ihn freundlich zu winkte. »Was machst du hier?« Schamrot wich er seinem Blick aus und scharrte mit den Schuh in der Erde herum. Tatsächlich fiel er auf seinen Streich herein. Dann loderte eine Flamme in ihm und die Wut brannte wie Feuer im Bauch. Kisumi lächelte belustigt. »Ich gehe dir nur gerne auf die Nerven.« In den Händen hielt er einen Basketball und balancierte ihn dann auf der Fingerspitze. Seit der Grundschule spielte er Basketball. Als er Asahis aufkeimenden Zorn bemerkte, warf er insgeheim den Ball zu ihm, den er wie ein Wunder auffing. Beide reagierten überrascht. »Wow. Das war ein guter Reflex.« Augenblick gewann Asahi seine helle und wettbewerbsorientierte Seite zurück. Er legte Daumen und Zeigefinger am Kinn an. »Kein Wunder! Ich bin auch ein Genie«, sagte er stolz. »Für mich ist das kinderleicht.« Indes erlosch sein Wut und er versuchte den Trick von Kisumi zu imitieren. Bereits nach zwei Sekunden fiel der Basketball zu Boden. »Verdammt!« Aus Kisumis Hals hallte ein herzliches Lachen. Die Situation fand er komisch und für ihn blieb sein Freund ein Brüller. Als er den Basketball aufhob, musste er schon beim Lachen beinahe tränen. »Du bist und bleibt ein genialer Brüllaffe«, scherzte er und zwinkerte ihm zu. »Deine Frisur und deine Art sind bis heute ein Affentheater.« Folglich beendete er seine Scherze, um ihn nicht zu sehr auf die Palme zu bringen. Solche Witze sollten auf beiden Seiten Spaß machen. »Ist das dein Ernst? Erst erschreckst du mich zu tote, dann machst du dich über mich lustig!« Einige Male stampfte er mit dem Fuß auf die Erde und verschränkte die Arme vor der Brust. Er beruhigte sich prompt. Gerade verhielt er sich wie ein Brüllaffe. »Nein, das tue ich nicht.« Kreuz und quer raufte er sich die Haare und tanzte den Stil des Vollidioten. Kisumi kicherte und wirbelte den Ball auf seine Fingerspitze. »Wie auch immer. Du liegst dennoch mit der Krähe falsch«, behauptete er. Wie aufs Stichwort krächzte der Vogel und flatterte mit den Flügeln. Der Basketballspieler sah hinauf. Mit der freien Hand begrüßte er das gefiederte Tier. »Hallo, mein Freund. Hast du ein wachsames Auge auf dieses Genie?« Freudig krächzte es zurück. Kisumi bedankte sich mit einem Daumen nach oben. Erstaunt schaute Asahi zwischen ihnen hin und her. Dabei fiel ihm die Kinnlade nach unten. »Wie kannst du nur?«, fragte er konfus. »Wieso stellst du dich auf die Seite dieser Krähe?« In diesen Moment zeigte er auf den Vogel. Zumindest wollte er nicht gegen eine Krähe verlieren und das vor den Augen eines Freundes. Beleidigt fauchte der Vogel ihn an. Bei dem angriffslustigen Geräusch erschreckte er sich und versteckte sich hinter Kisumi. »Ach! Halt den Schnabel!« »Das ist keine Krähe«, wiederholte Kisumi. Das Lachen konnte Kisumi sich nicht verkneifen und fand seine Reaktionen mehr als angenehm. Im Sommer wirkten solche Erlebnisse erfrischend. Nebenbei bekam er Durst. Der Hals war trocken und die Hitze stieg mit jeder Sekunde. Smoothies dienten als prima Mittel gegen Durst und Hitze. Weiterhin umfasste Asahis Hände Kisumis rechten Oberarm, bis er sich beherrschte und eilig den Griff löste. Der Blick von ihm sagte schon alles aus. »Ich ging nur in den Verteidigungsmodus«, räusperte Asahi und zog die Augenbrauen zusammen. »Warum bist du dir sicher, dass es keine Krähe ist?« Wenn sein Freund ihn schon mit dieser Tatsache nervte, dann konnte er mal nachfragen. »Das ist ganz einfach. Es handelt sich um eine Dohle. Der Schnabel ist kurz und spitz«, erklärte er und formte mit der Hand den Schnabel nach. »Bei der Rabenkrähe ist der Schnabel eher dick und nach vorne gebogen. Schau ihn dir genau an.« Asahi folgte seinem Blick und erkannte den Unterschied in der Schnabelform. Er schmollte. »Okay, du hast recht.« Abermals betonte die Dohle ihre Freude. Nach diesem Kommentar streckte er dem Vogel die Zunge raus. Wie konnte ein Vogel frecher sein als er selbst? »Sei froh, dass du fliegen kannst.« Bevor Asahi herumschnellte, traf ihn ein weiteres »Platsch!« am Nacken. Sein Schrei war schrill und spitz. Der Sommer eröffnete für ihn eine Überraschung nach der anderen. Asahi schnaubte empört. »Volltreffer! Der Wurf war auch ein Erfolg«, staunte Kisumi und hob die Hand bereit für ein Highfive hoch. Die Abkühlung und der Spaß taten Asahi bestimmt gut. Immerhin war er unkompliziert und immer fröhlich drauf. Genau das bewunderte er an den natürlichen Asahi. »Du steckst also dahinter? Du hinterhältiger Schurke.« Erst reagierte er empört und runzelte die Stirn. Doch Kisumis extrovertierte Art war ansteckend. Bei diesem sonnigen Lächeln konnte er nicht ewig sauer sein, daher schluckte er die negativen Gefühle herunter. »Egal, als Genie werden ich dir vergeben, wenn du mir auch einen Wasserballons gibst und dich von mir dreimal treffen lässt.« Anschließend musste er schmunzeln. »Das klingt fair«, stimmte Kisumi zu. Kapitel 1: The taste of the water --------------------------------- Das Wasser schimmerte im Sonnenlicht heller als der wolkenlose Himmel. Asahi erkannte dieses Farbespiel erst, als er genüsslich von seinem Smoothie trank und die Beine im Poolwasser baumeln ließ. Es schmeckte super cremig und war sehr erfrischend. Banane, Ananas, Joghurt, Wasser und Kokosraspeln zählten zu seinen Favoriten in diesem Sommer. Er summte und grinste über beide Ohren. Somit konnte er den Nachmittag in vollen Zügen genießen. Ein Lachen riss Asahi aus den Gedanken, denn Kisumi fand seine wechselnden Gesichtszüge höchst amüsant. Vor Schreck verschluckte er sich und hustete unbeholfen. Erzürnt funkelte er ihn an. Dieser Fuchs war nicht nur schlau, sondern auch listig wie eine Schlange. »Du erinnerst mich an den Film - Die Maske«, kicherte Kisumi und nippte an seinem Glas. Der Inhalt bestand aus Mango und Trauben, ein süßes und fruchtiges Spektakel auf der Zunge. Bei jedem Schluck wurde sein Lächeln breiter. Es fehlte nur noch ein Schirmchen wie bei den Cocktails. »Haha! Sehr witzig.« Asahi rollte ärgerlich mit den Augen und leerte den Smoothie mit einem Schluck aus. »Obwohl ich den Film mag,« nuschelte er beiläufig. Der Glanz des Wassers spiegelte sich in seinen Augen wider und strahlte eine ruhige, kühle Aura wider. Soeben überkam ihn der Wunsch, in das Wasser zu springen und zu schwimmen. Doch sein Durst kam ihn in die Quere. Er schielte nach rechts. Auf dem Glastisch standen Früchte-Smoothies, abgekühlt und bereit den Tag zu versüßen. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Plötzlich klopfte Kisumi ihm auf die Schulter. Je länger sein Freund druckste, desto mehr bereute er später sein Zögern. Manche Menschen brauchten einen Schubser ins eiskalte Wasser. »Warum zögerst du? Bediene dich ruhig.« »Nein danke.« Kisumi seufzte. Sein Freund konnte ein sturer Bock sein. Vor fünf Stunden lud er Asahi zu sich nach Hause ein, aber er lehnte sofort ab. Genau wie er waren seine Freunde nicht in der Nähe. Deshalb verfolgte er einen Plan und setzte es gescheit um. Er grinste verschmitzt. Kaum sprach er über den Pool, Spiele und Smoothies, änderte Asahi seine Meinung. Keiner von ihnen hatte vor, den Sommer allein zu verbringen. »Okay. Ich will dich zu nichts zwingen. Dann bleibt mehr für mich«, flötete Kisumi honigsüß. »Du bist sehr großzügig, mein Freund. Ich danke dir für alles.« Entrüstet stand er auf und schüttelte den Kopf. Ständig drehte er ihm die Worte im Mund um. Leider fiel es ihm leicht und er ließ es irgendwie zu. Das nervte Asahi mehr als Hausaufgaben. »Du hast mich nicht ausreden lassen«, verteidigte er sich. »Ich wollte mir die Smoothies aufheben.« Habe ich dich! Mit dem Anflug eines Lächelns unterdrückte er sein triumphierendes Grinsen. Auch wenn Asahi einfach gestrickt war, unterschätzte er nicht sein Urteilsvermögen. Er hob die Hände, um seinen Freund zu beruhigen und die Smoothies neben sich auf dem Tisch zu retten. »Schon gut. Du muss nicht gleich ausflippen.« »Ich flippe nicht aus! Ich habe dir nur meine Meinung gegeigt.« »Bist du dir sicher?« »Ich bin mir sowas von sicher! Hör auf, mich in den Wahnsinn zu treiben.« »Du bist doch das Genie. Denke dir eine Lösung aus«, schlug Kisumi vor und zwinkerte. Ein tiefes Knurren entwich Asahis Kehle und er raufte sich die Haare. Mit Kisumi konnte es entweder spaßhaft oder schweißtreibend werden, obwohl das letzte eher der Sommerhitze zu verdanken war. Außerdem grinste sein Freund so unbeschwert, als ob er keine Schulden oder Zweifeln hatte. Das Beste bezog sich sogar auf sein enormes Selbstverstrauen. »Nur weil du größer bist als ich, musst du nicht gleich den großen Gamer spielen«, blaffte er ihn an und schnappte sich einen Kiwi-Kokosnuss-Smoothie. »Echt unfair!« »Wie kommst du auf diesen absurden Vergleich? Ist das deine Lösung?« In Kisumis Augen leuchtete die Neugier, hochpoliert wie Glas, aber mit einer frechen Ausstrahlung. Kurz hielt er inne. Wenn er jetzt loslachte oder ihn weiter provozierte, dann erhielt er nie eine Antwort. Flüchtig schaute er nach oben und kniff die Augen zusammen. Die Hitze ermüdete ihn. Sommer war die Tür für schulfreie Wochen, aber auch bekannt für seine unbarmherzige Temperaturen. »Das ist mir nur aufgefallen.« »Ah! Du bezeichnest dich selbst als schlau und klein? Wie süß«, sagte Kisumi. Schon wieder schlug Kisumis unverblümte Art wie ein Hammer auf Glas ein. Asahi besaß die Würde zu erröten und murmelte energisch vor sich hin. Er war ein Genie, aber kein niedlicher Junge. »Ich bin nicht klein, sondern auf das Beste reduziert«, erwiderte Asahi stolz und zeigte mit der Hand seine Körpergröße. »Du hingegen bist witzig und selbstbewusst. Das sind deine Macken.« Freudestrahlend schlürfte Kisumi seinen Smoothie bis auf den letzten Tropfen leer, dann stellte er das Getränk weg und gluckste herzlich. Sein Freund war einfach unverbesserlich, ein Schurke mit einem Herz aus Gold. Er brauchte dringend einen Schurkennamen. »Hey, warte mal! Wieso grinst du so breit? Was geht dir durch den Kopf?«, hinterfragte Asahi und nahm einen Mindestabstand von zwei Metern ein. »Ich habe keine Macken, das sind Special Effects.« »Um die dich keiner beneidet. Also komm wieder runter.« »Das Einzige, was mich hier noch hält, ist die Schwerkraft«, konterte Kisumi und stand lächelnd auf, um Asahi mit einem Handschlag ins Poolwasser zu schubsen. »Dieses Gesetzt gilt nicht für dich.« »Warte! Was? Wahhh!« Erst stand die Welt aufrecht, dann kippte sie zur Seite und ertrank im kalten Wasser. Asahi fiel holprig hinein und verfluchte ihn im Wasser. Auch wenn die Sätze nicht die Ohren erreichten, waren seine Mimik und Gestik so klar wie das Wasser. Am Boden sprang er auf und schwamm zur Oberfläche. »Du siehst erfrischt aus.« »Echt jetzt? Ich koche vor Wut.« »Wie sagt mein Großvater immer. Der frühere Vogel fängt den Wurm. Ich war halt schneller als du.« »Der frühe Vogel kann mich mal«, grummelte Asahi und streckte die Hand aus. »Hilf mir hier raus.« »Hehe … ich verstehe. Du bist und bleibst ein Morgenmuffel.« Bissig spuckte Asahi das Wasser aus und schüttelte den Kopf, doch die klitschnassen Haare klebten ihn auf der Stirn. Kisumis Körper verdeckte den Lichteinfall, sodass Asahi sein frohes Schmunzeln erkannte. Bald verging ihm das Lachen. Hinter seiner dankbaren Mimik loderte eine kleine Flamme, der Antrieb für ein Sprung ins Wasser. Nachdem sich ihre Hände berührten, veränderte sich Asahis Gesicht und er zog seinen Freund mit aller Kraft mit sich. »Morgens ruht man sich aus, denn ich mag vielmehr die Nacht. Da sind alle Schaukeln frei.« »Wie unfair!«, lachte Kisumi, bevor er kopfüber im Pool landete und dann zum Luft schnappen nach oben schwamm. »Ein wahrer Freund ist jemand, der genauso verrückt ist wie du.« »Verrückt? Ich nenne es verbal überlegen. Muhahaha!« Am Rand des Pools hielt er sich fest und versuchte das typische Schurkengelächter nachzuahmen. Dabei hörte sich das Lachen eher hoch als tief an. Leider bemerkte er es viel zu spät. »Überlegen wie ein kleines, niedliches Hühnchen? Ich glaube, du meinst verbal, oder?«, korrigierte Kisumi ihn und schwang den Arm, um ihn mit Wasser zu bespritzen. »Sei nicht so eine Spaßbremse«, konfrontierte Asahi ihn und drehte sich zur Seite. »Hey! Du willst also kämpfen. Das wird dein Untergang sein.« »Let´s go!« Mit Kampfgeschrei stürzte er sich auf Kisumi. Bestenfalls wollte er diesen Wettbewerb gewinnen und später damit vor seinen Freunden angeben. Als Genie besaß er nicht nur Scharfsinn, sondern konnte auch hartnäckig agieren. Sein Körper stimmte sich auf die freie Form des Wassers ein. Mithilfe seiner Freunde lernte er das Element kennen und lieben. Gerade jetzt war er in seinem Element. Rechtzeitig wich Kisumi dem Angriff aus. Er hatte gewusst, dass er hier im Nachteil war, doch dachte er nicht daran, diese Wasserschlacht zu verlieren. Denn Asahi war wettbewerbsorientiert und daraus konnte ein Eigenlob entstehen, dass er über den Sommer oder das ganze Jahr ertragen musste. »Nein, du bist schneller als gedacht, Kisumi.« »Basketball ist genauso anspruchsvoll wie das Schwimmen.« Die Jungs hielten jeweils die Oberarme des anderen fest und veranstalteten Kraftproben im Wasser. Bei den hastigen Bewegungen schlugen die Wellen gegen den Beckenrand. Asahi umarmte ihn fest, damit er die Oberhand hatte und Kisumi lachte, dabei setzte er die Kraft in den Beinen ein, um aufrecht stehen zu bleiben. Keiner von den Freunden gab auf. Heiteres Gelächter, lautes Kampfgeschrei und Plätschern hallten durch die Luft. Aus der Ferne zwitscherten Vögeln in den Baumkronen. »Aufgeben kommt nicht in Frage«, sagte Asahi mit zusammengepressten Zähnen. »Meine Freunde und ich haben so als Team gewonnen.« »Schon vergessen? Mein Basketballteam schaffte es ebenso auf den ersten Platz«, erzählte Kisumi, erinnerte sich an den Moment und bekam eine Idee. »Und für den Sieg bin ich zum Kitzeln bereit.« Schwer verständlich zog Asahi die Augenbrauen zusammen und erstarrte prompt. Das unschuldige Lächeln jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Es dämmerte in ihm. Momentan war er in Kisumis Umarmung gefangen, der einen tückischen Plan offenbart hatte und das gefiel ihm nicht. »Das wagst du nicht! Wenn du mich kitzelst, übernehme ich keine Verantwortung.« »Du musst keine Angst haben. Gib einfach auf und ich verschone dich.« »Angst? Das Gefühl kenne ich nicht, denn ich lache der Angst ins Gesicht«, widersprach Asahi und drückte seinen Freund nach hinten. »Und Lachen ist Gift für die Angst.« Schmunzelnd rollte Kisumi mit den Augen. Dieser Freigeist dachte optimistisch und handelte stets für den Sieg. Er hatte das Kommen sehen, demnach wechselte er die Position. Vorerst zeigte er mit seinen Füßen den Buchstaben L und die Fersen standen auf einer Linie, dann drehte er sich um die eigene Achse, um Asahi an sich vorbei ziehen zu lassen. Jetzt stand er hinter ihm. Solche geschickten Bewegungen lernte Kisumi beim Basketball, wenn er einem Angreifer ausweichen wollte. Jedoch musste er sich im Wasser mehr auf die Kraft und Schnelligkeit konzentrieren als auf dem freien Basketballfeld. Er atmete tief durch. Manchmal unterschätzte er den Wassersport. »Wie hast du…?« »Gerne bringe ich dir später Basketball bei«, scherzte er und begann, Asahi an den Seiten zu kitzeln. »Zuerst bekomme ich meine Belohnung.« »Nein, warte. Hahahaha!« Für Asahi war es zu spät. Er lachte, zappelte und fluchte. Es bildeten sich die ersten Lachtränen und aus den Augenwinkeln konnte Asahi eine Sache beobachten. Die Schadenfreude in Kisumis Augen strahlte heller als die Sonne am Himmel. Sein Freund genoss die Aktion in Hülle und Fülle. »Hahaha … da zahle ich dir heim.« »Das Genie wird zum Schurken«, stellte Kisumi theatralisch fest und hörte mit dem Kitzeln auf, da er plötzlich Durst auf einen Smoothie hatte. »Aber auch Schurken und Helden brauchen eine Pause.« »Schurken werden nicht geboren, sondern durch das System erschaffen«, zitierte Asahi stolz. »Das weiß ich von einem Anime. Nur fällt mir gerade nicht der Name dazu ein.« »Hmh … das ist bodenlos.« »Was? Ich kann mir nicht jede Serie oder jeden Film merken«, entschuldigte er sich unfreiwillig und verschränkte die Arme vor der Brust. »Du kannst dir auch nicht alles merken.« »Wer kam auf die Idee, einen sauren und einfarbigen Smoothie zu mixen? Süß und bunt ist akkurat. Sauer und schlicht hingegen sind Out.« Nach dem Kisumi das Getränk probierte und das Gesicht verzog, kehrte er zu Asahi zurück, der ihn sauer anstarrte. Wird heute alles sauer und einfarbig werden? Rasch schüttelte er den Kopf. Niemals traf so ein Horoskop ein. Dafür hatte Asahi einen viel zu fröhlichen und starken Charakter. Kisumi gluckste und stellte sich seine Aura in Farben vor. Bunt passte bestens zu ihm. »Was ist so funny?« »Nicht funny, eher sauer und eintönig«, erklärte er deprimiert und zeigte auf den grünen Smoothie-Inhalt. »Was hast du da kreiert? Denn mein Stil hat mehr Biss und Farbe.« Der Schwimmer legte den Kopf schief. Worüber sprach sein Freund? Dann machte es bei ihm Klick. Nicht seine Erinnerungslücke war gemeint, sondern sein selbstgemachter Smoothie. Zunächst wirkte er erleichtert, doch dann fiel ihm ein, dass trotzdem etwas von ihm kritisiert wurde. »Jetzt übertreibe es nicht!«, beklagte Asahi und schwamm los. »Zitronen, Limetten und Grapefruits sind gesund und mit vielen Vitaminen. Du solltest mir dankbar sein.« Als Asahi aus dem Pool stieg und zum Tisch lief, wollte Kisumi ihn aufhalten. Die Vorstellung, wie er durch den herben Geschmack reagiert, stoppte seinen Entschluss. Auf der einen Seite fand er den Streich lustig und auf der anderen Seite lernte Asahi seinen eigenen Geschmack besser kennen. So oder so! Die Lektion konnte nur ein Knaller werden. »Eines Tages werde ich dich definitiv schlagen! Und heute ist der Tag, also schau zu und lerne von mir, dem Genie.« Asahi wählte den direkten Weg und trank die grüne Flüssigkeit nicht durch den Strohhalm, sondern gleich im ganzen Schluck aus. Sobald er Kisumi selbstbewusst angrinste, wirkte der Geschmack der Zitrusfrüchte im Mund. Er zog die Mundwinkel nach unten, kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn. Zu guter Letzt konnte er ein schiefes und zittriges Lächeln formen, bis er alles zurück ins Glas spuckte. »Sauer macht glücklich, oder?«, fragte Kisumi nach. »Du siehst sauersüß aus.« »Bähhh! Sauer, sauer, sauer … sauer«, wiederholte er angewidert und ein Zucken durchfuhr seinen Körper. »Ein Punkt für dich. Nächstes Mal koste ich vorher.« »Ich stehe mehr auf süße Früchte. Wassermelonen sind der Hit.« »Verdammt! Das ist eine Katastrophe. Wir haben die Wassermelonen vergessen. Wir brauchen doch die Wassermelonen«, schrie Asahi aus heiterem Himmel und strahlte eine Entschlossenheit. »Auf in die Küche. Dort wo die Wassermelonen liegen.« Kisumi hob eine Augenbraue und sah zu, wie sein Freund begeistert losrannte. Allerdings gab es zwei Probleme. Nummer eins: Er stieß seine Füße vom Boden ab und schwamm mit Kohldampf zum Rand. Und Nummer zwei: »Falsche Richtung, du Genie.« Kapitel 2: Not without Watermelons ---------------------------------- In der Küche herrschten kühlere Temperaturen als draußen. Die weißen Marmorfliesen sorgten an den Füßen für eine Abkühlung und wirkten ernüchternd auf die Jungs nach dem Gefecht in der prallen Sonne. Es duftete nach Gewürzen wie Vanille oder Zimt in der Luft. Auf den Fensterbänken standen einige Orchideen, die den hellen Küchenraum mit ihren Duftnoten und Farben aufheiterten. Alles harmonierte miteinander. Dann brach die Wassermelonen-Panik aus. »Du hast keine Wassermelonen?« Asahi reagierte entsetzt. Seine Kinnlade fiel nach unten und er suchte fieberhaft in der Küche nach den Wassermelonen. Das Knarzen der Holzschränke und das Klappern der Küchenutensilien hallten durch den Raum. Auch der Kühlschrank und die Gefriertruhe wurden untersucht. Leider ohne Erfolg. »Du hast Äpfel, Bananen, Erdbeeren, Zitronen und … Igitt … Brokkoli, aber keine Wassermelonen. Dann müssen wir wohl welche kaufen gehen.« Anders als zu schmunzeln, konnte Kisumi bei dem Theater nicht. Das Lodern in diesen Augen war ansteckend, noch heißer als die Sommerhitze, die den Schweiß auf der Haut hervorrief. Daher schlug Kisumi vor, erst in Ruhe duschen und essen gehen, dann die Wassermelonen zu kaufen. Die Jungs brauchten nach der Wasserschlacht und dem Schweißausbruch erstmals eine Stärkung. »Verschiebe nicht auf morgen, was du heute kannst besorgen«, rebellierte Asahi dagegen, aber sein Magen knurrte laut und seine Wangen färbten rosarot. »Die zweite Weisheit des Tages lautet, in der Ruhe liegt die Kraft. Also gehen wir uns erfrischen und stärken uns mit Sandwiches.« »Das werde ich mir merken«, lachte Kisumi herzhaft. Sein Freund nahm das Lachen empört auf und steckte die Zunge heraus, infolgedessen bildete sich ein freches Grinsen. Es verschwand hinter einem Handtuch, welches Kisumi beim Gehen ihm direkt ins Gesicht warf. Der Kampfgeist in Asahi wurde geweckt und er rannte dem Basketballer hinterher, der lachend um die Kücheninsel um sein Leben lief. »Woher nimmst du immer diese Energie? Dein fröhliches Gemüt ist beängstigend.« »Helden müssen ununterbrochen arbeiten, denn Schurken schlafen niemals. Also mache dir keine falschen Hoffnungen.« »Hahaha … ich verstehe. Du bist also der Schurke Fröhlichkeit. Das passt perfekt zu dir.« »Nein! Ich bin kein Schurke!«, sagte Asahi hochgemut und verfolgte Kisumi ins Badezimmer. »Das wirst du noch zurücknehmen.«   Frisch geduscht und ausreichend ernährt, streckte Asahi seine Arme in die Höhe. Die Idee von Kisumi war besser als gedacht und zum Ausgleich machte er die Sandwiches. Gewiss durfte kein Fleisch fehlen, darum gab er neben Brot und Gemüse sehr viel Wurst dazu. Diese Kombination stärkte Körper und Geist. Sogar Kisumi lobte ihn für seinen Einsatz und genoss den Snack nach dem Duschen. »Bei der Zubereitung hast du exakt auf die Zutaten geachtet. Das war brillant.« »Ich habe viel über ausgewogene und gesunde Ernährung gelesen. Also habe ich nicht nur etwas Gutes für meinen Körper getan, sondern auch meinen Geist gefördert.« »Dann steht deiner Zukunft als Profischwimmer nichts im Wege«, rühmte Kisumi ihn und klopft ihm auf die Schulter. »Ohne Fleiß, kein Preis.« Meine Zukunft als Profischwimmer? Augenblicklich versank Asahi in Gedanken und er stellte sich seine Karriere vor. Guter Abschluss. Hartes Training. Endlose Konkurrenz. Ständiger Stress. Unzählige Pokale. Keine Freunde. Er zuckte bei der letzten Vorstellung zusammen. Nach der Schule trennten sich ihre Wege und die Freundschaft zerbrach daran. Einsam und erfolgreich wirkten wie Feuer und Wasser. War das seine Zukunft? Die Zeit bis dahin dauerte noch an, doch nächstes Jahr erreichte er das 15. Lebensjahr. Ein weiteres Jahr verging. Er schluckte bitter und fuhr sich über das Gesicht. »Asahi? Hey, Erde an Asahi«, redete Kisumi auf ihn ein und schüttelte ihn am Arm. Sein Freund wirkte sichtlich bedrückt, weswegen er seine Hand nahm und ihm sanft durch das Haar wuschelte. Diese Einstellung erkannte Kisumi nicht an. Denn Sommerferien sollten frei von Kummer, Sorgen und Einsamkeit sein. Beharrlichkeit blitzte in seinen Augen auf. »Wassermelonen. Lass uns Wassermelonen kaufen«, wechselte er schnell das Thema und gewann seine helle Natur wieder. »Ich brauche unbedingt was Süßes und Saftiges.« Ein belustigtes Schnauben entfuhr Kisumi. Manches änderte sich zu keiner Zeit und blieb wie seine Leidenschaft für Basketball bestehend. Soeben bekam er auch Hunger auf Wassermelonen. Aufgeregt umarmte er Asahi und hatte schon die Idee, wie sie gemeinsam das Ziel erreichen konnten. »Dein Wunsch wird erfüllt, Melonenlord.« »Was? Autsch! Wieso schlägst du mich?«, zischte er und rieb sich den Arm, nach dem Kisumi ihn halbherzig gegen die Schulter boxte. »Hm. Melonenlord kommt mir bekannt vor.« »Ein Schritt nach dem anderen. Erst holen wir die Wassermelonen, dann erzähle ich dir etwas über den Melonenlord. Einverstanden?« Kurz schwieg Asahi und beäugte ihn kritisch, bis er mit den Schultern zuckte und sich für den Schlag revanchierte. Perplex starrte er seine Faust an. War sein Schlag schwächer als der von Kisumi? Mit einem Seufzen wandte er sich zu seinem Freund. »Geht klar.« »Dann fahren wir mit meinem neuen Mountainbike zum Obstladen.« Ein entzückter Freudenschrei erschreckte den Basketballspieler beinahe zu Tode. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er hob eine Augenbraue leicht an. War er hier im falschen Film? Wie ein junges Fohlen sprang Asahi in der Küche hin und her, was Kisumi still beobachtete. »Du hast ein neues Mountainbike. Wie wild ist das denn!« »Das ist keine große Sache. Hey! Warte, Asahi«, enthüllte Kisumi und seufzte, als sein Gast schnurstracks zum Garten lief. »Er ist und bleibt ein Freigeist.« Im Garten stand das blau-grün-lackierte Mountainbike. Mit leuchtenden Augen bewunderte Asahi es von allen Seiten und berührte das Sitzleder. Es war glatt und weich. Das Bedürfnis, mit dem Mountainbike loszufahren und die Welt zu erobern, stieg empor. Somit drehte er sich zu Kisumi um. Seine Hände waren zusammengefaltet. »Darf ich, Kisumi? Biiiiiteeee!« »Klar doch. Ich habe schon vermutete, dass du mich das fragst.« »Echt jetzt?«, hakte Asahi nach und konnte sein Glück kaum fassen. Ein Nicken erfolgte. Das war der Startschuss für Asahi und er sprang frohlockend in die Luft. Sein Fahrrad mochte er, doch das hier gehörte zu einer teuren und beliebten Fahrradmarke. Sodann sprang er auf den Fahrradsattel und winkte Kisumi zu sich. »Jetzt komm schon, Kisumi. Ich kann es kaum erwarten, und wie! Sommerferien, Poolparty, Smoothies, Wassermelonen und Mountainbike. Das ist der beste Tag ever.« »Mee to, Bro.« Hatte Kisumi schon erwähnt, wie ansteckend diese positive Energie war? Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf, pfiff eine Melodie und ging zu seinem Freund hinüber. Demnach sprang er hinter auf das Fahrrad und hob den Daumen hoch. »Halt dich gut fest. Das wird keine Spazierfahrt«, warnte Asahi ihn und fuhr los. »Heute kann ich meine Energie nicht im Zaum halten.«   Der Himmel war hell und klar, die Sonne brannte heiß herab. Kisumi schloss die Augen, als er die warmen Strahlen auf seiner Haut spürte und die süße Luft in den Lungen schmeckte. Überall grünte und blühte es. Sommerferien ließ die Seelen baumeln und erlaubte Momente der Ruhe. Diese Wochen konnten nur reizvoll werden, denn mit einem Freund wie Asahi blieb die Zeit stets interessant. Ein Rütteln holte ihn plötzlich aus dem Tagtraum. »Hoppla, mein Fehler.« »Bist du über einen Stein gefahren?«, fragte Kisumi. »Nein, da war eine Maus im Weg«, antwortete er konzentriert und lenkte das Fahrrad erst nach links, dann nach rechts. »Beim Ausweichen fuhr ich über einen Maulwurfhügel.« »Der Retter einer kleinen Maus. Echt süß von dir.« »Ich bin nicht süß!« Hitze stieg in Asahis Gesicht auf. Sein Stolz wurde verletzt und er murrte leise über diesen Vergleich. Helden und Genies waren cool, aber nicht liebenswürdig. Unbewusst radelte er schneller und beachtete nicht den Pfad vor sich. Dafür regte er sich viel zu sehr über diesen Kommentar auf, bis ein Satz ihn zur Vernunft brachte. »Sorry.« »Was?« »Ich sagte Sorry, du Genie.« »Oh! Ähm … danke.« Die impulsiven Augen öffnete sich weit und nahmen dann wieder ihre normale Größe an. Indes schlug sein Herz schneller, füllte seinen Brustkorb mit Wärme auf und ließ das Blut in den Ohren rauschen. Asahi reagierte bestürzter, als gedacht, weil dies nicht das erste Mal war, dass Kisumi sich bei ihm entschuldigte. Beide lernten sie sich in der Mittelschule kennen, also bestand ihre Freundschaft nicht lange. Er seufzte. Jedoch wuchs der Basketballspieler ihm ans Herz und er genoss die Zeit mit ihm sehr. »Habe ich dich überrumpelt?« »Wieso fragst du mich? Ich muss Fahrrad fahren.« »Dein Herz verrät es mir.« »Wassermelonen! Ich freue mich auf die Wassermelonen und mein Herz tut das Gleiche.« Stille kehrte ein. Kisumi lockerte den Griff um Asahis Bauch und legte die Stirn auf seinen Rücken. Wassermelonen blieben als einziges in seinen Gedanken hängen, die lesbar wie ein Buch waren. Indes lauschte er den Herzschlägen zu. »Ich freue mich auch, die Wassermelonen mit dir zu teilen. So schmeckt alles am besten.« Ein stutziger Laut glitt über Kisumis Lippen und er hob den Kopf, damit er die unordentlichen roten Haare erblicken konnte. Im Wind pendelten die Strähnen in alle Himmelsrichtungen. »Der Schurke Fröhlichkeit lädt mich herzlich zum Wassermelonen essen ein.« »So etwas machen nur Helden!« »Von ganzem Herzen nehme ich deine Einladung ein«, grinste Kisumi wie ein Honigkuchenpferd und umarmte seinen Freund fester. »Als Gastgeber muss du zahlen.« »Ha! Nochmals falle ich nicht darauf ein. Du hast mich zu dir eingeladen und du hast keine Wassermelonen in der Küche gehabt.« Asahi grinste stolz. Den Spieß drehte er jetzt um und wartete gespannt auf seine Antwort. Hinter seinem Rücken konnte er hören, wie Kisumi mit den Augen rollte und sich das Lachen verkniff. Um ehrlich zu sein, unterdrücke auch er sein Lachen, weil die Situation grotesk war. »Touché.« Keine Sekunde später brach Asahi in Gelächter aus. Diese Einsicht drückte bestimmt seine Freude darüber aus, dass er endlich die Fäden des Sieges ausspielte und nicht Kisumi. Er schaute geradeaus. Ein langer, schmaler Weg erstreckte sich durch ein Grasmeer, welches mit bunten Blumen sowie Schmetterlingen verziert war. Die Sommerluft wog schwer, hatte aber einen heiteren Geschmack. Freiheit. Zeit zum Trainieren und mit Freunden. »Vergiss das nicht, Kisumi, wie ich dich mit deinen eigenen Mitteln geschlagen habe.« Die violetten Augen funkelten angriffslustig. Kisumi stimmte ihm zu und schmunzelte. »Klar doch! Ich nerve dich gerne damit, dass du einmal gewannst und mehrfach gegen mich verlorst. Als Genie triffst du stets schnelle und überlegte Entscheidungen«, erwiderte Kisumi sarkastisch und hämmerte mit der Faust sachte gegen Asahis Rücken. Erst schmollte Asahi und zog die Augenbrauen zusammen, dann seufzte er den Frust weg und schloss sich kurz dem Lachen an. Immerhin war er ein schlechter Verlierer. Obendrein lernte ein Genie aus Fehlern und Helden gaben niemals auf. Sorgenfrei atmete Kisumi durch. Sein Blick gilt nur dem Himmel. Vögel flogen mit dem Wind und mittlerweile bedeckten einige Wolken das endlose Blau. Aus den Augenwinkeln erfasste er einen dunklen Fleck, der sich am Horizont ausdehnte. Die Lippen formten sich zu einem stillen »Oh!« und spiegelte seine überraschte Reaktion wider. Er verschwendete keine Zeit und zupfte an Asahis T-Shirts. »Wir sollten uns beeilen.« »Wieso? Ich strenge mich schon genug an. Wenn ich dir zu langsam bin, dann tritt du doch in die Pedale und hetze dich bei der Hitze ab.« »Links steht ein Hirsch auf der Wiese«, meinte Kisumi beiläufig. »Ein Hirsch? Wo?«, klang er enthusiastisch und schaute sich um, bis er die stahlgrauen Wolken entdeckte. »Das ist doch ein Scherz, oder?« Das helle Strahlen auf seinem Gesicht wurde von einem dunklen Schatten verdeckt. Er zog die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und brummte schlecht gelaunt. So schnell hatte sich Asahis Stimmung noch nie veränderte. Von der Seite wehte ein kühles Lüftchen. »Umkehren kommt für dich nicht infrage, stimmt?« »Darauf kannst du dich verlassen!«, sagte Asahi und radelte schneller als vorher. »Wow, wird das ein Wettrennen?« »Auf jeden Fall! Ich will nicht verlieren und meine Wassermelonen haben.« »Hörst du das Gewitter? Wir sind hier bei Wünsch-Dir-Was und nicht bei So-Isses!«, feuerte Kisumi seinen Freund an und steckte die Zunge heraus. Unerwartet hielt Asahi das Fahrrad an. Dann spürte er sinngemäß, wie Kisumi gegen seinen Rücken prallte. Schweiß kullerte über seinen Körper und die Kleidung klebte an seiner Haut. Die Anstrengung ließen seinen Atem und Herz beschleunigen. Konfus runzelte Kisumi die Stirn und neigte den Kopf, um mehr sehen zu können. »Was ist los?« »Vor uns ist ein ganz steiler Abhang. Das könnte ein bisschen holprig werden.« »Davon lässt du dich aufhalten?«, fragte er enttäuscht nach und verstummte eilig, als er den Abhang erblickte. »Okay, ich nehme meine Frage zurück.« Wie die Steine hatte der Abgang spitze Ecken und Kanten, die mit Unkraut überwachsen waren. Auf dem hellbraunen Boden lagen dunkle Gesteine. Ihre Schärfe konnten gefährlich für die Reifen am Fahrrad sein. Asahi schaute von oben auf den steilen Abhang herab. Steinig und niederschmetternd. Sein Herz fühlte sich schwer an, denn dieser Pfad erinnerte ihn an die Vorstellung, wie seine Zukunft als Profischwimmer aussah. Ein Kloß steckte in seinem Hals fest. »Hast du gerade gefurzt?« Kummer und Sorgen verschwanden im Nichts, denn diese Frage überraschte Asahi und überschüttete ihn mit Schamgefühl. Die Ohrenspitzen färbten sich knallrot. Vielleicht hatte er sich verhört und sollte zur Sicherheit nachfragen. »W-was? Wer hat gefurzt? Ich war es nicht!« »Relaxe mal, Asahi. Das war nur ein Witz. Nimm dir nicht alles zu Herzen«, gab Kisumi zu und kicherte. »Du sahst irgendwie zerstreut und betroffen aus.« Erleichtert seufzte Asahi und lockerte seine Schultern. Sein beharrlicher Blick fixierte seinen Freund, der ihn herzlich mit einem Zwinkern empfing. Er fühlte keine Wut. Dankbarkeit war der richtige Ausdruck. Eigentlich musste er sich um die Zukunft sorgen, was aber jetzt zählte, war das Hier und Jetzt. Kisumis unverschämtes Grinsen wärmte sein Herz auf. »Wir bleiben Freunde, oder? Selbst nach dem Schulabschluss?« »Das spielt keine Rolle«, sagte Kisumi ernst. »Wir sind und bleiben für immer Freunde.« »Koste es, was es wolle?« »Ich schwöre bei meinem heiligen Basketball. Du wirst mich niemals loswerden. Genau wie ein Kaugummi an der Schuhsohle suche ich dich als Freund und Geist heim.« Der Schwur klang komisch, statt heilig und feierlich. Manchmal übertraf Kisumi sich selbst und er könnte am liebsten eine Liste davon schreiben. Für Asahi reichte es aus. Also nickte er zufrieden und klammerte sich an ihm fest. »Dann kann uns nichts mehr aufhalten, die Wassermelonen noch heute zu bekommen.« Gut gelaunt fuhr Asahi weiter. Nach einigen Metern ging es schon bergab und der Sportgeist loderte wie eine Stichflamme bei der Herausforderung empor. Kapitel 3: Storm of emotions ---------------------------- Ein fruchtiger Geschmack schmeichelte Kisumis Gaumen, als er in das Fruchtfleisch der Wassermelone hineinbiss und es in vollen Zügen genoss. Asahi hatte nicht übertrieben. Das Gemüse schmeckte nicht nur erfrischend, sondern enthält diverse Vitamine. Hauptsächlich handelte es sich um die Vitamine A, C, B1, B2 und B6. Hinzufügend kamen zahlreiche Mineralstoffe wie Kalium, Magnesium, Kalzium, Eisen und Kupfer. »Hast du diese Informationen ebenfalls aus den Büchern?« »Da liegst du absolut richtig. Genies wie ich bilden sich mit Schrift auf Papier weiter.« »Interessant. Also kennt ihr Genies keine digitalen Quellen?«, fragte Kisumi und versteckte sein Grinsen hinter einem Melonenstück. »Obwohl Google sehr bekannt ist.« Ein Brummen entfloh Asahis Kehlte, doch die Wassermelone milderte seinen Unmut. Erneut aß er ein Viertel des Gemüses auf und griff gleich nach dem nächsten Stück. Besser konnte es nicht mehr werden. Er schmunzelte zufrieden. »Nichts kann mir diesen köstlichen Moment verderben.« »Sorry, du hast recht. Das war charakterlos von mir«, entschuldigte Kisumi sich und rieb sich den Nacken. »Ich will auch nicht, dass der Spaß heute endet.« Synchron knabberten die Jungs das Fruchtfleisch ab, sahen sich mit vollem Mund an, indes kauten sie alles genau durch und quietschten. Die kleine, dralle Ladenbesitzerin verkaufte ihnen die schmackhaftesten und größten Wassermelonen. Sie hatten den Jackpot gezogen. »Dankeschön. Vielleicht bist du doch kein Schurke, mein Freund«, überlegte Asahi. »Ich werde dir daher verzeihen, denn Helden sind gutherzig.« »Deshalb bewundere ich dich. Dein natürliches Temperament ist einfach herzerwärmend.« Nur eine Feststellung. Und doch meinte Kisumi es ernsthaft. Seine Worte klangen aufrichtig, seine Augen strahlten kristallklar. Er beobachtete den Niederschlag, der seit fast 15 Minuten auf die Erde hinabfiel und die heiße Luft lediglich abkühlte. Bevor das Gewitter die Freunde erreichte, fanden sie in der Freizeithalle einen trockenen Unterschlupf. Jetzt saßen sie auf der Bank unter dem Terrassendach und naschten Melonenstücke. »Oh! Das kam unerwartet«, staunte Asahi. »Ich fühle mich sehr geehrt.« »Genau davon spreche ich, du Genie.« »Was? Du hast genuschelt. Ich habe nichts verstanden.« »Nichts Besonderes. Iss brav deine Wassermelone weiter und genieße die Abkühlung.« »Wie unfair!«, spielte Asahi die beleidigte Leberwurst. »Das war doch nur eine Frage.« Das Rauschen und Plätschern des Niederschlages drangen stets mehr in den Vordergrund, als das Unwetter an Stärke gewann. Sogar die Wolken waren inzwischen schwarz wie die Nacht gefärbt und erstickten das Sonnenlicht am Horizont. Gelegentlich zuckten Blitze hervor. Insgeheim erwartete der Schwimmer, bald den ersten Donnerschlag zu hören, der laut und unerschrocken am Himmel grollte. Für ihn gehörten Blitze und Donner zum Gewitter, sonst war es nur ein Sommerregen. Asahi seufzte und langweilte sich. Es fehlte ein Abenteuer. Im Moment wünschte er sich, im Wasser schwimmen zu können. Ein Wettschwimmen. »Lust auf eine Runde Basketball?«, fragte Kisumi. »Basketball?« »Zeit und Ort passen gut zusammen. Ich kann dir einige Tricks beibringen.« Er deutete auf die Hallentür. Anhand seiner Stimme war zu folgen, wie sehr Kisumi sich auf ein Basketballspiel freute. Die Augen funkelten vor Freude und das Grinsen schloss sich an. Mit Spielen und Freunden konnte man sich immer die Zeit am besten vertreiben. Also nutzte er diese Chance, Asahi zu einem Spiel zu überreden. »Niemals lehne ich eine Herausforderung ab«, stimmte er zu und teilte Kisumis Vorfreude. »Du hast mich schon mit deinen coolen Tricks überzeugt.« »Super! Wir essen zuerst die Wassermelonen auf, dann spielen wir zusammen Basketball.« »Das musst du mir nicht zweimal erklären. Guten Appetit.« Daraufhin konzentrierte Asahi sich wieder auf seine Wassermelone, denn er wusste genau, dass diese reif zum Verzehr war. Sein letztes Stück des Ganzen. Kisumi folgte seinem Beispiel. Somit wurden die letzten Melonenstücke gegessen.   In der Freizeithalle roch es sauber. Der Boden war mit bunten Linien für verschiedene Spiele markiert. An den Seiten befanden sich jeweils ein Fußballtor, ein Basketballkorb und Matten. Andere Turngeräte und Zubehörteile lagen sicher hinter den verschlossenen Seitentüren. Eine unheimliche Stille suchte den Innenraum heim. Bloß das Prasseln des Regens gegen die Fensterscheiben unterbrachen die Ruhe vor dem Sturm. »Und wie kommen wir an die Basketbälle, wenn diese verschlossen sind?« »Schau zu und lerne«, zwinkerte Kisumi und schritt voran. »Ich trainiere hier oft mit meinem Team und habe so einige Vorkehrungen getroffen.« Die Augenbrauen zog Asahi skeptisch zusammen und legte die Stirn in Falten. Es war nicht möglich, dass Kisumi die Schlüssel hatte oder die Türen aufbrechen konnte. Jedoch wurde das Rätsel gelöst, als Kisumi zu den Matten an der Wand lief und dahinter etwas hervorholte. »Et voilà! Zwei Basketbälle für uns.« »Das ist echt genial. Nichts kann dich von Basketballspielen abhalten, oder?« »Übertreibe es nicht. Ich bin nicht wie Haruka mit seiner Vorliebe für Wasser, aber trotzdem brennt meine Leidenschaft für dieses Ballspiel«, winkte er bescheiden ab. »Bist du bereit?« Hastig nickte Asahi und hob die Daumen hoch. Es kribbelte schon in seinen Fingern, alles oder einiges über das Basketballspiel zu lernen. Nächstes Mal forderte er seine Freunde zu einem Spiel mit Kisumi heraus. Mit aufgeregten Herzen quietschte er auf. »Bring mir den Trick bei, den du im Pool gegen mich angewendet hast.« »Nein!« »Super! Ich danke … warte, was? Nein?« »Das war kein Trick, nur eine Grundlage«, erklärte er und dribbelte mit dem Ball. »Schade, der Move sah echt cool aus.« Die aufblasbare Gummiblase bewirkte beim Dribbeln ein hohles Geräusch, das in der Halle widerhallte. Im gleichmäßigen Takt kam ein ebenmäßigen Echo nach. Der Basketball prallte nochmals auf den Boden auf, bevor Kisumi ihn zu Asahi herüberspielte. Leider fing er den Ball nicht zum zweiten Mal auf, was sein Gegenüber zum Glucksen brachte. »Dein erster Fang war wohl ein Glückstreffer!« »Woher willst du das wissen? Darf ich nicht freundlich sein und dir eine Chance zum Siegen geben?«, erwiderte Asahi sarkastisch. »Also, wollen wir jetzt scherzen oder spielen?« »Spielen«, trällerte er. »Lets go!«, schrie sein Freund hingegen. Beide hielten ein Basketball in den Händen und standen zwei Meter voneinander entfernt. Zunächst sollte Asahi ein Gefühl für das Spiel bekommen. Er spielte selten mit dem Ball, da er sich entscheidend auf das Schwimmen konzentrierte. In den ersten Minuten warfen sie sich den Basketball zu und sprachen über das kommende Sommerfest. »Mein Onkel Katsumi besucht die Familie nächste Woche. Er eröffnet mit mir einen eigenen Stand beim Sommerfest. Das wird der Sommerhit.« Asahi spitzte die Ohren und beneidete seinen Freund. »Wie unfair! Meine Familie und ich besuchen nur das Sommerfest«, sagte er und erinnerte sich an den letzten Besuch. »Meine Schwester Akane gewinnt immer beim Goldfischen.« »Echt jetzt? Das ist doch easy und macht viel Spaß. Ohne Verlierer gibt es keine Gewinner.« »Möchtest du mich herausfordern?« Die Frage erhielt mehr Nachdruck, als Asahi den Basketball mit voller Wucht zu ihm warf und mit den Augenbrauen wackelte. Es juckte ihn in den Fingern. Kisumi fing den Ball auf und legte den Kopf schief, konnte aber ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Mimik und Gestik verrieten seine Gedanken, also funkelte Asahi ihn schelmisch an. Ein Wettfrischen mit Asahi klang verlockend und leider auch langweilig, falls er immer nur gewann, oder das Genie plante etwas. Das bezweifelte Kisumi und schüttelte diesen Einfall ab. Stattdessen hatte er eine andere Idee, wie er das Sommerfest mit Asahi genießen konnte. Mit ihm machte es viel mehr Spaß und er mochte seine positive Einstellung. »Lust auf ein Erlebnis hinter den Kulissen?« »Jetzt sprichst du meine Sprache. Das gefällt mir und daher sage ich Ja.« »Klasse! Das Dango-Kostüm wird dir ausgezeichnet stehen. Süß, blank und bunt wie du als Person«, wollte Kisumi nüchtern klingen, aber seine Stimme war fröhlich wie der Karneval. »Welche Körpergröße hast du?« »Ein Was? … Uff!« Starr vor Schreck rührte Asahi sich nicht vom Fleck. Die Arme waren steif angewinkelt und die Hände zu einer Faust geschlossen. Darum konnte er den Basketball nicht auffangen. Er bekam den Ball direkt ins Gesicht. Im letzten Moment kniff er die Augen zusammen. Nach dem Beng erfolgte ein Flop, als der Ball auf den Boden fiel. »Autsch! Das war ein Volltreffer«, fügte er hinzu und rieb sich Nase sowie Auge. »Shit!« Auf einmal sah Kisumi ihn entgeistert an, das Übermütige war aus seinen Zügen gewichen und in seinen Augen lag etwas Schuldbewusstes. Der Schock kritzelte auf seine Haut eine Gänsehaut hervor. Mit seinem Finger zeigte er auf Asahis Gesicht. »Da ist ein Zucken an deinem linken Auge.« Behutsam tastete er um sein Auge. Die Stelle schmerzte ein bisschen, doch er fühlte kein Blut und andere beunruhigende Symptome. Sein Grinsen erreichte beinahe seine Ohren. »Glück im Unglück«, stufte er den Unfall schulterzuckend ein. »Mach dir keine Sorgen. Mit Eis und Spucke mildern alles ab.« »Das macht dich zu einem Helden.« Prompt stand Kisumi vor ihm und stierte das Auge an. Sanft berührten seine Fingerkuppen die Haut um die Verletzung. Insgeheim wünschte er sich, dass diese Stelle nicht zu einem veilchenblauen Auge wurde. Denn ein Veilchen ruinierte diesen entzückenden Hundeblick. »Ähm… Danke?«, japste er und war gerührt, zumal seine Wangen glühten. Die Verlegenheit stand auch Kisumi ins Gesicht geschrieben, denn sein Erröten verriet ihn. Daraufhin entfernte er seine Hand von Asahis Wange, öffnete den Mund, ohne ein Wort zu sagen und erstickte die Bedrängnis im Keim. Er schnaufte und traf eine Entscheidung. »Ich mag dich sehr und deshalb mache mir Sorgen um dich«, begann er mit einem Lächeln und fuhr sich durch die Haare. »Es ist kein Witz, Asahi. Ich meine es ernst.« Ohne zu wissen, was er antworten sollte, hob er den Basketball auf und warf ihn einige Male hoch. Kisumis nervöser Blick brannte auf seinem Rücken. Aus diesem Grund schnellte er herum und schluckte den dicken Kloß im Hals herunter. Sein Herz hämmerte stürmisch gegen seine Brust und seine Atmung ging unregelmäßig. Kisumi hatte aber das Recht auf eine Antwort, weil das Thema kompliziert war. »Meinst du das platonische oder romantische Mögen?« Hoffnung blitzte in Kisumis Augen auf und ein Glücksgefühl keimte in ihm auf. Die erste Antwort war keine Absage, also riskierte er es einfach. Was blieb ihn anderes übrig? »Nachdem ich dich besser kennenlernte, entwickelte ich romantische Gefühle für dich.« »Dann küss mich!« »Küssen? Du und ich?«, konnte er seinen Ohren nicht trauen. »Auf den Mund?« Völlig perplex blinzelte er und deutete erst auf seine, dann auf Asahis Lippen. Bevor er nachdachte und handelte, musste er auf Nummer sicher gehen. »Ja, wo denn sonst?« »Du bist echt der Wahnsinn und gibst mir … uns eine Chance?« »So verletze ich nicht deine Gefühle, oder? Ich bin mir nicht sicher. Im Buch Chancengleich stand es als eine gute Alternative gegenüber einem herzlosen Nein und Helden besitzen nun mal ein Herz. Das heißt, ich bin ein Held und nicht Schurke Fröhlichkeit. Geradeso hast du mich vorhin genannt, stimmt?«, faselte Asahi unruhig. Nach der Rede herrschte Stille. Einen Atemzug lang standen sie sich Herz klopfend gegenüber, blickten sich tief in die Augen und wussten beide nicht recht ein Gesprächsthema zu finden. Sobald Kisumi ein Kichern wagte, traute Asahi sich ein Grunzen. Die Jungs fanden die Reaktion des anderen bewundernswert. Im Hintergrund klopfte der Regen gegen die Fensterscheiben. »Okay, dann küssen wir uns auf die Lippen. Und dann?« »Dann … weiter habe ich nicht nachgedacht«, gestand der Schwimmer kleinlaut. »Also, es könnte mehr über unsere Gefühle füreinander aussagen.« »Improvisieren ist die Lösung.« »Definiere dein Improvisieren«, hakte er skeptisch nach und hob eine Augenbraue an. Sein Freund rollte mit den Augen und schritt entschlossen auf ihn zu. Auge um Auge, Lippe um Lippe. Kisumi legte seine Handfläche fein auf Asahis Mund, beugte den Kopf nach vorn, schloss die Augen und drückte die Lippen auf seine Handfläche, die sein Ziel bedeckten. Es erfolgte ein indirekter Kuss zwischen ihnen, der sich wie der erste wahre Kuss anfühlte. »Hmh!« Von Kopf bis Fuß stand alles bei Asahi unter Strom. Den Blick errötend auf Kisumis dünne Augenbrauen gerichtet, grübelte er und entschied sich nach einigen Herzaussetzern, dass er sich während des Kusses auf seine Lippe gebissen haben musste. Anschließend brach Kisumi den Kuss ab, der flüchtig, aber sehr leidenschaftlich war und öffnete die Augen. Sie schauten sich mit heißen Wangen und donnernden Herzen an. Lächelnd blickte er ihn an. Gerade wollte Kisumi vorschlagen, sie sollten sich genügend Zeit für die Situation nehmen, als ein ohrenbetäubender Donnerschlag am Himmel krachte. Kaboom. Beinahe rutschte Asahi das Herz in die Hose. Er schrie spitz auf und umarmte Kisumi nach einem Sprung. Sein Körper zitterte wie Espenlaub und er spürte eine warme Hand auf dem Kopf, die ihn tröstend streichelte. Kaum erkannte er die Lage, löste er die Umarmung auf, streckte seinen Körper durch und machte sich so groß, wie er konnte. »Sorry, ich habe mich erschreckt.« »Das bedeutet doch, dass du mir vertraust. Ein Schurke mag einen Helden«, beruhigte er ihn und kratzte sich an der Wange. »Interessant, oder?« Unbewusst ertastete Kisumi seine Lippen und erinnerte sich daran, wie sehr ihm der Fast-Kuss gefiel. Es kribbelte, schmeckte wie ein Sonnenstrahl. Irgendwie schmerzte es ihm. Es fühlte sich wie ein echter Kuss an und das wusste sein Herz. Und Asahi war damit einverstanden, dabei reagierte er nicht abgeneigt, eher scheu wie eine Jungfrau. »Fangen wir beim Sommerfest an?« »Womit anfangen?« »Habt ihr ein zweites Dango-Kostüm? Dann treten wir mit einem drolligen Partnerlook auf und sehen weiter«, schlug Asahi vor und grinste zuckersüß. »Ja! Die Idee ist brillant«, freute Kisumi sich. »Ich bin auch ein Genie.« »Du bist mein Genie und das für immer«, kopierte er Howard Wolowitz aus der Comedyserie The Big Bang Theory und zeigte auf seinen unsichtbaren Ehering. Asahi lachte und wischte sich eine Träne weg. Bald stand ein großer Schritt für beide an. Epilog: Our summer continues ---------------------------- Zahlreiche Gedanken und ein einziges Gefühl flogen wie Schmetterlinge in der Luft. Neben dem nassen Erdgeruch roch es nach Schweiß und Hitze. Asahi und Kisumi standen wieder draußen unter dem Vordach. Indessen lösten sich die unheimlich geformten, stahlgrauen Wolken am Horizont auf und die ersten fahlen Sonnenstrahlen fielen auf die Erde herab. Auf der anderen Seite schüttelte die letzte pechschwarze Wolkenschicht die Regentropfen weiterhin ab. »Bald ist das Unwetter vorbei. Das hatte fast zwei Stunden gedauert und dadurch habe ich gelernt, wie man Körbe von der Seite wirft«, stellte Asahi fest und schaute durch den dichten, silberfarbenen Regenschleier. »Auch wenn ich noch sehr viel üben muss.« Kisumi schnalzte mit der Zunge. Ständig tauchten Bilder in seinem Kopf auf, wie Asahi sich beim Training anstrengte oder laut fluchte. Gewiss lachte er sich krumm und schief. »Ich habe die Zeit mit dir genossen. Die Bilder und Videos sind der Knaller.« »Wie kreativ von dir, aber ich fand es nicht lustig. Dein Lachen war auch nicht hilfreich.« Somit wandte er seinen Blick direkt ab und konnte erleben, wie seine Ohrenspitzen an Farbe erlangten. In Wirklichkeit schlug sein Herz bei dem liebenswerten Lachen ins Grenzenlose. Seit dem Liebesgeständnis sah er seinen Freund in anderen Farben. Es war willkürlich, aber lösten bei ihm Glücksgefühle aus. Mit dem Anflug eines Lächelns dachte er weiter nach. »Er ist ein ausgefuchster, aber charmanter Vollidiot«, murmelte er leise. Auf der rechten Seite grinste Kisumi. Wie ein Kugelfisch blies Asahi die Wangen auf und stupste die Rechte liebevoll an. So leicht konnte er ihm nicht entkommen. Egal, wie weit. »Du wirst mich ansehen, denn ich kenne dich gut und du bist dagegen machtlos.« »Vergiss es!« »Mir ist aufgefallen, dass dir aufgefallen ist, dass du mir aufgefallen bist«, flüsterte er ihm zaghaft ins Ohr und Asahi wurde gleich anders. »Sollte ich das wirklich vergessen?« Asahi hatte schon erwartet, dass so ein Flirtversuch geflüstert wird und musste selbst einen erfreuten Laut loswerden. Damit begriff er, wie Kisumi bei ihm stets ins Schwarze traf. »Nein.« Der Basketballspieler erkannte einen zartfühlenden Rotschimmer um Asahis Nase herum, als er ihn ansah und frech die Zunge herausstreckte. Eine Geste, die er nachvollziehen konnte. Immerhin beichtete jemand wie er ihm zum ersten Mal die Liebe. Diese Situation war ein sehr komplizierter Fall, mit einfachen Worten. Das konnte er im Herzen spüren. »Ich danke dir für diese Chance und dafür, dass du nicht einfach so unsere Freundschaft beendest.« Erschrocken über das, was er soeben hörte, riss er die Augen weit auf und legte die Hände auf Kisumis Schultern. Hinter den Rippen pochte der emotionalste Muskel aus Fleisch und Blut. Ein Herz, das ganz genau wusste, was es wollte. Einen Freund fürs Leben. »Bist du verbuggt? Deshalb verbanne ich dich nicht aus meinem Leben«, blaffte Asahi ihn an und runzelte die Stirn. »Du bist mir auch verdammt wichtig. Mein bester Freund!« Der Angesprochene wusste, dass es bedeutungslos war, ihm diese Frage zu erklären. Dazu brauchte er kein Diplom. Kisumi seufzte beruhigt und sein Körper fühlte sich leichter an. Die Hände hob er beschwichtigend hoch, das Schmunzeln deutete auf seine Gefühle hin. »Touché. Streiten wir uns nicht, das fühlt sich sehr Kontra an.« »Sorry, ich hatte nicht vor, deine Gefühle zu verletzen.« »Bleib cool, Schurke Fröhlichkeit. Es war keine Beleidigung, vielmehr eine Liebeserklärung auf deine Art und Weise. Du musst nur etwas mehr daran arbeiten.« Mit einem tiefen Atemzug besänftigte Asahi seine Empörung. Selbstverständlich war er sich sicher, dass er es nicht vermasseln wollte, Kisumi wegen so einem Vorfall zu kränken oder zu verlieren. Dieser Fuchs lag ihm sehr am Herzen. »Ich vergebe dir, wenn du mich zum Eisessen einlädst«, sagte Asahi. »Wir können das als ein Übungsdate nutzen.« »Seit wann bist du ein Romantiker?« »Erst bin ich ein Schurke, dann ein Held oder Liebesinteresse und jetzt ein Romantiker? Du kannst dich zufällig nicht entscheiden.« »Ein Freund, dem ich vertrauen kann«, entgegnete Kisumi zuversichtlich. »Du hast eine starke Persönlichkeit, die ich sehr bewundere.« Die beiden Jungs tauschten deutliche Blicke miteinander aus, die zwischen Bescheidenheit und Hochmut wogten. Asahi machte eine stolze Pose, ehedem Kisumi die Augen verdrehte und dann herzhaft lachte. Am liebsten sollte der Sommertag niemals enden. »Ich finde deine Wortwitze legendär und bin neidisch, dass mir nur Weisheiten einfallen.« »Meist treffen sie zu. Als ob du bei einem Spiel eine Quest erfolgreich erfüllst.« Dankbarkeit umspielten seine Lippen. Asahis Gesicht lief warm an, da er solche Vergleiche liebte. Der Sommer konnte magisch werden, falls es sich nicht zu kitschig anhörte. »Ah-Ha! Ich habe ein neues Game, dass wir gemeinsam zocken können.« »Und das Genie hat gesprochen. Freilich bin ich dabei«, nahm Kisumi die Einladung an und hob die Hand zu einem Highfive hoch. »Welches Spiel ist das?« »Das ist ein Geheimnis«, erzählte Asahi und erwiderte den Highfive. Plötzlich blendete ein Lichteinfall die Freunde. Inzwischen erhellte sich der Himmel, dunkle Wolken zogen in die Ferne und das strahlende Blau kämpfte sich durch. Der Regen fiel nicht mehr auf die Umgebung hinab und hinterließen schlammige Bereiche. Nur an der Dachrinne und anderen hohen Gegenständen tropften Wasserkugeln nach unten. Nach dem Gewitter erwachte die Natur erneut zum Leben. Vögeln zwitscherten und Blätter raschelten. »Wunderschön. Das gefällt mir. Der Abend wird kühler als gestern«, schätzte Kisumi hoch. »Yeah! Die Sonne ist back und wir sind free.« Freudestrahlend sprang Asahi in die Luft und rannte um Kisumi im Kreis. Endlich stand Spiel und Action an. Basketball mit ihm war abwechslungsreich, doch sein Herz schlug für diverse Videospiele und das Schwimmen. Auf einmal hielt er an. »Morgen gehen wir ins Schwimmbad und ich bringe dir ein Schwimmstil bei.« »Dann spendierst du mir ein Eis«, verhandelte Kisumi. »Sogar zwei Kugeln nach Wunsch.« »Ich bin mit an Bord. Ab morgen kehrt die Hitze sowieso von vorhin oder sogar viel schlimmer zurück.« Kisumi klatschte mit den Händen. Er wartete einen Moment lang, bis Asahi auch die Freude mit ihm teilte, ehe er selbst seine Happy Zone wieder verließ, jedoch nicht über den offiziellen Weg. Das hieß, Kisumi schob die Gedanken an Games und Schwimmbad beiseite, weil er bloß an das erste Date mit Asahi denken musste. »Lets go! Der Tag ist noch hell für uns.« Ohne Weiteres umschloss seine Hand die von Kisumi und zog ihn mit zu dem Fahrrad, das vier Meter von ihnen an der Wand lehnte. Er summte fröhlich. Hinter ihm tat Kisumi das Gleiche und freute sich auf die kommenden Sommerwochen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)