Stay at my place von Frigg ================================================================================ Kapitel 1: Stay at my place --------------------------- Stay at my Place Der Wein war recht billig und aus einem kleinen Supermarkt in der Nähe von Tedfield. Er war vielleicht nicht so hochwertig, wie das, was sie beide sonst tranken, tat aber seinen Dienst: Er brannte in seinem Magen, betäubte seine Sinne und sorgte dafür, dass die Geschehnisse der letzten Stunden nicht mehr ganz so real wirkten und in ganz weite Ferne rückten. Das war das Wichtigste. Es ging ausnahmsweise nicht um Geschmack oder Jahrgang, Süße oder die Prozente. Nur darum, den Tag hinter sich zu lassen und zu vergessen. Es ging nur darum alles runter zu spülen, wie eine bittere Pille. Der billige Alkohol hinterließ einen fahlen Geschmack auf seiner Zunge und doch war es das Beste, was er in den letzten Stunden getrunken hatte. Eigentlich müsste es Champagner regnen für die Tatsache, dass sie die Welt gerettet hatten. Aber da war weder ein Orden, eine Parade noch Champagnerregen. Nur laue Abendluft mit dem Geruch von Spätsommer und billiger Wein aus einem Supermarkt. Für ein Wunder waren sowohl der Engel als auch er zu erschöpft, um daraus ein Châteauneuf-du-Pape zu machen. Doch es reichte, wie so vieles an diesem Tag und wenn man sich an den fahlen Geschmack gewöhnte, war es gar nicht schlecht. Wortlos reichte Crowley die Flasche an Aziraphale weiter, damit dieser davon trinken konnte. Es war merkwürdig, den Engel einfach so aus einer Flasche trinken zu sehen, war dieser doch immer so manierlich. Das hieß wohl, dass auch ihm dieser Tag noch ordentlich in den Gliedern steckte. Kein Wunder, wenn man sogar entkörpert wurde und Besitz von einem Menschen ergreifen musste. Die Bank war auch bequemer als ein brennendes Auto. Er musste auch nicht seine ganze Konzentration aufbringen, um daraus einen fahrbaren Untersatz zu machen. Oh, dieser Tag würde nicht so leicht aus seinen Knochen verschwinden und Crowley streckte seine Beine ein wenig aus, um bequemer sitzen zu können und seine Glieder zu entspannen. Es war so viel passiert und für ein paar Stunden hatte der rothaarige Dämon wirklich geglaubt seinen besten Freund nie wieder zu sehen, ihn für immer verloren zu haben und die Erinnerung daran ließ ihn die Flasche erneut nehmen und davon trinken. Die kurze Berührung ihrer Finger bei der Übergabe erinnerte ihn daran, dass der Engel genau hier neben ihm saß in dieser sternenlosen Nacht mit nichts weiter als einer kleinen Nachteule irgendwo zwischen den Bäumen, die leise schuhute, während das Dorf ruhig schlief und nur in wenigen Häusern noch Licht brannte. Der Brunnen neben der Bank plätscherte auch nicht munter vor sich her. Es war als würde die ganze Welt erschöpft die Stille willkommen heißen und tief Luft holen. Stille war aber auch genau das, was er brauchte. Eine heiße Dusche und etwas Schlaf. Das hatte sich ein Dämon nach diesem Tag doch verdient, oder? Lediglich der Motor des Lieferwagens vom Paketdienst, der die Insignien der Reiter abgeholt hatte, durchbrach die Stille, als er losfuhr und machte einem anderen brummenden Motorengeräusch Platz. Die Scheinwerfer und die Leuchtschrift eines Busses tauchten in der Dunkelheit auf. „Oh, da ist er“, sagte Aziraphale und deutete auf die dunkle Landstraße, wo der Bus direkt auf die Parkbank zukam. Er lehnte sich etwas nach vorne und runzelte die Stirn. „Da steht „Oxford“ auf der Anzeige.“ Crowley schaute in die Richtung und nahm wieder einen Schluck vom Wein. Die Flasche hatten sie zusammen halb leer getrunken. „Ja, aber er wird dennoch bis nach London fahren. Er weiß nur nicht warum.“, antwortete Crowley und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Zeit seine dämonischen Kräfte zusammen zu kratzen, die noch da waren, um sie nach Hause zu bringen. Einen Menschen zu beeinflussen, damit er seinen Fahrplan änderte, würde schon nicht den letzten Rest Kraft kosten. Das konnte er noch grade so verkraften. „Ich nehme an, er soll mich dann beim Buchladen rauslassen.“ Täuschte er sich oder klang der Engel traurig und vielleicht ein bisschen wehmütig? Und hatte er etwa das Wichtigste vergessen? Oder klang er grade deshalb so traurig, weil er es wusste und keine Ahnung hatte, wo er hin sollte? Crowley konnte es nicht genau zuordnen, was in Aziraphale vor sich ging oder wieso es so klang, als wollte der Engel indirekt sagen, dass Crowley ihn loswerden wollte, wenn der Busfahrer ihn bei sich zu Hause absetzte. Gäbe es einen Buchladen und einen Bentley hätte Crowley persönlich den Chauffeur gespielt. Aber beides gab es nicht mehr. Weder ein schwarzes, stilvolles Auto, noch einen bis zur Decke vollgestopften alten Laden mit Bücher. Oder wollte er etwa die Nacht nicht alleine bleiben nach allem, was passiert war und traute sich nicht zu fragen? Wollte der Engel nicht selbst fragen, wo er hin sollte und ob er bei ihm bleiben dürfte, weil sein Laden abgebrannt war? Gefühle waren wirklich kompliziert und Aziraphale nach so vielen tausend Jahren manchmal noch immer, wie ein Buch mit sieben Siegeln, was er nicht öffnen konnte. Manchmal wünschte er sich, dass der Engel direkter mit ihm sprechen würde. Viel direkter, damit er nicht raten musste, was in ihm vor ging. Aber den Gedanken, nicht allein sein zu wollen, und sei es nur in dieser Nacht, konnte er sogar teilen. Nach allem, was passiert war, fühlte es sich seltsam an, allein zu sein, und vielleicht ging es dem Engel neben ihm genauso, nur konnte er es genauso schlecht ausdrücken wie der Dämon. Langsam drehte er sich zu seinem Freund um und sah ihn durch seine Sonnenbrille stirnrunzelnd an. Feingefühl war nicht unbedingt die Stärke von Dämonen und es gab auch keine Möglichkeit es dem Engel schonend beizubringen. Doch Crowley versuchte so sanft wie möglich zu sein. „Der ist abgefackelt. Schon vergessen?“, sagte er so mitfühlend wie er konnte. Die blauen Augen trafen seine und er konnte die Erkenntnis sehen, die den Engel ergriff. Er hatte es verdrängt oder vergessen, dass er kein zu Hause mehr hatte. Vielleicht eine Nebenwirkung der Entkörperung oder der Geschehnisse. Vielleicht auch beides. Doch statt verzweifelt zu wirken, saß er aufrecht neben ihm, wandte nur den Blick ab und schien zu überlegen, was er tun sollte. Er weinte nicht, verlor kein Wort der Verzweiflung und verlor seine Haltung nicht. Das war schlimmer, als würde der Engel in Tränen ausbrechen und um Hilfe bitten. Diese reine Seele neben ihm so verletzt zu sehen und die stolze Haltung dennoch weiter zu bewahren, war ein Stich in sein Herz. Dem Himmel würde es egal sein, was aus ihm wurde. Dem schien sich auch Aziraphale bewusst zu sein. Doch Freunde ließen einander nicht im Stich. Freunde waren füreinander da und auch jetzt, würde er sich nicht von dem Engel abwenden. Eigentlich sollte es ihm egal sein, wie es einem Engel ging, waren sie doch von Natur aus Feinde. Eigentlich, aber das dumme war eben, dass auch ein Dämon ein Herz hatte, wenn auch klein und verkümmert und dieses Herz ertrug den Gedanken nicht, dass es seinem Engel schlecht ging und sie waren Freunde. „Du kannst bei mir bleiben, wenn du magst“, fügte er sanft hinzu. Diese traurigen, blauen Augen konnte er kaum ertragen. Der Anblick schmerzte bis tief in seiner Seele und wenn er vielleicht ein paar Flaschen von diesem billigen Fusel mehr intus hätte, hätte er Aziraphale vielleicht auch tröstend in den Arm genommen. Doch so viel Zurückhaltung hatte er noch und der kleine Hoffnungsschimmer in den Augen zu sehen, war viel besser. Wenn auch nur kurz. Crowley war sich auch bewusst, dass Aziraphale trotz der Tatsache, dass der Himmel ihn im Stich ließ, sein Glaube an diesen unerschütterlich war. „Ich…ich denke nicht, dass das meiner Seite gefallen würde“, sagte er vorsichtig und schien sich eher selbst die Chance versagen zu wollen. Wirklich jetzt? Der Engel war manchmal sturer als jedes Maultier! Wieso nahm er sich selbst die Hoffnung, tat so vernünftig und tapfer als wäre der Verlust keine große Sache? Er liebte diese Bücher, den Geruch von alten Seiten und Druckertinte, das Geschäft, die kleinen Figuren aus den letzten Jahrhunderten, die herumstanden, die antiken Möbelstücke und er hatte es über zweihundert Jahre lang im Besitz! Da durfte er auch traurig sein. Genauso traurig, wie er über den Verlust seines Autos gewesen war und einen Moment gebraucht hatte, um die Tatsache in seinem Gehirn zu verarbeiten. „Du hast jetzt keine Seite mehr“, rief Crowley ihn in Erinnerung, „Ich genauso wenig.“ Ob der Engel es realisierte? Vermutlich nicht. Tief atmete er durch und sah ihn weiter an. „Wir sind auf unserer eigenen Seite. Wie Agnes schrieb, wir müssen unsere Gesichert weise wählen.“ Wie eben schon viele tausend Jahre zuvor, nur war es jetzt offiziell. Keine heimlichen Treffen mehr. Keine heimlichen Hinterzimmergespräche mehr. Nichts mit Heimlichtuerei und aufpassen, wann und wo sie sich trafen. Sie konnten sich offiziell sehen und Zeit miteinander verbringen. Weder die Hölle, noch der Himmel konnte sich jetzt noch daran stören. Es war also im Grunde etwas Gutes! Zumindest so lange die Oben und die Unten sich nicht noch Strafen überlegten. Aber das war ein Punkt, um die sie sich noch Sorgen machen konnten, wenn es nicht tiefe Nacht war und der Weltuntergang erst ein paar Stunden zurücklag. Jetzt war es wichtiger das zu genießen, was sie dadurch gewonnen hatten und das war eben ihre eigene Seite. Eine Seite ohne Erzengel oder Dämonen im Nacken. Crowley wusste aber auch, dass Aziraphale mehr an der himmlischen Seite hing als er an der dämonischen. Er hatte immerhin schon vor tausenden von Jahren deutlich gemacht, dass er der Hölle nur so weit folgte, wie er konnte und auf seiner Seite stand. Für den Engel war das immer noch etwas Unvorstellbares und nur schwer verdauliches. Doch mit der Zeit würde er merken, dass es Vorteile hatte. Vorteile, die er dem Engel gerne wieder und wieder zeigen würde. Sie hatten sich und das machte es nicht ganz so einsam, wie es sich im ersten Moment anfühlen mochte, wenn man all das verlor, woran man geglaubt und was man geliebt hatte. Crowley sprach dabei nur zu gut aus eigener Erfahrung. Er hatte den Himmel verloren und die Hölle war nie zu einem kompletten Teil von ihm geworden. Da lernte man eben andere Dinge zu schätzen, wie einen alten Wagen oder die Zeit mit dem Feind, der zum Freund wurde. Der Engel würde Zeit brauchen und ihn jetzt mit weiteren Argumenten zu trietzen, würde nur den gegenteiligen Effekt haben. Also beließ er es und hob stattdessen die Hand, als der Bus näher kam, damit dieser hielt. Der Fahrer des Busses öffnete ihnen die Tür und ließ sie einsteigen. Es saßen nur wenige Menschen darin und die spärliche Nachtbeleuchtung war auch ganz angenehm. Crowley ging voran und suchte einen Platz am Fenster, wo er sich zurücklehnte, die Flasche Wein in der Hand und Aziraphale nahm neben ihm Platz. Eng zusammengerückt saßen sie da und er spürte, wie ihre Beine sich berührten. So eng hatten sie noch nie zusammengesessen. Obwohl das Engelchen neben ihm sicherlich andere Sorgen hatte, strahlte er immer noch die gewohnte Ruhe aus und am liebsten würde er seinen Kopf auf dessen Schulter betten und bis London schlafen. Aziraphale nahm ihm die Weinflasche aus den Fingern und trank einen großzügigen Schluck. Crowley sah ihn von der Seite her an und hob die Augenbraue. Der Schluck war groß und offenbar eine kleine Reaktion auf die jüngsten Ereignisse. Verständlich. Crowley drängte Aziraphale auch nicht dazu mit ihm darüber zu sprechen, wie es ihm ging. Der Dämon wusste genau, wie man sich in diesem Moment fühlte: verletzlich, nicht gut genug und einsam. Die Einsamkeit war das schlimmste Gefühl. Egal, wer um einen war, es fühlte sich immer so an, als wäre man ein Geist, der alles sehen konnte, aber selbst ungesehen und ungehört blieb. Nach außen hin war man die Ruhe selbst und innerlich schrie man sich die Seele aus dem Leib, suchte die Wärme und das Licht, die Hoffnung in der Dunkelheit, dass der Schmerz aufhören würde. Jede Tat, die man tat, war sinnlos. Dennoch wollte man diesen kleinen Funken spüren, dass man gesehen und nicht vergessen wurde. Egal, wie klein die Aufmerksamkeit war, die man bekam und egal, ob es ein Lob war oder einem erneut das Gefühl gab nicht gut genug zu sein für irgendwas – weder für Himmel noch die Hölle, es zeigte doch, dass man Leben war. Denn nur das bewahrte einen davor verrückt vor Einsamkeit zu werden. Crowley war versucht die Hand des Engels zu nehmen, scheute sich aber davor und ließ sie nur auf seinem Bein liegen, nahe genug, damit Aziraphale sie nehmen konnte, wenn er sie brauchte. Hatte der Engel eigentlich verstanden, dass er wegen ihm nicht zu Alpha Centauri gegangen war und lieber mit der Erde hätte untergehen wollen, statt alleine die Ewigkeit zu verbringen? Wenn Crowley sich die Reaktion in Erinnerung rief, dann hatte Aziraphale nur gesagt, dass es ihm leid tat, das zu hören, dass er seinen besten Freund verloren hatte. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass er damit gemeint gewesen war. Ihm war nie bewusst geworden, dass er sein bester Freund war. Ging der Engel nach all den tausend Jahren noch davon aus, dass Crowley dämonische Freunde hatte? „Crowley!“ Die Stimme des Engels riss ihn aus seinen Gedanken und er drehte den Kopf zu ihm. Das langsame Fahren des Busfahrers machte ihn müde und ihm war gar nicht aufgefallen, dass er seinen Kopf ans Fenster gelehnt und die Augen geschlossen hatte. Crowley blinzelte benommen. „Was ist, Engel?“ „Woran hast du gedacht, mein Lieber?“, fragte Aziraphale besorgt, „Du hast gezittert. Ist dir kalt?“ Etwas umständlich begann der Engel seinen hellen Mantel auszuziehen und legte ihn um seine Schultern. Es ging nicht mal darum, dass dieses helle Farbe nicht sein Geschmack war, aber das war der Mantel vom Engel und der Geruch von ihm drang in seine Nase, als würde er selbst einen tiefen Atemzug am Hals des Engels nehmen. Crowley spürte, wie die Hitze in sein Gesicht schoss und es wurde nicht besser, als Aziraphale auch noch seine Hand nahm. Im Gegenteil. Sein Herz fing an zu hüpfen und er spürte seinen Puls bis an seinem Hals. „Geht es dir gut? Dein Gesicht ist so rot.“ Die zweite Hand legte sich auf seine und er schluckte nervös. Seine Magen kribbelte als hätte er tausend Ameisen verschluckt und seine Fingerspitzen wurden schlagartig kalt. „Mir geht es gut, Engel!“, wehrte er schnell ab und nahm ihm die Weinflasche ab, um davon zu trinken. Der Wein betäubte seine Gedanken, doch es änderte nichts daran, dass seine Augen irgendwie feucht waren. „Du machst dir immer zu viele Sorgen um mich“, grummelte er zwischen den Schlucken und setzte schnell wieder an, um dieses schnell rasende Herz in seiner Brust zu beruhigen. Wenn er seine Sinne betäubte, würde er vielleicht aufhören mit diesem Gedankenkarussell. „Mach dir nicht so viele Gedanken um mich. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen. Und wärst du auf deiner Seite geblieben, dann wäre der Buchladen noch da und…“ „Wenn der Buchladen noch da wäre, käme ich doch jetzt nicht in den Genuss deine Wohnung kennen zu lernen“, sagte Aziraphale sanft und zog ihn näher zu sich bis sein Kopf an seiner Schulter lag. In seiner Stimme lag ein leichtes Schmunzeln. „Und hätte ich nicht auf dich gehört, dann hätte ich viele Dinge gar nicht kennen gelernt. Tut mir leid, aber ich werde mit Sicherheit nicht aufhören, mich um dich zu Sorgen und ich mache dir keine Vorwürfe wegen dem Buchladen. Das ist nicht deine Schuld und wenn du jetzt nicht hier wärst, wäre es viel schlimmer keine Seite mehr zu haben. Es wäre unerträglich. Wir stecken beide in der Sache fest.“ Es war merkwürdig so neben dem Engel zu sitzen und in dessen Mantel gehüllt zu sein. Es fühlte sich an, als wäre er auf einer Zuckerwattewolke, weich und kuschelig. Aziraphale hielt noch immer seine Hand und die andere strich über seine Wange, wischte die Tränen weg, die gekommen waren beim Gedanken den Engel für immer verloren zu haben. Leider hatte er den Worten nichts entgegen zu setzen und konnte nur ein Schniefen von sich geben. „Ich gebe es nur ungern zu, Engel, aber du hast wohl Recht“, sagte er und wischte sich kurz über die Augen. Es gab keinen Grund zu weinen. Aziraphale war hier neben ihm und Armageddon hatte nicht stattgefunden. Alles lief weiter, als wäre nie etwas passiert. Der rothaarige Dämon atmete tief durch und erlaubte sich, sich etwas zu entspannen. Die Sache mit dem Händchen halten fühlte sich gut an und er veränderte die Position. Seine Finger verschränkten sich mit denen des Engels. „Du kannst gerne etwas schlafen, mein Freund“, erklang die Stimme von Aziraphale dicht an seinem Ohr, „Es dauert bis wir da sind und ich wecke dich.“ Crowley brummte in den Stoff des Mantels hinein. Er wollte nicht schlafen bis er nicht zu Hause war, aber entweder wirkte der Engel ein Wunder oder er war erschöpfter als er dachte und die beruhigende Anwesenheit des Engels sorgte dafür, dass ihm die Augen zufielen. Sanfte Finger strichen über sein Schlangenmal und malten die Form nach. Nach unten mit zwei kleinen Kurven, dann eine kleine Schleife, wieder nach unten und eine Unendlichkeitsschleife, ehe er zum Kopf kam. Dann der Weg zurück nach oben und wieder nach unten. Es hatte etwas einlullendes. „Was machst du da, Engel?“, fragte er und versuchte grummelnd zu klingen. Doch es war schwer, wenn sein Sitznachbar so sanft war. Aziraphale zuckte mit den Schultern. „Entspannt es dich?“ Crowley schwieg verlegen. „Dann ist das alles, was wichtig ist.“ Sanft spürte er die Lippen auf seiner Stirn, als wäre er ein kleiner Junge. „Ich bin froh, dass du wieder zurück bist.“ „Ach Crowley…es ist okay. Es ist alles vorbei.“ Es wäre schön, wenn wirklich alles vorbei wäre, aber da war noch Agnes letzte Prophezeiung und die Tatsache, dass sie in einem Bus saßen, er nach Ruß und Rauch stank und es noch zwei Stunden bis London dauerte. Seine Kräfte waren am Ende und am liebsten wollte er noch mehr Tränen vergießen. Aber emotional werden in der Öffentlichkeit war nicht sein Stil. Das war nicht der Stil von Anthony J. Crowley. „Es tut mir leid, um deinen besten Freund“, fügte der Engel hinzu und er blickte kurz hoch, nur um ihn stirnrunzelnd anzusehen. „Hast du es immer noch nicht begriffen, Engel? Du bist mein bester Freund. Ich habe gedacht, dass ich dich verloren habe“, murmelte er in den Kragen des Mantels. Crowley schlang ihn fester um sich, als wäre es eine warme Decke. „Ich hätte die Ewigkeit nicht alleine auf Alpha Centauri verbringen können. Nicht ohne dich.“ Wieder war da die Hitze in seinem Gesicht und eine heiße Spur von Tränen. „Oh Crowley…ich…“ „Sei einfach still, Engel.“ Aziraphale lehnte sich gegen ihn und legte seinen Kopf auf seinem ab. Der Schmerz lag noch immer in seiner Brust und würde mit Sicherheit auch nicht so leicht abklingen. Aber solange sein Engel neben ihm saß, hatte er die Gewissheit, dass er hier war und nicht verloren. Also konnte er auch etwas die müden Schlangenaugen schließen und an der Seite des Engels dösen. Schlafen in einem Wagen war etwas Merkwürdiges. Man konnte in den tiefsten Träumen stecken, auf Wolken schweben und sich so geborgen fühlen, wie seit Jahrtausenden nicht mehr. Doch sobald das fahrbare Gefährt eine bestimmte Kurve nahm, abbog und der Körper in die entsprechende Richtung gedrückt wurde, wurde man wach. Man wachte, wie von alleine aus den süßesten Träumen auf, benommen und vielleicht noch etwas im Halbschlaf, aber man wurde wach wegen dieser einen bestimmten Kurve, die ankündigte, dass man bald zu Hause war. So ging es Crowley nicht anders. Als der Bus von der Schnellstraße abbog und Richtung Londoner Innenstadt fuhr, gähnte der Dämon das erste Mal herzhaft an der Seite von Aziraphale. Der Traum vom Himmel, den ersten Wolken und den glänzenden Sternen verblasste langsam, doch die Wärme blieb zurück. Das Gefühl von Geborgenheit erfüllte seinen ganzen Körper und lockte ihn damit wieder in den Traum zu fallen, wo er mit Aziraphale alleine war und ihm zeigte, wie ein Stern geboren wurde. „Ngk“, entkam es ihm leise und eine warme Hand fuhr durch seine Haare. Der Engel wusste, wie man ihn zum Schlafen verführte. Was für ein böser Engel! Halb schlaftrunken grinste er bei dem Gedanken. Crowley fühlte, wie der Bus anders fuhr. Er war noch langsamer, stoppte viel mehr und bog viel häufiger ab. Sie waren fast bei ihm zu Hause, das konnte er fühlen und er wusste, dass er die Augen öffnen musste. Aber da war eben auch die Schulter, die so gemütlich war und ein Herzschlag, gleichmäßig, ruhig und kräftig und wenn er die Augen öffnete, sich aufrichtete und damit bestätigte, dass er wach war, würde all das enden. Er würde nicht noch einmal in den Genuss dieser Nähe kommen. Die nächste Kurve folgte und da war diese Unebenheit in der Straße, dass der Bus kurz auf und ab wippte und sein Hintern den Kontakt zum Sitz verlor. „Crowley?“ Aziraphale stupste ihn leicht in die Schulter. „Was ist?“ „Wir sind gleich da.“ „Ich weiß…noch fünf Straßen“, murmelte er und drehte leicht den Kopf. Viel konnte er draußen nicht erkennen. Das Licht des Busses reflektierte zu stark an den Fenstern als dass er viel von der Straße sehen konnte. Aber sie waren nahe bei seiner Wohnung und Crowley schälte sich nur widerwillig aus dem Mantel, der ihm als Decke gedient hatte. „Hier…danke, Engel“, sagte er und fuhr sich durch seine Haare, die Aziraphale mit Sicherheit durcheinander gebracht hatte. Kurz bewegte er den Kopf ein wenig hin und her, ließ seinen Nacken knacken und streckte sich aus. So sehr er den Schlaf auch gebraucht hatte, war dies nicht ansatzweise so erholsam wie ein richtiges Bett oder an der Wand zu schlafen. Oder eingerollt als Schlange zwischen vielen Decken und Kissen mit einer warmen Heizung in der Nähe. „Warst du die ganze Zeit wach?“, fragte er beiläufig und rieb sich etwas Schlafsand aus den Augen. „Ja, ich habe über die Prophezeiung nachgedacht. Ich glaube, ich weiß, was wir tun müssen…“ „Gut, dann erzähl es mir später“, wehrte er ab und war absolut nicht Stimmung dafür, um jetzt über irgendwelche Prophezeiungen zu sprechen oder sonst irgendwas, was vor einigen Stunden passiert war. Dafür hatten sie auch noch Zeit, wenn er ausgeschlafen hatte. „Komm, wir sind da“, sagte er etwas abweisend und erhob sich aus dem inzwischen aufgewärmten Sitz. Seine Knochen knackten ein wenig und er hielt sich an den Haltegriffen fest, als er zur mittleren Tür ging. Der Busfahrer wurde langsamer und wie selbstverständlich ließ er sie beide an der Point Pleasent heraus, ehe er weiterfuhr und seinen eigentlichen Weg nach Oxford nahm. Irgendeine Erklärung würde dem armen Mann schon einfallen…oder auch nicht. Das war Crowley recht egal. Der Weg bis zu seiner Wohnung auf der Eastfields Ave war nicht weit. Dennoch kroch ihm ein Schauer über den Rücken als er in die kühle Nachtluft ging und die Wärme des Busses hinter sich ließ. „Nur noch ein Stück, Engel. Dann sind wir da“, sagte er und setzte sich in Bewegung. Ihm fehlte sein Wagen jetzt schon. Neunzig Jahre waren kein Pappenstiel und das, was der Wagen ausmachte, würde kein Neuwagen ersetzen können. Der Wagen war ein Gefühl und nicht nur ein fahrbarer Untersatz. „Hier wohnst du also“, kommentierte der Engel nachdenklich und sah sich die hohen Gebäude mit den vielen Wohnungen an. Die Themse war auch nicht allzu weit entfernt und von seiner Wohnung aus hatte er einen guten Ausblick darauf. „Mhmmm“, entkam es ihm nur und er deutete auf die Anlage mit den Glasfronten. „Ich weiß, es ist nicht so wie in Soho und wir finden eine Lösung für deinen verlorenen Laden. Aber für diese Nacht oder mehr Nächte, wenn du willst, wird es gehen.“ Aus seiner Jackentasche zog Crowley seine Schlüssel hervor und versteckte den Anhänger in Form einer Engelsfeder in seiner Handfläche. „Ich bin sicher, dass mir deine Wohnung gefallen wird“, lächelte Aziraphale schwach und faltete seine Hände vor seinem Bauch. Crowley wog den Kopf leicht hin und her. „Ich weiß nicht. Ich habe nicht mal ansatzweise so viele Bücher wie du und es ist eher...minimalistisch. Aber ich habe ein Gästezimmer und in der Küche ist Wein, etwas zu Essen, ich habe ein Bad und…ach du wirst es gleich sehen. Da fällt mir ein…es könnte nur etwas unordentlich sein, weil Hastur und Ligur da waren.“ Hoffentlich war das Weihwasser getrocknet. Wieder durch den Lüftungsschlitz als Schlange zu kriechen, um in die Wohnung zu gelangen, hatte er wenig Lust drauf. Was würde wohl der Engel zu den Figuren und den grauen Wänden sagen? Irgendwie war er mit einem Mal nervöser als er sollte. „Oh…nun…ich bin sicher, dass es dennoch in Ordnung ist“, wehrte der Engel ab und Crowley schloss die Tür zum Treppenhaus auf. Zum Glück war der Aufzug in Betrieb und er drückte den Knopf, damit dieser ankam. „Lass nur meine Pflanzen in Ruhe“, sagte er. „Deine Pflanzen? Aber wieso?“ Fragend schaute Aziraphale ihn an. „Weil sie empfindlich sind und ich mich um sie kümmere. Ich bin sicher, dass sie sich sonst nur allzu sehr an deine…Art…gewöhnen.“ „Meine Art?“ „Du weißt schon…deine Engelhaftigkeit…“ „Ich weiß nicht, was du meinst.“ „Vergiss es…ich bin müde.“ Er wischte sich über das Gesicht und rieb sich noch mal über die Augen. Bald konnte er seinen Kopf auf sein Kissen betten und hoffentlich ein gutes Schläfchen genießen. Crowley war froh, als sich die Aufzugtüren öffneten und er schlüpfte in den kleinen Raum, gefolgt von dem Engel, der sich immer wieder umblickte. Er musste kein Experte sein, um zu wissen, dass er sich unwohl fühlte und vielleicht auch ein Stück verlassen. Aber der Engel war nicht alleine. Er würde immer da sein, immer an dessen Seite und Nähe. „Du…ähm…wohnst ganz oben?“ „Ähm…ja. Bessere Aussicht“, sagte er unsicher und drückte den Anhänger in seiner Hand. Das Muster drückte sich in seine Handfläche und hielt ihn davon ab gedanklich abzuschweifen. Mit dem Daumennagel fuhr er die Konturen der Schwinge nach und die Musterung der Federn. Die Situation war für sie beide neu und anders. Normalerweise waren sie immer im Buchladen, doch jetzt war der Engel hier bei ihm und sie waren kurz davor seine Wohnung zu betreten. Wortlos starrten sie in die Ecken vom Fahrstuhl und als die Türen sich wieder öffneten, ging Crowley voran, um die Tür aufzuschließen. „Ähm, Engel…würdest du mir einen Gefallen tun? Ich habe, du weißt schon…die Thermoskanne geöffnet und Ligur hat alles abbekommen. Könntest du…?“ Er deutete in den Flur hinein und zur Tür am Ende, die zum Wohnzimmer führte. „Natürlich.“ Sanft lächelte Aziraphale und schob sich an ihm vorbei, um durch den Flur zu gehen und zur Tür, wo er der Eimer über Ligurs Kopf gefallen war. Die Kleidung, die der Dämon getragen hatte, lag noch immer am Boden. Aziraphale hob die Kleidung hoch und prüfte den Boden, ehe er lächelte. „Es ist alles trocken. Dir steht keine Gefahr bevor.“ Crowley atmete tief durch und folgte Aziraphale in das Herzstück seiner Wohnung. Die blauen Augen sahen sich neugierig um, während er das Licht einschaltete. „Ist das der Adler aus der Kirche?“, fragte er und betrachtete die große Statue, die im Gang zum Gästezimmer stand. „Ja, du standest in ihrer Nähe und durch unser Wunder hat sie auch überlebt. Wäre Schade gewesen, wenn sie zerstört worden wäre“, wehrte er schulterzuckend ab. Er musste ja nicht zugeben, dass es ihn an diesen Abend erinnerte und als Souvenier diente, wenn er schon nicht das Foto haben konnte. Crowley legte die Schlüssel auf den Tisch. „Das Gästezimmer ist auch direkt dort und ein Badezimmer, wenn du dich frisch machen möchtest.“ „Alles klar“, seufzte Aziraphale und Crowley spürte, dass ihm das Ganze zu schaffen machte, „Die Küche ist dort drüben und mein Schlafzimmer und Badezimmer auch.“ Crowley deutete auf das andere Ende der Wohnung, vorbei an den Pflanzen und im hinteren Bereich, wo die kämpfenden Engel waren. „Du bist wirklich minimalistisch“, kommentierte er. „Anders als du.“ „Wohl wahr. Aber ich sehe auch einige Stücke von früher, wie die Zeichnung dort.“ Er deutete auf die Originalskizze der Mona Lisa und Crowley grinste leicht. Er ließ Aziraphale seinen Freiraum, beobachtete ihn nur, wie er sich umsah, herumlief und in die Räume schaute. „Du hast wundervolle Pflanzen“, sagte er und Crowley zischte. „Sag das nicht. Sie gewöhnen sich sonst daran!“ Mit wenigen Schritten war er bei dem Engel und sofort raschelten die Blätter vor lauter Angst. Fragend legte der Engel den Kopf schief, doch er schob ihn nur weiter. „Hier ist mein Schlafzimmer, wenn etwas ist und dort entlang die Küche.“ Crowley schob den Engel weiter, schaltete die Lichter seiner Wohnung ein und ging mit ihm zur Küche. „Bedien dich einfach. Willst du einen Rotwein? Kakao? Ich bin sicher, dass ich sowas hier habe.“ Er selbst war niemand, der das süße Getränk bevorzugt, aber für genau diesen Fall, dass der Engel einmal hier wäre, hatte er Kakaopulver und Milch im Haus. „Nein, danke…mir ist nach…nichts.“ Crowley sah ihn besorgt an. Den Engel so verloren zu sehen, brach ihm das Herz und er wünschte, er wäre besser darin jemanden aufzumuntern. „Oder vielleicht doch etwas Wein?“ Crowley nickte sofort und holte aus dem Schrank zwei Gläser und aus dem Vorratsraum eine Flasche Rotwein. Mit geschickter Hand entkorkte er ihn und schenkte die Gläser voll. Dann reichte er dem Engel das Glas. „Wir kriegen das hin“, sagte er sanft und stieß gegen das Glas, ehe er selbst auch etwas trank. „Mach es dir schon mal gemütlich auf dem Sofa oder so…Ich gehe eben duschen und zieh mir etwas an, was nicht…naja…rußig ist.“ Crowley verzog etwas das Gesicht und am liebsten hätte er dem Engel einen Kuss auf die Stirn gegeben, so verloren, wie die blauen Augen ihn ansahen. Aber er hielt sich zurück und ging mit dem Rotweinglas in der Hand ins Schlafzimmer. Er wollte nur raus aus diesen Sachen, in seinen schwarzen Seidenpyjama schlüpfen und die Flasche mit dem Engel austrinken. Der Geruch aus seiner Kleidung ließ ihn immer noch daran denken, wie das Feuer im Buchladen sich ausgebreitet hatte, wie heiß die Luft um ihn herum gewesen war, wie die Asche auf seiner Zunge geschmeckt hatte. Es war ein widerliches Gefühl und er wollte es nur noch los werden. Er hätte heute so viel verlieren können und doch war da jetzt dieser Engel in seiner Wohnung. Crowley hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. Sein ganzer Körper kribbelte vor Aufregung und es fühlte sich nicht so natürlich an, wie sonst, wenn sie sich im Buchladen trafen. Das leere Glas stellte er auf seinen Nachtisch ab und ging ins Badezimmer. Mit einem Fingerschnipp seiner Hand war die überzählige Kleidung abgelegt und er konnte in die Duschen treten. Das warme Wasser war eine Wohltat für ihn, ließ ihn seufzen und den Dreck vom Tag forttragen. Der Dämon beeilte sich und wunderte sich ein Handtuch herbei, um es sich um die Hüften zu wickeln. Dabei fiel ihm ein, dass er nachsehen sollte, ob das Gästezimmer hergerichtet und auch im zweiten Badezimmer ein Handtuch war. Schnell trocknete er sich ab und schnippte wieder mit dem Finger, um seinen Pyjama zu tragen. Schwarz und ohne Muster, wie er es am liebsten mochte. Dann schoss ein weiterer Gedanke durch sein müdes Hirn. Ein Gedanke, der die Hitze in sein Gesicht schießen ließ und nachdem er die Sachen für den Engel her gewundert hatte, ging er aus seinem Schlafzimmer. Im Wohnzimmer stand die Flasche und das leere Glas von Aziraphale, doch vom Engel war keine Spur zu sehen. „Engel?“, fragte er besorgt und schaute auf den Balkon. Nichts. „Engel?“ Vielleicht hatte er sich doch schlafen gelegt und leise ging er Richtung Gästezimmer. Es brannte Licht und ein Schatten bewegte sich. „Engel, ich habe hier…Heilige Scheiße, Engel!“, zischte er, machte einen Satz zurück und ihm blieb der Mund offen stehen. Sein Herz wummerte wie verrückt in der Brust und er presste die Sachen an sich, als wäre es ein Schutzschild. Mit schnellem Atem und mit dem Rücken zur Wand gepresst, starrte er Aziraphale an. Hitze schoss wieder einmal in sein Gesicht und seine gelben Augen wanderten auf und ab. „Crowley, was ist?“, fragte der Engel unschuldig. Bei allen Kreisen der Hölle! Der Engel hatte ja keine Ahnung, was für ein Anblick er bot! Der Mantel hing fein säuberlich um einen Stuhl. Die Hose hing gefaltet auf einem Bügel und hing am Schrank. Schuhe standen ordentlich beim Schrank. Das Hemd, das sonst in seiner Hose steckte hing ihm locker vom Körper und über den Hintern. Ein Teil seiner weißen Unterhose schaute hervor. Die braune Weste war offen und er zog sie grade aus. Die Fliege hing locker um seinen Hals. Crowley biss sich auf die Lippen. „Bei Satans Namen…“, murmelte er benommen leise vor sich her und blinzelte, um zu sehen, ob das hier kein Traum war. „Crowley?“ Aziraphale öffnete seine Manschettenknöpfe und legte sie zu seiner Taschenuhr auf den Nachtisch. Die Weste gesellte sich zum Mantel. Crowley folgte jeder dieser Bewegungen, prägte sich jedes Detail ein, wie die knubbeligen Knie oder die feinen Haare auf seinen Beinen und der Brust, die aus dem leicht aufgeknöpften Hemd herausschauten. Sein Gesicht glühte und er war froh ein Wesen zu sein, was nicht unbedingt auf Atmung angewiesen war, denn diese versagte ihm so langsam. Sein Mund fühlte sich trocken an und instinktiv leckte er sich die Lippen, als der Engel auch noch anfing das Hemd weiter aufzuknöpfen. „Ich dachte, das könntest du brauchen!“, presste er schnell und halb nuschelnd hervor und drückte die Sachen dem Engel in die Hand, ehe dieser weiter vor seiner Nase strippen würde. Es gab nichts, was sie beide nicht hatten. Aber den Engel so halb nackt zu sehen, war doch eine andere Sache. „Ich hab dir…naja…einen von meinen Pyjamas größer gewundert. Die Nächte sind doch etwas kühl und…“, stammelte er verlegen und zwang sich den Blick abzuwenden. „Oh danke. Das ist lieb von dir. Ich habe mich schon mit dem Gedanken angefreundet nur in Boxershorts zu schlafen.“ „Mhm…“ Crowley sagte nichts dazu und mit Sicherheit hätte er nichts dagegen, wenn der Engel genau das tat, aber es war der falsche Zeitpunkt für diese Gedanken und für Annäherungsversuche. „Also…ich lass dich besser allein. Wenn du gleich noch etwas trinken willst, im Wohnzimmer steht die Flasche.“ Er schluckte schwer und löste sich widerwillig von dem Anblick der sich ihm bot. Doch weit kam der Dämon nicht. „Crowley…warte.“ An seinem Ärmel hielt ihn der Engel fest und knautschte den Stoff seines Hemdes. „Brauchst du noch etwas?“, fragte er besorgt und schaute ihn fragend an. Aziraphale wirkte müde und abgespannt. „Ich möchte nicht alleine sein.“ Die Stimme war leise und so hatte er ihn noch nie gehört. Er klang gebrochen und Crowley griff nach seiner Hand, um ihm Sicherheit zu geben. „Du bist nicht alleine, Engel. Ich bin hier. Ich bin nur ein paar Räume weiter.“ Er sollte sich keine falschen Hoffnungen machen, dass sie die Nacht zusammen verbringen würden. „Crowley, ich…“ Aziraphale war sich dessen nicht bewusst, aber so hilflos wie er aussah, weckte es alle seine Beschützerinstinkte und das Bedürfnis ihn nie mehr los zu lassen. Doch der Anstand gebot es, dass er sich zurückhielt und ein guter Gastgeber war. „Es tut mir leid, mein Freund“, nuschelte er, „Ich war mir nicht bewusst, dass du mich als besten Freund siehst.“ Fragend hob er eine Augenbraue. „Ich glaube, ich weiß jetzt, wie du dich gefühlt haben musst als du gefallen bist.“ „Nein, Engel. Das Gefühl wirst du nie verstehen. Du kannst es jetzt vielleicht erahnen, aber es wird nicht das gleiche sein, wie damals bei mir. Du machst keinen Freestyle jump in einen See aus Schwefel. Deine Flügel sind mit Sicherheit immer noch weiß und du hast einen Heiligenschein.“ Aziraphale gab ein Seufzen von sich. „Hast du dich…auch so verwundbar gefühlt?“ Hilfesuchend sahen ihn die blauen Augen an und Crowley nickte nachdenklich. „Mehr als das.“ Er hatte sich schmutzig gefühlt, wertlos und eben unverzeihlich. Er war ein wertloser Engel geworden. „Aber du hast so viel wundervolles getan“, murmelte der Engel. „Du genauso und trotzdem stehen wir hier. Ich bin noch tiefer gefallen und du bist aus dem Himmel verstoßen worden.“ Er grinste schief und wünschte sich, sein Weinglas würde nicht im Schlafzimmer stehen. „Dann vergebe ich dir, wenn es sonst niemand tut. Du bist so viel wert, mein Freund. Ohne dich würde ich heute Nacht im freien stehen…“ „Hoffentlich sagst du das jetzt nicht nur, weil du einen Schlafplatz bekommst.“ Leicht zuckte sein Mundwinkel und er blickte in eine Ecke des Zimmers. Aziraphale fand immer Worte, die ihn melancholisch stimmten und heute war ein Tag, der nur voll davon war, dass er Tränen vergoss. „Nein! Ich sage das, weil ich es auch so meine, du dumme Schlange!“ „Hei…“ Zwei Hände umfassten sein Gesicht und Crowley musste zwangsweise den Engel wieder ansehen. Ihm fiel auf, dass die weißblonden Haare unordentlich waren und nicht wie sonst wild abstanden, sondern in das Gesicht des Engels fielen. Instinktiv strich Crowley durch diese und schob ein paar aus dessen Gesicht zurück. Unter den Augen von dem Engel waren dunkle Augenringe zu sehen. Ein weiteres Zeichen, wie sehr der Tag auch ihm zugesetzt hatte. Aziraphale lächelte unsicher und ihre Blicke trafen sich. Sein Herz schlug wieder kräftiger und sein Arm legte sich um den Engel, zogen ihn näher und seine Finger gruben sich fest in dessen Hemd. Die Angst ihn zu verlieren, war noch immer nicht abgeklungen und er hielt ihn einfach fest, strich mit der anderen Hand über dessen Schläfe, während die warmen Hände des Engels sein Gesicht umfassten. „Es tut mir leid, dass du wegen mir so gelitten hast“, sagte Aziraphale mit belegter und rauer Stimme. Er klang etwas atemlos. „Vielleicht ist es zu früh… aber gib mir ein Zeichen, was ich tun kann. Irgendwas, was ich machen oder tun kann, damit es dir besser geht. Irgendetwas.“ „Mach dir nicht so viele Gedanken, Engel“, murmelte er zurück und Crowley war ihm so nahe, dass er den Atem an seinem Gesicht spüren konnte. Seine Nase stupste die des Engels an. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. „Blinzle einmal, wenn du willst, dass ich dich küsse.“ Crowley blinzelte überrascht und konnte die Worte des Engels kaum verdauen. Sein Herz machte einen Absacker in die Tiefe, nur um wieder nach oben geworfen zu werden, wie bei einem Bungeejumping. Aziraphale wartete nicht ab, ob er protestieren wollte, nahm sein überraschtes Blinzeln als Zustimmung und zog ihn näher heran. Crowley konnte zuerst nur überrascht nach Luft schnappen und den Wein auf den Lippen des anderen schmecken. Darunter schmeckte er die Verzweiflung und Sehnsucht des Engels, der ihn an den Hüften packte und festhielt. Er war nicht allein mit der Verlustangst und all das, was an diesem Tag geschehen war und beinahe geschehen wäre, entlud sich in diesem Kuss. Diesen einen, ersten Kuss voller Sehnsucht bei dem sie sich gegenseitig festhielten, stumm ihre Gefühle offenbarten und die Lippen gar nicht eng genug auf die des anderen sein konnte, um das Verlangen zu stillen. Crowley fühlte sich wie ein Ertrinkender und dieser Kuss war der lebensnotwendige Atem, den er brauchte, um leben zu können. Die Haare an seinem Arm stellten sich auf und mit jeder Sekunde, die verstrich, war er so dankbar für diesen Augenblick. Vielleicht war es nur eine Nacht, nur dieses eine Mal, vielleicht war es auch etwas, was für immer war und er musste seine Gefühle nie wieder verstecken. Crowley spürte die Wand im Rücken, als der Engel ihn dagegen presste und ein keuchendes Geräusch entwich seiner Kehle. Er wollte Aziraphale näher bei sich spüren. „Verführst du mich, Engel?“, fragte er raunend an dessen Lippen und wurde fester an den Engel gezogen. Die Zunge seines Gegenübers drängte sich in seinen Mund und er spürte die animalische Lust in seinem Schoß. Seine Finger gruben sich fester in das Hemd hinein. Er zog an dem Stoff bis er ein reißendes Geräusch von sich gab und die Haut darunter frei lag. Warme Finger strichen über die Wangen des Dämons und wanderten in seinen Nacken, gruben sich in seine Haare hinein und zogen leicht daran. Der weiche Körper von Aziraphale presste sich an seinen heran und es machte ihn atemlos. So viel Leidenschaft hatte er dem Engel gar nicht zugetraut. „Was denkst du denn?“ Die belegte Stimme drang an sein Ohr und Crowley wollte nichts sehnlicher als wieder diesen Mund auf seinen spüren. „Ja, das tust du“, raunte er zurück und biss spielerisch auf die Unterlippe des Engels, um ihm einen lustvollen Laut zu entlocken, „Ich wusste nicht, dass du so…direkt…bist…“ Ein teuflisches Grinsen erschien auf seine Lippen und sein Brustkorb schmerzte von dem schnellen Pochen seines Herzens. „Ich habe eben vom Meister der Verführung gelernt“, erwiderte der Engel heiser und der Blick, der ihn traf, ließ ihn schaudern. Pure Lust und Verlagen lag darin und Crowley konnte diesen Blick nur mit einem vielsagenden Grinsen erwidern. Oh ja, er wollte diesen Engel. Hier, jetzt, sofort. Aziraphale griff zwischen seine Beine, streichelte über seinen Schoß und der seidige Stoff zwischen der Hand und seinem Körper war kühl an seiner erhitzen Haut. „Heiliger…“, murmelte Crowley erstickt und holte zwischen zusammengebissenen Zähnen tief Luft. Die Finger des Engels strichen den Rand seiner Hose entlang und wanderten unter den Stoff, strichen über seinen Bauch und packten ihn fester. Der Dämon war diesem Engel hilflos ausgeliefert und immer wieder erschauderte er unter den Berührungen. „Küss mich, Engel“, flehte er leise, vor Lust rauer Stimme. Sein Herz raste, als er wartete und Aziraphale ihn kurz zappeln ließ. Er war ungeduldig, wollte mehr von dieser kleinen himmlischen Droge kosten, die sein Herz seit Jahrhunderten schon ersehnte und wollte alles nehmen, was der Engel ihm zu geben bereit war. Er wollte ihm auch alles geben, was er konnte. Crowley überließ sich gerne dem Engel und dessen Tempo, dessen Führung und genoss es zu spüren, wie sehr der Engel ihn wollte. Die innige Umarmung, gepaart mit dem Kuss, ließ den Dämon erneut Keuchen. Bereitwillig öffneten sich seine Lippen und hieß damit die Zunge des anderen willkommen. Innig fuhr er diese entlang, streichelte sie und kostete den himmlischen Geschmack völlig aus. Aziraphale zog ihn von der Wand weg, drängte ihn in eine Richtung, doch Crowley blieb stehen. „Schlafzimmer…“, presste der Dämon zwischen zwei Küsse heraus, „…größeres Bett…“ Kurz blinzelte er benommen und der zärtliche, leidenschaftliche Blick des Engels ließ ihn kurz das Atmen vergessen. Dann nahm er dessen Hand und zog ihn mit sich in sein Schlafzimmer, wo das Bett auf sie wartete. Der Sonnenaufgang in seiner Wohnung war Crowley noch nie so spektakulär vorgekommen. Er fühlte sich trotz des Schlafes erschöpft, aber auf eine gute Art und Weise. Der weiche, nackte Körper des Engels lag neben ihm, schmiegte sich an seinen heran und Crowley grinste bei der Erinnerung an die vergangenen Stunden, in denen nur ihre lustvollen Laute zu hören gewesen waren. Genüsslich leckte er sich die Lippen, streichelte mit den Fingern sanft über den Nacken des Engels und war versucht ihn auf sündige Art und Weise zu wecken. Zufrieden stellte er fest, dass er seinen Besitz anständig markiert hatte. Das hier war sein Engel, nur seiner und jeder sollte es wissen! Der Engel hatte ihm eine Kostprobe von einer Droge gegeben, die süchtig machte und die er bestimmt nicht das letzte Mal kosten würde. Die letzten Stunden waren erfüllt gewesen von Lust und Geborgenheit. Ein Gefühl, was Crowley verloren geglaubt und den Armen des Engels wiedergefunden hatte. Diese friedliche Existenz war vielleicht nur eine Illusion, aber in diesem Augenblick des Aufwachens und mit der Aussicht auf den schlafenden Engel, fühlte er sich zufrieden und ausgeglichen, als dass er sich um irgendwas Sorgen wollte. Vorsichtig zog er die Decke höher und hauchte einen vorsichtigen Kuss auf die Schläfe von Aziraphale. In der Luft lag noch der würzige Geruch von Sandelholz und Moschus, Lust und Verlangen. Das Grinsen wollte nicht aus seinem Gesicht weichen. Am liebsten würde er den ganzen Tag hier im Bett bleiben. Aber wenn er länger hier liegen bleiben würde, könnte er für nichts garantieren und der Engel sollte noch ein wenig schlafen. Außerdem wollte er ihm einen perfekten Morgen bescheren und sein Engel liebte es gut zu frühstücken. Es konnte ja nicht so schwer werden ein paar Eier zu kochen und Pancakes zu backen. Vorsichtig bewegte er sich aus dem Bett, angelte sich das schwarze Nachthemd und eine Unterhose und zog diese über. Auf leisen Sohlen ging er aus dem Raum, strich sich die Haare etwas zurück und verschwand Richtung Küche, noch immer breit grinsend und voller Glücksgefühle. Dass ein Frühstück zuzubereiten jedoch nicht so einfach war, hatte dem Dämon niemand gesagt. Gut, er hatte in all den Jahrhunderten auch noch nie gekocht, geschweige denn den Herd in seiner Wohnung benutzt. Aber wenn die Menschen das konnten, konnte er das doch auch! Der kleine Tisch war zumindest schon mal gedeckt, die Kanne mit Tee zog munter vor sich her und die Eier waren auch gekocht. So weit war alles kein Problem gewesen und der Dämon hatte sich auch schnell angezogen und ein paar Donuts und Croissants geholt, ehe er zurück in seine Wohnung geflitzt war. Leider gab es nur keine Crêpes zu kaufen und mit einer kurzen Recherche auf seinem Handy hatte er ein Rezept gefunden. Die Zutaten dafür waren alle vorhanden, doch das Problem war, dass sie alles andere als gelingen wollten. Sie wurden viel zu dunkel, nicht ansatzweise so dünn und der Geruch von verbranntem Teig lag in seiner Nase. Fluchend versuchte er das Teigmonster mit dem Pfannenwender zu wenden, als dieser ihm aus der Hand fiel und der lautstarke Alarm seines Feuermelders die Stille durchschnitt. Das hohe Piepen ging ihm durch Mark und Bein und der Dämon knurrte angepisst. Er schob die Pfanne mit dem angebrannten Crêpe zur Seite, stellte den Herd aus und öffnete ein Fenster. So viel zum perfekten Morgen danach! „Crowley, was machst du da?“ Die Stimme des Engels ließ ihn zusammenzucken. „Ähm…“ Aziraphale sah verschlafen aus und als wäre er aus dem Bett gefallen. Er hatte nur eine Unterhose an, seine Haare waren unordentlich und er wirkte alles andere als munter. Das schrille Piepen war kein guter Wecker und er verzog genauso das Gesicht, wie der Dämon. Der Engel schnippte mit dem Finger und der schrille Alarm, der schon in seinen Ohren weh tat, stellte sich aus. Langsam trat er in die Küche und betrachtete das kleine Frühstück und warf dann einen Blick in die Pfanne mit dem, was mal ein Crêpe hätte werden sollen. Crowley verschränkte die Arme vor der Brust und sah den Engel nicht an, als er antwortete: „Das sollte ein Crêpe werden.“ Skeptisch hob Aziraphale die Augenbrauen. „Du hast wohl noch nie gekocht?“ „Wozu auch…“, brummte er verlegen und schloss wieder das Fenster, „Vergiss es einfach. Es war eine dumme Idee. Wir können nachher irgendwo essen gehen, wenn du…“ „Ganz und gar nicht, mein Lieber.“ Aziraphale grinste und warme Lippen berührten seine, als er Crowley zu sich zog. Sie hauchten einen sanften Kuss auf seinen Mund und ließen den Ärger verschwinden. Die Finger strichen durch seine Haare hielten ihn im Kuss fest, der sein Herz beflügelte. Letzte Nacht war kein Traum gewesen und offenbar keine einmalige Sache, wie er befürchtet hatte. „Der Rest ist doch perfekt“, flüsterte der Engel an seinem Mund und Crowley ließ sich von dem Gefühl einnehmen, was in seiner Brust anschwoll. „Bist du schon süchtig nach mir?“, fragte er neckend und mit einem schelmischen Grinsen. Den Gesichtsausdruck kannte er vom Engel nur zu gut. Er war auf den Geschmack von etwas gekommen. „Nein, aber du schmeckst genauso gut, wie ein Crêpe.“ Crowley grinste an den Lippen des Engels und ließ sich auf der Tischplatte nieder. Er schlang die Beine, wie eine Schlange um die Hüfte des Engels und hielt ihn damit fest. „Beim nächsten Mal bleibst du liegen, du böse Schlange. Ich habe mir Sorgen gemacht, wo du bist.“ „Keine Sorge, Engel, ich bin nie weit von dir weg.“ Er lehnte seine Stirn an die seines Gegenübers und verschränkte die Finger mit seinen, während ihre Lippen sich schon wieder berührten. Crowley war sich bewusst, dass dieses friedliche Dasein bald enden würde. Agnes Prophezeiung war noch zwischen ihnen und ihre jeweiligen Seiten warteten sicherlich nur darauf sie bestrafen zu können. Doch solange es ging, wollte er den Moment mit seinem Engel genießen. Über sechstausend Jahre hatte er dafür gewartet, dass es Platz für ihre Gefühle gab, da konnten ihre ehemaligen Bosse auch mal fünf Minuten länger warten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)