Die Prinzessin aus Marzipan von Erzsebet (Phantasiestück in fünf Aufzügen) ================================================================================ Kapitel 7: 5. Aufzug, 1. Bild ----------------------------- Festsaal der Wasserburg 'Königsblick' MENU Marzipanbrot mit Mandelcreme * Blaue Forelle mit Mandelsauce * Hühnchen in Marzipan * Entrecôte à la Hélène * Lamm mit ganzen Mandeln * Marzipancreme mit Maraschino * Marzipantorte 'Blüthenzauber' * * * "Majestäten, das Horoskop des Brautpaares verheißt großes Glück für beide bis ins hohe Alter", sagte der Hofastronom und gab einem Diener zwei mit kunstvollen Buchstaben beschriebene und mit gemalten Blumen und Blattgold verzierte Pergamentbögen, der sie dem Prinzen Jakob und der Prinzessin Helene an das andere Tischende brachte. Dann setzte sich der Hofastronom wieder. "Meine Kristallkugel verheißt Wohlstand und Erfolg, ebenso Liebe und Wohlbefinden für das Brautpaar", sagte der Hofzauberer, dann schob er seinen Stuhl nach hinten. "Entschuldigt mich bitte für eine kurze Weile, ich muß dafür sorgen, daß der Metrol-hicker gut auf den Weg kommt." Mit flatternder Robe, den schweigsamen Dämon im Schlepptau, verließ der Hofzauberer den großen Speisesaal der Wasserburg 'Königsblick'. Die Gäste, die schon einen Tag vor dem angesetzten Verlobungstermin in der Wasserburg Königsblick weilten, prosteten dem Brautpaar mit Kristallkelchen voll 'Glücklichen Goldtröpfchen' zu, dann wurden die Speisen aufgetragen. Noch bevor der Letzte jedoch seine Vorspeise verzehrt hatte, leerte Prinzessin Helene bereits die dritte Schale, dabei hatte sie schon vor Beginn des Festmales vier Teller Weizenbrei mit gehackten Mandeln verdrückt. "Wird sie nicht schrecklich dick werden, wenn sie so viel ißt?" fragte der König den Hofastronomen besorgt über die Tafel hinweg. Die Königin schloß sich mit nachdenklichem Blick der Frage ihres Gemahls an. Der Hofastronom winkte beruhigend ab. "Ihr braucht für Eure Schwiegertochter nichts zu befürchten, Majestäten. Bedenkt, daß sie fast vierhundert Jahre nichts gegessen hat. Sie muß einiges nachholen." "Ja, natürlich", sagte die Königin, doch der Blick, mit dem sie den Heißhunger ihrer Schwiegertochter bedachte, zeigte einige Bedenken. Die Verlobungsgesellschaft aß sich langsam durch die verschiedenen Gänge, unter donnerndem Applaus wurde indessen die Verlobungstorte hereingetragen: schokoladenbezogenes Marzipan, verziert mit aus Marzipan geformten Blüten, vor allen Dingen Rosen und Lilien, die mit gefärbtem Zuckerguß glasiert waren. Sie fand Platz auf einer extra gedeckten Tafel, ein großes Messer, das entfernt an ein Zeremonienschwert erinnerte, aus dem es tatsächlich auch geschmiedet worden war, lag daneben bereit, denn nach dem Bankett sollte das Brautpaar gemeinsam die vierstöckige Torte anschneiden. Als gerade die letzten Fischgräten abgetragen wurden, tauchte der Hofzauberer wieder auf und setzte sich an seinen Platz neben dem Hofastronomen. Er sah sehr zufrieden aus. "Was ist los?" fragte der Hofastronom neugierig. Der Hofzauberer grinste verschwörerisch, beugte sich über sein Hühnchen und flüsterte: "Ich habe mit dem Metrol-hicker einen Handel abgeschlossen." Er sah sich nach allen Seiten um und fixierte dann mit seinen grünen Katzenaugen wieder den Hofastronomen. "Er verschafft Schwarzweiß - Burgberg jede Woche eine sternklare Nacht und täglich mindestens eine Stunde Sonnenschein zusätzlich, natürlich im Jahresdurchschnitt." "Und was habt Ihr dem Dämon dafür gegeben?" erkundigte der Hofastronom sich leise. Der Hofzauberer grinste breit. "Ich habe bei Meister Zacharias doch noch ein paar Drachenschuppen bestellt. Vier von denen und der Dämon schlug in den Handel ein." "Und wozu braucht Ihr einen sternklaren Himmel?" fragte der Hofastronom. "Nunja, eigentlich brauche ich ihn nicht. Aber... naja,... also... also ich finde, wir haben doch ganz gut zusammengearbeitet, wenn Ihr auch eher Gedanken als Taten dazu beigetragen habt... nun, ich wollte mich für Eure unerläßliche Unterstützung erkenntlich zeigen", sagte der Hofzauberer verlegen, "und außerdem für die manchmal vielleicht ungerechtfertigten Boshaftigkeiten in unseren zahlreichen Disputen... äh... entschuldigen." Errötend senkte der Hofzauberer seine pergamentartigen Lider. "Ich danke Euch, Meister Zauberer", sagte der Hofastronom, dann stockte er und besah sich intensiv seine frisch manikürten Fingernägel. "Ich habe übrigends kürzlich von meinem Onkel das Werk eines gewissen Gertsen geerbt, das sich ausführlich mit dem Beschwören von Phys-hickern und ihrer Haltung auseinandersetzt. Ich habe bisher nur einen kurzen Blick hineingeworfen: alles sehr interessant, aber so recht kann ich damit nichts anfangen. Und da dachte ich mir, daß Ihr es vielleicht gebrauchen könntet, und Ihr es vielleicht auch als, nunja... Entschuldigung für ungerechtfertigte Boshaftigkeiten meinerseits anseht." "Ein echter Gertsen?!" rief der Hofzauberer erfreut aus. "Am liebsten würde ich Euch das 'Du' anbieten und immer mit Euch zusammenarbeiten." Der Hofastronom lächelte verlegen. "Mir geht es ebenso", gab er dann zu. Er erhob seinen Weinkelch. "Ich heiße Hugo." "Ich heiße Socratis", sagte der Hofzauberer und erhob seinen Kelch. "Auf Dein Wohl, Hugo." "Auf Deines, Sokrates", erwiderte der Hofastronom. "Socratis", verbesserte der Hofzauberer mit einem verzeihenden Blinzeln. Die Gläser klirrten leise, als sie gegeneinandergestoßen wurden. "Wieso 'Socratis'?" fragte der Hofastronom schließlich. Der Hofzauberer ließ den Wein in seinem Mund herumrollen, dann schluckte er und sagte: "Der Mann von den Vereinigten Kirchen, der die Taufanzeige aufnahm, hatte eine so unleserliche Schrift, daß ich statt auf 'Sokrates' auf 'Socratis' getauft wurde." Nachdenklich nahm der Hofzauberer einen weiteren Schluck. "Mir fällt auf, daß wir verdächtig vom Glück verfolgt waren, während unserer Arbeit. Und wie dann noch diese beiden Jünglinge auftauchten... weiß Du, wie klein die Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines solchen Zwillingspaares ist?" Der Hofastronom nippte an seinem 'Glücklichen Goldtröpfchen'. "Ich kann mir denken, daß sie verschwindend gering ist, aber Du mußt wissen...", der Hofastronom sicherte nach allen Seiten und flüsterte: "Ich hatte auch einen gewissen Verdacht und bin dem gestern Abend mit dem Erstellen meines eigenen Horoskopes nachgegangen. Ich bin ein Sonntagskind und allen meinen Unternehmungen ist Erfolg beschieden... aber das muß natürlich unter uns bleiben", setzte er nachdrücklich hinzu. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)