Die Prinzessin aus Marzipan von Erzsebet (Phantasiestück in fünf Aufzügen) ================================================================================ Kapitel 3: 3. Aufzug, 1. Bild ----------------------------- Turmzimmer des Hofzauberers "Oh, ich wollte nicht stören", sagte der Hofastronom entschuldigend und wollte sich wieder zurückziehen, da winkte der Hofzauberer ihn zu sich herein. Er stellte seinem 'Kollegen auf Zeit' einen kleinwüchsigen, rothaarigen Mann vor, der unter seiner Knollnase einen eindrucksvollen Schnauzbart trug. "Dies ist der Mann, den wir brauchen", erklärte der Hofzauberer und der kleine Mann verneigte sich so tief, daß die weiten Ärmel seines fliederfarbenen Hemdes über den dreckigen Boden des Turmzimmers schlurten. "Meine Verehrung, Meister Hofastronom. Der Meister Hofzauberer war bereits so freundlich, mir von Eurem Problem zu berichten, und ich bin stolz Euch versichern zu können, daß es in meiner Macht steht Euch zu helfen." "In wiefern?" fragte der Hofastronom etwas verblüfft. "Meister Zacharias ist ein Drachentöter", erklärte der Hofzauberer mit einem breiten Grinsen. "Ein gewerblicher Drachentöter", betonte Meister Zacharias stolz. "Und ich verbürge mich für die Autentizität und Erstklassigkeit meiner Waren." Der Hofastronom setzte sich, ohne seinen abschätzenden Blick auch nur einen Moment von dem kleinwüchsigen Drachentöter zu wenden. "Ihr dürft es mir nicht übel nehmen, Meister Zacharias", begann er dann vorsichtig. "Aber ich habe mir Drachentöter immer viel...  nun, viel größer vorgestellt." Meister Zacharias' Bartenden stellten sich auf, als er seinen Mund zu einem verzeihenden Lächeln verzog. "Aber ich nehme Euch überhaupt nichts übel, Meister Hofastronom. Dieser Irrtum ist weit verbreitet, wenn auch für einen Drachenfachmann, wie ich es bin, nicht leicht einsehbar. Ich kann Euch versichern, daß es für einen Drachentöter viel vorteilhafter ist, von kleinerer Statur zu sein, damit er dem Drachen nicht sofort ins Auge fällt. Im Vertrauen: Drachen sind ziemlich kurzsichtig und mit dem Feuerspeien hapert es bei den meisten ebenfalls." Der Hofastronom nickte verstehend. "Meister Zacharias", meldete sich da der Hofzauberer zu Wort. "Wir bräuchten einen Viertelliter Drachenblut, nach Möglichkeit von einem sechsjährigen Feuerdrachen. Zur Not tut es auch ein achtjähriger. Außerdem zwei Liter Drachentränen von einem jungen Luftdrachen, möglichst nicht älter als drei Wochen. Zudem ein Sortiment Drachenzähne, vorzugsweise die eines erwachsenen Feuerdrachens." Mit einem milden Lächeln registrierte der Hofzauberer den verwirrten Blick des Hofastronomen. Er würde es ihm nicht gerade auf die Nase binden, daß in den alten Rezeptbüchern im Anhang meist genauere Erläuterungen zu den Zutaten zu finden waren. Meister Zacharias hatte sich auf einem Papierfetzen Notizen gemacht. "Ich werde alles binnen vier Tagen liefern. Ihr habt Glück, momentan ist mein Lager bis unter die Decke gefüllt und es fehlt an nichts...  wie wäre es übrigends mit ein paar Drachenschuppen? Die sind immer sehr gefragt und meistens komme ich mit den Bestellungen kaum nach." Der Hofzauberer schüttelte den Kopf. "Nein, ich danke Euch, Meister Zacharias, aber wir brauchen keine Drachenschuppen." "Nunja...  wenn Euch doch noch etwas einfallen sollte...  Ihr wißt ja, wie Ihr mich erreichen könnt." Zettel und Feder ließ der kleine Drachentöter in einer geräumigen Tasche seines dunklen Wamses verschwinden, das symbolverzierte Tintenfaß gehörte zur Ausstattung des Hofzauberer-Turmzimmers. Mit zahlreichen Verbeugungen bewegte sich Meister Zacharias rückwärts zur Tür und polterte gleich darauf die steile Turmtreppe hinunter. "Ich hoffe, Ihr habt Euch nichts getan, Meister Zacharias!" rief der Hofzauberer und verkniff sich mühsam ein lautes Auflachen. "Oh, nicht doch", tönte es von unten in etwas weinerlichem Ton, dann entfernten sich humpelnde Schritte. Als von Meister Zacharias nichts mehr zu hören war, gestattete sich der Hofzauberer ein rabenhaftes Gelächter, das so ansteckend war, daß der Hofastronom mit einstimmte. Nach einigen Minuten hatte sich der Hofzauberer wieder etwas gefangen. Noch immer ab und zu glucksend fragte er den Hofastronomen: "Was führt Euch denn hierher, Meister Astronom?" Der Hofastronom bemühte sich redlich um eine ernste Miene, aber er hatte damit reichliche Mühe. "Ich kam, um Euch... nein, der war wirklich zu ulkig... also ich kam, um Euch meinen Erfolg mitzuteilen." Mit einem Schlag war der Hofzauberer ernst. "Die Jünglinge", stellte er fest. "Nun...", verlegen begann der Hofastronom mit einem silbernen Messer, das vor ihm auf dem Tisch lag, herumzuspielen. Mit einer raschen Bewegung entwand der Hofzauberer es ihm. "Nun was?" fragte der Hofzauberer streng und seine grünen Augen blitzten. "Um ehrlich zu sein...  mit den Jünglingen hatte ich bisher noch keinen Erfolg...  aber das Material, das habe ich gefunden", endete der Hofastronom stolz. Der Hofzauberer legte sein Kinn auf die Faust seines aufgestützten Armes und musterte seinen Gegenüber durchdringend. Nervös begann der Hofastronom, am rechten Bügel seiner Brille herumzufingern, bis ihm einfiel, daß er ja weitsichtig war und seine Sehhilfe absetzen konnte. "Es ist eigentlich ganz einfach gewesen. Prinz Jakob sprach von der Lieblichkeit der Prinzessin, wenn Ihr Euch erinnert und von ihrer edlen Herkunft. Die Lösung des Problems, das uns das Material bereitet hat, ist: Edelmarzipan mit Maraschino. Es ist formbar und auf seine Weise doch fest, und eine gut bearbeitete Oberfläche ist weich wie Samt." Der Hofzauberer schnalzte anerkennend mit der Zunge. "Nicht schlecht, die Idee, gar nicht schlecht. Aber die Mandeln für das Marzipan sind ein Problem. Der einzige Handelspartner von Schwarzweiß - Burgberg, der über einen nennenswerten Mandelanbau verfügt, ist das Fürstentum Goldingen. Und soweit mir bekannt ist, handelt es sich dabei nicht gerade um den billigsten Lieferanten." "Goldingen exportiert jedoch qualitativ sehr hochwertige Ware", gab der Hofastronom zu bedenken. "Und für das Herz ihres einzigen Sohnes werden Ihre Majestäten schon zu einigen finanziellen Opfern bereit sein." "Ich denke, Ihr werdet sie fragen", sagte der Hofzauberer langsam und spitzte die welken Lippen. "Wenn Ihr mich begleiten wollt, Meister Zauberer?" Der Hofastronom erhob sich und ging zur Tür, dann überlegte er es sich jedoch anders und drehte sich zum Hofzauberer um, der gerade seinen Samtumhang von einem Ständer genommen hatte und einige Spinnweben von ihm abbürstete. "Eine Frage, Meister Zauberer. Was hat es eigentlich mit den Drachenschuppen auf sich?" fragte der Hofastronom. Der Hofzauberer zog den blauschwarzen Umhang über seine dürren Schultern und lächelte belustigt. "Diese Frage mußte ja kommen. Es ist angeblich ein potenzsteigerndes Mittel. Bewiesen und allgemein anerkannt ist allerdings seine lebensverlängerne Wirkung bei Männern. Es gibt einige Siebenhundertjährige, die auf Drachenschuppen schwören. Ob einer von denen im hohen Altern jedoch noch einmal Vater geworden ist, ist mehr als zweifelhaft." Der Hofzauberer lächelte noch ein Weilchen weiter, dann stachen seine grünen Augen in die dunklen des Hofastronomen. "Wollten wir nicht gehen?" fragte er drängend, und der Hofastronom beeilte sich, das Turmzimmer zu verlassen. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)