Pet von Maginisha ================================================================================ Kapitel 20: ------------ Die Abendgesellschaft war exklusiv. Überall, wo Makoto hinsah, fiel sein Blick auf Männer in teuren Anzügen und Frauen in schicken Abendkleidern. Schmuck glitzerte an ihren Hälsen und ihre Füße steckten in betörenden Absatzschuhen. Ein Mädchen in einem Kimono schwebte vorbei. Sie bot Makoto ein Getränk an. Er nahm es, um nicht unhöflich zu sein, und sah sich weiter um.   Die Villa, in der er sich befand, war groß und kostspielig. Dicke Teppiche, dunkles Holz und geschnitzte Ornamente, so weit das Auge reichte. Über den Köpfen der Gäste schwebten Kristalllüster und an den Wänden hingen Porträts und Bilder in goldenen Rahmen. Darüber hinaus schienen sich alle prächtig zu unterhalten. Niemand hielt Makoto auf, der sich mit jedem Schritt sicherer war, dass er nicht hierher gehörte. Auch er trug einen Anzug, den er nie zuvor gesehen hatte. Eine Dame trat auf ihn zu. „Wer sind Sie? Ich habe Sie noch nie zuvor hier gesehen.“   Makoto erstarrte. Die Frau vor ihm trug ein rotes Kleid. Er begann zu schwitzen. „Ich … ich suche jemanden“, stotterte er und bemühte sich, nicht auf ihre Füße zu sehen. Er war sich sicher, dass er sie sofort erkennen würde. Die Frau in dem roten Kleid.   „Sasori, sieh doch, es hat sich jemand zu uns verirrt.“   Makoto erstarrte. Er spürte die Präsenz, die sich in seinem Rücken aufbaute und dann um ihn herumkam, wie ein Hai, der im Wasser seine Kreise zog. „Ah, Makoto. Ich habe dich erwartet.“ Vor ihm stand Sasori Kodama. Der Mann mit den ergrauenden Schläfen und dem harten Zug um den Mund ging ihm gerade mal bis zum Kinn. Trotzdem musste Makoto an sich halten, um nicht zurückzuweichen. Da war etwas an seinem Gegenüber, das in ihm den Wunsch weckte, sich entschuldigend zu Boden zu werfen. Nur mit Mühe hielt Makoto sich davon zurück, genau das zu tun. Sasori Kodama lächelte.   „Wie ich sehe, hast du schon etwas zu trinken. Champagner. Bist du sicher, dass du nicht etwas Stärkeres möchtest?“   Wie von Geisterhand verschwand das Glas aus Makotos Hand und wurde ersetzt durch etwas Schweres, Handfestes. Ein Tumbler und darin eine klare, ölig wirkende Flüssigkeit. Makoto schluckte. „Trink nur. Es ist genug da.“   Sasori Kodamas Lächeln wurde breiter. Auf seiner Weste war ein Pfauenmuster. „Komm, mein Freund. Ich werde dich herumführen. Dich einigen Leuten vorstellen. Möchtest du das?“   Makoto hätte am liebsten mit dem Kopf geschüttelt, aber er wagte nicht zu widersprechen. Voller dunkler Vorahnungen folgte er Sasori Kodama, der vorausging und ihn in einen Innenhof führte. Inmitten der ausladenden Fläche war ein Garten angelegt worden. Eine geschwungene Brücke spannte sich über einen Teich, in dem groß gewachsene Koikarpfen herumschwammen. Mattgrauer Kies bedeckte die Flächen zwischen den präzise beschnittenen Bäumen und erlesenen Pflanzen. Steinerne Laternen beleuchteten die angelegten Wege. Makoto konnte etwas plätschern hören und entdeckte einen kleinen Wasserlauf, der von einer höher gelegenen Empore herabströmte, zwischen einigen Felsen hindurchlief und schließlich im Teich mündete. Daneben lud eine kleine Pagode zum Verweilen ein. Makoto merkte, wie er begann, freier zu atmen. „Schön, nicht wahr?“   Sasori Kodama war stehengeblieben und sah Makoto auffordernd an. Eifrig nickte Makoto. „Ja, es ist ein wirklich schöner Garten. Haben Sie ihn selbst angelegt?“ Sasori Kodama verzog den Mund. Seine Augen funkelten.   „Glaubst du wirklich, ich würde mir bei solch niederen Tätigkeiten die Hände schmutzig machen?“   Makoto schüttelte schnell den Kopf. Natürlich würde ein so wichtiger Mann wie Sasori Kodama das niemals tun. Jemand wie er hatte Personal, das sich um solche Dinge kümmerte. Er hatte Personal für alles. „Allerdings gibt hier es etwas, das ich stets selbst versorge. Ich würde es niemand anderem anvertrauen. Möchtest du es sehen?“ Wieder nickte Makoto. Ihm war nicht wohl dabei, aber er wusste, dass er keine Wahl hatte. Es wäre zudem eine Beleidigung gewesen, dieses exklusive Angebot abzulehnen.   Sasori Kodama lächelte. Sein Gesicht lag in Falten. „Dann komm mit.“ Wieder folgte Makoto dem Mann, dem er noch nie so nahe gewesen war. Er brachte ihn zu einem Gebäudetrakt, der ein wenig abseits vom Rest des Hauses lag. Weiße Wände und kleine Fenster. In seinem Inneren … nichts als Schwärze. „Was ich dir jetzt zeige, hat noch nie jemand zu Gesicht bekommen. Es ist eine große Ehre.“ Sasori Kodamas Stimme schwebte vor ihm durch die Dunkelheit. Makoto beeilte sich zu nicken. „Ja. Vielen Dank, Kodama-sama. Ich …“ Der Rest seiner Rede blieb Makoto im Hals stecken. Ein Licht war entzündet worden. Es warf einen blendenden Kegel auf ein Gebilde aus stählernen Streben. Ein Käfig und darin … „Wow!“   Makoto konnte nicht anders, als das Tier anzustarren, das sich auf der anderen Seite der Abtrennung befand. Sein Blick fiel auf flauschiges, silbergraues Fell mit schwarzen Flecken und Tupfen. Runde Ohren mit schwarzen Spitzen rahmten ein ausdrucksstarkes Gesicht mit gelben Augen und runden Pupillen. Ein massiger, buschiger Schwanz durchpeitschte die Luft und aus der Kehle des Tieres schien ein Grollen zu kommen. Einzig die Gitterstäbe hielten es davon ab, sich auf Makoto zu stürzen. Dass er dabei noch ein ganze Stück vom Käfig entfernt stand, war dabei kein Hindernis. Die kräftigen Beine mit dem breiten Pfoten würden es der Raubkatze mühelos erlauben, diese Distanz aus dem Stand zu überwinden. Mindestens.   Hinter sich hörte Makoto Sasori Kodamas Stimme.   „Schön, nicht wahr? Ein Schneeleopard. Ich habe ihn selbst gefangen und aufgezogen. Er gehorcht mir aufs Wort.“   Wie, um diese Aussage zu unterstreichen, hörte der Leopard auf zu grollen. Seine gelben Augen bohrten sich noch ein letztes Mal in Makotos Blick, bevor er geschlagen den Kopf senkte. Es zerriss Makoto das Herz, obwohl er noch Sekunden zuvor gefürchtet hatte, von den scharfen Zähnen der riesigen Katze zerfleischt zu werden. Das hier war … nicht richtig. Ein solches Tier gehörte in einen Zoo oder noch besser: zurück in die Freiheit. Sein Körper war dafür geschaffen, die höchsten Höhen des Himalayas zu bezwingen, unbeirrt über schneebedeckte Weiten zu wandern oder von zerklüfteten Klippen zu springen. Obwohl sich Makoto der Vorstellung nicht erwehren konnte, dieses wundervolle Tier auch spielen zu sehen. Mit Artgenossen etwa oder einem Beutetier. Oder einfach nur so glücklich herumtollend, einen Hügel hinunterrutschend oder wild durch die Luft springend im sonnenbeschienen Pulverschnee. Einfach weil er es konnte. Das mit anzusehen, musste atemberaubend sein. Doch dieses Exemplar nicht. Dieses Exemplar musste dienen. Makoto hörte ein Lachen.   „Ich sehe, du bist beeindruckt. Das war ich auch, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe. Ich wusste sofort, dass ich ihn haben muss. Doch warte nur ab, es wird noch besser.“   Ein zweiter Lichtkegel flammte auf. Makotos Kopf ruckte herum zu dem Punkt, wo ein weiterer Käfig aus der Dunkelheit gehoben worden war. Auch er enthielt ein Tier. Fauchend gab es Makoto zu verstehen, dass er nicht erwünscht war. Tiefschwarzes Fell schimmerte über sich bewegenden Muskeln. Ein fleischfarbener Rachen und blitzend weiße Zähne. Dazu ein langer, schlanker Schwanz wie eine züngelnde Schlange. Ein Panther! „Das ist Kurai.“   Sasori Kodama trat auf den Käfig zu. Noch immer fauchte der Panther, doch als Sasori Kodama seine Hand an die Gitterstäbe legte, beruhigte er sich sofort. Den Blick nach wie vor auf Makoto gerichtet tappte die Raubkatze zu der Hand, zögerte kurz und schmiegte dann ihren großen Kopf an die Finger, die bereitwillig begannen, sie zu kraulen. „Er ist in jeder Hinsicht herausragend.“   Sasori Kodamas ganze Aufmerksamkeit galt jetzt der schwarzen Katze, die kurz davor schien, sich vor ihm auf den Rücken zu werfen. Vollkommen ohne Angst ließ er seine Finger durch das schwarze Fell gleiten, in seinem Gesicht ein Ausdruck der Verzückung. Neben sich hörte Makoto ein gequältes Jaulen.   „Ach, Aki, wer wird denn weinen?“, säuselte Sasori Kodama, während er weiter den Panther streichelte. „Du weißt doch, dass das mit uns nicht von Dauer sein konnte. Deswegen habe ich dir doch auch einen Spielkameraden besorgt. Einen, der sich deiner annehmen wird. Auf seine ganz eigene Weise.“   Makoto glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Hatte Sasori Kodama gerade tatsächlich …?   Fassungslos sah Makoto zu, wie Sasori Kodama jetzt wieder zu dem ersten Käfig ging. Der Schneeloepard in seinem Inneren war zurückgewichen. Seine Schnurrhaare bebten, aber kein Laut kam aus seiner Kehle. Er zitterte. Sasori Kodama lächelte breit. „Oh ja, mein Schöner“, sagte er und der Ausdruck in seinen Augen wurde gierig. „Wir werden dafür sorgen, dass du fein herausgeputzt wirst. Kurai wird das Wasser im Munde zusammenlaufen, so hübsch werden wir dich machen. Und dann werde ich zusehen, wie ihr beide euch paart. Immer und immer und immer wieder. Denn du wirst mein hübsches, kleines Mädchen sein. Ja, das wirst du. Und du wirst alles tun, was ich verlange. Alles.“   Makoto prallte zurück. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete er, wie Sasori Kodama ein Halsband hervorzog. Es war schwarz mit großen, rosafarbenen Schmucksteinen. „Komm, mein Mädchen, komm. Sei ein braves, kleines Mädchen. Ja, so ist es gut. Du bist schon ganz wild darauf, von Kurai gedeckt zu werden, nicht wahr? Ja, das bist du. Du kannst es kaum noch erwarten. Deine kleine Pussy ist schon ganz nass vor Freude. Aber keine Sorge, bald wirst du unter ihm liegen und er wird dich ficken und dann werdet ihr viele schöne kleine Babys für mich machen, ja? Versprichst du mir das?“   Makoto wollte schreien. Sich übergeben. Er wollte machen, dass dieser Wahnsinn aufhörte. Wollte Sasori Kodama das Band entreißen, das er jetzt um den Hals des am Boden kauernden Schneeleoparden legte. Wollte ihm sagen, dass er das nicht durfte.   Sasori Kodama drehte sich herum. Sein Gesicht lag zum Teil in den Schatten, aber Makoto konnte das Funkeln in seinen Augen sehen. Es war wie ein Dolch, der sich auf ihn richtete. „Aber Makoto, warum willst du denn schon gehen. Du wirst noch die Show verpassen. Willst du denn nicht sehen, wie Aki von Kurai gefickt wird?“   Makoto schrie. „NEIN!“, brüllte er, so laut er konnte. „Nein! Das können Sie nicht tun.“   Sasori Kodamas Lächeln wuchs in die Breite. So sehr, dass es die Grenzen des Menschlichen verließ und zu etwas Dunklerem wurde. Etwas Abscheulichem, Verabscheuungswürdigem und absolut Bösem. „Ach, kann ich das nicht?“   Makoto hörte ein Kichern. „Ich glaube, da täuschst du dich. Ich kann nämlich alles tun. Alles, was ich will. Denn ich bin Sasori Kodama.“   In diesem Moment traf Makoto ein Schlag in den Rücken. Ein reißender Schmerz zerfetzte seine Brust. Er wäre nach vorne getaumelt, wenn er nicht festgesteckt hätte. Zwischen seinen Rippen ragte eine schwarze, gebogene Spitze hervor. Sie glänzte feucht und Makoto wusste, dass es nicht nur sein Blut war, das den Stachel tränkte. Der Skorpion hatte ihn erwischt. „Siehst du?“   Sasori Kodamas Stimme hallte von den Wänden des Raumes wieder.   „Ich kann alles tun. Alles, was ich will.“   Lachen brach über Makoto herein. Ein irres, wahnsinniges Lachen. Makoto wollte sich die Ohren zuhalten. Er wollte rennen, schreien, atmen. Aber nichts davon war möglich. Nichts. Seine Lungen füllten sich mehr und mehr mit Blut. Seine Sicht begann zu schwinden.   Makoto brach in die Knie. Seine Beine versagten ihm den Dienst und sein Herz schlug immer langsamer. Die sengende Hitze in seinem Inneren wich bleierner Kälte. Sie nahm von ihm Besitz und umklammerte ihn mit immer festerem Griff. Schon spürte er seine Beine nicht mehr, seine Hände, Arme. In seinem Kopf begann sich alles zu drehen.   Aki.   Ein letztes Mal bäumte Makoto sich auf. Mit schier unendlicher Kraft hob er den Kopf und suchte den Blick des Schneeleoparden. Das Tier sah ihn an und Makoto wollte ihm sagen, dass alles gut werden würde. Dass er kommen und ihn befreien würde. Dass er in Sicherheit wäre. Aber er konnte es nicht.   Makoto starb, bevor er die Worte aussprechen konnte. Als er erwachte, spürte er etwas Schweres auf seiner Brust. Sein Gesicht war nass von seinen eigenen Tränen.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)