Döman der Dämon von Erzsebet ================================================================================ Kapitel 3: Durch den Finsteren Wald zum Moor -------------------------------------------- Als die Sonne unterging, erreichten Hector und Döman den Rand eines Waldes, durch den ein schmaler, von mit grüner Seide bezogenen Lampions beleuchteter Pfad führte. "Dieser Weg führt sicherlich zu einer Herberge", sagte Hector zuversichtlich und schritt munter aus. Trotz der Lampions aber wurde der Pfad immer dunkler und schon nach wenigen Schritten schien es Hector, als hätten die Äste der Bäume den Weg zurück hinter ihnen verschlossen. "Vielleicht ist der Weg auch eine Falle des Waldes für arglose Wanderer", vermutete Hector nach einer Weile mit leichtem Zittern in der Stimme und sein Schritt wurde deutlich zaghafter. "Das ist ein finsterer Wald", ließ Döman sich vernehmen, aber Hector bemühte sich vergeblich, in der Stimme des Dämons irgendein Zeichen der Angst zu entdecken. Ihm wäre viel wohler gewesen, wenn Döman sich nicht so offensichtlich wohl gefühlt hätte. "Das ist der Finstere Wald", zwitscherte ein zartes Stimmchen aus dem Blätterdickicht über dem schmalen Trampelpfad, den der Wald den Reisenden zugestand. Hector fuhr zusammen. "Wer bist Du?" rief er schrill, konnte aber gerade noch verhindern, daß sich seine Stimme überschlug. Er spührte, wie ihm der kalte Angstschweiß auf die Stirn trat. "Ich bin ein Moorhuhn", flötete das Stimmchen. "Und wer seid Ihr?" "Ich...", kiekste Hector, räusperte sich nachdrücklich und fuhr in normaler Tonlage fort: "Ich bin Hector der Unvergleichliche, der größte Magier und Zauberer unserer Zeit." Die vertraute Litanei gab Hector einen guten Teil seines Selbstvertrauens zurück und er straffte die Schultern. Döman sah sich suchend nach dem Besitzer des Stimmchens um, aber er konnte nichts erkennen. "Ich bin Döman, ein Chem-hicker", sagte er in das Zwielicht der grünen Lampions. "Warum zeigst Du Dich nicht?" Im Blätterdach raschelte es. "Ich komme!" juchzte das Stimmchen, und wie ein Stein fiel ein riesiger weißer Federball auf den Weg. Im Grunde genommen hatte das Tier wenig Ähnlichkeit mit einem Huhn, sein Aussehen erinnerte eher an eine überdimensionierte Wachtel. Das Moorhuhn plusterte sein Gefieder und legte die Federn ohne Zuhilfenahme des Schnabels oder sonstiger Extremitäten tadellos zurecht. "Was siehst Du putzig aus!" entfuhr es Hector. Die dunklen Knopfaugen des Moorhuhns blitzten im gedämpften grünen Licht der Lampions böse. Dann reckte es sich zur vollen Größe, so daß es Döman um eine Federbreite überragte. "Was sucht Ihr in meinem Wald?" fragte das Tier mit seiner Piepsstimme streng. Einem derart albern wirkenden Bewohner des Finsteren Waldes gegenüber hatte Hector bereits seinen ganzen Mut wiedergefunden und so entgegnete er hochmütig: "Das geht Dich überhaupt nichts an, was wir hier suchen." "Wenn Ihr aufmüpfig werdet, rufe ich meinen großen Bruder!" fauchte das Moorhuhn. "Ist das auch so ein ulkiges Vieh wie Du?" fragte Hector, der den Kampf gegen sein breites Grinsen schon lange verloren hatte. Das Moorhuhn bewegte unruhig seinen Kopf und schließlich blieb eines seiner Knopfaugen an Döman hängen. "Ist der immer so?" fragte es in vertraulichem Flüsterton. Döman zuckte mit den Schultern. "Ich kenne ihn gerade erst einen Monat. Aber von Menschen kann man sowieso nicht viel erwarten", wisperte er zurück. "Wie wahr", seufzte das Moorhuhn. "Wo wollt Ihr hin?" "Zum Schloß des bösen Hexers Richard. Kennst Du den Weg vielleicht zufällig?" Das Moorhuhn erzeugte einen Pfeifton, der Hector durch Mark und Bein ging, dann dachte es angestrengt nach. "Ich weiß nur, daß es hinter dem Zweitages-Moor liegt. Und um das zu überqueren, braucht Ihr dringend einen Führer. Die Sumpfhühner sind nicht so gutmütig wie ich." Mit der letzten Bemerkung traf Hector ein stechender Blick. "Und wo können wir einen Führer finden?" erkundigte Hector sich gelangweilt. Das Moorhuhn ignorierte Hector. "Der Weg führt Euch zu einer kleinen Hütte, in der der Moorführer wohnt. Handelt auf jeden Fall den Preis für die Führung im voraus aus, sonst könnt Ihr Euer blaues Wunder erleben. Und bezahlt erst, wenn Ihr wieder auf sicherem Boden steht." "Wie ist das mit dem Rückweg?" warf Hector ein. "Sag Deinem Mensch, er soll ruhig sein", wies das Moorhuhn Döman streng zurecht, dann fuhr es fort: "Das Zweitages-Moor ist verzaubert. Eigentlich braucht man zu seiner Überquerung nur einen Tag und für den Rückweg ebenfalls. Durch die Verzauberung geht man jedoch Hin- und Rückweg in einem Stück, so daß man bei der Rückkehr in den Finsteren Wald den Rückweg spart." "Praktisch", bemerkte Döman. "Überhaupt nicht. Man kann nämlich nur zurück, wenn man das Zweitages-Moor schon einmal überquert hat... ist die Sonne schon untergegangen?" erkundigte sich das Moorhohn plötzlich. "Sie war gerade dabei, als wir den Wald betraten", ließ Hector sich vernehmen. "Na, denn tschüß. Die Hütte werdet Ihr schon allein finden." Mit hüpfenden Sprüngen verschwand das Moorhuhn im Dickicht, während es sich bereits in einen moorhuhngroßen Frosch verwandelte. "Merkwürdige Geschöpfe gibt es", sagte Hector versonnen, und wie als Antwort erhob sich plötzlich von allen Seiten ohrenbetäubendes Gequake riesiger Frösche. Hector winkte Döman und den Esel, den der Dämon führte, heran und suchte sich aus seinem Gepäck das Buch mit akustischen Zaubersprüchen heraus. Hastig blätterte er darin und versuchte, im spärlichen Licht der grünen Lampions den Text zu entziffern. "Ah, das ist es: eine Fremdschallabsorptionsglocke. Bis zur Hütte des Moorführers wird sie wohl reichen." Nach einer knappen Stunde Wegs über den immer schmaler werdenden Pfad, auf dem sich Hector und Döman oft Wurzeln und Äste in den Weg gelegt hatten und der Esel mehrmals von peitschenden Zweigen erwischt worden war, erblickten sie in einiger Entfernung endlich ein Licht, dessen Leuchtkraft sich wohltuend von den schummrigen Lampions abhob. Tatsächlich war es der Schein einer Lampe, der durch das Fenster einer Hütte nach draußen drang und den Reisenden den rechten Weg wies. Hector klopfte nachdrücklich an die aus unbearbeiteten Brettern zusammengezimmerte Tür, aber niemand öffnete. "Hallo, Herr Moorführer, wir bedürfen Eures Dienstes!" rief Hector und klopfte erneut, so daß die Hütte leicht schwankte. "Es scheint keiner da zu sein", sagte Döman langsam und umrundete die Hütte, um sich von der Richtigkeit seiner Vermutung zu überzeugen. An der offenstehenden Tür des leeren Stalls entdeckte er einen an einem Nagel befestigten Zettel, auf dem in ungelenken Buchstaben stand: "Komme gleich wieder. Bitte nehmen sie solange kostenlos meine Gastfreundschaft an. Moorführer." Döman brachte den Zettel seinem Meister, der sich glücklich schätzte, von der Königin, seiner zukünftigen Schwiegermutter, so reichlich mit Proviant versorgt worden zu sein, denn auch nach mehreren Versuchen ließ sich die Hüttentür nicht öffnen. Allein der Stall bot Meister, Dämon und Esel ein Dach über dem Kopf. Rechtschaffen müde von den Abenteuern des vergangenen Tages und vom Inhalt zweier Rotweinflaschen über die schlechte Nachtunterkunft besänftigt, schlief Hector schnell ein. Döman wachte zusammen mit einem kleinen und sehr unruhigen Weckzauber, dessen ständiges Herumgehüpfe und leises aufgeregte Schnattern ihn störte, über den Schlaf seines Meisters. Er zerrieb einige der feuchten Stohhalme in seinen Händen zu weißem Polysaccarid-Pulver und bot dem kleinen, unförmigen Zauber davon an, aber der lehnte mit einem warnenden Fauchen ab. Inzwischen tat sich der genügsame Esel an dem Stroh, das Meister und Dämon als nächtliche Lagerstatt diente, gütlich. * Nach einigen Stunden fiel durch die noch immer offenstehende Stalltür trübes Licht. Der Weckzauber sprang nach draußen und tauchte nach wenigen Augenblicken wieder auf, um Hector zu wecken und zu verschwinden. Hector rieb sich den Schlaf aus den verquollenen Augen und leierte einen kurzen Spruch gegen Kopfschmerzen herunter. "Na, hast du gut geschlafen?" fragte er Döman, wartete jedoch nicht auf eine Antwort, sondern suchte aus seinem voluminösen Gepäck sein Rasierzeug heraus. "Ich dachte, ich hätte gestern Abend hier irgendwo ein Wasserfaß gesehen... oder war das draußen vor dem Stall?" Sich abwechselnd an Kopf und Bauch kratzend, die Tasche mit dem Rasierzeug unter den Arm geklemmt, machte Hector sich auf die Suche nach einer Waschgelegenheit. Döman verließ den Stall, um festzustellen, woher das diffuse Licht stammte und entdeckte hinter der Hütte des Moorführers einen fast völlig verlandeten Teich, in dem Schilf wucherte, durch das einige Nebelschwaden krochen. Der Wald endete vor der Tür der Moorführerhütte, doch der graue Nebel über dem Zweitages-Moor war für die Sonnenstrahlen fast ebenso undurchdringlich, wie das dichte Blätterdach des Finsteren Waldes. Plötzlich stand ein schemenhafter Schatten am Rand des Teiches, und allmählich löste sich ein Mann von gedrungener Gestalt aus dem Nebel, der einen weiten dunklen Kaputzenmantel trug, dessen Gewebe mit einem Wasserabweisungszauber versehen war. Er verzog sein Fischgesicht zu seinem freudigen Grinsen, und sich die Hände reibend begrüßte er Döman und Hector, der gerade von seiner morgendlichen Katzenwäsche hinter der Hütte hervorkam. "Seid gegrüßt, werte Kunden, ich bin der hiesige Moorführer. Womit kann ich Euch dienen?" Hector schüttelte sich einen Rest Wasser aus den Ohren und ergriff freundestrahlend das Wort. "Ich bin Hector der Unvergleichliche, der größte Magier und Zauberer unserer Zeit. Das hier ist mein Dämon. Wir suchen das Schloß des bösen Hexers Richard, um die engelsgleiche Prinzessin Gwendolin aus Richards Gewalt zu befreien. Das Schloß soll hinter dem Zweitages-Moor liegen." Der Moorführer spitzte die Lippen. "Das ist eine heikle Angelegenheit... ich persönlich werde mich dem Schloß nicht weiter als bis auf Sichtweite nähern, und natürlich wird auch der Preis höher als für einen gewöhnlichen Weg zu veranschlagen sein... acht Goldstücke und der Esel." Das grau bepelzte Tier kam gerade aus dem Stall getrotten, auf der Suche nach dem süßen Pulver, das der Dämon stets für ihn bereit hielt. Nach einem gemeinsamen Frühstück und zähen Verhandlungen einigte man sich schließlich auf vier Goldstücke und den Esel, einschließlich einiger Extras, wobei der Esel sofort in den Besitz des Moorführers übergehen sollte, allerdings bis zum Erreichen des Zieles weiterhin das Gepäck Hectors zu tragen hatte, während das Geld und die Extras erst bei glücklicher Ankunft zu entrichten waren. Am späten Vormittag machte man sich schließlich auf den zwei Tage dauernden Weg. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)