Der Feensammler von Shino-Tenshi ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Hast du es verstanden? Hast du es gehört? Er schleicht herum in der Nacht. Sucht die Feen, die so einsam sind. Nimmt sie mit. Lässt sie steigen. Lässt sie fliegen. Lässt sie frei sein. Hast du es gehört? Hast du es gesehen? Die wunderschönen Flügel, die er ihnen schenkt. Die herrliche Freiheit, die er ihnen gibt. Ihr Blut zeigt ihnen den Weg. Ihre Tränen zeugen von dem Glück, das sie ereilt. Hast du es gesehen? Hast du es gefühlt? Die kalten Hände der Männer, die seine Feen einsammeln. Heraus reißen aus dieser wunderbaren Welt, die er ihnen schenkt. Sie verstehen es nicht. Hast du es gefühlt? Hast du es verstanden? Traurige Kinder. Traurige Feen. Er lässt sie fliegen. Die Tränen versiegen. Sie können frei sein und kein Leid wird sie je wieder ereilen. Kein einziges, denn sie sind endlich wieder frei. Die Nadel stach durch Stoff und darunter liegendes Fleisch. Er zog, spannte den Faden und ließ die zwei Schichten enger zusammen wachsen. Mit hoher Präzision machte er sich ans Werk und ließ sich alle Zeit der Welt. Der Stoff zeigte ein buntes Farbenmeer, das so voller Leben war, dass man das Gefühl bekam, es würde sich jeden Moment bewegen. Die Finger waren voller Blut, während er sein Werk weiter vollzog. Mit einer Genauigkeit, als würde er nur dafür leben. Immer weiter trieb er die Nadel durch Fleisch und Stoff. Es sollte wunderbar werden. Einfach perfekt sein. Erst als es beendet war, legte er die Nadel zur Seite und lächelte zufrieden. Sie war fertig und bereit in den Wald entlassen zu werden… Er saß am Spielplatz auf einer Bank. Ruhig sah er den Kindern dabei zu, wie sie über das Gerüst kletterten oder mit der Schaukel in die Lüfte flogen. Manche unter ihnen trugen mehr in sich als nur die Seele eines Kindes. Viel mehr. Hier zu sitzen und ihnen dabei zuzusehen, wie ihr Glocken gleiches Lachen erklang und sie sich gegenseitig jagten, war alles, was er sich wünschte. Denn dort fand er sie. Die verloren Seelen der kleinen Feen, die er zurück in den Wald bringen wollte. Ihr Lachen drang zu ihm durch. Berührte sein Herz und er sah ihre Flügel. Nicht jedes Kind trug welche auf seinen Rücken. Es waren nur wenige unter ihnen, doch sie alle schrieen ihn an, dass er sie befreien sollte. Endlich aus diesem menschlichen Dasein erlöste und ihnen wieder die Möglichkeit gäbe durch die Wipfel der Bäume zu fliegen. Er sah ihre traurigen Augen, die ihn anflehten, dass er ihnen die endgültige Freiheit schenkte. Sie wollten alle endlich wieder fliegen und nicht mehr an diesen grausamen, harten Boden gekettet sein. An diesen Tag sah er drei Feen. Eine verzweifelter als die andere. Er konnte sich kaum entscheiden, welche er die große Freiheit schenken sollte. Ihre Schreie gingen fast in dem Lachen der Kinder unter. Dennoch sah er ihr Leid. Erkannte, wie sich ihre Seelen in den kleinen Körpern krümmten und versuchten auszubrechen. Doch das Lachen der Kinder ließ sie nicht. Langsam war es an der Zeit. Er musste sich entscheiden, welche der Feen er heute frei ließ. Es war nicht leicht. Das war es nie. Dennoch  musste er sie treffen. Andererseits würden sie ihm in seinen Träumen erscheinen und ihm Fragen stellen. Warum er ihnen nicht geholfen hatte, als er ihr Leid gesehen hatte? Sein heutiges Ziel war ein Junge, dessen Flügel zum größten Teil weiß waren. Rein wie der Schnee mit sanften roten Streifen, als würde Blut darüber fließen. Die Fee in diesem Leib schrie am lautesten. Sie schien schon so lange zu leiden, dass er nicht anders konnte, als ihr Flehen endlich zu erhören. Ruhig erhob er sich und begann alles vorzubereiten. Süße Sachen mochten Feen besonders gerne, aber die weißen liebten den Geruch von Eis am meisten. Er musste die Falle nur aufstellen, dann würde das kleine Wesen ganz von alleine zu ihm kommen und er könnte ihm die Freiheit schenken. Es endlich wieder fliegen lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)