Vampire Kiss von Funkenherz (Vermouth x Jodie, (Curaçao x Kir)) ================================================================================ Kapitel 20: ------------ Die Zeit zog ins Land. Aus November wurde Dezember und auch der letzte Monat des Jahres verstrich wie im Flug. Nach wie vor lebte die junge Frau im Vampiranwesen, auch wenn sie die Tage, die sie hier noch verbringen würde, inzwischen ganz leicht zählen konnte. Sie wusste nicht, ob sie nun froh darüber sein sollte, bald zurück in ihre Wohnung zu ziehen und die Fassade des Dienstmädchens fallen lassen zu können, oder ob ihr eher ein wenig wehmütig zu Mute sein sollte. Bald schon aus dem Anwesen auszuziehen, würde immerhin auch bedeuten, wieder weiter entfernt von Chris zu leben. Nicht, dass sich in den letzten Wochen etwas verändert hatte. Die andere Blondine hatte an ihrer Haltung Jodie gegenüber nichts geändert. Die Schauspielerin verhielt sich ihr gegenüber auch nach dem Gespräch noch wie immer. Jodie hatte nicht das Gefühl, dass ihr Geständnis die Ältere sonderlich befremdete. Chris ließ sie nach wie vor in ihre Nähe und behandelte sie herzlicher als die meisten anderen Personen in ihrem Umfeld, dennoch hielt sie die Jägerin immer auch ein wenig auf Abstand. Auch wenn sie sie nicht anders behandelte als vorher, so stand die Daywalkerin doch zu ihrem Wort, dass eine Beziehung für sie nicht in Frage kam. Einerseits konnte Jodie ihr Denken nachvollziehen, andererseits konnte sie dennoch nicht leugnen, dass die Zurückweisung schmerzte. Mehr sogar, als sie geglaubt hatte. In der Nähe ihrer Seelenverwandten fühlte sie sich geborgen und wohl und dennoch war da dieser bittere Beigeschmack, wusste sie doch gleichzeitig auch, dass Chris ihr nie das geben würde, was sie wollte. Sie würde sie immer eine gefühlte Armeslänge auf Abstand halten. Es war, wie Curaçao es gesagt hatte. Die Vampirin hatte ihr vor Augen geführt, wie ungleich sie doch waren. Aus Angst früher oder später verletzt zu werden, blockte Chris von Anfang an ab, in der Hoffnung den Schmerz für sie beide auf diese Art und Weise erträglicher zu machen. Jodie konnte den Gedanken dahinter durchaus verstehen, dennoch schmerzte es, nie mehr als eine gute Freundin oder Teampartnerin für die andere Blondine zu sein. Vielleicht war es also wirklich gar nicht so schlecht, wenn sie bald schon zurück in ihre eigene Wohnung zog. Warum nur kam ihr der Gedanke dann gleichzeitig so falsch vor? Es war zum Haare raufen! Dann wäre da noch die immer näher rückende Entscheidungsschlacht, vor der es der Jägerin bereits jetzt graute, auch wenn sie selbst keinen aktiven Part in diesem Kampf bekleiden würde. Die Leben so vieler Menschen hingen davon ab, wie diese Schlacht verlaufen würde. Gleichzeitig machte sie sich unglaubliche Sorgen um Chris. Sollte der Plan schiefgehen, hätte sie aufgrund des Halsreifs keine andere Wahl, als sich dem japanischen Vampirfürsten und seinen Leuten anzuschließen. Ein Schicksal, das sie sich gar nicht vorstellen mochte. Bei dem Gedanken an den bevorstehenden Kampf, verzog Jodie leicht das Gesicht. Mondnebel und die kleine Gruppe der eingeweihten Vampire hatten sich in den letzten Wochen immer wieder zusammengesetzt. Einerseits waren diese Gespräche jeweils ein wichtiger Austausch von Informationen gewesen, andererseits glaubte Jodie, dass sie aufgrund der Gruppenkonstellation früher oder später noch graue Haare bekommen würde. Beide Seiten wollten zusammenarbeiten, dennoch misstrauten Jäger und Vampire sich nach wie vor. Eine Tatsache, die sie auch durchblicken ließen. Ständig gab es Streit und Anfeindungen. Jedes Mal aufs Neue waren Rena und sie selbst es, die versuchen mussten die angespannte Situation bestmöglich zu beruhigen. Sie seufzte. Wenn das so weiter ging, dann fragte sie sich wirklich, wie die Zusammenarbeit in Zukunft aussehen sollte. Außerdem hoffte sie, dass das Misstrauen und die Unstimmigkeiten nicht dazu führen würden, dass sie sich zum Jahreswechsel noch gegenseitig behinderten und die Schlacht in einer Katastrophe enden würde. "...denkst du?" Chris Stimme riss Jodie aus ihren Gedanken. Die Blondine blinzelte und musste wohl oder übel zugeben, dass sie der Anderen nicht zugehört hatte. "Bitte was?", hakte sie folglich nach und hoffte, dass Chris ihre Frage ganz einfach wiederholen würde. Die Ältere lachte leise und beschleunigte den Wagen, kaum dass sie auf die Stadtautobahn gebogen war. "Du schläfst mit offenen Augen, oder Kätzchen?", erkundigte sie sich amüsiert. "Oder woran hast du gerade gedacht?" "...An alles Mögliche, um genau zu sein.", wich Jodie aus, ehe sie sich streckte und nach einer bequemeren Sitzposition suchte. "Kaum zu glauben, das heute dein letzter Drehtag in diesem Jahr war." Mit einer Hand hielt die Schauspielerin das Lenkrad, mit der anderen schnippte sie sich eine verirrte Strähne zurück über die Schulter. "Viele haben zwischen Weihnachten und Neujahr Urlaub. Die Dreharbeiten werden daher erst nächstes Jahr fortgesetzt." Kurz schwieg Chris und blickte ernster und grimmiger drein. "Ich hoffe jedenfalls, dass auch für mich die Arbeit im nächsten Jahr ganz normal weitergeht." Jodie konnte ihre Sorge nur zu gut verstehen. Sie wusste, dass es etwas bedeutete, wenn die Daywalkerin diesen Gedanken schon offen aussprach, ließ sie normalerweise doch nicht so leicht durchblicken, wenn sie sich wegen irgendetwas sorgte. Auch wenn ihr selbst gar nicht wohl bei dem Gedanken an den Jahreswechsel war, bemühte Jodie sich dennoch möglichst ruhig zu wirken. Sie legte ihrer Sitznachbarin eine Hand aufs Bein und knuffte sie aufmunternd. "Du wirst nächstes Jahr wieder vor der Kamera stehen, genau so wie deine anderen Kollegen auch. Wir arbeiten zusammen und mit dem Plan, den wir bislang ausgeheckt haben, werden wir das Spiel schon für uns entscheiden." Die Ältere seufzte und überholte einen LKW, der für ihren Geschmack wohl ein wenig zu langsam unterwegs war. "Ich hoffe du hast Recht." "Natürlich habe ich das. Du wirst schon sehen.", stellte die junge Frau noch einmal entschieden klar. Sie blickte nach draußen und stellte fest, dass es zu schneien begonnen hatte. Es war nicht der erste Schnee in diesem Jahr, dennoch führte das Wetter ihr noch einmal zusätzlich vor Augen, wie weit das Jahr bereits vorangeschritten war. "Sag mal, feiern Vampire eigentlich Weihnachten?", wechselte sie das Thema. Die Daywalkerin blinzelte irritiert. "Das kann man so pauschal nicht sagen. Kommt ganz auf die Person an." Sie zuckte mit den Schultern. "Für viele hat das Weihnachtsfest keine Bedeutung, andere halten an den Traditionen, die sie schon als Mensch geschätzt haben, fest. In die Kirche geht zwar keiner von uns, aber von dem ein oder anderen weiß ich, dass er Weihnachten feiern wird." Interessiert hatte Jodie ihr zugehört, ehe ihr Blick fragend wurde: "Feiern deine Bodyguards und du denn Weihnachten?", wollte sie wissen. Die Daywalkerin lenkte den Ferrari wieder von der Stadtautobahn und zurück auf eine belebtere Straße. "Curaçao interessiert sich nicht wirklich für Weihnachten, aber ich weiß von ihr, dass sie sich einen gemütlichen Filmeabend mit Kir machen will.", begann Chris mit einem Lächeln auf den Lippen, ehe sie wieder ernster dreinblickte. "Für Rei ist Weihnachten viel mehr ein schwarzer Tag. Er hat bei einem Vorfall, als er noch Polizist war, an Weihnachten seine gesamte Einheit verloren." Neben ihr sog Jodie scharf die Luft ein. "Was? Das ist ja furchtbar...!", brachte sie überrascht und betroffen zugleich heraus. Die Schauspielerin nickte. "Recht hast du. Er zieht es vor an Weihnachten den Friedhof zu besuchen und den Tag allein zu verbringen. Ich kann es ihm nicht verübeln." Kurz sah Chris ihre Beifahrerin an, ehe sie den Blick wieder auf die Fahrbahn vor sich richtete. "Und was ist mit dir? Feierst du für gewöhnlich Weihnachten?" Die Jägerin schwieg, als sie sich an die letzten Jahre zurückerinnerte. Weihnachten hinterließ bei ihr zumeist ein bittersüßes Gefühl. "Normalerweise verbringe ich Weihnachten mit meinen Kollegen, da ich keine Familie mehr habe.", erklärte sie schließlich. Eine Tatsache, für die Vampire verantwortlich waren. Vampire hatten ihre Eltern getötet und für den blinden Hass gesorgt, den sie bis vor Kurzem noch jedem einzelnen Vampir entgegengebracht hatte. "Meistens hat James mich eingeladen, den Tag gemeinsam mit ihm und seiner Familie zu verbringen. Er kannte meinen Vater gut und hat sich seit damals immer ein wenig um mich gekümmert." Sie war ihrem Vorgesetzten und gutem Freund wirklich dankbar dafür, zumal seine Familie sie nie behandelt hatte wie eine Fremde, gleichzeitig jedoch schmerzte es auch, dass sie Weihnachten nie wieder mit ihren eigenen Angehörigen würde verbringen können. Egal wie herzlich Blacks Familie sie auch behandelte, an Weihnachten kam Jodie sich dennoch immer ein wenig wie eine Außenseiterin vor. "Aber was ist mit dir? Du hast mir nur erzählt, was Curaçao und Bourbon machen.", wechselte die Jägerin rasch das Thema. "Ich?" Angesprochene stutzte kurz und zuckte dann mit den Schultern. "Ich habe keine Angehörigen und feiere Weihnachten eigentlich nicht. Im Anwesen gibt es allerdings so oder so genug zu tun. Weihnachten wird folglich so, wie jeder andere Tag auch." Das die Schauspielerin ebenfalls keine Familie mehr hatte, wusste Jodie bereits. Sie fragte sich, ob die Andere sich während der Festtage wohl genau so einsam und fehl am Platz fühlte, wie sie selbst oftmals und das Thema daher herunterspielte. Spontan kam Jodie eine Idee. "Genug zu tun gibt es in dem verdammten Anwesen für dich immer, da hast du wohl Recht. Aber bist du wirklich durchgehend beschäftigt?" Chris zog eine Augenbraue hoch. "Wieso fragst du?" "Nun, ich dachte mir, dass wir Weihnachten vielleicht gemeinsam verbringen könnten." Das auszusprechen hatte sie mehr Mut gekostet, als sie geglaubt hatte. "Ich würde es zwar nicht als Weihnachten im eigentlichen Sinne bezeichnen, aber für einen Abend dem ganzen Trubel mal zu entkommen, klingt doch gar nicht so schlecht, oder? Ein Abend in meiner Wohnung, ein paar Filme, Musik..., eben ein wenig Normalität, bevor zum Jahreswechsel hin die Hölle losbricht." Auch wenn die Zurückweisung noch schmerzte, so konnte Jodie nicht leugnen, dass sie dennoch Zeit mit ihrer Seelenverwanden verbringen wollte und sei es auch im ganz normalen, freundschaftlichen Sinne. ~ "Ich dachte schon, ich würde dich nie mehr aus dem Anwesen kriegen.", seufzte die Blondine, als sie ihre Wohnungstür aufschloss. Nachdem sie in den letzten zwei Monaten so gut wie nie mehr hier gewesen war, ein wirklich merkwürdiges Gefühl. "Ich habe dir doch mehr als einmal gesagt, dass es genug für mich zu tun gibt, Kätzchen." Die Schauspielerin folgte ihr in die Wohnung und zog die Tür hinter ihnen zu. "Schon, aber es schien fast so, als würdest du krampfhaft nach immer neuen Aufgaben, die noch abgearbeitet werden müssen, suchen.", beharrte Jodie. Chris verdrehte die Augen. "Komm schon, du weißt genau, dass das nicht wahr ist. Als stellvertretende Anführerin eine Nacht lang wegzubleiben, ist problematischer, als du denkst, erst recht mit unseren aktuellen Gästen im Haus." Sie schlüpfte aus ihrem Mantel und hängte ihn an die Garderobe. "Mein unfreiwilliger Aufenthalt bei Mondnebel neulich, hat schon für genug Chaos gesorgt, allerdings waren zu dieser Zeit wenigstens noch Curaçao und Bourbon im Anwesen, was heute nicht der Fall ist." "Heute hast du Irish und Calvados damit beauftragt für dich ein Auge auf alles zu haben und du hast ein Notfallhandy dabei.", erinnerte die Jägerin sie. "Und ich hoffe, dass diese Vorsichtsmaßnahme unnötig war.", seufzte die Ältere. Jodie wusste genau, dass die Hauptsorge der Daywalkerin die Möglichkeit war, dass die japanischen Gäste einmal mehr Ärger machen, oder am Ende sogar noch versuchen könnten, zum eigentlichen Anführer der amerikanischen Vampirgesellschaft zu gelangen. Kurz bevor sie aufgebrochen waren, hatte Chris den Boss noch einmal besucht und nach dem Rechten gesehen, nun bewachte Irish die Treppe zu den Zimmern Karasumas. Jodie schob ihren Gast vor sich her ins Wohnzimmer und beschloss das Thema vorerst abzuhaken. Es war Weihnachten und mit ein wenig Überredungskunst war es ihr gelungen, Chris von der Idee zu überzeugen, das Weihnachtsfest gemeinsam zu verbringen. Die Jüngere freute sich bereits auf den Abend, auch wenn es ein seltsames Gefühl blieb, eine international berühmte Schauspielerin in ihre kleine 2-Zimmer Wohnung eingeladen zu haben. "Wie lange ist es her, mal einen ganz normalen Abend verbracht zu haben..." Chris streckte sich und lief gemütlich in Richtung Fenster, unter dem die Heizung angebracht war. "Hast du was dagegen, wenn ich die Heizung einschalte? Hier ist es ziemlich frisch." "Im Gegenteil, mir ist auch kalt.", stimmte Jodie sofort zu. "Ich wollte die Wohnung lediglich nicht übermäßig beheizen, solange sich hier niemand aufhält." Mit diesen Worten begann sie damit einige Einkäufe aus einer Tasche auf die Küchenzeile zu räumen. Als die Schauspielerin sich wieder zu ihr gesellte, war Jodie gerade dabei eine Aluschale von deren Plastikverpackung zu befreien. In besagter Schale befand sich ein Fertiggericht, wenn auch ein hochwertigeres - Ente mit gegrilltem Gemüse um genau zu sein. Eigentlich bevorzugte sie es an Weihnachten frisch zu kochen, doch den ganzen Aufwand nur für sich selbst zu betreiben, lohnte sich in ihren Augen nicht. Dieses Abendessen würde es folglich auch tun müssen. "Kartenspiele, CDs mit Weihnachtsmusik..., du hast ja wirklich an alles gedacht.", amüsierte Chris sich derweil, während sie die Dinge betrachtete, die sonst noch so von der Wohnungsbesitzerin auf die Küchentheke geräumt worden waren. "Es ist eben nur einmal im Jahr Weihnachten.", äußerte die Jüngere schmunzelnd, während sie die Aluschale mit der Entenbrust und dem Gemüse darin, in den Ofen stellte und diesen einschaltete. Ihr Gast hatte sich derweil eine CD geschnappt und sie in das Radio eingelegt, welches sich auf einem Sideboard im Wohnzimmer befand. "...aber wir müssen nicht zwingend Weihnachtssongs hören, falls dir das zu viel des Guten sein sollte.", fügte Jodie noch mit einem schiefen Grinsen hinzu. Derweil ertönte ein Cover von 'Last Christmas' aus dem CD-Player. Chris lachte lediglich und zuckte mit den Schultern. "Eine Vampirin und eine Jägerin, die Weihnachten gemeinsam verbringen, das ist so absurd, ich denke, da können wir uns auch gleich das ganze Programm gönnen." Mit diesen Worten drehte sie das Radio lauter. Bis ihr Essen fertig war, hatte die Jägerin sich mit ihrem Gast über alles Mögliche unterhalten. Wie sehr sie den heutigen Abend doch genoss. Zeit mit ihrer Seelenverwandten zu verbringen fühlte sich so richtig und so gut an. Auch das Fertiggericht entpuppte sich als ziemlich gut genießbar. Das Fleisch war zart und das Gemüse gut gewürzt. Ein wenig tat es Jodie leid, dass sie der Daywalkerin nichts anbieten konnte, doch diese winkte nur ab. Sie habe daheim im Vampiranwesen noch etwas getrunken, da sie wusste, dass Jodie dies lieber nicht mitbekam, hatte sie ihr erklärt. Nach dem Essen hatten die beiden Frauen schließlich eine Zeit lang Karten gespielt. Im ersten Moment hatte Jodie es mehr als amüsant gefunden, dass sie der Schauspielerin die Regeln der gängigen Kartenspiele erklären musste. Sie hatte sie damit aufgezogen, dass einem verwöhnten Prinzesschen aus der Oberschicht ganz normale Kartenspiele scheinbar ein Fremdwort waren, dann jedoch hatte sie einmal mehr zu spüren bekommen, wie intelligent die andere Blondine war. Obwohl sie beteuerte, keins der Kartenspiele je zuvor gespielt zu haben, schlug dieses Biest mit dem perfekten Pokerface, Jodie auf Anhieb in jedem einzelnen Spiel. Schließlich waren sie aufs Sofa umgezogen und hatten den Fernseher eingeschaltet. Filme liefen heute wie Sand am Meer, auch wenn die meisten davon recht weihnachtlich angehaucht waren. "Eine super Idee, sich in dieser Situation aufzuteilen.", kommentierte Chris gerade voller Ironie. "Typisch." "Und vermutlich lassen sie gleich noch ihre Waffen fallen, sobald der Horror-Weihnachtsmann vor ihnen steht.", ergänzte Jodie kichernd. "Natürlich. Was auch sonst?", amüsierte die Schauspielerin sich, deren linker Arm gemütlich auf der Sofalehne ruhte. Jodie zögerte, doch nach einigem gedanklichen Hin und Her gab sie dem Impuls schließlich nach und lehnte sich an die Schulter ihrer Besucherin. Schon viel bequemer. Auch wenn die Nähe, die sie gesucht hatte, dazu führte, dass ihr Herz einmal mehr ungesund schnell schlug und die Erinnerungen an das Gespräch mit dem unschönen Ende wieder vor ihrem inneren Auge aufblitzten. Von ihrer aktuellen Position aus, konnte sie der Daywalkerin nicht ins Gesicht sehen, doch sie spürte förmlich deren skeptischen Blick auf sich ruhen, kaum dass sie näher gerückt war. Sie zwang sich, ihr wie wild pochendes Herz zu ignorieren und die bitteren Erinnerungen in die hinterste Ecke ihrer Gedanken zurückzudrängen. Jodie ignorierte den Blick der Schauspielerin, der auf ihr ruhte, und konzentrierte sich stattdessen wieder auf den Film, den sie gerade anschauten. Auch wenn man sich heute vor Weihnachtsfilmen kaum retten konnte, hatten sie sich aus irgendeinem Grund für einen Horrorfilm entschieden, Santa Claus in der Rolle des Killers. "Sie hat jetzt gerade nicht wirklich durchs Haus gerufen, ob dort jemand ist?", nahm Jodie den Faden wieder auf. Chris neben ihr entspannte sich und ergänzte grinsend: "Was denkt sie denn, was Santa ihr wohl antworten wird? 'Ich bin hier unten in der Küche, willst du auch ein Nutellabrot?'" Bei ihrem letzten Satz hatte die Blondine die Stimme verstellt. Jodie prustete vor Lachen los. Die beiden Frauen sahen weiter fern und kommentierten immer wieder den Film. Auf diese Art und Weise war der Horrorfilm zwar nicht mehr wirklich gruselig, dafür aber sehr amüsant und das war es, was zählte. Die Jägerin genoss jeden Moment des Abends. Obwohl die Ältere inzwischen wusste, was Jodie für sie empfand, hatte sie überraschenderweise nichts gegen die Nähe, die sie gesucht hatte, unternommen und sie weiter an ihrer Schulter lehnen lassen. Ganz in Gedanken spielte Chris mit einigen der blonden Strähnen der Anderen. Jodie hatte nichts dagegen und ließ sie. Es fühlte sich so richtig an, wie sie aktuell auf dem Sofa nebeneinander saßen und Zeit miteinander verbrachten. Ein angenehmes, warmes Gefühl hatte sich in der Magengegend der Jägerin breit gemacht. Ihr Herzschlag hatte sich inzwischen wieder etwas beruhigt. Fast schon hatte sie das Gefühl, dass er sich an den Herzschlag ihrer Seelenverwandten angepasst hatte. Gleicher Herzschlag, gleicher Atemrhythmus, in der derzeitigen Situation fühlte sie sich komplett. Nach einer Weile endete der Film. Jodie störte sich nicht daran. Die Position, wie sie aktuell auf dem Sofa saß, war so gemütlich, dass sie keine große Lust hatte sich überhaupt zu bewegen. Alibihalber angelte sie jedoch trotzdem nach der Fernbedienung, welche auf der anderen Seite neben Chris lag. Als wäre es das Normalste der Welt, ließ sie den Arm über ihre Sitznachbarin gelegt und schaltete durchs Programm. "Mal sehen was noch so läuft.", äußerte sie. "Auf den meisten Sendern vermutlich gleich die Nachrichten, wie zu jeder vollen Stunde." "Damit kann ich auch leben.", entschied Jodie und ließ einen der Nachrichtensender eingeschaltet. Für einen Moment schloss sie die Augen und genoss die Wärme, die von der Daywalkerin ausging. ...so perfekt. "Ich wünschte, es gäbe mehr von diesen Abenden.", seufzte sie zufrieden. "Naja, Weihnachten ist nun mal nur einmal im Jahr.", erinnerte Chris sie. "Das ist mir klar." Die Jüngere streckte sich. "Ich meinte eher gemütliche Fernsehabende wie diesen hier." Neben ihr spannte die Schauspielerin sich ein klein wenig an. "Mal angenommen, dass unser Plan funktionieren und sich reibungslos in die Tat umsetzen lassen wird-", begann Chris, doch Jodie unterbrach sie. "Der Plan WIRD funktionieren.", stellte sie entschieden klar. Die Daywalkerin seufzte. "Schön, sagen wir der Plan funktioniert. Dann bedeutet das trotzdem, dass eine ganze Menge Arbeit auf uns zukommen wird. Curaçao muss erst einmal eingearbeitet werden und im Hintergrund ziehe sowieso ich die Fäden. Sich in der Anfangszeit aus dem Haus zu schleichen, wird noch schwieriger werden, als jetzt schon." Auch Jodie wusste, wie viel Arbeit demnächst auf sie zukommen würde. Erst recht für die Daywalkerin. Gleichzeitig wusste sie auch, dass sie ab dem Jahreswechsel wieder zurück in ihre eigene Wohnung ziehen würde. Einerseits wäre es schön, wieder in den eigenen vier Wänden leben zu können, andererseits fühlte es sich plötzlich so falsch an. "An der Wohnsituation im Anwesen verändert sich doch nichts. Ein Wohnzimmer und einen Fernseher hast du auch. Ich kann dich jederzeit besuchen kommen.", erinnerte sie ihre Seelenverwandte und schmiegte sich unbewusst noch ein wenig näher an die Ältere. Angesprochene gab eine Mischung aus einem Seufzen und einem gequälten Laut von sich. Als Jodie fragend den Kopf hob um sie anzusehen, stellte sie fest, das Chris wohl gerade auf genau die gleiche Idee gekommen war und sie sich ihr zugewandt hatte. Fast schon Nase an Nase blickten sie sich an. "Ach Kätzchen, hör doch auf es uns beiden unnötig schwer zu machen." Noch ehe die Jüngere etwas darauf antworten konnte, weiteten ihre Augen sich ungläubig. Ihre Sitznachbarin hatte sich noch etwas näher zu ihr gebeugt, ehe sie ihr einen sanften Kuss auf die Lippen hauchte. Für einen Sekundenbruchteil war Jodie wie erstarrt. Sie konnte nicht fassen, dass das gerade wirklich geschah, erst recht, wenn sie bedachte wie Chris erst neulich noch reagiert hatte. Ganz automatisch erwiderte sie den Kuss. Die Lippen der anderen Blondine auf ihren ließen ihren ganzen Körper angenehm kribbeln, gleichzeitig jedoch wuchs auch ihre Verwirrung ins Endlose. Nach einigen Momenten ging die Vampirin wieder auf Abstand, auch wenn Jodie sich insgeheim gewünscht hatte, dass dieser Moment nie enden möge. Ihre Blicke trafen sich. In den smaragdgrünen Augen lag eine Zuneigung, die einzig und allein für Jodie bestimmt war, gleichzeitig konnte sie jedoch auch eine gewisse Traurigkeit darin erkennen. Jodie blinzelte. Sie versuchte die Verwirrung, die wie ein Wirbelsturm durch ihren Kopf fegte, zu ordnen und wieder einen klaren Gedanken zu fassen. "W-was war das denn bitte...?", brachte sie ein wenig stockend heraus. "Sagtest du nicht neulich erst noch-" Chris legte ihr einen Finger auf die Lippen und unterbrach sie. "Deine Gefühle, die du mir neulich gestanden hast, beruhen durchaus auf Gegenseitigkeit." Bei den Worten der Daywalkerin klappte der Jüngeren der Kiefer herunter. "Die Nähe, die du den ganzen Abend über schon suchst, macht es mir nicht unbedingt leichter das zu ignorieren." Erneut blinzelte Jodie perplex. Sie konnte nicht ganz glauben, was sie da eben gehört hatte. Neulich noch hatte Chris sich nicht zu ihren eigenen Gefühlen geäußert und ihr lediglich vor Augen geführt, was nicht sein durfte, doch nun war es gewissermaßen offiziell : die Schauspielerin mochte sie. Die Blondine spürte, wie ihr Herz wie wild in ihrer Brust schlug. "Dann...gesteh es dir doch ganz einfach ein.", hörte sie ihre eigene Stimme vorschlagen. "Du bist es, die die Sache unnötig kompliziert macht." Das war kein Vorwurf, sondern viel mehr eine Feststellung. Chris zuckte leicht mit der Schulter, an der Jodie lehnte, als Aufforderung an die Jüngere, sich wieder richtig hinzusetzen. Sie selbst wandte sich Mondnebels Jägerin nun ganz zu, rückte aber dennoch wieder ein wenig mehr auf Abstand. "Das mag im ersten Moment vielleicht so scheinen, aber es ist, wie ich es dir neulich erklärt habe. Allein schon die unterschiedliche Lebensspanne von Menschen und Vampiren bringt auf lange Sicht nur Unglück." Jodie konnte die Sichtweise von Chris durchaus nachvollziehen, wenngleich sie anderer Meinung war. "In erster Linie leben wir im Hier und Jetzt, oder nicht? Wir könnten Morgen schon vom Bus überfahren werden, wenn es dumm läuft. Wer sagt überhaupt, dass eine Beziehung überhaupt bis ans Lebensende hält? Vielleicht gehen wir uns nach einer Weile auch gegenseitig an den Hals, das kann doch heute niemand wissen." Die Vampirin lachte leise, klang dabei allerdings viel mehr bitter als amüsiert. "Unter normalen Umständen würde ich dir durchaus Recht geben. Das eine normale Beziehung ewig hält ist in der heutigen Zeit äußerst unwahrscheinlich. Bei dem, was über Seelenverwandte bekannt ist, sieht die Sache aber ganz anders aus." Jodie verstand auf Anhieb, was die Ältere damit meinte. Einerseits war es ein schönes Gefühl zu wissen, dass diese Verbindung halten würde, andererseits war es so noch gleich viel mehr zum Haareraufen, dass dieser sture Esel von Sternchen es ihnen beiden so schwer machte. "Und du bist wirklich der Meinung, dass wir diese Verbindung einfach ignorieren sollten, so wie du es neulich gesagt hast? Es fühlt sich falsch an und vermutlich bin ich nicht die einzige, die insgeheim so fühlt." Auch wenn es Jodie nach wie vor schwer fiel, so offen über dieses Thema zu sprechen, ein wenig leichter als neulich war es, nun, wo sie um die Gefühle der Daywalkerin wusste. "Was sollen wir denn sonst tun? Mir ist es nicht möglich wieder zum Menschen zu werden und dich kann ich unmöglich bitten, zur Vampirin zu werden -" Was auch immer Chris noch hatte hinzufügen wollen, das Gespräch der beiden Frauen wurde vom Klingeln eines Smartphones unterbrochen. Das Notfallhandy. Beide hätten sie vor Schreck beinahe einen Satz gemacht. Die Blicke der beiden Blondinen trafen sich. Kurz legte Chris eine Hand auf Jodies. "Entschuldige bitte, da muss ich drangehen." Einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte die Person am anderen Ende der Leitung für den Anruf nicht finden können, dachte Jodie verärgert, dennoch stieg gleichzeitig auch Sorge in ihr auf. Wenn das Notfallhandy klingelte, konnte das unmöglich ein gutes Zeichen sein. Chris nahm den Anruf entgegen und Jodie rückte ungefragt näher zu ihr, um ebenfalls mitzubekommen, was genau passiert war. "»Vermouth?«" Die Jägerin meinte Calvados Stimme zu erkennen. "»Es tut mir leid zu stören, aber die restliche Einheit unserer 'Gäste' ist soeben eingetroffen. Die Stimmung hier ist bis zum Zerreißen gespannt. Du musst sofort zurückkommen.«" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)