Eren von tears-girl (Geheimnisse der Turanos) ================================================================================ Kapitel 39: Gejagt von Clown, Tiger, Zombie und Tod --------------------------------------------------- Noch während der Braunhaarige über seine Zwickmühle nachgrübelt, melden sich plötzlich seine Alarmglocken im Hinterkopf zu Wort. Sofort ist sein gesamter Körper angespannt und kampfbereit. Er hebt den Kopf und sieht sich verstohlen um. Links ist noch immer der Holzzaun mit den Plakaten und ein paar parkenden Autos davor. Davon löst nichts den Alarm aus, dafür rechts umso stärker. Hier passieren die beiden Jungs gerade einen Metallzaun mit einem großen schmiedeeisernen Tor. Zwischen den einzelnen Streben kann er die Gräber auf der anderen Seite sehen. Ein Friedhof. Hat der Mann vorhin nicht noch gesagt, sie sollten sich davon fernhalten? Wieso eigentlich?   Er hat keine Zeit, um zu fragen, denn die Quelle seiner Alarmglocken taucht vor ihnen auf. Es ist eine Vierergruppe aus kostümierten Jugendlichen, wie Eren schätzt. Unter der Schminke und den Masken ist das schwer zu erraten. Sie alle tragen Tüten oder Taschen bei sich. Allerdings sehen sie nicht so aus, als wären sie auf einer Süßes oder Saures-Tour. Außerdem ragen Flaschenhälse aus den Tüten und die Form von Dosen zeichnet sich ab. Sie lachen ausgelassen über irgendetwas, schubsen sich freundschaftlich, torkeln schon etwas herum und sehen eindeutig angetrunken aus. Das allein kann es aber nicht sein, weshalb sich Erens Nackenhaare aufstellen.   „Eren? Alles okay?“, erkundigt sich Max, der von der seltsamen Präsenz der Vier nichts mitzubekommen scheint. Dennoch folgt er Erens Blick und verzieht geschockt das Gesicht. „Was machen die denn da? An Halloween geht man doch nicht auf einen Friedhof. Erst recht nicht bei Vollmond! Da wimmelt es von Geistern, die einen an den Kragen wollen.“   Eren wirft dem Kürbis einen Seitenblick zu. Glaubt er echt an solchen Unfug? Ein Friedhof ist ein Friedhof, egal zu welcher Uhrzeit, egal an welchem Tag. Da gibt’s nichts was einem an Halloween das Leben kosten könnte. In dieser Welt gibt es schließlich keine Geister. In Flaurana allerdings würde Eren so eine Warnung ernst nehmen. Ob es vielleicht möglich ist, dass sich hier irgendwo ein zufälliges Portal geöffnet hat und ein Geist hindurchgeschlüpft ist? Nein, völlig ausgeschlossen. Wenn dem so wäre, hätte sein Vater sicher schon Wind davon bekommen und was dagegen unternommen.   Nun gut, mögliche Spukgestalten sind jedenfalls nicht der Grund für Erens ungutes Gefühl, auf das er sich bisher immer verlassen konnte. Auch die Tatsache, dass den Vieren wohl keiner gesagt hat, dass man sich an Halloween, noch dazu angetrunken, vom Friedhof fernhalten soll, ist eher unwahrscheinlich. Sie bedrohen dabei ja niemanden. Und trotzdem stellt irgendetwas an der Gruppe seine Nackenhaare auf. Er beschließt wachsam zu bleiben und schnell an ihnen vorbeizugehen.   Dummerweise widersetzen sich die Älteren Erens Plan. Wie hätte es auch anders sein sollen?   „Hey, Leute, wisst ihr was unserer Party noch fehlt?“, fragt die als Tiger Kostümierte lallelnd mit der Hand/Pranke an der Klinke des Tores ihre Freunde, sieht dabei jedoch deutlich zu Eren und Max. „Mehr Süßigkeiten! Die unfreiwillige Spende der letzten Gruppe reicht ja gerade mal für zwei von uns.“   Der Gruselclown verzieht das ohnehin zu breit geschminkte Grinsen noch weiter Richtung Ohren. „Du hast recht. Süßigkeiten brauchen wir unbedingt noch mehr. Hey, ihr da, wartet mal kurz. Wir haben nur eine Frage.“   Ja, klar. Jemand der sagt, dass er „nur eine Frage“ hätte, hat ganz sicher mehr im Hinterkopf. Besonders, wenn sie zugegeben haben, dass sie schon Beute anderern Zuckerjägern gestohlen haben. Deshalb denkt Eren gar nicht daran stehenzubleiben. Nach drei Schritten allerdings bemerkt er, dass der blauäugige Kürbis doch tatsächlich stehengeblieben ist. Eren könnte sich mit der Hand gegen die Stirn schlagen. Hat er nicht gehört, was sie gerade besprochen haben? Klar hat er das nicht. Max hat ja kein so gutes Gehör. Mist.   „Lass uns weitergehen, Max“, drängt der Turano den Blonden leise aber bestimmt.   „Ihr braucht keine Angst haben, Jungs“, behauptet die Sensenfrau mit Plastiksense, über die sie hin und wieder beinahe beim Überqueren der Straße stolpert. „Wir wollen euch nur fragen, ob ihr uns eure Süßigkeiten nicht überlassen wollt?“   Sie und ihre Freunde kommen direkt auf sie zu. Erens Instinkt sagt ihm, er solle so viel Abstand wie möglich zu den Vieren aufbauen. Oder sie sofort k.o. schlagen. Nur würde zweiteres wohl mehr Misstrauen erwecken, wie einfach wegzulaufen. Auch wenn es dem Zwölfjährigen sehr widerstrebt wie ein feiger Hase zu flüchten.   „Sorry, aber wenn ihr Süßes wollt, müsst ihr selbst an den Türen klingeln. Komm, Max, hauen wir ab.“ Diesmal ist Eren derjenige, der Max am Arm hinter sich herzieht.   Der Clown allerdings versperrt ihnen den Weg. „Ach, kommt schon", haucht er ihnen deutlich eine Alkoholfahne entgegen. „Heute ist Halloween. Sollte man da nicht seine Beute mit Ärmeren, die keine Süßigkeiten haben, teilen?“   „Seh ich auch so“, mischt sich die Tigerin hinter ihnen ein. Sie haben sie eingekreist.   Anders als Eren, der versucht alle Vier gleichzeitig im Auge zu behalten, wird Max immer nervöser. Sein Herzschlag beschleunigt sich und er sieht alles andere als mutig aus.   „Komm, Eren, geben wir ihnen die Süßigkeiten einfach“, schlägt Max leicht zittrig vor.   „Das ist aber nett von dir, Kleiner“, grinst die Sensenfrau und dreht dabei ihre Sense herum. „Somit ist wohl klar, wer von euch der schlauere ist.“   Der Turano spannt den Kiefer an, was unter der Maske nicht zu sehen ist. „Aber du wolltest dich doch heute ins Zuckerkoma futtern.“   „Ja, aber ...“, beginnt Max, Eren unterbricht ihn sofort. „Nichts aber.“ Für den Turano ist das Antwort genug und bestätigt seinen Entschluss, nicht einfach klein beizugeben. „Ich bin für diese Süßigkeiten den ganzen Abend in diesem Aufzug von Tür zu Tür marschiert und werde jetzt sicher nicht alles an diese vier Dödel abgeben, nur weil sie glauben sie hätten das Recht dazu, weil sie älter und in der Mehrzahl sind.“   „Oh-ho, sieh mal einer an. Der Kleine hält sich wohl für mutig was?“, lacht der Zombie heiser, das vierte Mitglied der Truppe. „Spiel dich lieber nicht so auf, Zwergengerippe. Wenn du weißt, was gut für dich und deinen feigen Freund ist, gib uns einfach die Taschen und ihr könnt gehen.“   Zeitgleich mit seinen Worten greift der Zombie nach Erens Beutetasche. Natürlich lässt er sich diese nicht so einfach nehmen. Schnell wechselt die Tasche hinter seinem Rücken die Hand, sodass der Zombie ins Leere greift.   „Beeindruckender Trick, Kleiner“, zischt der Zombie und kneift seine mit Kontaktlinsen rot gefärbten Augen zusammen. „Mach mich ja nicht wütend.“   *Das Gleiche könnte ich auch sagen*, denkt sich Eren und würde ihm gerne beweisen, was sonst passieren könnte, hält sich jedoch zurück. „Wie wär´s, wenn ihr euch einfach auf den Friedhof verzieht und wir gehen weiter?“   „Es sind nur Süßigkeiten. Lass uns gehen“, bittet Max erneut. Er ist ganz klar kein Kämpfer. Mit Kräften wäre er doch wohl selbstbewusster in solchen Situationen, nicht?   „Nein“, verkündet Eren entschieden. „Wir haben die Süßigkeiten gesammelt und wir werden sie auch bei dir Zuhause essen. Wie geplant. Also, wärt ihr so freundlich und würdet uns durchlassen?“   „Bei dir hat man es wohl versäumt, dir beizubringen, wie man sich älteren gegenüber verhält“, behauptet der Clown und lässt die Knöchel knacken. Soll das einschüchternd sein? „Kein Problem, das übernehmen wir doch gern!“   Wie bei solchen Leuten nicht anders zu erwarten, holt er mit der Faust aus. Wenn solche mit ihren Mehrheit-Einschüchterungs-Gebärden mit Alkoholeinfluss nicht weiterkommen, werden sie immer gleich handgreiflich. Erst Timo und jetzt diese Vier. Da Eren blöderweise nicht so weit gedacht hat, dass sich zu weigern zu dem Ergebnis führen könnte, muss er jetzt doch fliehen. Denn vor fünf unbeteiligten Augenpaaren auf hohem Niveau kämpfen zu können, ist nicht gerade unauffällig. Auch wenn er gerade kostümiert ist und die Vier ihn nicht erkennen würden. Aber Max eben schon und jetzt am Ende der Mission das noch zu offenbaren kann er wirklich nicht gebrauchen. Deshalb bleibt ihm zu seinem Unmut nichts anderes übrig, als dem sehr schlecht gezielten Schlag auszuweichen, sich Max´ Handgelenk zu schnappen und zwischen dem Clown und dem Tiger hindurchzuschlüpfen.   „Eren, hältst du das für ...“, beginnt Max und wird auch diesmal von Eren prompt unterbrochen. „Später! Sag mir lieber wo lang! Ich kenne mich hier nicht aus.“   Max schluckt den Kloß hinunter, reißt sich einigermaßen zusammen und rennt jetzt aus eigener Kraft mit, wobei Eren noch immer die Hauptarbeit leistet. „Nach dem Holzzaun links!“   „Flieht nur, ihr Knirpse, aber das macht es nur schlimmer!“, verspricht der Zombie lachend, der ihnen bereits mit der Gruppe folgt.   „Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, ihr könntet uns entkommen, oder?“, höhnt die Tigerin und gackert dabei. Es scheint ihnen Spaß zu machen eine Jagd ausgelöst zu haben. Na ganz toll.   „Hör nicht hin, Max, lauf weiter!“, weißt das Piratenskelett den Kürbis an als dieser merkt, dass er aus dem Takt gerät.   Der Blonde zwingt sich nach vorne zu sehen. Eren zieht ihn bereits um die Ecke in eine weitere Seitenstraße und gibt gleich die nächste Richtung weiter: „Am Ende rechts!“   Eren folgt den Anweisungen, lässt jedoch sein Handgelenk nicht los. Er befürchtet, dass Max dann sehr schlechte Karten hätte den vier Älteren zu entkommen, die ihnen leere Versprechungen und Drohungen hinterher rufen. Sie kommen näher. Eren wünscht sich, er könne so schnell laufen, wie er wirklich kann oder auf eines der Dächer flüchten, aber das geht ja leider nicht wegen seinem orangen Anhängsel. Aber in dem Tempo werden die streitlustigen Teenies sie früher oder später einholen. Sie haben keine Chance zu entkommen. Na gut, dann eben eine andere Taktik.   „Max, können wir uns irgendwo verstecken?“, fragt Eren während er auf die leere Straße abbiegt. Verstecken gefällt ihm noch weniger als zu flüchten.   „Ähm, Moment.“ Man kann förmlich den Rauch aus Max´ Ohren qualmen sehen.   „Max!“, drängt Eren als die Verfolger ebenfalls auf die Straße rennen.   „Äh, ja! Bei der Kreuzung rechts und dann gleich links in die Nebengasse!“, weist Max hektisch an.   Eren zieht das Tempo an, um den Abstand ein wenig zu vergrößern. An besagter Kreuzung biegen sie rechts ab und flitzen über die Straße in die Seitengasse zwischen zwei Wohnhäusern. Hier riecht es penetrant nach Abfall, der den Jungs Tränen in die Augen treibt und Würgereflexe auslöst. Kein Wunder, die Gasse wird als Müllcontainer-Sammelplatz genutzt.   „Hier rechts!“, ruft Max zwischen Erens inneren Fluchmonolog.   Der Turano reagiert gerade noch rechtzeitig bevor sie an der Abzweigung vorbei sind. Wieder eine Zwischenstraße von Wohnhäusern. Zumindest diesmal nur mit alten Schachteln, die mitten im Weg rumliegen. Die Jungs weichen ihnen aus und schlüpfen in eine weitere Gasse des zwischenhäuslichen Labyrinths. Allerdings stehen sie nach wenigen Metern vor einem Maschendrahtzaun.   „Max! Das ist eine Sackgasse!“, spricht Eren das Offensichtliche aus.   „Ja, tut mir leid. Mit Panik kann ich nicht klar denken!“, verteidigt er sich gehetzt.   „Klasse“, stöhnt Eren. „Und was jetzt?“   Max ist ganz bleich geworden und sieht sich fieberhaft um. „Wenn wir zurück gehen und links ...“   „Ich hab doch gesagt, ihr könnt uns nicht entkommen!“, schreit eine weibliche Stimme gehässig lachend.   Sie sind bald da.   Hinter ihnen versperrt ein gut zwei Meter hoher Maschendrahtzaun ihren weiteren Fluchtweg und vor ihnen tauchen jeden Moment vier alkoholisierte Jugendliche auf. Wenn sie zurücklaufen, laufen sie ihnen direkt in die Arme. Das sind ja tolle Aussichten. Sie können weder vor noch zurück. Eren und Max sitzen in der Falle. 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