Eren von tears-girl (Geheimnisse der Turanos) ================================================================================ Kapitel 31: Peinliche Überreaktion ---------------------------------- „Was soll das hier werden, Timo?“, verlangt Eren zu erfahren.   Der Junge macht ein unschuldiges Gesicht, doch in den Augen leuchtet was Dunkles. „Hab ich doch schon gesagt. Ich will dir ein paar Freunde vorstellen und dir zeigen, was man im Kampf-Club so lernt.“   „Ach ja?“ Prüfend mustert Eren schnell die anderen vier Clubmitglieder. Niemand weckt in dem Zwölfjährigen das Gefühl bedroht zu werden. „Fünf gegen Einen? Ist das nicht ein wenig unfair? Und ich dachte, du wärst der beste im Kampfclub.“   In dieser Situation Timo auch noch zu provozieren ist vermutlich nicht die beste Idee, aber Eren hat nicht vor sich alles von diesem aufgeblasenen Angeber gefallen zu lassen.   „Oh, meine Freunde sind nur hier, um sicherzugehen, dass du nicht heulend zu Daddy rennst“, spottet Timo. Es ist deutlich anzumerken, dass er es genießt und sich überlegen fühlt, mit seinen vier Kumpels im Rücken.   Gleichgültig zuckt der Junge mit den Schultern. „Schade. Dann wäre es etwas interessanter.“   „Für so einen kleinen Knirps spuckst du ziemlich große Töne“, bemerkt die Schwarzhaarige abfällig und lässt die Knöchel knacksen.   „Reiche sind doch alle gleich“, pflichtet die etwas molligere Brünette bei. „Nichts weiter als ein Haufen hochnäsiger, arroganter Schnösel, die zwar wichtigtuerisch und überlegen daherlabern, aber eigentlich nichts drauf haben.“   Der Turano vergräbt die Hände in den Jackentaschen, um zu verdeutlichen, dass er keine Angst vor ihnen hat. „Woher wollt ihr wissen, dass ich so bin? Ihr kennt mich doch gar nicht.“   „Das müssen wir auch nicht“, meint der Schrank neben Timo. „Alle reichen Säcke sind doch gleich.“   Irgendwie hat Eren so langsam das Gefühl gegen eine Wand zu sprechen. Er seufzt. „Dann lasst euren sinnlosen Neid doch bitte bei jemand anderen aus. Mir ist das zu blöd. Wie gesagt, ich hab keine Zeit für sowas.“   Damit will er sich erneut aus dem Staub machen, doch Timo hat andere Pläne. Er zieht ihn an der Schulter zurück und baut sich mit verschränkten Armen vor ihm auf. Allerdings wirkt er auf Eren eher lächerlich als furchteinflößend.   Erneut stöhnt er einfach nur genervt. Allmählich nagt das hier echt an Erens Geduld. „Das ist doch bescheuert. Ich hab dir nichts getan. Ja, wir können uns vielleicht nicht leiden, aber das ist kein Grund deine Kampfclub-Kollegen mitreinzuziehen. Außerdem bekommen wir alle Ärger, wenn wir erwischt werden.“ Vielleicht funktioniert ja ihn an die Schulregeln zu erinnern, um diesem Kindergarten zu entkommen.   Doch das scheint den Klassensprecher egal zu sein. Er lacht bitter auf. „Du hast mir nichts getan? Du hast mir in den paar Tagen alles ruiniert!“   Ehrlich überrascht wandern Erens Augenbrauen gen Stirn. „Ach ja?“   „Ja!“, braust er auf. „Und dann weißt du noch nicht einmal, was du getan hast! Das ist bei den reichen Säcken doch immer so! Sie trampeln auf den Kleineren rum und tun so, als bemerkten sie es gar nicht.“   Eren kann irgendwie nicht anders als belustigt zu schmunzeln. Dieses ganze Gespräch, diese ganze Situation ist einfach nur lächerlich. Der junge Turano kann ihn so nicht ernst nehmen.   Damit bringt er den Hitzkopf allerdings noch mehr auf die Palme. Sein Gesicht färbt sich langsam rot, er spannt die Fäuste an, sodass deutlich Adern hervortreten und fletscht die Zähne. „Hör auf so überheblich zu sein! Du bist hier nicht mehr in deinem Palast, wo dich jeder verehrt und nach deiner Pfeife tanzt!“   „Nur, dass du´s weißt, es tanzt gar nicht jeder nach meiner Pfeife. Nur nach der meines Vaters oder Bruders“, verbessert Eren noch immer amüsiert.   Timo knurrt sauer. Ist Eren jetzt zu weit gegangen? Hätte er sich einfach ein-, zweimal schlagen lassen sollen, damit das hier vorbei ist? Ganz entschieden: nein. Ihm wurde beigebracht, jeden Kampf zu gewinnen.   „Hör auf zu lachen!“, fordert der Raufbold, holt mit der rechten Faust aus und zielt auf Erens Gesicht.   Echt jetzt? Eren hört wie gefordert auf zu lachen, weicht mit einem Schritt zur Seite dem Angriff aus und sieht Timo gelangweilt an, wie er unbeholfen vorstolpert. Die Hände noch immer in den Jackentaschen. „So, du Dödel, ich hab aufgehört zu lachen. Kann ich gehen? Mir wird das hier zu blöd. Und glaub mir, du willst das hier gar nicht.“   Der Junge und auch seine Freunde sind sichtlich überrascht darüber, dass Eren dem Schlag so leicht ausweichen konnte. Allerdings macht das Timo nur noch wütender.   „Hast du etwa jetzt doch eingesehen, dass du keine Chance hast?“, provoziert er und gibt seinen Kumpels ein nickendes Zeichen, die sich daraufhin je zu zweit links und rechts von Eren und Timo aufstellen und so die Wege blockieren.   „Nö, nicht wirklich. Mein Bruder wartet nur nicht gern“, wiederholt sich Eren unbeeindruckt von der Barriere.   Timo presst den Kiefer aufeinander. „Du brauchst nicht den Toughen zu spielen, Prinzlein, bestimmt machst du dir in Wahrheit in die Hosen.“   „Ne, meine Hosen sind trocken.“   Er überlegt fieberhaft, wie er aus dieser Misere entkommen kann, ohne zu viel Aufsehen zu erregen. Er könnte einfach an den Kampfclub-Mitgliedern vorbeiflitzen, allerdings wäre die benötigte Geschwindigkeit verdächtig. Dasselbe gilt für einen von ihnen schnell k.o. zu schlagen. Sich mit Timo auszusöhnen ist genauso unmöglich. Der hat sich in seinem Eifersuchtsanfall regelrecht festgefahren. Den bekommt da so schnell niemand mehr raus. Also was bleibt noch? Soll er jetzt wirklich gegen den unwichtigen Jungen kämpfen? Das würde doch genauso viele Fragen aufwerfen. Aber wenn er es nicht tut, wird er selbst geschlagen und das wiederum wirft doch ein schwaches Licht auf die Turanos. Ach, egal wie er es dreht und wendet, die sicherste Methode wird wohl die sein, einfach auszuweichen und eine günstige Gelegenheit zur Flucht zu inszenieren. Allerdings wird dieser Plan die meiste Zeit in Anspruch nehmen. Er kann jetzt schon die Predigt von Ajax hören: „Ein Turano ist immer pünktlich und blablabla...“   Erneut seufzt der Turano entnervt. „Von mir aus. Bringen wir es hinter uns.“   „Oh-ho. Sieh mal an, wer plötzlich mutig wird“, höhnt Timo und zeigt dabei angriffslustig seine Zähne.   „Los, zeig´s ihm, Timo!“, feuert die Brünette ihren Kollegen an.   Der heisere Typ ergänzt: „Mach ihn fertig!“   „Zeig ihm, dass eingebildete, reiche Daddys nicht alles regeln können!“, gibt die Schwarzhaarige ihren Senf dazu.   Natürlich muss auch der letzte Kumpel irgendetwas dazu sagen: „Los, Timo! Du bist doch der beste im Club!“   „Nette Freunde“, kommentiert Eren sarkastisch.   Timo lässt seine Finger knacken. Soll das jetzt Einschüchterung sein? „Mach du nur deine Witze. Bald wirst du sehen, dass du dir nicht einfach alles nehmen kannst, was du willst, nur weil dein Alter zufällig reich ist.“   „Glaub mir, so ist das gar nicht.“ Er bekommt bei Weitem nicht alles was er will. Diese letzten vier Schultage waren die einzige Zeit, in der er mal allein irgendwo sein durfte und nicht jede Sekunde aufpassen musste, was er sagt und was er tut. Okay, das muss er trotzdem, aber auf andere Themen bezogen.   „Hör auf zu lügen“, fordert Timo und eröffnet den „Kampf“ mit einem weiteren Faustschlag.   Wie schon zuvor weicht Eren mit einem Schritt zur Seite aus und taucht unter dem nächsten Schlag hindurch.   „Bevor du kamst, war ich der Sportstar der Klasse!“, schimpft er weiter.   Auch den plumpen Fußkick entgeht der Turano mit einem kleinen Schritt zurück.   „Ich war immer einer der besten. Ich hatte immer Einsen! Und dann kommst du, bist ewig viel früher fertig und hast dann auch noch volle Punktzahl! Ohne Spicken ist das unmöglich! Bestimmt hat dir dein Alter die Eins gekauft!“   Der nächste Handkantenschlag zielt auf Erens Nacken. Natürlich stolpert er an seinem Ziel vorbei.   „Natürlich hattest du auch beim Kampfsport einen Privatlehrer! Alles für das stinkreiche Turanoprinzlein!“   Diesmal trifft Timos Angriff … die Wand. Der Zwölfjährige hat sich geduckt und der rasende Mitschüler hat die Wand viel zu spät bemerkt. Doch das hält ihn nicht auf. Er ist gerade richtig in Fahrt gekommen.   „Du hetzt meine Schwester gegen mich auf! Seit du in der Klasse bist, streiten wir viel öfter als vorher!“   Noch ein Kick, der eher an ein Stolpern erinnert und soweit von Erens Magengrube entfernt ist, dass dieser sich nicht einmal die Mühe gibt auszuweichen.   „Und dann klaust du mir auch noch meinen besten Freund! Max und ich waren schon seit dem Kindergarten immer zusammen! Wir haben alles zusammen gemacht! Aber seit du aufgetaucht bist, ist das alles kaputt. Plötzlich will er mit dir auf Süßes oder Saures gehen und ich werde links liegen gelassen! Du nimmst dir einfach alles, ohne Rücksicht auf die anderen! Halt dich gefälligst von ihm fern! Du reicher, selbstsüchtiger, ignoranter...“   Es folgt eine ganze Reihe an Schimpfwörtern und Beleidigungen. Jedes begleitet von einem weiteren nutzlosen Angriff. Eren sagt kein einziges Wort dazu. Das heißt nicht, dass er nicht zugehört hat. Vielmehr denkt er über die Worte nach. Ist er wirklich so egoistisch gewesen ohne es zu merken? Dabei hat er doch nur versucht nicht aufzufallen, durchschnittlich zu sein und Max näherzukommen, um über seine eventuellen Fähigkeiten etwas zu erfahren. Ist doch nicht seine Schuld, dass sich der Klassensprecher so leicht angegriffen und außen vor gelassen fühlt. Nicht Erens Problem. Er wird bestimmt nicht plötzlich in allem anfangen schlecht zu sein, nur damit das Ego dieses Obermachos gestreichelt wird. Ganz sicher nicht. Das ist weit, weit unter Erens Würde. Und sich von Max fernhalten kann er auch vergessen. Er ist immerhin seine Zielperson.   Hoffentlich kann er diese Mission bald abhaken.   So geht es ein paar Angriffe lang weiter, jedem Schlag, jedem Tritt weicht Eren einfach nur aus, er greift weder selber an noch blockt oder kontert er. Er hält es noch nicht einmal für nötig seine Hände aus den Jackentaschen zu ziehen. Er lässt sich auch von den Zwischenrufen und Beleidigungen der anderen nicht ablenken. Währenddessen wird sein Kontrahent immer wütender, seine Angriffe immer schneller hintereinander und zunehmend unkoordinierter. Er atmet bereits schwerer und läuft im Gesicht rot an. Ob vor Anstrengung oder Ärger ist schwer zu sagen.   „Jetzt hör endlich auf wie ein Hase davonzulaufen!“, verlangt er keuchend.   Im Vergleich zu den Trainingskämpfen ist das hier echt nur ein Witz. Timo ist ungefähr auf dem Niveau, auf dem Eren mit vielleicht Fünf war. Das soll also der beste Kämpfer sein, den dieser Kampfclub zu bieten hat? Ist ja peinlich. Deshalb beschließt Eren nun doch selbst aktiv zu werden.   Er wartet bis sein Gegner zu einem erneuten Schlag ins Gesicht ansetzt, zieht blitzschnell die linke Hand aus der Tasche und fängt die des Gegenübers vor seinem Gesicht ab. Plötzlich ist es still im Gang, Timo blinzelt verwundert vor sich hin und verliert für einen Moment das aggressive Blitzen in den Augen. Doch nur so lange, bis er mit dem Knie in Erens Magen zielt. Eren fängt den Tritt ab, fegt gleichzeitig Timos Standbein weg und befördert ihn somit auf den Boden.   „Siehst du´s langsam ein, dass du mich nicht treffen wirst? Also können wir mit diesem Spiel dann aufhören? Es langweilt mich“, beginnt Eren in bemüht versöhnlichem Tonfall und geht nebem dem Klassensprecher in die Hocke. Dieser sinnlose Quatsch kostet schon viel zu viel Zeit. „Hör zu, es ist mir ziemlich egal, was du von mir denkst. Ich hab kein Interesse daran, dass wir Freunde werden oder auch nur Bekannte. Deine ständigen Sticheleien sind auch nur kindisch und werfen ein schlechtes Licht auf dich selbst. Es zeigt nur, dass du so verzweifelt bist, dass du auf kindische Beschimpfungen zurückgreifen musst. Und das meiste, was du behauptest, was ich dir angetan haben soll, ist totaler Quatsch, den du dir selbst einbildest. Du bist derjenige, der all deine Probleme hervorruft, schieb das nicht mir in die Schuhe.“ Seltsam. Plötzlich ist Timo ganz stumm, wird ein wenig bleich und wirkt nicht mehr so selbstsicher. „Und zum Schluss“, Eren senkt ein wenig die Stimme, „wenn du das nächste Mal versuchst mich anzugreifen, wirst du nicht unbeschadet am Boden landen, verstanden?“   Aus Gewohnheit und weil er nicht mehr schnell genug daran denkt, es nicht zu tun, blitzen seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde lila auf. Jegliche Farbe entweicht aus Timos Gesicht, die Augen werden vor Verwirrung und Angst ganz groß und Eren kann den außer Takt geratenen Herzschlag hören. Ups. Hat er es etwas übertrieben? Naja, der hat´s ja verdient.   Der Turano steht wieder auf und schenkt ihm ein freundliches, sarkastischen Lächeln. „Also dann, ich geh jetzt. Bis morgen, Timo. Viel Spaß in deinem Kampfclub. Trainiert zur Abwechslung mal ernsthaft.“   Diesmal versucht ihn keiner der Anderen aufzuhalten als er einfach durch sie hindurchgeht, die Hände wieder locker in die Taschen stopft und die Treppe hinabsteigt. Im Hintergrund hört er die Freunde, wie sie sich über Timo erkundigen und sich fragen, was denn mit ihm, Eren, los sei. Tja, so ganz mit nicht auffallen hat´s dann doch nicht geklappt. Aber was soll´s. Timo wird von ihrem Zusammenstoß und seiner Blamage vor seinen ganzen Kampffreunden bestimmt niemanden erzählen.   Ein kleines, finsteres Lächeln schleicht sich auf Erens Gesicht. Gewinnen fühlt sich immer so gut an, auch wenn es so ein leichter Sieg gegenüber einem völlig von Neid zerfressenen Dödel ist. Was ihn schon ziemlich enttäuscht. Trotzdem. Ein Sieg, ist ein Sieg. Nur leider wird Ajax das nicht so sehen. Abgesehen davon, hat Eren nicht vor diesen Zwischenfall in seinem Bericht zu erwähnen. Doch auch ohne dem Timo-Zusammenstoß hat sein Bruder genug Gründe, ihn heute eine Strafe aufzubrummen. Schwer seufzend und mit hängenden Schultern verlässt er das Gebäude. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)