Eren von tears-girl (Geheimnisse der Turanos) ================================================================================ Kapitel 7: Holpriger Start -------------------------- Während der Reise in die andere Welt lässt Eren die Augen geschlossen. Das erste Mal hat er den Fehler begangen sie offen zulassen. Prompt musste er nach der Ankunft dafür büßen und sein gesamtes Frühstück opfern. Diesen Fehler macht er nicht wieder. Erst als er festen Boden unter den Füßen spürt und Stimmen hört, schlägt er die Lider auf.   Der Junge befindet sich vor einer Maschine, die haargenau so aussieht wie die im Bunker. Wenig später schaltet sie sich ab. Sofort verschwindet der leuchtende Wirbel, die Lämpchen erlöschen und die Treibstofftanks hören auf zu blubbern. Der Raum selbst ist relativ schlicht eingerichtet. Hölzerner Boden, helle Wände, kleine Lampen an der Decke und ein paar Tische, die Hälfte davon vollgestellt mit wissenschaftlichen Geräten und Laptops. Dadurch dass es hier keine Fenster gibt, wirkt der Raum sehr erdrückend und viel zu eng für all die Leute, die hier an den verschiedensten Ecken hantieren. Die wenigsten schenken dem Neuankömmling ihre Aufmerksamkeit.   In der Nähe der einzigen Tür im Zimmer entdeckt das Kind den Rest seines Teams. Igor hat sich einen der Bürostühle herangerollt und stopft sich etwas aus einem Lederbeutel an seinem Gürtel in den Mund, das verdächtig nach Kartoffelchips aussieht. Viktor lehnt mit verschränkten Armen an der Wand und trommelt ungeduldig mit den Fingern auf seinen Oberarmen herum. Carmen steht daneben und studiert eine Karte. Sie ist wohl die einzige im Team, die die Mission ernst nimmt.   „Wo hast du denn so lange gesteckt? Musstest etwa noch aufs Töpfchen?", witzelt Viktor gehässig als Eren bei ihnen ankommt.   Verärgert funkelt er den Älteren an. Er muss sich echt zusammenreißen, um ihm keine zu scheuern. Viktor geht komischerweise nur ihm so auf den Keks. Zumindest wenn die beiden im gleichen Raum sind. Kann auch sein, dass die düstere Seite in ihm schuld ist, weshalb er so gereizt reagiert.   „Nein, ich hab noch Anti-Bienenspray besorgt", entgegnet das Kind giftig.   „Willst du dich schon wieder mit mir anlegen, Kleiner?!" Der Mann richtet sich zur vollen Größe auf und streckt die Brust heraus. „Pass lieber auf, dass du dir nicht in die Windeln machst."   Jetzt bekommt Erens Geduldsfaden einen Riss. Er lässt den Rucksack fallen wo er steht, wirft den linken Handschuh dazu und macht einen drohenden Schritt auf Viktor zu. Er hat gerade noch rechtzeitig daran gedacht nicht den rechten auszuziehen. Würden die Anderen sehen, wie weit die schwarze Farbe schon gekommen ist, dann ... Ja, was dann? Eigentlich kann es ihm ja vollkommen egal sein, was diese Dödel über ihn denken. In Erens Augen flackert etwas Unheilvolles auf, dass seinen blauen Augen einen leichten Lilaschimmer verleiht und die Mitarbeiter verängstigt zurückweichen lässt. Sie haben alle Gerüchte über seine Kräfte gehört, mal mehr und mal weniger wahr.   „Du solltest mich jetzt lieber nicht reizen, Insekt", knurrt der Zwölfjährige leise.   „Jungs, bitte, lasst den Kinderkram", mischt sich Carmen ein. Sie hat die Karte weggepackt und sich zwischen sie gestellt, die Arme beschwichtigend erhoben. „Wir haben eine Mission zu erfüllen."   „Ganz genau! Er ist ein Kind und hat meiner Meinung nach hier gar nichts verloren. Der steht mir doch eh nur im Weg rum", meint Viktor provozierend, obwohl er genau weiß, was Eren drauf hat. Schließlich ist dies nicht ihre erste gemeinsame Mission.   „Jetzt reicht's!"   In dem Moment, in dem Eren zum Sprung ansetzt, wird er vom Teamleiter hochgehoben, um im nächsten Herzschlag einfach zu verschwinden. Keine Sekunde später tauchen die beiden im Freien vor dem Gebäude aus dem Nichts auf. Einige Wachen in der Nähe schrecken zusammen, manche richten sogar abwehrend ihre Waffen auf sie bis sie merken wen sie da bedrohen und schnell die Gewehre senken.   „Igor! Lass mich sofort los!" Eren strampelt mit Armen und Beinen bis Igor ihn endlich absetzt. Wütend dreht er sich zu dem Älteren um, um ihm einen Schlag in den Bauch zu verpassen, nicht stark genug, um ihn zu verletzen. „Du sollst mich doch nicht ohne Vorwarnung teleportieren!"   „Ich bin hier der Teamleiter", betont Igor ernst. Er hat sogar seinen Chipsbeutel verstaut. „Und ich dulde keinen Streit innerhalb meines Teams. Ich mache auch bei dir keine Ausnahme, jüngster Herr Turano."   Eren beißt die Zähne zusammen und knurrt leise. Er kann es nicht ausstehen, wenn ihn jemand jüngster Herr Turano nennt. Dabei bekommt er ständig das Gefühl mit seinem ach so perfekten Bruder verglichen zu werden. „Sag das gefälligst diesem Bienenhirn! Der hat doch angefangen!"   „Um Viktor kümmert sich Carmen. Keine Sorge, seine Standpauke ist mit Sicherheit schlimmer als deine", versichert der Mann schmunzelnd.   „Argh!", faucht der Junge sauer und beginnt damit herumzutigern, um sich etwas abzureagieren. In seinem Inneren weiß er natürlich, dass er vollkommen überreagiert, aber er kann nichts dafür. Die dunkle Seite macht ihn gereizt und angriffslustig. Es wird wirklich höchste Zeit ein Monster zu finden bevor er Viktor tatsächlich noch den Kopf abreißt.   „Versuch dich wieder zu beruhigen, Eren. Geh nicht ständig auf Viktors Sticheleien ein. Wir wissen beide, dass er ein ziemlich eingebildeter Idiot sein kann, aber wir sind trotzdem alle im selben Team", betont der Missionsleiter deutlich. „Ihr müsst nicht die besten Freunde werden, aber ich kann doch wohl von euch verlangen, zusammenzuarbeiten. Oder?"   Eren bleibt mit dem Rücken zu Igor stehen und entfaltet seine Faust so, dass der Mann es nicht sieht. Blutige Halbmonde zieren seine Handfläche. Es ist nicht verwunderlich, wenn er seine Finger betrachtet. Die Nägel sind bestimmt doppelt so lang wie zuvor und spitz zulaufend. Er knurrt lautlos, verknotet die Arme, um seine Finger zu verstecken und atmet tief durch ehe er sich zu Igor umdreht, der ihn immer noch abwartend ansieht.   „Na gut. Meinetwegen", gibt Eren Augen rollend nach, um die Predigt zu beenden. „Aber wenn Viktor seine bescheuerten Kommentare nicht lässt, kann ich für nichts garantieren."   „Mach dir darüber keine Gedanken", meint Carmen zuversichtlich.   Sie kommt gerade aus dem Hauptgebäude heraus und hat den miesgelaunten Viktor im Schlepptau. Der junge Mann hält sich mit beleidigter Miene die rechte Wange, die ganz gerötet und geschwollen ist. Igor hatte offensichtlich Recht damit, dass seine Standpauke schlimmer sei. Der Anblick bringt den Zwölfjährigen zum grinsen, ohne dass er etwas dagegen tun kann. Wenn er denn gewollt hätte. Schade, dass er eingewilligt hat sich mit dem Dödel zu vertragen. Ihm würde gerade eine richtig schöne, bissige Bemerkung auf der Zunge liegen.   Schon allein das kleine Lächeln scheint Viktor zureizen. „Was glotzt du so besch...?!" Gerade noch rechtzeitig unterbricht er sich selbst als Carmen ihn bereits wütend anfunkelt und schnauzt stattdessen: „Schau gefälligst weg!"   Eren sagt nichts dazu, grinst nur schadenfroh vor sich hin.   „Hier." Carmen übergibt dem Kind seinen Rucksack und Handschuh.   Als er sich diesen wieder anzieht, haben seine Fingernägel die gewohnte, normale Form. Das sichere Zeichen dafür, dass er sich beruhigt hat.   „Dann würde ich sagen, gehen wir los", beschließt Igor.   Ohne auf Zustimmung zu warten, hebt er Eren, der ihm am nächsten steht, überraschend schnell hoch und teleportiert sich mit ihm davon. Den protestierenden Ruf erstickt er damit noch vor dem ersten Ton.   ~~~   Während Carmen und Viktor auf Igors Rückkehr warten, da er immer nur eine weitere Person mit sich teleportieren kann, materialisieren sich die beiden Anderen einige hundert Kilometer weiter nördlich.   Prompt landet Eren der Länge nach im Schnee als der Mann ihn ohne Vorwarnung loslässt. Prustend stemmt er den Oberkörper hoch, spuckt Schnee aus und läuft rot an. Aufgebracht springt er auf die Beine, wirbelt zu Igor herum und startet seine Beschwerde. „Igor! Was sollte das?! Du sollst mich nicht ohne Vorwarnung teleportieren! Das hatten wir doch erst vor ein paar Minuten!"   „Ich hab doch gesagt: gehen wir los", verteidigt er sich Achsel zuckend. „Ich hol dann mal die anderen. Lauf nicht weg."   Schon ist er wieder verschwunden. Eren hatte gerade einmal Zeit „Igor" zu rufen. Nur die Fußspuren im Schnee zeigen wo der Mann gestanden hat. Schmollend zieht er die Mütze aus und wuschelt sich durch die Haare, um die Schneeklumpen herauszuschütteln. Auch seine Klamotten klopft er grob ab. Beleidigt zieht er die Wollmütze wieder an und stapft zum nächstbesten Baum, um diesem eine Tritt zu verpassen. Vielleicht etwas zu fest. Der Fuß bricht ein großes Stück des Stammes heraus und die gesamte Schneeladung der Äste regnet auf den überrumpelten Jungen herab, der sich kurz darauf inmitten eines Schneehaufens wiederfindet. Peinlich berührt kämpft er sich knurrend frei und entfernt sich einige Meter von der zu fallen drohenden Tanne. Gegen einen großen Felsen gelehnt sieht er sich die Umgebung an, die Hände eingeschnappt in den Taschen vergraben.   Der Zwölfjährige steht am Rand eines Plateaus, eine Klippe fällt beinahe senkrecht ein paar Meter vor ihm ins Tal hinab. Das Gebirge erstreckt sich um ihm herum bis zum Horizont. Eine raue, harte Landschaft mit hohen Bergen, steilen Felsklippen, eisigen Bächen, dunklen Nadelwäldern und Schnee und Eis. Überall nur Schnee und Eis. Der kalte Nordwind wiegt die Tannenspitzen hin und her, schaukelt dadurch die Schneeladung zu Boden und häuft diese zu Dünen zwischen den Stämmen auf. Auf dem Plateau, auf dem er steht, wachsen gerade einmal eine handvoll Tannen, eine davon hat er gerade unabsichtlich schwer verletzt. Womöglich stürzt sie bei der nächsten stärkeren Böe über die Kante in die Tiefe. Die drei anderen Seiten sind von steilen Wänden in die Höhe begrenzt. Der einzige Zugang bildet ein Tunnel durch den Berg.   Dann taucht Igor wie immer ohne Vorwarnung auf dem Plateau auf. Diesmal hat er Carmen dabei. Die Blondine sieht bleich aus und hält sich den Bauch als wäre ihr übel. Zunächst versucht sie zu gehen, doch schon nach wenigen wackeligen Schritten lehnt sie sich gegen die Felswand, legt den Kopf zurück und schließt die Augen. „Ich hasse dieses ganze hin und her teleportieren. Mein Magen kommt da nicht mit."   „Ruh dich kurz aus", rät Igor außer Atem. Kleine Schweißperlen glitzern auf seiner Stirn. „Bin gleich zurück."   Diesmal dauert es einige Sekunden bis er tatsächlich verschwunden ist. Tja, die Teleportation zehrt eben an seinen Kräften. Je größer die Distanz und je mehr Zusatzgewicht er bewegen muss, desto schneller ist er außer Puste. Eren ist davon überzeugt, dass er um einiges mehr schaffen könnte, wenn er nicht so viel Eigengewicht mit sich rumschleppen müsste. Dennoch ist es eine ganz nützliche Fähigkeit. Eren würde zwar nicht mit ihm tauschen wollen, aber als Transportmittel echt nützlich.   „Was ist denn mit dem Baum passiert?", erkundigt sich das Mädchen erstaunt wenige Minuten später.   „Keine Ahnung. Vielleicht ist ein Fels dagegengeschlagen?", flunkert der Junge schulterzuckend.   „Mhm", kommentiert die 19-Jährige nicht überzeugt. Kritisch mustert sie die Holzsplitter im Schnee und die Fußspuren davor. Schon schmunzelt sie wissend, sagt jedoch nichts.   Und dafür ist ihr Eren dankbar. Er hat gerade keine Lust dazu sich für so was zu rechtfertigen. Außerdem zuckt sein Knie schon wieder und die Finger trommeln ungeduldig auf seinen Oberarmen herum. Dieses rumstehen, warten und nichts tun ist das schlimmste in seiner momentanen Verfassung. Das lädt die Stimme direkt ein ihre überflüssige Meinung zu äußern.   Was ist denn los, Eren?Sehnst du dich nach meiner Kraft?   Der Zwölfjährige versucht die Stimme auszublenden, die durch seinen Kopf hallt.   Komm schon, Kleiner. Ignorier mich nicht. Wir sind doch im selben Team.   Eren reagiert nicht, beobachtet stattdessen einen fliegenden Schatten in der Ferne. Schwer zu sagen, aber es könnte sogar ein Dagono sein. Wenn er so schnell einen gefunden hat, wird die Mission bald vorbei sein.   Sollen wir ihn mit einem Feuerball angreifen? Vielleicht flieht er dann in sein Nest und zeigt uns den Weg. Dieser Idiot. Ein heiseres Lachen begleitet die letzten Worte.   *Vergiss es. Du hast doch Dr. Ryu gehört. Wir sollen keine Dagono töten.*   Dann eben nicht. Dann warte ich bis du mich nicht mehr unterdrücken kannst und tue es dann selbst. Lange dauert es ja nicht mehr.   Damit hat sie leider nicht ganz Unrecht. Er kann schon das Blut in seinen Adern prickeln fühlen. Außerdem ist die sanfte Stimme verstummt. Für gewöhnlich melden sich beide zu Wort, damit Eren nicht vergisst, dass sie noch da sind. Trotzdem, so leicht ist er nicht unterzukriegen. Dafür hat Ajax gesorgt.   *Vergiss es. Ich werde dir ganz sicher nicht die Kontrolle überlassen.* Fest entschlossen gräbt er seine Fingernägel in den Stoff der Handschuhe. „Ganz bestimmt nicht." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)