Colorblind von Neku_off (Take your glasses off) ================================================================================ Prolog: Play it cool -------------------- „Vater, was haben wir in einem abgelegenen Wald zu suchen?“ Yukio stapfte immer wieder in die bereits hinterlassenen Fußabdrücke seines Vaters und versuchte sein Bestes, nicht hinzufallen. Der Schnee war frisch und glich quasi Pulver, das die Erde wunderschön bedeckte. Kleine Flocken schmolzen binnen Sekunden auf seiner Haut, die das Beste tat, um ihn nicht frieren zu lassen. Seine Brille beschlug immer wieder, da er seine Nase unter seinem Schal verdeckt hatte, um der Kälte ein wenig zu entkommen. „Ich möchte eine alte Freundin besuchen, die ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe, da sie den Titel als Exorzistin an den Nagel gehängt hat...“, antwortete Shiro ehrlich und warf sich seinen Schal wieder über die mit Schnee bedeckte Schulter. Der Junge horchte interessiert auf, stapfte den Berg aber derweil auch weiter hinauf. „Wieso hat sie das getan?“, fragte der Novize weiter und legte den Kopf kurz fragend schief. „Das hat sie nicht begründet. Sie war von Heute auf Morgen einfach weg...“ Yukio entschied sich dafür das Thema ruhen zu lassen und folgte Shiro schweigend. Er hatte erst vor wenigen Wochen den Titel Novize angetreten. Die Ausbildung hatte er auf Empfehlung seines Vaters angefangen. Schon immer hatte er seinen Vater Shiro dafür bewundert, wie er Leute beschützte. Und genau das wollte er auch tun. Die Welt vor Dämonen schützen und andere so schützen, wie Shiro es bei ihm tat. Dennoch war es eine Seltenheit, Shiro so schweigsam zu sehen. Er redete nicht wie ein Wasserfall, war aber meist für Gespräche offen. Vielleicht ging ihm das alles nahe? Immerhin hatte er erwähnt, dass diese Frau eine Freundin von ihm sei, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte... Oder war da mehr als eine alte Freundschaft? Nein, bei Shiro doch nicht. Nach weiteren Minuten Fußmarsch, die sich wie Stunden anfühlten, blieb Shiro stehen. Vor lauter Nachdenken lief Yukio in den Rücken seines Vaters und taumelte sofort entschuldigend zurück. Wie peinlich... Doch Shiro sagte nichts. Er war sich aber sicher, dass er seine Entschuldigung wahrgenommen hatte, denn ihm entwich dann doch ein leises Lachen. Wenn das überhaupt Yukio galt. Der Braunhaarige Novize sah hinter ihm hervor. Eine verschneite Holzhütte, aus deren Schornstein grauer Rauch aufstieg und symbolisierte, dass sich dort drinnen jemand befand. Eine dicke Schneeschicht lag auf dem hölzernen Dach, das man mit Hilfe einer Leiter, die an das Haus gelehnt war, problemlos erreichen konnte. Einige Treppen führten auf einen kleinen Balkon, der Überdacht wurde und die Tür vor Schnee schützte. Hinter den Fenstern, durch die man ein wenig in die Hütte schauen konnte, war ein angenehm warmes Licht zu sehen. Ob das nun vom Feuer oder von Elektrizität kam, war ihm aber nicht bekannt. Shiro drehte den Kopf zu dem jungen Novizen. Ein warmes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Wartest du bitte hier, Yukio?“ Der Junge nickte nach kurzem Zögern und nahm auf den Holztreppen Platz. Währenddessen betrat Shiro die Holzhütte. Aber nicht, ohne in einem bestimmten Rhythmus gegen die Tür zu klopfen. Hatte das irgendetwas zu bedeuten? Wenn sie sich seit Jahren nicht gesehen haben, wie kam er dann auf die Idee, so ausgefallen anzuklopfen? Yukio rümpfte die Nase vor Kälte. An sich hatte er keine großen Probleme mit der Kälte, immerhin war er im Winter geboren und dieser die ersten Lebensmonate ausgesetzt gewesen. In Ruhe betrachtete er die fallenden Schneeflocken in Zeitlupe und wie sie mit vereinten Kräften immer mehr die Umgebung weiß anmalten. Es war schön hier. Der Schnee schien nicht zu kalt und wenn man wusste, wie der Weg war, konnte man auch in die Stadt kommen, um Einkäufe zu tätigen. Die Tannen um das Haus herum waren gesund und groß gewachsen und schienen auch genug Feuerholz zu spenden an den kältesten Tagen des Winters. Wie es hier wohl im Frühling und Sommer aussah? Welche Blumen würden hier wachsen und welche Tiere würden zu sehen sein? Rehe? Eichhörnchen? Gab es an einem so friedlichen Ort Dämonen? Yukio konnte keine Stimmen hinter sich im Haus wahrnehmen, stattdessen hörte er ab und zu das Knistern von herunterfallenden Schneehaufen von Bäumen oder des Daches. Deshalb zog er seine Handschuhe ein wenig höher und schüttelte sich den Schnee von den schokoladenbraunen Haaren. Seine Brille beschlug noch immer in regelmäßigen Abständen durch seine Atmung und seine Füße waren vom Schnee bereits nass getränkt. Langsam aber sicher wurde seinem Körper also kalt... Dann erblickte er etwas im Augenwinkel und wirbelte herum. Im Aufstehen griff er an sein Holster und zückte seine geladene Pistole. Aber statt zu schießen blieb er stehen und musterte... den Schneemann? Seine Finger schlossen sich fester um seine Waffe und sein rechter Zeigefinger ruhte bereits auf dem Abzug. Woher kamen denn bitte laufende Schneemänner? Die gab es doch nur in Kinderbüchern. Dennoch schien er nicht alleine zu sein. Denn hinter einem der Bäume standen gleich mehrere Schneemänner, einige mit Schals oder Hüten aus Eimern, die ihn vorsichtig anstarrten und immer mehr hinter den Baum rückten. Als er einen grünen Goblin erblickte, der ebenfalls bei den Schneemännern schwebte, drückte er reflexartig ab und traf aber nur den dicken Baumstamm, hinter dem die Dämonen sich versteckten. Sie sprangen erschrocken in die Höhe und drehten sich um, um das Weite zu suchen. Yukio lud mit seinem Daumen nach und richtete die Waffe noch immer auf die Dämonen, bereit, erneut abzudrücken. „Hey, was fällt dir ein?!“ Yukios Arm wurde stark nach unten geschlagen und ein weiterer Schuss löste sich. Er hinterließ ein Loch im Pulverschnee und Yukio riss den Kopf schockiert hoch, um der anderen Person, die seinen Arm weggeschlagen hatte, ins Gesicht zu sehen. „Was fällt dir ein, einfach meine Arbeit zu unterbrechen?! Das ist kein Spielzeug!“ Sauer wedelte er mit der Waffe herum, realisierte dann aber, wie dumm diese Idee eigentlich war. Immerhin handelte es sich hier um eine echte Waffe. Also lief er einige Schritte auf Abstand zurück, um die Pistole wieder auf die Dämonen zu richten. „Das sind Dämonen, wieso schützt du sie?!“ Er blickte zum Baum, wo die Dämonen mittlerweile verschwunden waren. Nur ihre Fußspuren waren noch zu sehen, was aber nur eine Frage der Zeit war, bis der Schnee diese verdeckte. Trotzig schnaubte er und musterte den Jungen gegenüber von sich. Er trug eine braune Jacke mit einem grünen Schal, darunter einen dunkelroten Pullover. Seine schwarzen Haare hingen ihm wild ins Gesicht und seine blauen Augen funkelten ihn wutentbrannt an. Er war kleiner als Yukio, mindestens einen halben Kopf, wenn nicht sogar noch mehr. Und er war sauer, was man anhand seines Kiefers erkennen konnte, da er offensichtlich die Zähne aufeinander biss. „Sie haben dir doch gar nichts getan!“, erwiderte der Junge nur laut und kickte Yukio Schnee entgegen, was den jungen Novizen noch ein Stück zurück stolpern ließ. Naja, immerhin bauten sie so Abstand auf, denn dem Kerl wollte er nicht zu nahe kommen, so bestialisch wie er sich verhielt. Yukio wischte sich das Wasser aus dem Gesicht, nahm dabei seine verschmierte Brille ab und rief sofort zurück: „Es sind aber noch immer Dämonen! Und die müssen beseitigt werden!“ Die Tür der Holzhütte wurde aufgerissen und Shiro stand mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck im Rahmen von dieser. Hinter ihm erschien eine Frau, die kleiner war als er und lange braune, wellige Haare hatte. Ihre Haut war blass wie Schnee und ihre Augen waren so intensiv wie die des Jungens, der ihm gegenüberstand. Kurz musterten sein Vater und die Fremde sie intensiv, ehe Shiro seine Beine in Bewegung setzte. „Yukio, was ist denn hier los?!“, fragte er laut und lief zu seinem Sohn, der stotternd die Waffe sinken ließ. „Da waren Dämonen, Vater. Und bevor ich sie beseitigen konnte wurde mir von dem da“ er nickte in Richtung des Jungen „die Hand weggeschlagen.“ Der Junge sah ihn mit einem Schmollmund und zusammengezogenen Augenbrauen an. Wenn Blicke gerade töten könnten... „Rin, geht es dir gut?“ Die fremde Frau drängte sich an Shiro vorbei, schubste ihn dabei gegen Yukio und nahm das Gesicht des Jungen in die warmen Hände, um es nach Wunden abzusuchen. Sie drehte es am Kinn von links nach rechts, strich ihm die dunklen Strähnen aus dem Gesicht und atmete dann erleichtert aus. „Aber klar doch, du kennst mich“, erwiderte der Junge – Rin – und lachte warm. „Ich wollte nur nicht, dass Schneemann und die anderen verletzt werden.“ Sie schloss ihn in die Arme. „Jetzt haben die Viecher auch noch Namen?“, fragte Yukio monoton, und Shiro klopfte ihm auf die Schulter. Dann entwich ein Räuspern seiner trockenen Kehle und er kratze sich überlegend am Hinterkopf. Dabei gab er einen nachdenklichen Laut von sich. „Jetzt haben die Viecher auch noch Namen“, äffte Rin den Braunhaarigen nach und rollte genervt mit den Augen. „Du hast doch auch vermutlich 'nen Namen. Wobei die Frage hier ist, wer der Dämon ist. Der, der grundlos auf etwas schießt, oder die, die nichts tun und nur ihre Runden ziehen.“ Rin schnaubte wütend. „Yukio, du scheinst Bekanntschaft mit Rin gemacht zu haben“, sagte Shiro nun nachdenkend und deutete auf den kleineren Jungen. „Rin, das ist mein Sohn Yukio.“ Rin antwortete nicht sondern hielt seinen Blick auf die Waffe von Yukio gerichtete. Dieser umklammerte sie nur noch fester, fast schon verängstigt, dass der Fremde sie ihm entreissen wollen würde. „Pack das Ding weg“, forderte er ernst, und seine Mutter löste sich von ihm, ehe sie ihn dazu brachte, ihr in die Augen zu sehen. Sie schienen Worte auszuwechseln, die er aber nicht hören konnte. Doch Rin hielt durchgehend seinen Blick auf ihn und die Waffe gerichtet. Also steckte Yukio seine Waffe widerwillig zurück und wurde sofort von Shiro angesprochen, als Rin dann endlich den Blickkontakt zu seiner Mutter erwiderte. Sie kniff ihm in die Wangen und er rieb sich diese nach dem Satz, den sie von sich gegeben zu haben schien, die gerötete Haut. Aber Yukio wand sich an seinen Vater. „Dir ist bewusst, dass sich hier Dämonen herumtreiben und du tust nichts dagegen?“, zischte der Novize fassungslos zu Shiro hinauf, und dieser sah nachdenkend weg zu dem Baum, in dem das kleine Einschussloch von Yukio zu sehen war. „Das hier ist alles ein wenig kompliziert, Yukio... Yuri lebt hier mit den Dämonen, sie tun ihr und ihrem Sohn nichts.“ „Und dennoch ist es unsere Aufgabe sie zu-“ „Das weiß ich auch!“, erhob Shiro nun die Stimme, und Yukio verstummte. Auch Rin und Yuri sahen zu dem Paladin. „Es geht hier um das Leben von Yuri und ihrem Sohn, ja?“ „J-ja...“ „Und außerdem, Yukio“ Shiro griff Yukio an die Hüftgürtel und entledigte ihn seiner Waffe. „Ist die nur fürs's Training geeignet, du darfst diese Waffe noch nicht offiziell nutzen.“ Rin lachte leise auf: „Loser.“ Yukio ließ beschämt den Kopf hängen und biss wütend die Zähne zusammen. So sehr er es auch hasste, aber sein Vater sagte die Wahrheit. Er brachte ihm bei, mit Pistolen und diversen Munitionsinhalten zur Dämonenbekämpfung umzugehen: innerhalb der Akademiemauern. Und in diesen befanden sie sich aktuell nicht. Sie waren nach dem Training hierher aufgebrochen und Shiro hatte ihm allem Anschein nach vertraut, nicht direkt die Fassung zu verlieren und auf das sich Erstbewegende Wesen zu schießen. Jetzt stand er hier, entwaffnet und wie ein kleiner Schuljunge, der seine Hausaufgaben vergessen hatte und es nicht wagte, dem Lehrer in die Augen zu schauen. Und der blöde Typ Rin lachte auch noch darüber. Wofür er aber auch direkt die Quittung kassierte, da seine Mutter ihm auf den Hinterkopf schlug, woraufhin er das Feuerholz, das er die ganze Zeit unter dem linken Arm getragen hatte, fallen ließ. „Aua, wofür war der denn?!“, rief Rin und sammelte sofort wieder das Holz auf bevor es sich mit Wasser vollsaugen konnte. Denn es war nicht in seinem Interesse, noch einmal Feuerholz zu hacken, nur weil das Vorherige nicht brannte weil es zu nass war und riskierte, durch Funken die Hütte in Brand zu setzen. So heißt wollten sie es dann doch nicht haben. „Du bist unverbesserlich, Rin. Zolle unseren Gästen doch ein wenig Respekt“ Yuri schüttelte den Kopf und ihre braunen Haare wurden von der kalten Winterluft sanft umtanz. Sie wirkte schon fast wie eine Schneeprinzessin. Ihr Sohn schien aber das genaue Gegenteil zu sein. „Ach, ist mir doch egal“, schnaubte der Schwarzhaarige und drängte sich an seiner Mutter vorbei, um in die Hütte zu stapfen. Dabei lief er auch an Shiro und Yukio vorbei. Der Novize sah auf, als der Teenager plötzlich neben ihm stehen blieb und intensiv musterte. Rins Augen, die der Farbe des Himmels im Sommer glichen, scannten ihn von von seinen Schuhen bis hin zur Brille. Als sein Arm sich hob zuckte Yukio reflexartig zurück und ging auf Abstand zu dem Kleineren. Dessen Hand wanderte zu dem Stapel Holz, das er wieder unter den Arm geklemmt hatte und zog einen kleinen Ast aus dem Haufen hervor. Mit einem dämonischen Grinsen wedelte er mit dem Stock hin und her und hatte die ganze Zeit über seine Augen nicht von Yukio genommen. Dessen Herz schlug ihm vor Nervosität hart gegen den Brustkorb und mittlerweile war er sogar in der Lage, seinen Puls zu bestimmen, indem er seinen Daumen in passender Position auf der Fingerkuppe seines Mittelfingers platzierte. Und ja, sein Puls rannte. Dieser Junge gab ihm ganz komische Gefühle. Nahezu bedrohliche, wie ein Tier das seine Beute im Auge behielt. „Willst du Stöckchen holen?“, fragte Rin kalt und sah nun auf den Ast. „Bitte was?“ Yukios Haltung lockerte sich und Verwirrung machte sich auf seinem Gesicht breit. „Wenn Papa wirft, rennst du doch bestimmt brav hinterher und bringst es zurück, oder?“ Ohne ein weiteres Wort drückte er Shiro den Stock in die Hand und ging in die Hütte. Doch bevor er diese betrat klopfte er brav seine Schuhe an der Hauswand ab, um die Wohnung nicht dreckig zu machen. Und Yukio sah ihm nur wütend hinterher. Was ein arroganter Vollidiot. „Ich entschuldige mich für das Verhalten meines Sohnes!“ „Wa-“ Shiro packte Yukio am Hinterkopf und zwang ihn dazu, sich mit ihm tief zu verbeugen. Dabei fiel Yukios Brille unter ihn in den Schnee, doch er war zu schockiert, um diese aufzuheben. Sein Blick war starr auf das Gestell am Boden gerichtet und er wollte nicht akzeptieren, dass sein Vater sich gerade in seinem Namen entschuldigte. Wofür denn bitte? Er hatte nichts falsch gemacht! Und Yuri sah das auch. „Aber bitte, Shiro, Yukio hat nichts falsch gemacht. Rin hat überreagiert, ich entschuldige mich ebenso für sein Verhalten.“ Auch sie verbeugte sich tief und ihre braunen Haare fielen ihr dabei ins Gesicht. „Wieso müssen wir uns denn bitte entschuldigen?“, zischte Yukio leise, und Shiro ließ endlich von ihm ab, dass er sich wieder aufrichten konnte. Eine Antwort auf seine Frage bekam der Junge aber nicht, weshalb er nur mit mies gelauntem Gesichtsausdruck seine Brille aufhob und ein weiteres Mal putzte, ehe sie ihren Weg zurück auf seine Nase fand. Er hörte gar nicht mehr hin, was sein Vater und Yuri zu reden hatten, stattdessen wanderte sein Blick hinüber zur Holzhütte, wo er Rin am Fenster sehen konnte. Er beobachtete sie alle noch immer. Passte er nur auf seine Mutter auf, weil er die Fremden nicht gut kannte, oder war der immer so drauf? Sein Blick war eiskalt und tatsächlich fragte Yukio sich nun erneut, warum er die Dämonen beschützt hatte. Sie dienten nicht zum Schutz der Hütte, es waren Dämonen niedriger Ordnung, die einem maximal Streiche spielten und keine große Bedrohung darstellten. Schließlich drückte Shiro Yukio seine Waffe, allerdings ohne Magazin, wieder in die Hände. Der Novize bedankte sich nicht, zu sehr saß ihm das von vorhin noch in den Knochen und ein unangenehmes Gefühl stieg in ihm auf. Würde er wirklich die Fassung so einfach verlieren und auf die erstbesten Dämonen schießen? Und dann mit der Waffe vor der Nase eines anderen Menschen herumwedeln? Seine Welt war in Watte gepackt als er wieder zu Shiro sah, der lächelnd mit Yuri redete, ehe er sich ein weiteres Mal verbeugte, dieses Mal zum Abschied. Die Frau tat es ihm gleich und auch Yukio folgte der Geste aus Höflichkeit. „Dann richte Rin bitte Grüße aus, wir kommen die Tage wieder vorbei“, riss Shiro Yukio aus seiner Trance, und der Braunhaarige sah seinen Vater stumm von der Seite an. Wieder herkommen? Weshalb denn das? Wegen diesem Vollpfosten? „Er rennt schon nicht weg und ich auch nicht“, lachte die Mutter, und erst jetzt bemerkte Yukio, wie hübsch diese Frau eigentlich war. Sie war kleiner, hatte braune gewellte Haare, die ihr bis zu den Hüften gingen, war die Quelle, von der Rin seine Augenfarbe geerbt hatte und in ihrem Gesicht waren vier Muttermale zu zählen: Unter ihren Augen, unter dem rechten Mundwinkel und über der rechten Augenbraue. Ihr Lächeln war lieb, deutete aber dennoch etwas Verschmitztes an. Man konnte raten, von wem Rin sein freches Verhalten hatte, aber vom Aussehen her schien er überhaupt nicht nach ihr zu kommen. Wo wohl sein Vater war? Ein letztes Wort wurde zwischen dem Paladin und der ehemaligen Exorzistin gewechselt und mit einem leichten Anstoß auf dem unteren Rücken von seinem Vater setzten Yukios Beine sich in Bewegung. Trotz dass er Rin nicht mochte sah er zur Hütte, wo der Gleichaltrige noch immer am Fenster saß, seinen Kopf auf der Hand abstützte und sie ansah. Höflich deutete Yukio ein Nicken mit seinem Kopf als Verabschiedung an, woraufhin er von Rin nur den Mittelfinger seiner freien Hand gezeigt bekam. Nur um danach von hinten von seiner Mutter eins auf die Birne zu bekommen. „Arroganter Depp“, schnaubte Yukio, und Shiro lachte leise. „Kein Anstand.“ „Tja, nicht jeder kann so frühreif und selbstständig sein, Yukio.“ Yukio schwieg und ließ sich diese Worte durch den Kopf gehen. Als sie den Berg herunter gewandert waren und ihre vorherigen Fußspuren schon vom Neuschnee bedeckt waren, wagte Yukio es endlich, die Frage auszusprechen, die ihm schon seit geraumer Zeit auf der Zunge brannte, die er aber nicht vor Yuri hatte aussprechen wollen. Allerdings wartete er damit, bis Shiro einen seiner Schlüssel gezückt hatte und eine Tür in das Knabenstift öffnete. Yukio trat ein und schüttelte sich den Schnee von den Schultern. „Ich gehe davon aus, dass Yuri ihre Masho entweder zu Beginn ihrer Ausbildung oder durch einen Vorfall erhalten hat“, begann der Novize zu reden und zog sich das schwarze Sakko des Exorzisten-Kollegs der Heiligkreuz Akademie aus, um es ordentlich über die Stuhllehne zu hängen. Seinen Schal steckte er in den Ärmel, um ihn nicht zu verlegen. Auch Shiro wuschelte sich den Schnee aus den grauen Haaren, nickte aber dann. „Clever kombiniert. Worauf möchtest du aber hinaus?“ „Wieso lebt Yuri so abgeschottet dort oben? Und wie hat Rin dann seine Masho erlitten?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)