Tenseigas Schutz - I von Amalia-chan (Wo Gegensätze sich berühren, beginnt die Vorstellungskraft) ================================================================================ Kapitel 8: …lässt sich sogar der Tai Shan bewegen ------------------------------------------------- Im edlen Zorn ist keine Rachsucht, sondern nur reiner Schmerz aus Kraft und Liebe. (Franz Horn) Ihre Energien stabilisierten sich nach und nach, je weiter sich ihre Lippen von den seinen lösten. Es erschien ihr bereits rascher abzuflauen als noch am Morgen, während ihr Meeresblau sein verhalten flackerndes Gold erfasste. Noch genoss sie die Geborgenheit seiner schützenden Umarmung. Die trügerische Sicherheit, die sie ihr vorgaukelte. Geschmeidig glitten ihre zierlichen Finger von seinem Nacken an seine Schultern, während er sich zu voller Größe aufrichtete – ein helles Geräusch dabei nach sich ziehend, sobald sie über den seidigen Stoff fuhren. Sie konnte spüren, wie machtvoll der Widerhall ihrer zarten Berührung durch seinen Körper bebte. Nie wollte sie vergessen, wie sich seine Zuneigung, der Schutz, welchen sie mit sich brachte, anfühlten. Als der Windzug sie sachte im Rücken erfasste, hatte sie seine Ankunft lange schon bemerkt, noch ehe sich ihr das vertraute Yōki erschlossen hatte. Seine Anspannung übertrug sich augenblicklich auch auf sie – und so tat sie mit Bedacht einen leisen Atemzug, der sein vor Zorn stechendes Raubtiergold für den Moment auf sie ablenkte. Sie begegnete ihm mit dem liebevollen Lächeln, das er längst bei sich beschlossen hatte, tief in sich einzuschließen. Es vermochte die Anspannung in seinem Blick zu lösen, als ihre Hand beinahe entschuldigend an seine Wange glitt. Für den Moment war die Präsenz, welche geräuschlos vor ihnen aufsetzte, selbst für ihn Nebensache, ehe sich Ishizu umwandte seine Umarmung dabei beinahe abstreifend. Sein dunkles Gold lag lauernd auf ihnen, das Raubtier vor ihr entfaltend, das auch er unverkennbar war. Sie war froh darum, das rote Erbe seines Schöpfers diesmal nicht darin verborgen aufglimmen zu sehen. Sein Blick war fest hinter sie gepinnt und bewegte sie dazu, sich nach Sesshōmaru umzusehen, nur um festzustellen, dass er ihm mit genau derselben stoischen Verdrossenheit standhielt – wieder. Damit trat sie vor, wagte eine angedeutete Ehrerbietung gegen den Daiyōkai und beendete so das ungleiche Kräftemessen zwischen Vater und Sohn. „Einen Moment Eurer Zeit, allein“, galt ihr. Natürlich suchte ihr Meeresblau sein Raubtiergold. Ebenso natürlich: Er war alles andere als erfreut. Dennoch überließ er es ihr, als sein Gold in nur ihr vertrauter Zärtlichkeit ihre Züge abwanderte. Er entsprach nicht dem Ersuchen des verehrten Vaters; er fragte sie. Sie nickte, kaum merklich, aber dennoch fest in ihrem Entschluss. Es blieb vom Vater nicht unbemerkt, die Fürsorge, die er so niemals erwartet hatte - und die ihn nach wie vor mehr als nur verblüffte. Nicht der Sohn, sondern der Gefährte erhob da seinen Blick in seinen – ein Versprechen damit wahrend, das älter war als ihre Welt. „Es wird nicht lange dauern, Sesshōmaru“, verklang ohne Reaktion, ehe der sich kommentarlos in die Lüfte erhob. Für den Moment riss einzig der Wind an den Verbliebenen. Es trieb ihr seinen silbernen Zopf entgegen. Sie kam an seine Seite, wenn auch mit deutlicher Distanz, als seine Aufforderung sie vertraut ereilte, ehe sein Augenmerk von ihr abließ und sich der Balustrade ihrer Veranda zuwandte. Seine Aufmerksamkeit schien auf die schneebedeckte Weite unter ihnen gerichtet, als Ishizu ihre Hände auf das kühle Holz legte. Das Brennen in ihren Venen war kaum noch vernehmbar und hatte deutlich abgenommen im Vergleich zum Morgen – bei ihnen beiden. Ihre Energien schienen sich miteinander anzufreunden. Nichtsdestotrotz blieb es surreal: Zu fühlen, was er fühlte, zu hören, was er dachte und umgekehrt. Noch schien es oft unmöglich, einen Verursacher ihrer Empfindungen auszumachen. Somit genoss sie den Moment der Distanz, mochte sie auch die Nervosität, ob der wenigen gemeinsamen Zeit, welche ihnen noch blieb im Hintergrund spüren. Wie der Sand ihres untergangenen Reichs vermeinte sie sie zwischen ihren schlanken Fingern zerrinnen zu fühlen - mit jedem ihrer sonnengelben Arme, welche sich nach und nach dem Abendrot ergaben. Der Tag hatte den Standpauken gedient, wenig verwunderlich und keine Überraschung; dennoch nicht minder ärgerlich, hatte ihn der Vater doch gefühlt gerade erst entlassen. Sodass sie beide die Unruhe lange schon erfasst hatte. Unwillkürlich glitt ihr Meeresblau hinauf zur mütterlichen Scheibe, welche sich erbarmungslos gen Horizont neigte. Sie hatten nur mehr diese Nacht. „Nichts ist so sichtbar als das, was man zu verbergen sucht“, brach die Stille, welche wie ein Damoklesschwert drohend über ihnen geschwungen hatte. Es klang ganz nach einem Vorwurf an sich selbst und vermochte den Blick der nach wie vor überraschenden Schwiegertochter betroffen zu senken. Letztlich hätte er es erkennen können. Schon beim Turnier. Das war kein aufgezwungener Gehorsam gewesen, kein Schutz der Ehre und des Ansehens mehr. Er hatte seine erwählte Gefährtin ganz klar vor dem Wolf verteidigt. Wie blind war er doch gewesen, den verliebten Sohn zu verkennen in seinem Idealbild über dessen Gehorsam und dem Irrglauben, alles möge seiner Kontrolle unterstehen. Es hatte bereits zuvor Anzeichen gegeben; die Zwistigkeiten, die nach und nach an Aggressivität verloren hatten, die zum Spiel geworden waren -vor seinen Augen-, die überraschend auftretende Einsicht und erwachsende Nachsicht im unnachgiebig ehrgeizigen Erben, bis hin zum Verständnis, das den Vater so sehr überrascht hatte; alles fügte sich nun nahtlos zu einem in sich passenden und schlüssigen Bild zusammen. Er konnte nur staunen. „Ich hoffe, Ihr versteht den Grund, warum ich Euch allein zu sprechen wünsche“, senkte das vertraute Gelbgold ungerührt auf ihr flackerndes Meeresblau. Da sie es diesmal nicht gewagt hatte, auf die gewohnte Nähe heranzukommen, musste er den Kopf leicht zur Seite neigen, um sein Raubtiergold über seine Schulter auf ihre vor Unsicherheit und Scham bewegten Züge werfen zu können. Er musste es einfach wissen. Und an ihrem leisen Lächeln erkannte er, dass sie es wusste – und verstand. Er war sein Sohn. Natürlich verlangte es ihn da nach einer Form von Sicherheit, hatte er doch nichts weniger als den Gott der Götter, ihren Vater, zu fürchten. Er wollte wissen, ob sie ihn liebte, so sehr, dass es gar den väterlichen Zorn gegen sein Kind im Zaum zu halten vermochte. Nur, wie fasste sie etwas in Worte, für dessen Beschreibung nicht ausreichend viele vorhanden waren? „Wenn Ihr erlaubt, so kann ich es Euch zeigen“, bot sie daher an. Es weitete sein Raubtiergold kaum merklich in Verblüffung. Sie war sich sicher, dass er sich der Ähnlichkeit mit dem Sohn in diesem Moment nicht einmal bewusst war. Unweigerlich entglitt ihr ein zartes Schmunzeln. Es huschte so schnell über ihre rosa glänzenden Lippen, dass er glaubte, es sich eingebildet zu haben. Dennoch ließ er sie vor sich kommen, beäugte einzig ihre zierlichen Hände, welche sich nach seinen Wangen streckten - und griff doch nicht ein, als die unendliche Weichheit ihrer hauchzarten Berührung wie ein Schauder über ihn hereinbrach. Instinktiv schloss er die Augen, folgte ihrem sanften Zug und ließ seine Stirn gegen ihre kippen, während ihre Finger sich einen Weg – hauchzart, wie ein Sommerregen, hinauf an seine Schläfen tupften. Ihm entwich sein Atem stockend, als diese befremdliche Wärme sich seiner bemächtigte. Ganz so, als schlichen sich die fremden Empfindungen hinterrücks an ihn heran, überflutete ihn die so andersartige Welle an Gefühlen. Er erkannte die Geborgenheit, die Sicherheit darin neben der Unsicherheit und Aufregung, die sie empfand. Die Furcht vor der Heftigkeit hatte er erwartet; jedoch niemals das berauschende Glücksgefühl, auf dem sie fußte. Das Wechselbad an Hochs und Tiefs, dem sie ausgesetzt war, eine nie gekannte Fallhöhe damit dem Dämon offenbarend, die ihm in all den Jahrtausenden seiner Existenz doch verborgen geblieben war. Und er erkannte, dass ihm diese Tiefe an Verbundenheit und die damit einhergehende Sicherheit noch völlig unbekannt waren. Der Übergang von der Finsternis seines Augenhintergrunds hin zum bunten Farbenmeer seiner Welt erfolgte so fließend, dass es ihm erst bewusst auffiel, als die Brandung des Meeres in sein Sinnesnetz schwappte. Er wusste Sesshōmaru in seinem Rücken, fühlte die fatale Verletzung – und irgendwoher kannte er den Drachendämon als Ursprung. Dann flogen die Bilder nahezu an seinem geistigen Auge vorbei, wie der schneebedeckte Wald an seiner wahren Form. Am Rande verklang der vertraute Zug Myōgas an seinem Fell piksend durch sein Sinnesnetz, als er der mächtigen Attacke beiwohnte, welche ihm den Weg freibrach in eine Menschenfestung. Er spürte den vertrauten Zug seiner Armmuskulatur, welche sein Schwert schwang, erfasste den altbekannten Widerstand des menschlichen Fleischs, als er den Arm vom Körper trennte. Längst hatte ihn diese unbändige Unruhe erfasst, welche ihm unmöglich war abzuschütteln. Er war von bodenloser Furcht ergriffen, erkannte er da. Ihre regungslose Erscheinung zerbrach etwas in ihm. Er konnte es spüren, tief in sich, mochte er sie auch noch nicht kennen. Aber er erkannte diese Verbundenheit wieder, deren Durchtrennung er mehr fürchtete, als alles, was er je gefürchtet hatte. Fassungslos war er zurückgeworfen auf seine Position als bloßer Zuschauer, als ein Schwerthieb ihre Brust zu einem tiefen Atemzug hob. Er hing noch dem Blick nach, welchen er auf das Bündel in ihren Armen erhascht hatte. Waren das Hundeohren gewesen? Da senkte sich die wohlvertraute Präsenz Sō‘ungas auf ihn hernieder. Als sie ihre Hände in einem Ruck zittrig von seinen erkalteten Schläfen löste, wusste er, dass er seinem Tod beigewohnt hatte. Erstarrt lag sein dunkles Raubtiergold auf ihrem nicht minder schockiert flackernden Meeresblau. Das hatte sie nicht gewollt. Ob ihre seltsame Bindung an seinen Sohn ihr ihre Fähigkeiten entfremdet hatte, immerhin hatten sie ihre Energien vermischt? „Glaubt Ihr, eure Verbindung gefährdet ihn?“, fand der Herrscher zurück zu seiner Fassung. Sie genehmigte sich noch einen weiteren tiefen Atemzug, der die Lagen an Stoff über ihrer Brust merklich spannte. Natürlich fürchtete der Vater die Konsequenzen der Unmöglichkeit, die mit ihrer Verbindung dennoch wahr geworden war – und sie beide gefährden könnte. „Nein, ich denke nicht“, schüttelte Ishizu den Kopf. Es wurde besser, erträglicher – für sie beide. „Es ist eine Variante“, musste er einfach wissen. Diesmal nickte sie, ehe ihr Blick fest in seinen noch immer bewegten stach. Es tat wohl seine beruhigende Wirkung auf ihn, als sie dem väterlichen Freund erklärte: „Es ist noch zu weit entfernt, um irgendeine Gewissheit zu beinhalten. Dennoch hängen die Ereignisse in einer Kausalität zusammen. Wie und ob sie ineinandergreifen werden, obliegt euren Entscheidungen.“ Letztlich hatte er es doch akzeptiert und die Liebe zu einer Menschenfrau gewagt – und sein Schicksal gewählt. Sie bewunderte ihren väterlichen Freund nach wie vor für seinen Mut, als sie ihren Blick vom Feuerrot des Fells, welches seither seinen Sohn begleitete hinüber zu der stattlichen Rückenansicht ihres Gefährten in einiger Entfernung gleiten ließ. Natürlich ging er voran, in seinen langen getragenen Schritten, welche ihn in nahezu majestätischer Art und Weise und doch geräuschloser als den Geübtesten seiner Dienerschaft über den Waldboden trugen – und, mit deutlichem Abstand zu Inu Yasha und seinen Freunden. Sie konnte es nicht verhindern, dass ihr darüber ein trauriger Zug über die zart rosa Lippen zuckte, welche sie hinter dem Stoff, der ihr Gesicht umschlang, verbarg. Man hatte beschlossen, keine weitere Zeit zu verlieren und so war die zusammengewürfelte Gemeinschaft noch vor dem Morgengrauen aufgebrochen. Ishizu saß auf Ah-Uhn, dessen watscheliger Trott die Welt in einer Berg- und Talfahrt an ihr und der kleinen Rin, welche vor ihr auf dem Sattel Platz genommen hatte, vorbeitrug. Es war fast wie einst auf dem Weg gen östliche Grenzfestung. Nur, dass sie dieses Mal in Begleitung mehrerer ihrer Schützlinge waren – und es statt des übermächtigen Vaters, den doch beachtlich widerstandsfähigen Halbbruder gab. Inu Yasha ging mit verschränkten Armen neben seiner Miko, welche ihren gelben Rucksack geschultert hatte und den Kitsunenjungen im Arm hielt. Ishizu war sich sicher, dass sein Blick mürrisch auf der Rückenansicht des Älteren haftete, während Sesshōmaru sich nicht minder eisern darum bemühte, seine Anwesenheit zu ignorieren. Ob er ihr noch lange zürnen wollte? Die Distanz, welche er auch bewusst hielt, fraß sich in bitterer Kälte immer tiefer in ihr Herz, je weiter der Vormittag voranschritt. Mochte sie diesen Moment auch schon so lange herbeigesehnt haben, es war, als hätten die 4 Jahrhunderte eine Wand aus Glas zwischen ihnen errichtet. Dicker als so manches altertümliche Mauerwerk. Die Sehnsucht mochte für den ersten Moment die Türen geöffnet haben, doch allmählich schmerzte sie. Sie wusste nicht recht, wie diese zu überwinden war. Je länger sein Schweigen anhielt, er die Distanz zwischen ihnen aufrecht hielt, desto unüberwindbarer schien die Barriere zu werden. Kein Blick über die Schulter, nicht mal im Ansatz die Bemühung um irgendeine Verbindung zu ihr. Unverkennbar, er war damit überfordert. Natürlich, sie brachte sein Leben ordentlich durcheinander – in nur einer einzigen Nacht hatte sie alles, was er 4 Jahrhunderte gewohnt gewesen war, auf den Kopf gestellt – allein mit ihrem Erscheinen hier. Nichts, was er zu schätzen wusste. Er hasste Überraschungen, die er nicht erahnte oder deren Möglichkeit er nicht zumindest eingeplant hatte. Also Überraschungen im eigentlichen Sinne ganz allgemein. Zudem hatte er viel zu verdauen, und war doch noch bei Weitem über so vieles unwissend. Etwas, was er ebenso wenig zu schätzen wüsste. Dennoch hatte sie sich ihr Wiedersehen doch irgendwie anders erhofft. Manches vermochte selbst sie nicht mit Sicherheit zu sehen, dafür genügte ihr Blick einfach noch nicht. Sango und Miroku unterhielten sich mit Kohaku in ihrem näheren Umfeld, wobei Kohaku die Zügel Ah-Uhns in der Hand hielt. Und so brach auch jetzt wieder das Murmeln ihrer Unterhaltung durch ihre betrübten Gedanken. Jaken trottete direkt vor dem Drachenwesen, wobei einzig der Kopfstab im Takt seiner Schritte hin und her wippend seine Position verriet. Myōga hatte die Chance genutzt und sich mit einer raschen Entschuldigung an sie, er würde erwartet, verabschiedet. Sie nahm an, um dem Zorn ihres Gefährten zu entgehen. Wie stets blieb sie verwundert, ob des eigentümlichen Verhaltens des Geistwesens. Was hatte er sich denn gedacht, was seine Erzählungen für Konsequenzen nach sich zögen? Ab und an erreichte sie das strahlende Kinderlächeln, welches sich zuerst noch verhalten zu ihr umgedreht hatte, um sich nach und nach immer mehr zu verbreitern. Sie begegnete ihr stets gütig lächelnd, sodass Rin sich immer strahlender umwandte, ehe das Menschenmädchen den Blick wieder nach vorne richtete. Es glich längst einem Spiel, obgleich es auch so schien, als wollte sie sich ihrer Anwesenheit immer wieder auf ein Neues versichern, wie jetzt gerade wieder. Also kam ihr Meeresblau alsbald erneut auf dem braunen Schopf zum Ruhen. So sehr hatte sie gehofft, dass er sie annahm. Und doch hatte sie sich nach wie vor noch nicht daran gewöhnen können. Denn Rin war einzigartig. Eine unter wenigen ihrer Schützlinge, deren Wesen so nahtlos zu dem seinen passte, dass es eigentlich nur so hatte kommen können. Dennoch hielt die Überraschung die Freude noch verhalten zurück. Er würde ihrer noch weitaus mehr zürnen, mochte sie ihr Zauber auch noch davor bewahren. Auch das war ein zu starker, respektloser Eingriff in sein Leben gewesen, welcher ihr natürlich nicht zustand, ging es nach ihm. Dennoch hatte sie diese einzigartige Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen können. Ob ihre Verbindung ihm ermöglichte, sie irgendwann verstehen zu können? Sie glaubte nicht, dass eine Markierung auch nur im Ansatz Ähnliches je vermocht hätte. Dennoch wäre sie auch dazu bereit gewesen, in der Hoffnung, ihrer Tochter die Existenz irgendwie zu ermöglichen. Die Markierung stellte das Kind mit einer anderen als der Gefährtin unter den Schutz des dämonischen Vaters, hatte ihr väterlicher Freund ihr einst erklärt. Es wurde als eigen angenommen von der Gefährtin. Sie hatte es zuerst nicht recht verstanden, doch mittlerweile war sie ihm umso dankbarer, sie nie markiert zu haben. Denn wer wusste schon, ob dieses alte Ritual der Dämonen nicht sogar vermocht hätte, ihre so einzigartige gemeinsame Tochter ihres Schutzes zu berauben. Und, war sie ehrlich, so schmeichelte es ihr nach wie vor, dass er sie erwählt hatte, so, wie sie ihn. Das letzte Wesen, das ihre Welt an ihrer Seite wohl erwartet hatte. Sie senkte den Blick, als ihr darüber wieder ihr verzücktes Lächeln entkam. Wieder verbarg der Stoff es, welchen sie um ihr Antlitz geschlungen hatte. Wer wusste schon, wann sie den ersten ihrer Schützlinge begegnen würden. Nichtsdestotrotz hatte er sie dennoch an sich gebunden – auf eine Art und Weise, wie nicht einmal ihre Art sie je gekannt hatte. Mochte es auch einem jeden Anspruch ihres Volkes, jedes Wesen zu respektieren, widersprechen. Nicht umsonst richteten sich ihre Schützlinge in Form von Gebeten an ihresgleichen. Es galt auch unter ihresgleichen als respektlos, die Gedanken Fremder zu lesen – ohne deren ausdrücklichen Wunsch. Mochten sie ihnen auch oft naturgegeben zugetragen werden wie der Wind das Blatt dem Boden nach und nach entriss – sie hatten sie zu ignorieren. Ihre Verbindung jedoch ging weit darüber hinaus. Wie intensiv sie auch nach einem Indiz für ihre seltsame Verbundenheit gesucht hatte, sie war erfolglos geblieben. Niemand kannte so eine Bindung wie die Ihre. Nicht einmal die Ältesten und längst Vergessenen, welche bereits ihren gemeinsamen Vorfahren gedient hatten. Zudem trug sie sein Zeichen. Keine bloße Markierung, an welcher Körperstelle auch immer, das hatte er ihr nie genau erklärt. Doch allein das hatte ein jeder für unmöglich gehalten. Ebenso wie ihre gemeinsame Tochter die Sichel trug. Ein Umstand, der ihr die Missgunst und Verachtung vom Tag ihrer Rückkehr eingebracht hatte. Das Flüstern und die Distanz waren nicht nur ihre steten Begleiter geworden. Nichts, was sie mit ihm teilen wollte - und doch würde er davon erfahren, wenn nicht durch ihren nachlassenden Zauber, dann dennoch früher oder später. Manches konnte auch nicht die Zeit mit sich hinfort tragen. Sie konnte einzig hoffen, dass beiden Zeit füreinander gewährt würde, sobald sie einander endlich gefunden hatten. Und doch war die Sichel längst viel mehr als nur sein Zeichen für sie. So befremdlich und unschicklich es für eine der ihren auch sein mochte; es hatte sie stets mit Stolz erfüllt – auch in dem Moment, in dem sie ihre Bindung und die Trennung gleichermaßen geschmerzt hatten, weil er der Kazeyōkai zur Hilfe geeilt war. Denn natürlich hatte sie nie vergessen, wie er Zuneigung ausdrückte. Und doch hatte es sie von Beginn an stets gestärkt, fast als wäre er bei ihr gewesen. Ganz so, wie es sie dieses Mal tatsächlich physisch stabilisiert hatte. Sie kannte keine Verbindung, die das vermochte. Was hatten sie da nur getan? Wäre sie sich nicht längst sicher gewesen, dass das ihrer Tochter den Halt gegeben hatte, um der unvereinbaren Gegensätzlichkeit in sich standzuhalten: Sie wäre es spätestens jetzt. Es band sie an seine Stärke ebenso wie an die ihre, von der sie auch heute noch zehrte. Wieder fand ihr Meeresblau instinktiv an seinen Rücken, als es sie unverhofft von der Seite ereilte: „Wenn Ihr erlaubt, Kami-sama, Ishizu-no-mikoto, meine Neugier zu stillen, Euer Name ist uns unbekannt.“ Diesmal trat ihr Lächeln offen zutage. Inu Yashas Freunde kannten die atemberaubende Schönheit der Kinder des dunklen Schöpfers, so waren sie ihrer nicht schutzlos ausgeliefert. Und in der Tat konnten Sangos Adleraugen keine verräterische Regung, denn der reinen Wissbegier, in den Zügen ihres Hōshis entdecken. „Das liegt daran, dass ich in eurer Kultur, Hōshi Miroku, noch keinen Kult besitze. Deshalb dürft ihr mich auch als Megami ansprechen, wenn es euch beliebt; was mich jedoch anbelangt, so genügt mir der Name“, fügte Ishizu mit einem raschen Blick nach vorne hinzu. Er entging Inu Yasha nicht. Ganz im Gegenteil befand er Sesshōmarus Schweigen angespannter als sonst; konnte er auch nicht recht sagen, woran er das festmachte. Jedenfalls, sofern Ishizu eine Reaktion erwartet hatte, so wartete sie vergebens. Er zeigte auch jetzt keine Regung. Ob er wieder in Gedanken war? Ishizu dagegen war sich sicher, dass er jedes Wort akribisch verfolgte – und über ihre Stellung wachte. Es war zu wichtig. Gerade in ihrer Situation. Ihr feines Lächeln verblieb diesmal für eine geraume Weile auf ihren Lippen, als sie die vertraute Wärme ob seiner Fürsorge erfasste, um dann nach und nach vom traurigen Glanz in ihrem Meeresblau von ihnen hinfort gewischt zu werden. Für Manches brauchte wohl selbst sie Zeit. Damit stoppte Ah-Uhn urplötzlich. Ishizus Augenmerk glitt fast unbemerkt hinauf zur hellen Scheibe, welche längst ihren höchsten Punkt erreicht hatte. Es hatte also nicht unbedingt mit ihrer Äußerung zu tun. Inu Yasha dagegen pflaumte nicht gerade ungefährlich nach vorne: „Was ist, warum hältst du mitten im Nirgendwo an?“ Kagomes warnend gezischtes „Inu Yasha“, verklang nahezu unbeachtet, als sich das vertraute Gold eisig über die Schulter auf den Halbbruder senkte. „Es ist Mittag. Zeit, etwas zu essen. Danke, Sesshōmaru-sama“, erklärte da Rin, während sie freudestrahlend von Ah-Uhn sprang. Natürlich hatte er sich mittlerweile an ihre Zeiten gewöhnt, ebenso wie Jaken, der sogleich seiner Aufgabe als wachsamer Begleiter nachzukommen gedachte. „Rin-chan, ich habe Proviant, wenn du möchtest“, bot Kagome mit vorsichtigem Blick zu ihrer neusten Begleiterin auch Ishizu an. Der entglitt ein leises Schmunzeln ob der freundlichen Einladung, während sie von Ah-Uhn auf ihre Füße glitt. Was hatte der Flohgeist bloß alles erwähnt? Miroku machte sich mit den Dämonenjägern daran, einen geeigneten Rastplatz zu finden. Inu Yasha und Kagome mit Rin und Shippō schlossen sich alsbald an – Ah-Uhn im Schlepptau. Ishizu verfolgte die Freunde einen Moment aufmerksam dabei. Sie schienen erfreut über die kleine Rast und hielten bereits zielstrebig auf die Wiese in einiger Entfernung zu. Kein Wunder, kannte sie doch Sesshōmarus erbarmungslos lange Schritte, als sie ihn im Augenwinkel den Weg gen Wald demonstrativ einschlagen sah. Ihr entwich doch tatsächlich ein Seufzen. Hatte sie etwa erwartet, er ließe sich dazu herab? Als der Ast laut unter ihrer leichten Last brach, zog die Megami ärgerlich zischend die Luft ein. Da er den Blick von ihr abgewandt hatte, entging ihr der leise Zug, welcher über seine ansehnlichen Züge huschte. Als sie an seine Seite getreten war, war seine Miene längst zur Ausdruckslosigkeit zurückgekehrt. Intuitiv schlug sie den schweren Stoff zurück, ehe sie ihr Meeresblau hinauf in seine angestrengten Züge wagte. Nahezu konzentriert richtete sich sein Dämonengold in die Ferne über die Schlucht hinweg, welche sich vor ihnen auftat – und an dessen Klippe er ausgerechnet beschlossen hatte, auf sie zu warten. Sie widerstand dem Drang, mit ihren großen Augen zu rollen, während sie die Entfernung zu den Baumwipfeln unter ihnen tapfer zu ignorieren versuchte und stattdessen in die weitere Ferne blickte. „Es ist nicht tief“, bezeugte, dass er ihre Abneigung bewusst in Kauf genommen hatte. „Mir gefiele es besser, wir ließen das das nächste Mal mich entscheiden“, schnaubte sie wenig entzückt. Es bescherte ihr seinen gefürchteten Seitenblick, wenn auch aus einem völlig anderen Grund. „Und mir, du überließt mir die Entscheidung, wen wir involvieren, Megami“, war eisig. Wenn auch nahezu nachsichtig, weil es erfolgte, fast schon ausführlich und ohne Knurrlaute. Ob ihr die jahrhundertelange Trennung noch zu Gute kam? „Wenn du dich erinnerst, hatte ich versucht…“ „Wie?“, durchschnitt einen jeden Versuch ihrerseits, ihn an ihre Motive zu erinnern. Sie nahm einen leisen Atemzug, um sich zu beruhigen. Ihrem Verstand die Chance einzuräumen, um über ihren Stolz zu obsiegen. „Du meinst, wie sie an Naraku kam?“, bescherte ihr eine unmissverständliche Warnung aus verengtem Raubtiergold. Offensichtlich war seine Stimmung derart im Keller, dass selbst sie ihre Nachfragen einzuschränken hatte. „Dazu werde ich dir wohl besser erläutern, wie wir auf die Insel kamen“, trug seinen strapazierten Nerven Rechnung, indem sie ihn ausdrücklich um Geduld bat. Da er schwieg, wusste sie um sein Bemühen, eben diese aufzubringen. „Es hat lange gedauert, bis mein Vater nachgab und mir erlaubte, ihr das Diesseits zu zeigen. Japan gehörte nicht dazu. Wir setzten vor drei Nächten dennoch vom Festland über – sie war neugierig, sonst hätte ich die Insel nicht betreten dürfen“, senkte ihren Blick auf die silbrige Haarsträhne, welche sich vom Wind getragen vor ihr erhob. Es demaskierte die Fesseln, welche ihr das Schutzversprechen des mächtigen Vaters über ihre gemeinsame Tochter auferlegt hatte. Götter gaben nur gegen Versprechen, hatte sie ihm einst erklärt. Also hatte sie endlich einen Weg gefunden, um das Ihre zu umgehen. Er konnte sich nicht wirklich darüber freuen. „Ich wusste, dass es die Möglichkeit gab und sie, dass das Juwel mir Sorgen bereitet. Also bemerkte sie die Veränderung. Manchmal neigt sie dazu, deine Spürnase in den ungünstigsten Momenten zu zeigen…“ „Weil sie dich kennt“, sein Einwurf erhob ihren Blick überrascht in sein Raubtiergold. Für gewöhnlich war es ein Zeichen von Intimität, wenn er sie unterbrach. Es geschah nur höchst selten. Ihr Lächeln wuchs zu einem vorsichtigen als sie für den Augenblick seinen Blick aus den Augenwinkeln hielt. Er dagegen glaubte weniger an sein Erbe in seiner Tochter, kannte er doch Ishizus Verhalten, wenn sie nervös wurde. Es war nicht zu verkennen, in seinen Augen. Ganz ohne seine dämonischen Sinne. Damit lenkte Ishizu ihr Augenmerk wieder vor sich gen blauen Horizont, ehe sie fortsetzte. „Ich weihte sie ein. Sie kennt unsere Welt, und natürlich erkannte sie die Gelegenheit, also wollte sie helfen. Danach war es nur ein Auffinden von Kanna, was dank des Yorishiros, den ich seit meiner Ankunft erspürte, nicht schwer war.“ „Und du ließt sie, weil du eine der Möglichkeiten gesehen hast, in der es gelingt“, war wieder seine ihm eigene Art, Fragen zu stellen, ob nun rhetorisch oder nicht, ohne diese auch nur je auszuformulieren. Jetzt knurrte er es fast zwischen den Zähnen hervor. Die Diskussion war gefährlich nahe am empfindlichen Punkt. „Sesshōmaru, Ayumi ist eine Halbgöttin und deine Tochter, sie ist nicht hilflos“, erwehrte sich Ishizu dennoch des erneuten Vorwurfs. Und genau darin stimmte er mit ihr eben nicht überein. So ganz und gar nicht. Schließlich hatte sie seine Tochter demjenigen zugespielt, der schlau genug war, sich selbst ihm immer wieder zu entwinden. Und jetzt hatte er auch noch einen göttlichen Verbündeten neben diesem vermaledeiten Juwel. Ayumi dagegen wusste nichts über ihr dämonisches Selbst. Kannte den Ursprung ihrer weltlichen Kräfte nicht und konnte ihren Gegner nicht einmal einschätzen. „Und deshalb wähnst du sie im Vorteil gegenüber einem Gegner, den du so töricht bist, gnadenlos zu unterschätzen, Ishizu?“ Sie kannte den Blick aus verengtem Raubtiergold, der sie nun traf nur zu gut – und begegnete ihm längst in altbekannter Manier nicht minder feurig. Vergessen schienen alle guten Vorsätze, als sie ihrem Temperament letztlich nachgab: „Und du wähnst sie gerne schwächer als dich?“ „[style type="italic"]Meiner[/style] Tochter wäre es nie eingefallen, sich in eine Gefahr zu begeben, ohne deren Ausmaß abschätzen zu können, Megami“, entsprang weit mehr als nur dem Faktum, dass es darum bei Weitem nicht ging. Es erinnerte an die naturgegebene Abscheu, die er vor ihrer Art empfand. Auch, weil sich ihr sofort erschloss, was er unausgesprochen ließ. Dennoch hing es für den kurzen Augenblick eines Wimpernschlages zwischen ihnen, als Dämon und Göttin einander anfunkelten. Sie wäre das Risiko so nicht eingegangen, hätte [style type="italic"]er[/style] sie erziehen dürfen. Es traf sie, und er erkannte es. Also zuckte er nicht zurück, hielt sie nicht auf, als ihre flache Hand seine Wange nach all der Zeit in so völlig konträrer Absicht hellklatschend traf. Sie war längst im Schatten der angrenzenden Baumreihe verschwunden, als er sich noch den Unterkiefer zurechtrückte, während die letzten Vögel erschrocken die Baumkronen protestierend aufgaben. Wenn sie in Stimmung war, konnte sie durchaus austeilen. Das hatte er nicht vergessen. Offensichtlich sogar noch mehr, wenn sie dazu Grund sah. Er schloss die Augen zu einem tonlosen Seufzen und tat einen kaum merklichen Atemzug. Ihre Hilflosigkeit in ihrem momentanen Zustand erinnerte stark an Rin, nur dass seine Gefährtin dazu neigte, sich auch noch absichtlich in Schwierigkeiten zu bringen in ihrer zuweilen gefühlsbetonten Art – ganz anders als das Menschenmädchen. Also zuckte lediglich sein schmales Lächeln über seine Lippen, als ihr erschrockener Aufschrei, wie zur Bestätigung, sein Trommelfell wenig später erreichte. Eine dämonische Gefahr konnte er ausschließen, außer ihm und Inu Yasha war weit und breit nichts wahrzunehmen, ebenso wenig lag etwas Bedrohliches in der Luft. Umso beruhigter machte er sich auf den Weg, der Nase nach. Unterdessen öffnete Kagome freudestrahlend eine weitere ihrer seltsamen Boxen, die so herrlich bunt und mit allerlei Schriftzeichen versehen waren, dass Rin allein schon der Optik halber ihre Kinderaugen nicht von der Obskurität lassen konnte. Die Truppe hatte es sich auf der Decke der Mikoschülerin, wie stets, gemütlich gemacht. Jaken mit Ah-Uhn etwas abseits, um den Reitdrachen etwas Gras fressen zu lassen. Dass Sesshōmaru verschwunden war, wunderte niemanden. Ishizus Abwesenheit genauso wenig. Als das nächste Ratschen durch die sonnenbeschienene Idylle brach, weiteten sich Rins Augen zum wiederholten Male, verblüfft über den reichen Fundus an allerlei Köstlichkeiten, die die Miko da mit sich herumtrug. Wieder hielt sie es der Jüngeren mit ihrem so freundlichen Lächeln hin, sodass Rin mit einem „Arigato gozaimasu, Kagome-sama“ in gewohnt höflicher Manier zulangen wollte, da intervenierte ausgerechnet Inu Yasha. „Sind das nicht die Letzten, Kagome?“, jammerte er mit halbem Gesicht bereits im sonnengelben Ungetüm der Neuzeit. „Mit Freunden teilt man auch noch sein letztes Hemd“, trällerte die junge Frau vergnügt, während Shippō in Inu Yashas Jammern lautstark miteinfiel. „Ach, jetzt regt euch ab, es wird ja nicht ewig dauern, bis wir wieder nach Hause kommen“, zeigte sich Kagome unerbittlich. Und als sie Rin im Augenwinkel schuldbewusst die Stäbchen senken sah, versicherte sie sogleich: „Nein, nein, Rin-chan, es ist noch genug anderes da. Die beiden sind nur verwöhnt, das ist alles.“ Der Blick hätte nicht giftiger sein können, den sie damit an ihre beiden Begleiter sandte, die sich bereits im Ringkampf um eine ihrer knisternden Chipstüten befanden. Sango entglitt ein Schmunzeln, während sie ihre Freundin dazwischen hechten sah. Kirara miaute auf ihrem Schoß und genoss die Streicheleinheiten der Dämonenjägerin, die mit Kohaku und Miroku zur anderen Seite Rins saßen. „Das beruhigt sich gleich wieder“, versicherte sie Kohaku auf seinen irritierten Blick hin, sodass er eine weitere Portion zwischen die Stäbchen nahm. „Was ist der Tai Shan?“, lenkte Rin ihre Aufmerksamkeit auf sich. „Einer der fünf heiligen Berge auf dem Festland, Rin-chan. Auf ihm opfern die Kaiser des Reichs der Mitte dem Himmel und der Erde“, erklärte Kohaku mit vollem Mund, sodass ihn ein mahnender Blick der älteren Schwester ereilte. Nachdem er seinen Nahrungsbrei hinuntergeschluckt hatte, tat er es mit dem charmanten Kleiner-Bruder-Lächeln ab, das der Älteren noch stets den Wind aus den Segeln zu nehmen vermocht hatte, was auch immer er zuvor angestellt hatte. „Ich frage mich nur, wie Inu Yasha und Sesshōmaru-sama damit umgehen werden. Es ist nicht gerade ein Ort mit wenig heller Magie“, sinnierte Sango laut. Miroku pflichtete dem nickend bei, während Rin freudig erklärte: „Oh, das macht nichts, Sesshōmaru-sama war selbst am Berg Hakurei und der hat ihm nichts ausgemacht.“ „Was glaubt Ihr, Miroku-sama, wie gedenken sie, das Meer zu überqueren?“, fragte sie ihren Mönch, wobei sie ihre Stimme über Kagomes „Inu Yasha, Osuwari“ erheben musste. Kohaku stoppte für den Moment auf dem Weg gen Mund, nicht minder verblüfft und irritiert darüber, den Hanyō den Boden küssen zu sehen. Sango und Miroku ignorierten es gelassen. Natürlich wusste auch Letzterer, was die Tayija ansprach. Es gab einen Grund, warum mächtige Wesen, wie Sesshōmaru, das Meer nur höchst selten überquerten. In der magischen Welt gab es eine Absprache. Das Meer war das Territorium der Wasserdrachen, nicht zuletzt Watatsumis. Sie brauchten seine Erlaubnis. Menschen brachten dem Drachen Opfer dar, allen voran die Fischer. Doch was taten Magiewesen wie die Göttin oder ihr Gefährte? „Jedenfalls scheint er bewusst solange wie möglich auf der Insel bleiben zu wollen. Wir wandern entlang des Meeres gen Süden, dort ist die Distanz zum Festland am geringsten.“ „Wohl eher will der seinen Einflussbereich möglichst lange nicht verlassen“, konstatierte da Inu Yasha, während er sich zurück in den Schneidersitz aufrappelte. Immerhin konnte der Herr Vollblutdämon weit mehr als nur fliegen. Es leuchtete allen ein. Auf dem Festland waren sie Fremde – und, schlimmer noch, völlig Fremdem ausgesetzt. „Naja, dann bleibt zu hoffen, dass er es durchhält. Es gibt nichts Entspannenderes als die Onsen um den Sakurajima“, flötete da Kagome hoffnungsvoll, während sie verträumt ihre bloßen Essstäbchen gen Lippen hielt. Niemand, nicht einmal Miroku, wagte es nun der jungen Mikoschülerin die Hoffnung zu rauben mit dem wohl yōkaitauglicheren, da vernünftigeren, Argument, dass eine Überquerung Richtung Festland weiter westlich weitaus mehr Sinn machte als fast bis zum südöstlichen Zipfel durchzumarschieren. Unweit entfernt war besagter Yōkai derweil nicht erstaunt, die Waldlichtung scheinbar verlassen vorzufinden. Also traf Ishizu sein Blick aus belustigt funkelndem Rautiergold, sobald er sein Augenmerk zielsicher zur ihr erhoben hatte. Sie hing gut nochmal eine weitere Armlänge über ihm in der Luft, gefangen in einem Netz, das ihre Menschenkinder zur Jagd auslegten. Ob er denen die Ehre zuteilwerden lassen sollte, ihre Göttin zu treffen für ihren geglückten Fang? „Wag es ja nicht, auch nur zu erwägen, mich hier oben hängen zu lassen, Sesshōmaru!“, war giftig. Noch verdrängten wohl die Aufgebrachtheit und Empörung die Scham, mochten ihre Wangen auch längst brennen vor Aufregung. „Und mach dich gefälligst nicht lustig“, wetterte sie weiter, während sie mit ihren schlanken Beinen, welche durch die Maschen hindurchhingen, zu strampeln begann. Manches änderte sich nie; schimpfen tat sie immer noch gerne mit ihm. Erst recht, wenn sie sich in der ungünstigeren Position sah. Sein Gold wanderte derweil in nahezu grausamer Gelassenheit das Seil hinauf zur Anbringung am dankbarerweise dicken Ast. Dennoch konstatierte der Dämon genüsslich nüchtern: „Das würde ich unterlassen.“ Der Sturz war tief und er hatte nur mehr den einen Arm. Sie aufzufangen war also weniger eine Option – Fliegen hin oder her. Sie sollte ruhig bleiben, wollte sie möglichst sanft zurück auf den Boden finden. Tatsächlich folgte sie dem Rat; nachdem sie seinem Blick gefolgt war. Dann legte sich sein Dämonengold wieder allein auf ihr lebendig flackerndes Meeresblau. Es überraschte weder ihn noch sie, dass sie derart aus der Haut gefahren war. Er hatte sie getriggert, genau dort, wo es stets weh getan hatte – und immer noch weh tat. So wie sie ihn, wenig verwunderlich also. Und natürlich entsprach es nicht dem, was er wollte. „Keine Alleingänge mehr, Megami“, kam er daher unumwunden zum Punkt. Sie wusste, was er meinte: Keine Entscheidungen mehr über seinen Kopf hinweg. Ein Miteinander statt eines allmächtigen Götterspiels über sein Leben. Ein Glück schloss das Ehemaliges nicht mit ein. Natürlich wusste er um die Dinge, die sie nicht mit einem sterblichen Wesen teilen konnte. Darum ging es ihm nicht. Auch darum wusste sie. Also nickte sie zaghaft – nach einem leisen Atemzug. Als sein Raubtiergold ihre gerade eher klägliche Erscheinung, wie sie peinlich berührt fand, daraufhin noch einmal gedankenschwer abwanderte, meinte sie auch diese unausgesprochene Überlegung zu erkennen. „Solange du dich bemühst, meine Erziehung und Herkunft entsprechend zu respektieren, bemühe ich mich, meine Hand nur dann zu erheben, wenn du es wünscht.“ An seinem Blick erkannte sie, dass ihm der leise Schauer, welcher ihr ausgerechnet jetzt den Rücken hinabrann, als sie ihre Erinnerung so unweigerlich wachrief, nicht entging. Es schmeichelte ihrem angekratzten Ego, dass es auch in ihm nicht ohne Effekt verklang, während er mit seinem kaum merklichen Nicken sein Einverständnis dazu gab. Also begegnete sie ihm mit einem versöhnlichen Zug um ihre zart rosa Lippen, während sein Tenor sie in einer solchen Sanftheit anwies, wie sie neben ihr wohl einzig noch Rin bekannt war: „Halte dich fest.“ Umgehend wickelte sie ihre langen schlanken Finger damit um die dicken Verstrebungen des Netzes über ihrem Kopf. Ihr Augenmerk lag einzig auf seinem ruhigen Gold, als sich die typische Wolke zu seinen Füßen auszubreiten begann und ihn ihr alsbald entgegen hob. Sie spürte nicht mehr als den leisen Windzug, verfolgte jedoch mit gespitzten Ohren das schneidende Geräusch, mit dem seine messerscharfen Krallen bedachtsam die Seilverstrebungen unter ihrem Gesäß zu lösen begannen – ohne ihren Blick von seinem zu nehmen. Aus einem Reflex heraus wurde ihr Griff sogleich fester, sobald der Freiraum ihr Leichtgewicht entlang der Schwerkraft nach unten zog. Instinktiv glitt sein Raubtiergold an ihre zierlichen Hände, aus denen alles Blut wich unter der ungewohnten Belastung. Es überraschte ihn nicht, dass ihre Beine rasch und geschickt den Weg um seine Taille fanden und sich in lange schon vermisster Festigkeit um sie wanden. Dennoch ließ sie von den dicken Seilen erst ab, als sein Arm ihren Rücken stabilisierte. Noch während er bedachtsam gen Boden sank, fanden ihre Hände in nie vergessener Zartheit an seine Wangen. Das Aufsetzen wurde zur Nebensache, als sie ihre Fingerkuppen auf diese einzig ihr eigene Art hauchzart über seine weichen Dämonenstreifen zu tupfen begann. In diesem Augenblick existierte nichts um sie herum, als ihr Meeresblau sich auf sein Raubtiergold senkte. All ihre Zuneigung lag in dem Blick, mit welchem sie seine Züge nahezu akribisch unter sich abwanderte. Er hatte es nie vergessen, die Wärme, die sich einer Liebkosung gleich Zelle für Zelle um sein Herz legte. Genauso wenig, wie sie sein Antlitz je vergessen hätte können. Die Zeit ging nicht spurlos an seinesgleichen vorbei. Natürlich war das er. Dennoch waren seine Züge prägnanter, seine Konturen geschärfter. Er war gefährlich schön. Als ihr Meeresblau auf seinem Raubtiergold zum Liegen kam, versank er haltlos in dessen Unergründlichkeit. Es war eine vorsichtige Begegnung. Als fürchtete sie gar seine Zurückweisung, stupste ihre Nasenspitze zuerst nur federartig die seine an. Nach wie vor sein raubtierhaftes Gold nicht auslassend, sodass sie die Anspannung, welche seine Augen kaum merklich weitete, genau mitverfolgen konnte. Er erwartete längst die Weichheit ihrer Lippen, ehe diesmal sie die Ihren ganz zart auf seine tupfte, mehr einer Feder gleich denn einer leidenschaftlichen Berührung. Jedoch ein Kribbeln damit in ihrem Inneren entzündend, das sich in dem leisen Erzittern gegen ihre Lippen widerspiegelte. Ihre ersten Küsse erfolgten in solch einer quälend bedachtsamen Langsamkeit, dass allein ein jeder davon einem Öltropfen im Feuer glich, deren Zischen sein Begehr dabei aufpeitschte wie das Prasseln der Flammen. Sie war nicht überrascht, dass er alsbald die Führung übernahm und ergab sich aufseufzend seinem immer drängenderen Tempo. Ihre Arme hatte sie längst besitzergreifend um seinen Nacken geschlungen – einzig der Dornenaufsatz seines Harnisch hielt ihren zarten Oberkörper noch auf Distanz. Das leise Keuchen, das über ihre Lippen glitt, kaum erspürte sie die Maserung des Baumstammes in ihrem Rücken, war Musik in seinen spitzzulaufenden Ohren. Also begrüßte er es mit einem zarten Biss in ihre Oberlippe. Eine Intensität damit schlagartig zwischen ihnen einläutend, die ihr den Atem stahl. Die anfängliche Bedachtsamkeit wich immer mehr der ausgehungerten Sehnsucht. Als seine Küsse darüber an Forschheit immer mehr zunahmen, erspürte sie das vertraute Kribbeln leise in sich erwachen, sobald seine spitzen Reißzähne sie immer öfter neckten. Jede weitere zärtliche Begegnung steigerte die Heftigkeit zwischen ihnen, die Gier nacheinander. Sodass es alsbald schien, als ob sie mit einer jeden davon gedachten, die Distanz, die die Jahrhunderte zwischen sie gelegt hatten, mit reiner Willenskraft zu vertreiben. Sie kannte die schier grenzenlose Ohnmacht, als die Jahrhunderte voller Entbehrung auf sie herniederbrachen wieder; wusste um die eisige Kälte der Einsamkeit um sein Herz, von der er sich hiermit so vehement zu befreien suchte, ebenso wie sie. Und doch schien die alte Verbundenheit noch so schmerzhaft weit entfernt. Erst als sie sich der Notwendigkeit, Atem zu schöpfen, ergeben mussten, lösten sie ihre Lippen voneinander. Schweratmend sank seine Stirn gegen ihre. Sie behielt die Augen noch geschlossen, während sie die Heftigkeit, mit der ihre Brust sich hob und senkte, zu bewältigen suchte. Natürlich war er erfolgreicher und schneller darin. Und so traf ihr bewegtes Meeresblau sein warmes Gold, sobald der verräterische Zug an ihrer Seite sie dazu veranlasste, die Augen zu öffnen. Seine Krallen verursachten ein charakteristisches Geräusch, je nachdem auf welchen Stoff sie trafen. Niemals würde sie diesen Klang vergessen. „Du hast keine Ahnung, was ich dafür eintauschen musste, um an diesen Baumwollmantel zu kommen“, warnte sie mit einem süffisanten Zug um ihre belebt glänzenden Lippen. Unverkennbar, dass sie der Verlust nach wie vor schmerzte. „Offenkundig ein wenig vorteilhafter Tausch, Megami“, kommentierte er in diebischem Genuss. Diesmal vergönnte er es ihr, einen Blick auf sein gefährliches Lächeln zu erhaschen. Es amüsierte ihn diebisch. Zumal auch ihr klar war, dass er sie nicht mehr lange in der einfachen Kleidung herumlaufen ließe, sobald die Vorteile vernachlässigbar gering geworden waren. „Es erlaubt mir eine Unauffälligkeit, die uns auch jetzt zu Gute kommt, wenn du dich erinnern möchtest“, lächelte sie bereits wieder verzückt gegen seine Lippen, als ihr Dämon die Verschnaufpause wohl für beendet befand. Sie erspürte seinen bestimmten Griff um ihren Schenkel, mit dem er ihren Halt um seine Hüfte festigte und sich damit enger zwischen sie bugsierte. Wusste sein raubtierhaftes Gold auf sich festgepinnt, noch während sich das verräterische Keuchen über ihre Lippen davonstahl und erkannte die Gier darin wieder, als sie so unweigerlich ihre von seinen Küssen glänzenden Lippen für ihn öffnete. Noch bevor er sie erneut mit den seinen verschließen konnte, schwappte der Schauder ihrer Erregung wie eine Welle bereits über sie hinweg. Sie erzitterte merklich gegen ihn, sobald sein Atem heiß über ihre Lippen streichelte – und fuhr umso heftiger zusammen, als das gequakte „Sesshōmaru-samaaa?“ durch die gebannte Stille brach. Die Regung erstarb noch darunter auf seinen Zügen, während Ishizu sich darum bemühte, ihre Erregung ebenso hinweg zu atmen, nicht jedoch, ohne dabei ihrem Gefährten einen Blick zuzusenden, der ihm unmissverständlich ihr Missfallen zum Ausdruck brachte. Er war nahe dran, sein schmales Lächeln darüber zu wagen, als die helle Stimme der Miko seine Züge verdunkelte. Sie suchte natürlich nach Ishizu, scheinbar gedachten sie aufzubrechen. Unverkennbar, dass diesmal Ishizu das Missfallen ihres Gefährten traf. „Dein Kröterich hat zuerst gestört“, begegnete sie seinem Blick betont gelassen. Sie spürte die Anspannung, die es ihn kostete, seine Züge darüber ausdruckslos zu belassen, als sie ihn noch einmal in einen sinnlichen Kuss an sich heranzog, noch während er sie bereits an sich hinab auf ihre Füße gleiten ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)