Tenseigas Schutz - I von Amalia-chan (Wo Gegensätze sich berühren, beginnt die Vorstellungskraft) ================================================================================ Kapitel 6: Die Unmöglichkeit ---------------------------- Trennung ist für die Liebe, was der Wind für das Feuer: das schwache löscht er aus, das starke facht er an. (Unbekannt) „Also willst du damit andeuten, dass Sesshōmaru eine solche Bindung eingegangen ist – und ihre Auren verschmolzen sind?“, brach Shippōs kindliche Stimme die prasselnde Stille. „Nun“, räusperte sich der Flohgeist verlegen – es war eine Mutmaßung, nicht mehr, mochte sie auch von seinem so verehrten Meister höchstselbst stammen. „Zumindest ging der Oyakata-sama davon aus in Anbetracht der Verwüstung, die er der freigewordenen Energie der beiden zuschrieb. Er nahm ferner an, dass diese wohl einzig von dem Zauber gebändigt worden war, den die Göttin wirkte, sodass ihre nächtlichen Aktivitäten so lange unbemerkt blieben.“ „Und des veränderten Gottesteins auf ihrer Stirn“, ergänzte Inu Yasha, sodass Kagomes Blick pfeilschnell zu ihm hinaufschoss. Nach wie vor hatte er seine Arme in seinen Ärmeln verschränkt. Sein Gelbgold ruhte allerdings auf dem Flammenspiel, welches über seine Züge tanzte und seinem so anziehenden ernsten Ausdruck etwas Gespenstisches verlieh. Sie war, wie so oft, fasziniert von dieser einzigartigen Mischung der unterschiedlichen Merkmale, welche ihr Hanyō zeigte. „Ja, natürlich, Inu Yasha-sama“, bestätigte Myōga nickend. „Erstaunlich“, lenkte Kagomes Dunkelbraun hin zum Mönch - im Einklang mit Sangos. Miroku schien reichlich verblüfft. Die angehende Miko verstand auch sofort warum. „Sie hätten sich auslöschen müssen, nicht?“ Miroku nickte und gewährte sich noch einen weiteren Moment des Sinnierens, ehe er bestätigte: „Das erscheint zumindest wahrscheinlich, Kagome-sama. Beide Energien sind so geschaffen, dass sie einander bekriegen; der Kampf, der auch im Shikon no Tama ewig währt – und nur dank Narakus Wirken ins Ungleichgewicht gestürzt wurde. Nur, dass eine göttliche Macht…“ „… Nicht der einer menschlichen Miko entspricht. Midoriko-sama in allen Ehren“, endete Sango, was von Miroku mit einem abwesenden Lächeln goutiert wurde. „Ich hatte Sesshōmaru nicht für so mächtig gehalten“, löste ein empörtes Schnauben aus, auf das der Mönch mit einem listigen Lächeln unumwunden reagierte - eine erneute Kopfnuss in Aussicht stellend, die den treuergebenen Diener in sich zusammenschrumpfen ließ. Das war es nicht wert, befand Jaken. Zumal sein Meister ja bereits Gegenteiliges bewiesen hatte. Die Göttin trug sein Zeichen. „Nun, ihre Macht war ja begrenzt auf Erden, nicht?“, wandte Shippō mit Blick zum Flohgeist ein. „Nicht wirklich, Shippō. Wenn sie in Gefahr war, dann konnte sich ihre Macht durchaus zeigen, um sie zu schützen. Und das war nicht ohne. Sie langte sogar nach der Macht Eures ehrenwerten Herrn Vaters, Inu Yasha-sama. Das war etwas, was der Oyakata-sama und ich auch nicht recht verstanden haben.“ „Und, wenn sie es einfach nicht wollten?“, erhob Inu Yashas Gelbgold vom Feuer direkt in Kagomes leuchtende Züge. Nach wie vor hatte sie sich etwas von ihrer Unschuld und Gutmütigkeit bewahren können, die ihn zu anfangs vor Unverständnis regelmäßig toben hatte lassen, hatte sie sie doch in unzählige unfreiwillige Abenteuer gestürzt, allen voran wohl auch das Zersplittern des Juwels. Wie auch immer sie das geschafft hatte. Zuweilen war sie immer noch das unschuldige Mädchen aus der Zukunft, das einfach nur helfen wollte und an das Gute glaubte. „Es braucht den Willen zur Bindung, Kagome-chan. Das ist wohl wahr“, traf Sangos Blick Inu Yashas undeutbare Züge. Er schien keinen Einspruch erheben zu wollen, als bereits Miroku den für ihn wesentlich interessanteren Punkt ansprach. „Dennoch war diese Bindung noch gar nicht geschlossen, als die Göttin wohl schwanger wurde. Das ist kein reiner Willensakt. Irgendetwas gibt es da, was uns noch entgeht. Wissen wir, was aus diesem Kind geworden ist“, richtete aller Aufmerksamkeit zurück auf den Zeitzeugen. „Mein ehrenwerter Meister gab den beiden die darauffolgende Nacht, um sich zu verabschieden. Das war das letzte Mal, soweit mir bekannt, dass Sesshōmaru-sama etwas von seiner Gefährtin hörte.“ „Also weiß Sesshōmaru nicht einmal, ob es lebt“, beorderte Kagomes Dunkelbraun schockiert auf ihre Freundin an ihrer Seite. Es fiel ihr erst jetzt wie Schuppen von den Augen. Kein Wesen konnte solch eine Gegensätzlichkeit in sich vereinen, nun, zumindest hatte sie von noch keinem gehört. Und als ihr Blick den nicht minder mitleidsvollen ihrer Freundin traf, wusste sie, dass auch die Dämonenjägerin um keine Ausnahme wusste. Das war grausam, befand sie. Mirokus Miene war angespannt. Er wirkte nervös, fast schon beunruhigt, als sein Blick den Flohgeist maß. „Nein, natürlich war das auch den beiden klar. Solch ein Wesen hatte es noch nie gegeben - und die Chancen standen denkbar schlecht, dass die Seele der Gegensätzlichkeit, welche ihr naturgegeben innewohnte, standhalten konnte. Dennoch mussten Vorbereitungen getroffen werden – für den Fall. Eine Größe, welche euer verehrter Vater, Inu Yasha-sama, nur den wenigsten Dämonen zutraute.“ Alle wussten, wen das unumwunden mitausschloss. „Und warum hat Sesshōmaru sie dann gehen lassen?“, platzte Shippō mit dem Offensichtlichen heraus. „Weil ein solches Mischwesen nirgendwo sicher ist. Wir sehen bereits, was das Shikon no Tama anrichtet. Dieses Kind stellt den Zugang zur Macht der Götter dar - und die Möglichkeit, sie zu vernichten“, erklärte Miroku so nüchtern, dass es Kagome eisig den Rücken hinabrann. „In der Tat. Nicht einmal der Oyakata-sama maß sich an, es schützen zu können. Zumal diese Macht den Sehnsüchten aller Yōkai hilflos ausgeliefert war. Durch den dämonischen Vater wurde sie zugänglich für alle Wesen der Dunkelheit.“ „Er schickte sie also bewusst zurück?“ Es war für Kagome unvorstellbar, wie hart diese Entscheidung gewesen sein musste. Ohne zu wissen, ob das Ungeborene leben durfte. Sie hatte es nie für möglich gehalten, dass Sesshōmaru darauf verzichten konnte, ein Wesen zu schützen, das ihm wichtig war. Unwillkürlich überflog ihr dunkles Braun die schlafende Mädchengestalt. Längst ging sie nicht mehr davon aus, dass sein Ungeborenes ihm nicht wichtig gewesen war. Solch eine Größe hatte sie dem Inuyōkai, der Inu Yasha aufgrund Tessaigas nicht nur einmal nach dem Leben getrachtet hatte, wirklich nicht zugetraut. „Ja, Kagome. Euer verehrter Vater, Inu Yasha-sama, konnte Sesshōmaru-sama letztlich verdeutlichen, dass einzig der Gott der Götter die Macht besaß, sie aus der Reichweite aller, die nach der Macht der Götter strebten, herauszuhalten.“ Jakens gelbe Glubschaugen wanderten derweil verstohlen die im flackernden Feuerschein friedlichen Züge Rins ab. Das warf alles natürlich in ein etwas anderes Licht. Einzig Rin und das väterliche Erbe vermochten es, bei seinem stolzen Meister so manch befremdlichen Sinneswandel hervorzurufen. Sesshōmaru-sama hörte auf Tenseiga. Es hatte ihn dazu gebracht, Rin, ein Menschenmädchen, wiederzuerwecken. Etwas, das dem Inuyōkai, der ihn damals so beeindruckt hatte, nie in den Sinn gekommen wäre. Und noch weitere solcher Seltsamkeiten, die sich häuften, kaum hatte sein Meister begonnen, dem väterlichen Erbe zuzuhören. Selbst er hatte Tenseigas Macht diesmal vernommen – und die befremdliche Reinheit, welcher seinem Yōki anhaftete. Auch Inu Yashas Gelbgold verweilte längst wieder auf dem Menschenmädchen seines Bruders. Und da machte der es ihm zum Vorwurf, sich von Kikyō an den Heiligen Baum gebannt haben zu lassen. Dabei hatte der da längst die Weltordnung gefährdet, indem er mit der Göttin das Unmögliche schuf. Automatisch entkam ihm sein so charakteristisches „Keh!“ Es beorderte sogleich Kagomes Dunkelbraun misstrauisch verengt auf ihn, sodass er wie gewohnt mit einem reichlich verwirrten „Kagome?“ in Deckung ging. Sofort sprang Sango auf und eilte unter der verwirrten Musterung Kohakus an Kagomes Seite, um ihre Freundin zu beruhigen. Die hatte sich mittlerweile erhoben, die Arme in vertrauter Pose zu ihren Seiten gestreckt fuhr sie den Halbdämon in alter Manier an: „Wie kannst du nur so wenig Mitgefühl zeigen, Inu Yasha!“ „Kagome-chan“, bemühte die Dämonenjägerin. Doch als sie ihre Hände um die vor Zorn bebenden Schultern der Mikoanwärterin in dem befremdlichen Gewand legte, entwand die sich ihr und stapfte wütend gen Ausgang. Natürlich war auch ihr klar, dass die Erschütterungen eines Befehls kaum der Stabilität der Höhle zuträglich sein konnten. Inu Yasha entspannte sich merklich und erhob sein Gelbgold fast schon dankbar zu Sango hinauf. Deren Züge spiegelten jedoch einen solchen Vorwurf wider, dass er sich doch dazu entschied, Kagome nachzusetzen, ehe die sich wieder in Schwierigkeiten brachte. Er hatte nicht die Zeit gefunden bei ihrer raschen Suche nach einem Unterschlupf, die nähere Umgebung abzusichern. Miroku kam gerade an ihre Seite, als das altbewährte „Inu Yasha, Osuwari!“ nur mehr Kohaku überrascht blinzeln ließ, während Shippōs „Oh Mann“ -Stoßseufzer allen anderen aus der Seele sprach. Unweit entfernt rauschten die Wassermassen wieder ungestört an ihm vorbei. Eine stete hintergründige Untermalung damit bietend, an welche sich sein Gehör längst gewöhnt hatte. Also erreichte ihn die vertraute Stimme klar und deutlich, mochte er auch für den ersten Moment abgelenkt gewesen sein; von der vertrauten Zartheit ihrer Erscheinung; dem so lange schon vermissten Herzschlag, welcher sich mit dem Tag ihrer Bindung an den seinen angepasst hatte. Ihr Herz schlug nun schneller, lebendiger. Ihre Körperwärme hatte sich der seinen angenähert, mochte sie auch nach wie vor noch beängstigend kühl sein für ein diesseitiges Wesen. Er hatte die Bandbreite in ihrer Temperatur nie vergessen, wusste, dass sie sich dem normalen Bereich annähernd zugewandt hatte- vor einer geraumen Weile bereits. Er kannte einen jeden Rhythmus, welchen ihr Puls annehmen konnte. Demnach war ihm die Veränderung in ihrer Atmung sofort aufgefallen. Und doch hatte ihn das zarte Rot ihrer Wangen für den Moment gefangen gehalten. Diesmal war sie wirklich hier. Wie oft sie diesen Moment bereits gesehen haben mochte? Genau so oft, wie ihm seine Sinne die üblichen Streiche gespielt hatten oder er dem dunklen Firmament eine Reaktion andichten hatte wollen? Und wieder hatte ihn nichts darauf vorbereiten können, wie es sich anfühlte, sie nach all der Zeit einfach nur im Arm halten zu können. Sein Raubtiergold funkelte charakteristisch im fahlen Licht seines Himmelskörpers, als ihr schattenhaftes Götterblau ihn von Neuem zu verschlingen drohte. Er fühlte sich wie gelähmt- unfähig dazu, eine Regung zu zeigen. „Mir geht es gut, verzeih“, entsprach nicht den Tatsachen. Er vernahm deutlich die Unruhe in ihrer Aura, spürte das Flackern ihrer nur allmählich zurückkehrenden Lebensenergie. Es steigerte nur die Vorfreude auf den Moment in ihm, an dem ihm dieser Abschaum eines niederen Dämonenhaufens das nächste Mal zwischen die Klauen kam. Als die Unsicherheit in ihrem unergründlichen Blau aufflammte, wagte er keinen Einspruch, sondern bemühte sich um Ausdruckslosigkeit. Sie hatte ihn nicht sorgen wollen. Er ahnte, dass sie glaubte, keinen anderen Weg gesehen zu haben. Was auch immer dies zu bedeuten haben mochte, es hatte ihm einen Moment mit ihr geschenkt – so wenig er auch noch daran geglaubt hatte. Er beschloss also, nicht weiter darauf einzugehen, sondern sich drängenderen Fragen zu widmen. „Ich spüre nichts“, hätte eine jede andere falsch verstanden. Natürlich wusste sie, was er meinte. Er vermisste ihre einzigartige Verbundenheit, welche sie nach wie vor nicht gewohnt waren, oder besser, an welche sie sich bis jetzt nicht hatten gewöhnen können. Umso heftiger war ihre letzte Konfrontation erfolgt. Ishizu entglitt ihr nachsichtiges Lächeln, während sie instinktiv den Blick senkte, sobald sie sich an die Wucht erinnerte, mit welcher seine Gegenwart auf sie hereingebrochen war. Auch jetzt war ihm wieder, als verlöre er jegliche Bodenhaftung – als wären die letzten 4 Jahrhunderte der Trennung bedeutungslos. „Ich wirkte einen Zauber. Dieses Mal. Er wird sich allmählich verflüchtigen.“ Er meinte zu verstehen, konnte er sich doch noch an die mächtige Empfindung erinnern, welche ihm das letzte Mal beinahe die Luft zum Atmen genommen hatte, kaum, dass sich ihre Energie auf ihre Welt gesenkt hatte. „Tessaiga“, schien nüchtern. Zu nüchtern. Es offenbarte unverhohlen den Vorwurf - und lenkte ihren Blick schuldbewusst ab auf sein Fell, welches sie in so lange ersehnter Weichheit umschlang. Natürlich hatte sie damit gerechnet, seitdem sie ihr Schutzversprechen gegeben hatte. Nichtsdestotrotz fiel es ihr schwer, weil sie nicht nur um den empfundenen Verrat an ihm wusste. Er war lange Zeit sein einziger Sohn gewesen. Müßig, auf sein Verständnis zu hoffen. „Es war sein letzter Wunsch. Ich hatte gehofft, du könntest versuchen, es zu verstehen“, erhob ihr Götterblau dennoch hoffnungsvoll in sein unnachgiebiges Dämonengold. Wie hätte sie es dem väterlichen Freund und Mentor ausschlagen können, hatten sie doch ähnliche Überlegungen damals zu ihrer Entscheidung bewogen. Es lag ihm fern, es auch nur im Ansatz verstehen zu wollen. Inu Yasha war der Hanyō seines Vaters – und ganz und gar nicht ihr Belang. Ob er lebte oder starb, oblag dessen Vermögen allein. Hielten es die Götter nicht für gewöhnlich ähnlich mit weltlichen Belangen? Ihr nachsichtiges Lächeln, welches sein raubtierhaftes Gold daraufhin auffing, verengte seine Augen in Skepsis. „Dazu muss ich deine Gedanken nicht lesen können. Was mir übrigens genauso wenig möglich ist, wie dir derzeit. Allerdings habe ich dieses Gespräch gefühlt bereits unzählige Male mit dir geführt – bitte, lass es uns vertagen.“ Als sich ihre Hand nach seiner Wange zu strecken begann, fühlte er sich wie erstarrt ob der so lange schon nicht mehr vertrauten Berührung. Im Augenwinkel registrierte er ihr Erzittern, ehe er sie kurz davor stocken sah. Ein unliebsamer Verdacht keimte in ihm, während er die wenige Restdistanz einem inneren Impuls folgend überwand. Wie ein Stromschlag senkte sich ihre federleichte Berührung über sein Sinnesnetz, als sein geweitetes Gold bewegt in ihr unergründliches Meeresblau stach. Er sah die Überraschung aufflammen - neben der Ruhe, welche sich auch endlich über sie breitete; spürte wie sie sich in seinem Arm entspannte, genauso, wie die Entspannung sich auch wohlig seines Körpers bemächtige. Es war müßig, sich jetzt zu streiten. Sie fühlte sein eigenes Erschaudern unter ihren Fingerkuppen, erstaunt ob der leisen Gänsehaut, welche sie zuerst nicht recht mit ihm in Verbindung zu bringen vermochte. Nie hatte sie erwartet, dass er so reagieren konnte. Ihr Lächeln verbreiterte sich mehr und mehr, während sie sich in kleinen Schritten an die alte Vertrautheit herantastete. Sie genoss die Weichheit seiner Wange, die so lange schon vermisste Intimität, welche im Augenhintergrund für sie immer noch verborgen lag. Mochte er sie auch noch so tief in sich vergraben haben. „Was tust du hier, Ishizu?“, trieb ihr einen traurigen Zug über ihre zartrosanen Lippen. Allein ihr Name von seinen Lippen jagte ihr einen Schauer den Rücken hinab, von solcher Heftigkeit, wie selbst sie ihn nicht erwartet hatte. Es ließ sie leise in seinem Arm erbeben, sodass er seine Umarmung wohl instinktiv festigte. Selbstverständlich kam es nicht überraschend. Es war nur natürlich, dass er fragte. Dennoch entwich ihr ein leiser Atemzug, hauchzart, als hätte der Wind auf seinem Weg in die angrenzende Finsternis des Waldes lediglich über den Stoff gestreichelt, welcher ihre Brust bedeckte. Um ihre wild auflodernden Gefühle letztlich in beruhigtere Bahnen zu führen, an verstummen lassen, war nicht zu denken, legte sie ihre zierliche Hand knapp über seinem Harnisch ab, suchte so den Kontakt, der ihr über Jahrhunderte hinweg unmöglich gewesen war. Dann erst erhob sie ihren Blick abermals zu ihm hinauf. „Ayumi. Sie muss wissen, wer sie ist“, ließ seine Miene erstarren - von einem Wimpernschlag auf den nächsten. Sie glaubte fast selbst mit hinein in das Wechselbad an Empfindungen gezogen zu werden, in das ihn allein die Gewissheit zu stürzen vermochte. Er hatte ihr ihre Existenz gestattet. Seine Tochter durfte atmen. Sie ging, sie sprach - höchstwahrscheinlich. Nahm er an. Nach wie vor ruhte ihre zierliche Hand auf seiner Brust, während sie das Flackern in seinem dämonischen Raubtiergold aufmerksam verfolgte. Stumm gewährte sie ihm die Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Fasziniert von der Unruhe, welche einzig in seinem so fremdartigen Gold loderte. Nicht einmal sie wagte, zu mutmaßen, was genau nun in ihm vorging. Als sie sein Raubtiergold wieder annähernd beruhigt auf sich glaubte, begegnete sie ihm mit ihrem offenen Lächeln. Unsagbar dankbar für den endlich vergönnten gemeinsamen Moment. „Willst du sie sehen?“, entriss ihm seine Fassung von Neuem. Nicht, dass ihm die Züge entglitten wären. Einzig ihr abermaliges Erstarren bezeugte das tiefe Ausmaß seiner bodenlosen Überforderung. Er brauchte tatsächlich einen Moment, ehe er begriff, dass sie ihn erwartungsvoll anschwieg – und einen weiteren, bis sich ihm erschloss, dass er die Augen schließen sollte. Ihr zartes Schmunzeln war von liebevoller Nachsicht gezeichnet, bevor auch sie leise Atem schöpfte und begann, ihre Augenlider zu senken. Ihre Energie prickelte angenehm über seine Haut, als sie sie in ihrer Hand auf seiner Brust sammelte - angenehmer als er es erinnerte. Dann hellte sich bereits die Dunkelheit unter seinen Augenlidern immer stärker auf. Zuerst war es ein kleiner heller Punkt, der sich immer mehr vor ihm ausbreitete, um sich schlussendlich zu einer Art verschwommener weißer Wand vor seinem Sichtfeld zu entfalten. Die Helligkeit pikste in seinen spitzen Augen, sodass er die reine Magie dahinter erahnte, auch wenn sie nicht nach ihm langte. Er erkannte sein feines Silber, bestaunte das kleine noch rundliche Gesicht, welches dick umhüllt einzig seine Sichel deutlich auf ihrer Stirn offenbarte. Noch waren ihre Proportionen so kindlich, dass die dämonische Zeichnung unverhältnismäßig riesig auf ihrer Stirn thronte. Wie ein Mahnmal ihrer so einzigartigen Abstammung. Der Hintergrund war von unnatürlicher Leuchtkraft und wirkte verschwommen, ganz so, als rann Wasser an dessen Helligkeit hinab. Dennoch glaubte er die vielen Lagen an Stoff, in welche ihre winzig kleine Gestalt gewickelt war, weich aufgrund der Mattierung. Lange dunkle Arme schoben sich in sein Blickfeld, sodass er alsbald erkannte, dass sie ihr in die Arme gelegt wurde. Sie zeigte ihm den Moment ihrer Geburt? Seine Tochter erschien ruhig, ihre Augen waren vor Neugier weit aufgerissen und zeigten die harmonische Vermischung ihrer gegensätzlichen Merkmale. Ihre Pupillen waren spitz - wie die Seinen, jedoch weit von der smaragdgrünen Iris in den Hintergrund gedrängt - ganz so, wie es die Eigenart ihrer Art war. Als der Hintergrund in Schwingung geriet, wusste er, dass sich das Bild änderte. Jetzt vermeinte er die leuchtende Helligkeit stechender, als sich vor ihm ein Raum in befremdlichem Weißgrau auftat. Diesmal trat die Wand klar hervor. Sie war deutlich gewachsen, ihre Proportionen die eines kleinen Dämonenmädchens. Das Haar trug sie zu einem Zopf hoch über ihrem Hinterkopf gebunden. Es war geflochten und schwang im Rhythmus ihrer verspielten Bewegungen, als sie an der Hand einer fremden Frauengestalt Richtung Türen schritt. Ihr Gesicht hatte sie mit einem breiten Lachen hinter sich gerichtet - wie er annahm zu ihrer Mutter, welche erneut ihre Perspektive mit ihm teilte. Er hörte nicht, was sie sagte, sah einzig ihre schmalen Lippen sich zu einer hastigen Erwiderung spannen und entspannen. Sie schien fröhlich – und hatte die Schönheit ihrer Mutter geerbt. Diesmal vermeinte er mehr als eine Schwingung beobachten zu können. Es glich mehr einer neumodischen Buchseite, welche reichlich zittrig umgeblättert wurde. Kurz überkam ihn wieder die vertraute Dunkelheit, ehe sich das grelle Weiß vor ihm erneut auftat. Erst verschwommen dann immer klarer hoben sich alsbald die vertrauten Konturen vor ihm ab. Sie musste jetzt so alt sein, wie Ishizu sie ihm einst gezeigt hatte. Ai meinte er sofort wiederzuerkennen. Wieder überstrahlte ihre Fröhlichkeit ihr so feinzügiges Gesicht. Ihre Gliedmaßen waren lang, der Körper schmal, sodass ihn ihr raubtierhafter Gang nicht überraschte. Dennoch fehlten ihr jegliche dämonischen Zeichnungen. Sie kam auf Ishizu zu, die Wolfartige an ihrer Seite. Als die leuchtend helle Waldlichtung wellenartig zu knittern begann und immer mehr an Schärfe verlor, erahnte er längst den Grund. Schlagartig öffnete er die Augen, während ihre Magie ihn nur mehr unruhig umfloss. Sie begegnete dem nur allzu vertrauten Tadel in seinem Gold mit einem um Verzeihung heischenden Zug um ihre zartrosa Lippen. Zu lange hatte sie darauf gewartet, als dass sie sich der Vorsicht ergab, welche er so rigoros einforderte. „Wo ist sie?“, war nur allzu natürlich. „Hilfst du mir auf?“, erkaufte ihr Zeit. Er ließ es zu. Mit einem reichlichen Unwohlsein im Magen. Behutsam fühlte sie sich da bereits von seinem Arm in die Senkrechte gestützt – unter seiner aufmerksamen Musterung, ehe er sich mit ihr erhob. Sie spürte den leisen Zug, folgte ihm unter dem altbekannten Kribbeln, welches sich wohlig in ihrer Mitte sammelte, als ihre Hände automatisch an seine Brust fanden. Laut rauschte ihr Blut in ihren Spitzohren, als ihr Herz einen drängenderen Rhythmus aufnahm – deutlich unterscheidbar von dem festen und gleichmäßigen Schlag, welchen sie noch unter ihrer einen Hand erfühlte. Längst existierte einzig wieder sein dämonisches Gold für sie. Sein so einzigartiges Funkeln in seiner ererbten Finsternis. Wieder verdrängte es jede andere Wahrnehmung aus ihren Gedanken. Als der altbekannte Schwindel sie zu überkommen drohte, brach sie den intensiven Moment unter einem Blinzeln und senkte den Blick. Wieder war da dieser entschuldigende Zug um ihre Lippen, als sie sich von ihm löste. Unverkennbar, sie wich ihm aus. Aufmerksam folgte er ihren noch unsicheren Bewegungen ins Wasser, bot ihr Halt, sobald ihre Hand nach eben diesem verlangte und wartete doch erst einmal stumm ab. Sobald sie knietief im Wasser stand, hielt sie an, um in einem tiefen Atemzug die Augen zu schließen. Er registrierte den leisen Anstieg ihrer Aura, hörte das sie umspülende Wasser erneut die Strömungsrichtung anpassen und beobachtete das erwartete Aufglühen seiner Sichel an ihrer Stirn. Diesmal spürte er ihr Erstarken in sich widerhallen. Es entspannte auch seine Züge kaum merklich, mochte sein Augenmerk sie auch ungerührt fest erwarten, sobald sie ihr göttliches Blau wieder aufschlug. Eine nur zu deutliche Forderung. Er hegte längst wohl seine Befürchtungen – nicht zu Unrecht. Ob Inu Yasha gar? Sie tat den Gedanken rasch ab. Es spielte keine Rolle. Sie wollte vorsichtig sein – um seiner Nerven willen. Doch schätzen tat er einzig Tatsachen. Wer wusste das besser als sie. Also verließ es ihre Lippen nüchtern: „Ich weiß es nicht genau. Euer Hanyō hat sie.“ Und als sich sein Blick merklich verengte, sah sie sich doch wie zu erwarten dazu gezwungen, zu beruhigen: „Ai ist bei ihr. Und ich kenne jemanden, der sie finden kann.“ Es entspannte seine Miene kein bisschen, glaubte er doch, sich zu verhören. Genau aus diesem Grund hatte er sie gehen lassen! Also hatte Inu Yashas Nase sich nicht geirrt. Sein Blick war vernichtend, der sie nun traf. Unmöglich, den Vorwurf darin auch nur zu verkennen. „Sie war damit einverstanden- und wollte helfen“, verhärtete seine Züge nur noch mehr. Ihr entwich ein leises Seufzen. „Sie weiß, dass sie ruhig bleiben muss“, ergänzte sie daher bemüht um Besänftigung. Es bescherte ihr eine argwöhnische Musterung ihrer Züge. Was für ein göttliches Spiel sollte das sein? Jetzt kräuselte die Göttin ihr Stupsnäschen im alten Argwohn. Sie nahm einen tiefen Atemzug, um weit mehr als nur ihre Miene zu ordnen. Nicht, dass sie je angenommen hätte, dass das leicht würde. Dennoch, wie konnte er es nur wagen, ihr zu unterstellen, sie spielte mit dem Leben ihrer gemeinsamen Tochter? „Es kann unmöglich dein Ernst sein, mir das vorwerfen zu wollen. Dein Volk hat es zum Initiationsritus erhoben, euren Nachwuchs allein in die Wildnis zu schicken, um sich zu bewähren, nicht meines.“ Ihre Empörung prallte förmlich an seiner kühlen Fassade ab. Also hatte sein Vater ihr auch das letztlich erklärt. Wo lag der Unterschied? „Wobei helfen?“, erfolgte eisig. „Magatsushi und Midoriko, die beiden gegensätzlichen Energien im Juwel der vier Seelen, bringen ein Ungleichgewicht in diese Welt. Ähnlich wie Ayumi, nur wesentlich anfälliger. Erst recht in den Händen eines Halbwesens wie Naraku eines ist.“ „Es wäre Euresgleichen ein Leichtes gewesen, sein Entstehen zu verhindern“, schnitt sein Tenor grausam nüchtern dazwischen. „So gehen wir das nicht an - und das weißt du auch. Wir hatten gedacht, Inu Yasha und Kikyō, die Miko“, ergänzte sie mit vorsichtigem Blick in seine nach wie vor ausdruckslosen Züge. Er zeigte mit keiner Regung, ob es ihn überhaupt kümmerte, wer sie war. „Jedenfalls kam euer Hanyō dazwischen.“ Es genügte ihm, um zu verstehen. Sie hatten sich seinen Halbbruder und diese wandelnde Tote zu Nutze machen wollen. Ihm wäre ein Seufzen entkommen, stünde ihm dies zu. So wahrten sie den Schwur, indem sie sich mit dem indirekten Eingreifen in die Geschicke mittels ihrer Schützlinge begnügten. Der Grund also, wieso seine Gefährtin darin überhaupt verwickelt worden war - und mit der Hauptgrund, warum sein Volk den Weg der Götter ablehnte und die Dinge lieber in die eigenen Klauen nahm. Seine Ausdruckslosigkeit mutete fast etwas Beleidigendes an, mit der er ihr daraufhin begegnete. Es erklärte noch immer nicht zufriedenstellend, warum sie ausgerechnet ihre Tochter mit auf ihren Alleingang hatte nehmen müssen. Es war offenkundig, dass ihr Vater hiermit nicht übereinstimmte. „Ihr wird nichts geschehen. Der Schutz des Palastes verbietet eine jede Handlung gegen eine der Unsrigen. Mein Vater hat sie unter seinen persönlichen Schutz gestellt.“ „Was will er von ihr?“, klang mehr nach einem Befehl an seinen grünen Gnom denn der Frage an die ebenbürtige Gefährtin. Wieder bedurfte sie eines tiefen Atemzugs. Es war es nicht wert, darüber zu streiten. Für Grundsatzdiskussionen musste sich ein anderer Moment finden, einer, in dem sie besser beieinander waren. „Erinnerst du dich an die Nacht nach dem Mondfest. Ich hatte einen seltsamen Traum.“ Und als ihm die Erinnerung den Blick verengte, erläuterte sie sehr zu seinem Unwohlsein: „Es war kein Traum.“ Mehr wagte sie nicht. Die Andeutung musste genügen - und sie sah, dass sie ausreichte, um ihm die Züge in Ekel zu verhärten. Es hatte sie in Erstaunen versetzt, dass seine ungeborene Tochter ihm tatsächlich die Kräfte gebannt hatte. Heute wusste sie, dass sie sich nach Ausgleich und Harmonie sehnte. Es entsprach ihrem Wesen. Ein Charakterzug, der den Dämonen weniger entsprach- und dem Vater damit kaum gefallen würde. Kurz legte sich ihre Miene in Sorgenfalten, ehe sie seine Züge abwanderte, während sich die Erkenntnis auch in ihm an die Oberfläche kämpfte. „Ayumi“, kam fast an eine Frage heran – wenn er sie auch einer Schlussfolgerung gleich unerschütterlich fest ausformulierte. Sie nickte knapp: „So offenbarten sich wohl ihre Kräfte.“ „Demnach verfügt sie über die Zeit?“ „Nicht ganz, aber sie kann sich zwischen den Welten bewegen“, vermeinte Ishizu kurz die Anerkennung im väterlichen Raubtiergold aufblitzen zu sehen. Ihr entglitt ein leises Schmunzeln, welches sie besser unter ihrem gesenkten Blick verbarg. Es gab natürlich auch Dinge, die den Dämonenvater platzen lassen würden vor Stolz. Zu ihrer großen Erleichterung. „Deshalb kannst du sie nicht finden“, bestätigte ihm Ishizu nickend. Demnach nutzte der Hanyō seine Tochter dafür, um sich in den Dimensionen zu verstecken, wie dieser Feigling es stets zu tun pflegte, um sich zu regenerieren. „Woher weiß er davon?“, erhob ihr Götterblau in sein verengtes Raubtiergold. Er erkannte die Anerkennung darin, wenn er sie auch noch nicht recht verstand. Worauf war er gestoßen? „Er dürfte es nicht wissen- niemand außer den Meinigen weiß von unserer Tochter. Ich durfte ihr nicht einmal sagen, wer du bist. So schützt mein Vater sie - und mit ihm sein Palast.“ Also vermutete sie einen der Ihrigen hinter der Sache. Und Ayumi diente freiwillig als Köder, um den Verräter zu entlarven. Wieso ließ sie das zu? „Ihr kann nichts geschehen - Vaters Schutzversprechen verbietet Meinesgleichen auch nur irgendetwas preiszugeben, was sie gefährdet.“ Das war keine Sicherheit. Wer wusste schon, was der Hanyō diesmal wieder für Wege fand. „Ai?“ Immerhin war sie ungewöhnlich stark geschwächt – Saimyōshō hin oder her. Ob ihr Gefäß zu weit entfernt war? „Sie wurde ebenso vergiftet“, lenkte ihren Blick beschämt auf das Wasser. Natürlich wusste sie, dass ihm diese Schutzlosigkeit ganz und gar nicht genügte. Sein Schweigen lastete zentnerschwer auf ihr, dennoch musste sie ihn erinnern. „Auch wenn ich froh bin, dass er dich gekränkt hat“, erhob ihren Blick in seine nach wie vor ungerührten Züge. Es hob nicht einmal mehr seine Augenbraue. Sogar in seiner Mimik war er minimalistischer geworden. Was hatte ihm Tessaiga noch alles genommen? Innerlich seufzte die Göttin schwer, ehe sie sich dazu durchrang fortzufahren: „Er ist nicht dein Gegner.“ Den vernichtenden Blick aus zu Schlitzen verengtem Raubtiergold hatte sie dagegen erwartet. Sie verbat es sich auch nur in ihrer Mimik zu wanken – und begegnete ihm unnachgiebig fest. Müßig ihr zu erklären, dass der Hanyō damit für ihn eine Grenze überschritten hatte, die sie letzten Endes ihn hatte überschreiten lassen. Es gab einen Grund, warum Seinesgleichen die Götter mied. „Es bedroht deine Existenz“, lenkte er schlussendlich ein. Und damit die seiner Tochter. „Unser aller“, verbesserte sie. Das war ihm Einerlei. Damit hatte er nichts zu schaffen. Wenn sich die Götter nicht selbst helfen wollten, war ihm das gleich. Als sie den Schritt aus dem Wasser auf den Rand tat, reichte er ihr seine Klaue. Es schenkte ihm ihr bezauberndes Lächeln, als sie die Hilfe dankbar annahm. Überrascht entwich ihr ihr Atem, als er sie behutsam an sich zog. Wieder wich sie ihm aus, als ihr Blick auf ihre Hand in seiner Klaue glitt. Ihre andere Hand legte sie auf seiner Brust ab und genehmigte sich unter seiner akribischen Musterung einen weiteren Atemzug, ehe sie ihr unergründliches Blau zurück hinauf in sein geklärtes Gold erhob. „Hilfst du mir?“, war nur ein Wispern. Jetzt genehmigte er sich den Moment, um ihre Züge ausgiebig abzuwandern. Nicht, weil er überlegte. Er suchte nach einem Anhaltspunkt für ihre Distanz. Sie wappnete sich, als sie die Ahnung in seinem raubtierhaften Gold auflodern sah, wenn auch noch verhalten im Hintergrund. Er nickte, kaum merklich, wie er es stets getan hatte. Eine vertraute Geste, die sie schmerzte und ihr Herz mit Sehnsucht überschwemmte. Wieder musste sie sich ihm entziehen, als sie die Last der Schuld zu überwältigen drohte. Es war nicht der rechte Augenblick dafür. Nicht jetzt. Sie erzitterte kaum merklich, als seine Klaue sie auf eine einzig ihm innewohnende Art und Weise zärtlich am Kinn unterfasste und ihren Blick behutsam in sein Raubtiergold erhob. Sie genoss seine Berührung ebenso sehr, wie sie seine prüfende Musterung lange bereits gefürchtet hatte. Mochte er ihr auch regungslos begegnen, so erahnte sie das leise Funkeln in dem so lange vermissten Raubtiergold. Wie sollte sie ihm das erklären? Ihre Tochter kannte nichts Dämonisches, wusste nichts von der Dunkelheit, nichts über ihre Seltsamkeiten. Natürlich hatte sie die Gelegenheit herbeigesehnt, ihr seine Welt zu zeigen und hatte allen Grund, den Vater aufzusuchen. Der Hanyō mit dem Shikon no Tama bedrohte sie und ihre Welt- und anders als ihr Vater, wollte sie dagegen vorgehen. Dennoch, war sie ehrlich, so war dies nur die halbe Wahrheit. Damit entzog sie sich seiner ausdruckslosen Musterung. Er hatte es längst erkannt. Die Scham, welche ihren Blick nun senkte. „Verzeih mir“, überraschte ihn trotz allem. Nur weil sein Augenmerk auf ihrem Pechschwarz ruhte, vermochte er es, den Blick an sein Schwert aufzufangen. Der Verdacht verdichtete sich. „Tenseiga“, suchte nach Bestätigung. „Ich bat um eine Verlängerung ihres Lebens“, irritierte ihn. Was auch immer sie da zugab, er wusste zuerst nicht, auf wen sie sich bezog. Doch als diesmal sie ihren bewegten Blick in sein Dämonengold erhob, erkannte er die Regung darin. „Rin“, schloss ihr die Augen vor Scham und senkte ihren Kopf. Ein eindeutiges Schuldeingeständnis damit ablegend. Deshalb paktierten Dämonen nicht mit Göttern. „Sie starb mit ihrer Familie“, erreichte ihn längst wie durch einen Schleier aus Wut und bitterböser Empörung. Sie wusste genau, was sie da getan hatte. „Ich bin dein Gefährte“, war eisig. Er war keiner ihrer Schützlinge. Sie hatte sich nicht in sein Leben einzumischen. Nicht so. Natürlich entging ihm die leise Regung, welche über ihre gesenkten Züge huschte. Es geschah zu schnell, als dass sie es noch aufhalten konnte, sodass es ihre Lippen einem Flüstern im Wind gleich und dennoch messerscharf in seiner Klangfarbe verließ: „Tatsächlich.“ Auch wenn es nur ein einziges Wort war, so war es doch von so vielen Nuancen gefärbt, dass es einer Bestätigung gleichkam, die ihm die Augen für den Moment schloss. Jetzt endlich verstand er ihr Zögern, ihre Zurückhaltung, die Distanz. Umso mehr erstaunte ihn ihr leiser Laut der Resignation an seiner Brust. Es lenkte seinen Blick interessiert auf ihren schwarzen Schopf. „Entschuldige, es steht mir nicht zu“, erschloss sich ihm nur, weil er sie gut kannte. Weil er ihre Art kannte - und den irrsinnigen Anspruch, sich aus allem Irdischen rauszuhalten, sich neutral zu verhalten. Als ihr Meeresblau bewegt sein Gold suchte, brauchte er längst keine Erklärung mehr. Dennoch ließ er es ihr. „So funktioniert das nicht. Du kannst wählen. Immer. Tenseiga nimmt einzig Rücksicht auf meine Empfindungen“, ermöglichte ihm eine Ahnung darüber, warum sein Schwert an der Windherrscherin gescheitert war. „Ich sah mich nicht im Stande dazu, einzugreifen. Verzeih mir“, offenbarte und bestätigte, was tatsächlich zentnerschwer auf ihren zarten Schultern wog. Ein jedes Wort bezeugte die tiefe Reue, die sie darüber empfand. Er war fassungslos. Auf welche seltsame Art und Weise Tenseiga und ihr Wille auch aneinandergebunden waren. Nur Götter waren so weltfremd, ein Schutzversprechen derart auslegen zu wollen. Eine jede Dämonin hätte ihre Krallen an der Windherrscherin allein für ihre erste Schutzforderung an ihn gewetzt. Dem Schwert also den Dienst an Kagura zu verwehren, wäre nur allzu natürlich gewesen. Doch seine Göttin entschuldigte sich bei ihm dafür, Tenseiga die Rettung eben dieser nicht befohlen zu haben, als eben dieses Schwert sich verweigert hatte - aus Rücksicht auf ihre Gefühle. Damit unterfassten seine krallenbesetzten Finger ihr Kinn erneut auf diese nur ihm eigene Art und erhoben ihren Blick in sein ausdrucksloses Spitzaugenpaar. Absolute Ruhe lag in seinem schimmernden Gold. „Ich gab dir ein Versprechen, Ishizu.“ Eigentlich konnte sie sich selbst gratulieren für ihren Zauber. Eigentlich - würde sie ihn nicht so schrecklich vermissen. Natürlich konnte er das jetzt sagen. Jetzt, wo der Zauber noch wirkte und ihre Schuld unter sich vergrub. Doch wie lange konnte das gut gehen? Sie wollte ihn doch nicht damit belasten. Denn natürlich wusste sie genau, was er meinte – und begrüßte es insgeheim. Mochte er es auch nicht spüren, so sah er es doch in ihrem flackernden Meeresblau. Ganz so, wie es die Eigenart der Götter war, drängte es ihre runden Pupillen fast gänzlich in den Hintergrund und wirkte so unergründlicher als alles, was er je erblickt hatte. Und ganz so, wie vor all der Zeit drohte er von Neuem haltlos darin zu versinken. „Und ich nahm es bewusst nicht an“, war längst nur mehr ein Flüstern. Sie hatte ihn freigeben wollen, soweit es eben möglich war, ihm ein Leben zugestehen wollen. Und die Kazeyōkai war eine reelle Chance gewesen. Es würde nur ihr Gewissen erleichtern – und ihm alles nur noch mehr beschweren. „Irrelevant, Megami“, begegnete er ihrer Farce ungerührt. Er hatte es ihr längst erklärt. Unnötig sich zu wiederholen. Wem wollte sie da etwas vormachen? Sie hatte doch weiterhin existiert, ihre Verbindung war untrennbar aufrecht gewesen, aller Distanz zum Trotz. Er hatte es nie vergessen. Es raubte ihr ihr so bezauberndes Lächeln. Natürlich schmeichelte es ihr – und legte sich wie Balsam über ihre geschundenen Nerven. Für den Moment wusste sie seine gesamte Aufmerksamkeit allein auf ihren gespannten Lippen. Das altbekannte Kribbeln erfasste ihre Haut und elektrisierte ihre Sinne. Umgehend erinnerte sie die Weichheit der seinen, die Forschheit seiner Küsse, das unbändige Feuer, welches sich erneut in ihren Venen zu sammeln begann – und ließ es diesmal zu. Ihre Blicke hatten sich längst ineinander verankert. Ihre Lippen sich einander angenähert. Sie konnte seinen Atem warm gegen die Ihren prallen spüren, wie Feuer langte er nach ihr und setzte ihre Sinne augenblicklich in Brand. „Ich markiere nicht“, ließ die zierliche Göttin erzittern und senkte ihre Lider auf Halbmast. „Ich gab dich frei“, war reiner Trotz – und verdiente keiner weiteren Erwiderung. Es wurde einzig von seinem schmalen Lächeln gönnerhaft zur Kenntnis genommen, ehe seine Hand ihr Kinn bestimmt, jedoch nicht grob umfasste und er sie endlich an sich zog. Einem Feuerwerk gleich explodierten ihre Sinne, sobald er seine Lippen damit nach all den Jahrhunderten endlich wieder auf ihre senkte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)