Geister der Vergangenheit von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 9: Teamwork ------------------- „Okay, das fängt an zu nerven.“ Genma atmete hörbar aus, als er ein weiteres Mal den Feuerwerksgeschossen Tatsus auswich. Ohne seinen eigenen Gegner aus dem Blick zu lassen, beobachtete er außerdem aus dem Augenwinkel Raidous Kampf gegen Ite. Raidou hatte eine ähnlich schwierige Zeit wie er. Ites nerviger kleiner Vogel hatte ihn noch nicht schwerwiegend erwischt, aber wenn der Kampf sich weiter in die Länge zog, dann würde Raidou die Puste ausgehen und er würde von dem Mistding getroffen werden. Sein minimal älterer Kamerad war ein außerordentlich guter Schwertkämpfer, sodass er den flinken Vogel tatsächlich schon ein paar Mal hatte abwehren können. Doch die kurze Zeitspanne, bis Ite ein neues Federvieh erschuf, reichte nicht für einen vernünftigen Gegenangriff. Und sein eigener Gegner war auch nicht viel entspannter. Dieser Tatsu bombardierte ihn beinahe ohne Unterlass mit seinem Feuerwerk und inzwischen war es dem Ne wohl auch egal, wenn er mehrere Treffer an der gleichen Stelle der Wand landete. Tiefe Risse hatten sich dort bereits gebildet. Das war ein verdammtes, stillgelegtes Bergwerk; was glaubten die wohl, wie massiv die Konstruktion hier noch war? Manchen Menschen wurde anscheinend alles egal, wenn sie sich in die Ecke gedrängt fühlten. Sie brauchten eine schnelle Lösung. Genma konnte die Kampfgeräusche aus der Richtung hören, in die Kakashis Team gelaufen war. Sie waren also mittlerweile auch auf Feinde getroffen. „Du bist ein beeindruckender Ninja, Genma Shiranui“, sagte Tatsu, als er endlich doch einmal kurz verschnaufen musste. „Aber deine hübschen Wurfnadeln können gegen mich nichts ausrichten. Zu blöd, dass du dein Talent und deine Erfahrung nicht gegen ein Wasserversteck eintauschen kannst, was?“ Eintauschen? Genma horchte auf, ohne dies in seiner Miene erkennbar werden zu lassen. „Raidou!“, rief er durch die Kammer. „Aoba hat dir drei gegeben, oder?“ Der Angesprochene stockte, während Ites Vögelchen gerade mal wieder auf dem Finger des Ne landete. „Ja“, erwiderte er, irritiert, mitten im Kampf angesprochen zu werden. „Im Gegensatz zu dem gefiederten Freund dort, kehren die von Aoba nicht zu ihm zurück. Das hat seine Vor-und Nachteile, findest du nicht?“ Er nahm sein Senbon aus dem Mund. „Häh?“ Nicht nur Raidou stutze angesichts dieser Konversation. Auch ihre Kontrahenten legten ihre Stirne in Falten. „Whoa“, warf Ite ein, „ich glaube, er versucht, dir irgendetwas zu sagen, aber er drückt sich schrecklich umständlich aus. Viel zu geheimnisvoll, selbst für einen Ninja, wenn du mich fragst. Du siehst auch nicht so aus, als würdest du ihn verstehen. Bis eben hatte ich noch angenommen, ihr wärt irgendwie ein eingespieltes Team oder so etwas, aber den Eindruck macht ihr jetzt doch nicht mehr.“ Dem Redeschwall des hellhaarigen Mannes zum Trotz hellte sich Raidous Miene ein wenig auf. Genma und er kein eingespieltes Team? Das durfte niemand ungestraft behaupten. Raidou griff nach der letzten Schriftrolle und beschwor im Nu einen dritten Schwarm schwarzer Krähen. Die meisten seiner Techniken waren auf schnelle Attentate ausgelegt; langgezogene Kämpfe waren nicht seine Spezialität, doch Genma hatte ihm den entscheidenden Hinweis gegeben, wie er seine Spezialangriffe für dieses Duell nutzen konnte. Und nicht nur für seins. Die Krähen erfüllten die gesamte Kammer und verwandelten sie in ein kreischendes, dunkles Nichts. Tatsu feuerte seine Attacke in den Raum und bewirkte damit, dass die Rabenvögel sich zügiger auflösten. Dass er dabei erneut die schon beschädigten Stellen traf, kümmerte ihn nicht. Als der Schwarm endlich wieder verschwunden war, hatten weder Genma noch Raidou sich vom Fleck bewegt. „War das ein Bluff?“ Ite schien verwirrt und ließ erneut seinen Vogel auf Raidou los. Dieses Mal jedoch wehrte der Brünette den Angriff nicht mit voller Wucht ab, sondern streifte mit seinem Schwert den Vogel lediglich. Tatsu beobachtete dies und schaute dann auf Genma, der wieder eine Nadel im Mund hatte und eine zweite mit seinen Fingerspitzen festhielt. „Nein, das war kein Bluff.“ Der rothaarige Ne riss die Augen auf. „Ite! Die haben irgendetwas vor! Brich den Angriff ab!“ Verdattert beorderte der andere Ne seinen Vogel zu sich zurück. Das kleine Geschöpf landete wie zuvor auf dem Finger des Mannes – dem kurz darauf sämtliche Farbe aus dem Gesicht entwich. „Was ...“ Er schnappte plötzlich panisch nach Luft. „Was … ist … das …?“ Der Vogel löste sich auf und sein Beschwörer griff sich mit einer Hand an die Brust und sank auf die Knie. „Was … was hast du …?“ „Früher war so etwas für mich gang und gäbe.“ Raidou blickte gefasst und doch angespannt zu seinem Gegner. „Aber inzwischen tut es mir schon leid, zu solch rabiaten Methoden greifen zu müssen.“ Mit einem nicht begreifenden, panischen Gesicht versuchte Ite, ein letztes Mal nach Luft zu schnappen, ehe er leblos zu Boden fiel. Irritiert, doch ruhig hatte Tatsu die Szene beobachtet. Sein Blick verfinsterte sich, als er begriff, was geschehen war. „Wie?“ Er sah zu Genma. „Wie hat er ihn vergiftet?“ Lässig deutete der Konoha-Shinobi ein Schulterzucken an. „Besiege uns und ich verrat's dir.“ Ein Knurren entwich dem Ne, bevor er erneute Explosionen in Genmas Richtung schickte. Eine gewaltige Ladung glühend heißer Funken tauchte direkt vor ihm auf, sodass der flinke und wendige Ninja nicht allen ausweichen konnte. Sie brannten Löcher in seine Kleidung und verbrannten im Nu die Haut darunter. Genma biss vor Schmerzen auf das Senbon in seinem Mund. Tatsu hatte ihn mit seiner Attacke gegen die rissig gewordene Wand gedrängt und setzte bereits zu einem neuen Angriff an, als Raidou ihm von der Seite zur Hilfe eilte. Umgehend wirbelte der Ne zu dem heranstürmenden Brünetten herum und feuerte seine Kunst auf ihn ab. Ähnlich wie sein Kamerad konnte Raidou nicht allen Funken entkommen, doch Genma hatte diesen kurzen Augenblick genutzt, um die Wurfnadel in seinem Mund in Tatsus Richtung zu spucken. Geistesgegenwärtig schnellte der Angegriffene wieder herum und wehrte die Nadel mit einem blitzschnell gezogenen Kunai ab, wodurch er jedoch nicht mehr reagieren konnte, als Genma das Senbon in seinen Fingerspitzen auf ihn schleuderte. Tatsu zischte, als er mit dem in seiner Hand steckenden Senbon zurückwich. Er zog sich die Waffe schnell heraus und erstarrte plötzlich – wie es sein Kamerad wenige Minuten zuvor getan hatte. Ungläubig blickte er von der winzigen Wunde in seiner Hand zu dem Kopftuchtragenden Shinobi vor sich. „Wie … wie kann das sein? Der andere Kerl … hatte doch … das Gift …?“ Er wurde genauso bleich wie sein gefallener Kollege. „Das stimmt so weit; Raidou hat das Gift“, antwortete Genma, „aber während der letzten Ablenkung durch die Krähen hat er mir freundlicherweise etwas davon zukommen lassen.“ Tatsus glasig werdender Blick ging zu Raidou. „Das Jutsu deines Kameraden ist zwar kein echtes Tier gewesen, aber dennoch ein materielles Wesen“, erklärte der Brünette. „Es hat keinen Organismus und kann daher nicht selber vergiftet werden, aber sehr wohl als Überträger für mein Gift dienen.“ So etwas wie ein schwaches Lächeln bildete sich auf dem Gesicht des immer schwerer atmenden Ne. „Verstehe. Ihr seid doch … ein eingespieltes Team ...“ Er sank auf die Knie und schaute zu dem am Boden liegenden Ite. „So ruhig ... gefällt er mir ... doch ni-“ Tatsu kippte leblos um. Sowohl Raidou als auch Genma atmeten hörbar aus. „Hat es dich schlimm erwischt?“ Letzterer musterte seinen langjährigen Gefährten, der unverzüglich den Kopf schüttelte. „Du siehst schlimmer aus.“ „Danke.“ Genma grinste süffisant. „Oh, da fällt mir ein: Du hast ein bisschen Gegengift dabei, oder? Meine Fingerspitzen sind taub.“ Seufzend trottete Raidou zu ihm und injizierte ihm wortlos eine Ampulle aus seiner Tasche. „Und ausgerechnet du hast mit dem Hokage geschimpft.“ „Ich hoffe, der Hokage stellt gerade keinen Unfug an.“ Kaum hatte Genma dies gesagt, rieselten immer größere Steine von der Decke. Erschütterungen waren spürbar, die einen fast denken lassen konnten, dass sie nicht in einem Bergwerk waren, sondern in einem kurz vor dem Ausbruch stehenden Vulkan. Mit verkniffenem Blick sah Raidou zu den riesigen Rissen in der Wand – die auf einmal noch länger wurden. „Ich glaube, wir sollten hier verschwinden. Und zwar schnell!“   Kakashis Hände brannten, nachdem sie den Blitzangriff Toras aufgehalten hatten. Der Kerl hatte das Wind- UND das Blitzversteck? Der Hokage seufzte innerlich. Das war nicht fair. Nur Wind oder nur Blitz wäre definitiv ein kleineres Problem gewesen, aber natürlich musste es beides sein. Danzou hatte schließlich mit Vorliebe außergewöhnliche Ninjas um sich versammelt. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Sakura sich langsam wieder vom Boden erhob. Der Angriff hatte sie zum Glück nicht voll erwischt und er kannte keinen zäheren Menschen als die junge Kunoichi. „Ihr dachtet, ihr könntet euch Sasuke entledigen oder wenigstens vom Leib halten, wenn ihr Sarada in eurer Gewalt habt“, fasste Kakashi zusammen, „und wahrscheinlich habt ihr etwas Ähnliches mit Naruto und seiner Familie vor. Durch diese ganzen Vorfälle sollte ich den Rückhalt in Konoha verlieren und mich geschlagen zurückziehen, nehme ich mal an? Ich glaube, Danzou wäre stolz auf so einen Plan, allerdings ...“ Kakashi atmete laut aus. „Allerdings wäre er zutiefst erschüttert, wenn er sehen würde, was aus seiner Truppe geworden ist. Seine einstige Eliteeinheit wird nur noch von purer Verzweiflung gelenkt. In seiner Verbohrtheit hat Danzou sich nie um seine Nachfolge gekümmert. Ich frage mich, ob er geglaubt hat, ewig zu leben oder ob es ihm tatsächlich egal war, was aus euch wird.“ Wahrscheinlich hatte er in der Tat auf Ersteres gehofft, dachte der Sechste mit einem flauen Gefühl im Magen. Danzou hatte sich ja nicht umsonst mit Orochimaru angefreundet. „Hör auf über Meister Danzou zu sprechen!“ Toras Miene blieb starr, während er seine Stimme erhob. „Wir sind nichts als die Mittel, die Meister Danzous Willen ausführen! Das ist der einzige Grund, warum wir leben! Das ist unsere Daseinsberechtigung! Wenn wir dies nicht tun, können wir auch sterben!“ Der verzweifelte Ausruf hallte durch den Berg. Mit betrübtem Blick, aber wieder auf beiden Beinen stehend, schüttelte Sakura den Kopf. „Die Vorstellung, dass Sai und Yamato das je geglaubt haben, tut geradezu weh. Ich verstehe endlich, wieso Sai so energisch versucht, seine früheren Kameraden zu retten. Es ist schrecklich traurig, in so einer Denkweise gefangen zu sein.“ „Gefangen?“ Tora klang verächtlich. „Wir sind weder gefangen noch frei. Wir sind nur dazu da, Konoha von der falschen Herrschaft der letzten Hokage zu befreien.“ Kakashi sah Sakuras bestürzten Gesichtsausdruck, als sie näher zu ihm herankam. Sie dachten gerade das Gleiche. Ohne ihren Anführer, ohne denjenigen, dem sie ihr Leben gewidmet hatten, traten die Ne auf der Stelle. Sie waren dazu verdammt, auf ewig in der Vergangenheit zu leben, weil es ohne Danzou keine Gegenwart und keine Zukunft mehr für sie gab. Sie konnten nur Danzous alte Befehle wiederholen, weil sie keine neuen erhielten. Deswegen hatten sie sich „Chugi“ - Loyalität – auf die Fahne geschrieben; es war alles, was ihnen geblieben war. Sie glichen mehr ruhelosen Geistern als lebendigen Menschen. „Und jetzt?“, fragte Kakashi in den Raum hinein. „Euer Plan wird nicht aufgehen. Wollt ihr jetzt alle einen sinnlosen Tod sterben?“ Tora stutzte. „Du irrst dich.“ Nun klang er beinahe … euphorisch. „Du irrst dich schon wieder. Wir hatten einkalkuliert, dass ihr uns verfolgt, doch das ist nicht so dramatisch. Wie ich schon sagte, einige von uns sind immer noch in Konoha und dort ist unser Anliegen bei manch einem auf fruchtbaren Boden gefallen. Selbst wenn wir hier sterben, wird Meister Danzous Wille weiterleben, so lange es irgendwo noch jemanden von der Ne gibt. So wie wir nach Mizunotos und Jinzais Scheitern den Faden aufgenommen haben, werden es nach uns andere tun. Bis wir Meister Danzous Willen erfüllt haben. Und noch bist du nicht siegreich heimgekehrt, Kakashi Hatake.“ Mizunoto und Jinzai – die Kunoichi, die von Yamato getötet worden war und der Shinobi, den Sai und Ino gefangen genommen hatten (und der sich seitdem weigerte, auch nur ein Wort zu sagen). Es war etwas Wahres an seinen Worten dran. Die Ne würden niemals aufgeben. Sie würden sich jetzt und hier nicht ergeben, egal, wie aussichtslos die Lage auch werden würde. Das hieß … Kakashi stöhnte innerlich und behielt nach außen eine stoische Fassade. Das hieß es gab nur einen Weg, das hier zu beenden. „Kakashi“, warf Sakura ernst und besorgt ein, „denkst du, jemand in Konoha könnte sich wirklich den Ne angeschlossen haben?“ „Davon gehe ich leider aus“, antwortete er zu ihrem Entsetzen. „Es gibt durchaus Menschen, die aus den verschiedensten Gründen empfänglich für die Ideen der Ne sind.“ Der Hokage machte eine gedankenschwere Pause. „Tut mir leid, dass Konoha kein sicherer Ort ist.“ Erstaunt sah sie ihren alten Lehrer mit großen Augen an. „Das ist weder wahr, noch deine Schuld.“ Unter seiner Maske lächelte Kakashi schwach. „Na ja, ich bin schließlich der Hokage, richtig?“ Sein und Toras Blick trafen sich und keine Sekunde später knisterte die Luft vor Elektrizität. Tora war in der Lage, seine eigentlich widersprüchlichen Elemente miteinander zu kombinieren, sodass ein wahrer Gewittersturm sich in der Kammer entlud und Kakashis schwächeren Blitzangriff einfach hinweg fegte. Sakura hatte Mühe, jedem der um sie einschlagenden Blitze auszuweichen. Toras Angriffe nahmen keine Rücksicht mehr auf die Umgebung. Sie schlugen in die Felswände ein, lösten mit einem lauten, explosionsartigen Krachen Gesteinsbrocken aus diesen ab und nahmen dem ausgehöhlten Berg die letzte Stabilität. Angst ergriff die Kunoichi bei dem Gedanken, dass sie alle unter den Gesteinsmassen begraben werden könnten. Ob Sai Sarada inzwischen gefunden hatte? Aber er brauchte auch einen Weg nach draußen. „Erdversteck: Schlammwand!“ Als hätte Kakashi ihre Angst bemerkt, versuchte er mit einer in die Höhe schießenden Mauer die instabil gewordene Decke abzustützen und gleichzeitig Distanz zwischen sie und ihren Gegner zu bekommen. „Willst du dich vor uns verstecken?“, fragte Tora gegen den Erdwall, der sich zwischen ihn und die beiden Konoha-Ninjas geschoben hatte. Er stutzte, als ein erneuter Knall hinter der Mauer zu hören war. Wahrscheinlich hatte sich nur ein weiterer Gesteinsbrocken gelöst und war zerborsten. So hatte es zumindest geklungen. Es war dem Ne recht. Wenn der Berg sie alle unter sich begraben würde, wäre auch dies ein Erfolg. Durch diesen Gedanken bestärkt, schleuderte Tora einen abermaligen Schwung Elektrizität gegen den Erdwall, der mit einem kräftigen Rumpeln auseinander bröckelte und die Sicht auf Kakashi und Sakura wieder frei gab. „Lange nicht gesehen“, begrüßte der Hokage seinen Widersacher nonchalant. „Du bist immer noch zu Scherzen aufgelegt?“ Der Ne klang erbost. „Scherze? Nein, so würde ich das nicht nennen. Eher … eine Bewältigungsstrategie für Stresssituationen.“ Kaum hatte Kakashi diesen Satz zu Ende gesprochen, stürmte er mit gezogenem Kunai auf den Gegner los, der umgehend ein eigenes Kunai zuckte und so den Angriff parierte. Egal, wie viele Szenarien der Sechste in seinem Kopf durchging, jedes, das eine größere Attacke beinhaltete, war zu riskant. Er konnte nicht zulassen, dass der Berg einstürzte, bevor die anderen entkommen konnten. Daher durfte Tora nicht länger hier wüten. Das metallische Klirren der aufeinander treffenden Kunai erfüllte den Raum. Kakashi versuchte mit einem Tritt, die Beine des Nes zu erwischen, um ihm den Halt zu nehmen, doch Tora erkannte seine Absicht und rettete sich mit einem Sprung nach oben. „Mist!“, entfuhr es Kakashi, als sein Kontrahent in der Luft zu Fingerzeichen ansetzte. Blitzschnell griff der Hokage nach einigen Shuriken und schmiss diese auf den Ne, der seine Fingerzeichen abbrach, um die Shuriken mit seinem Kunai abzuwehren. Dies öffnete für Kakashi ein winzig kleines Zeitfenster, in dem er selbst Fingerzeichen formen konnte. „Wasserversteck: Wassergeschoss!“ Die pfeilschnellen Geschosse rasten auf Tora zu und trafen ihn mit so großer Wucht, dass er zu Boden geschleudert wurde. Kakashis Glück war es, dass er den Großteil der Jutsus, die er in seiner Zeit als Kopierninja kopiert hatte, noch benutzen konnte; sein Unglück war es, dass er den Großteil der ihm zur Verfügung stehenden Künste in dieser instabilen, kleinen Kammer nicht einsetzen konnte. Das Wassergeschoss war eh nie eines seiner stärksten Attacken gewesen, aber mit Feuer (was ihm deutlich mehr lag) anzugreifen, war durch Toras Windversteck tabu. Er hatte keine Lust hier geröstet zu werden. Einen erzürnten Schrei loslassend, rammte Tora noch auf dem Boden liegend seine Hände in die Pfützen des auf die Erde geplatschten Wassers. Das nun durch das Wasser verstärkte Blitzversteck hüllte die gesamte Kammer in einen grellen, ohrenbetäubend knisternden Schleier. Kakashi biss die Zähne zusammen, als er versuchte, die Elektrizität mit seinem eigenen Element zu absorbieren. Wie er das hasste, wenn jemand ein stärkeres Blitzversteck als er hatte. Solche Leute übertrieben es dann nämlich grundsätzlich damit. Die Wände wackelten und noch größere Risse fraßen sich durch den Berg. Endlich ebbten die Blitze und Elektroschocks ab und keuchend, doch mit einem Hauch von Triumph im Gesicht, blickte Tora auf die am Boden liegende Sakura, die diesem heftigen Gewitter nichts entgegen zu setzen hatte. Von ihrer verbrannten Haut stieg Qualm auf. „Um sie ist es schade.“ Erschöpft stand der Ne auf. „Wir hatten sie behalten wollen.“ Er wandte sich zu dem vor Anstrengung in die Knie gegangenen Kakashi um. „Aber da wird sich sicher eine andere Lösung finden.“ Wackligen Schrittes ging er auf den silberhaarigen Mann zu, der nach Luft schnappend zu ihm hochblickte.   „Da vorne!“ Naruto brüllte die Information, die für den neben ihm laufenden Yamato genauso ersichtlich war, in die kalte Luft des sehr frühen Morgens. Die Dunkelheit der Nacht wich gemächlich den ersten zarten Sonnenstrahlen des neuen Tages. „Seid ihr euch sicher, dass ihr klar kommt?“, fragte der hinter ihnen her hetzende Iwashi verunsichert. Die zwei waren doch massiv vergiftet gewesen und dennoch wollten sie sich jetzt schon ins Gefecht stürzen? Das klang verrückt – aber sagte man dem berüchtigten Team Sieben nicht eine gewisse Verrücktheit nach? „Wir sind vorsichtig“, antwortete Yamato ihm, während Naruto das Tempo noch einmal anzog. „Unterstütze du bitte die anderen. Wir versuchen zum Hokage vorzustoßen.“ Das mit Kratern und Ninjawerkzeugen bedeckte Schlachtfeld vor dem Bergwerk hatte sich immens gelichtet. Die drei Neuankömmlinge liefen an einem auf der Erde liegenden Mann vorbei, der mit Kratzwunden übersät war und an dem sich anscheinend noch ein paar Käfer labten (Naruto wandte sehr schnell und sehr stark würgend seinen Blick von diesem Bild ab, doch er hatte erkannt, dass dies der Kerl gewesen war, dem sie ihre Vergiftung zu verdanken gehabt hatten). Ein paar letzte Ne leisteten verzweifelten Widerstand gegen Choji, Shino und Lee. Tenten schleuderte keuchend eine an einer Kette befestigten Sense gegen einen der gleichermaßen japsenden Ne, während Kiba völlig außer Puste hinter dem Felsbrocken-Versteck ausharrte. Iwashi eilte den Jüngeren zu Hilfe und Naruto und Yamato kamen ungehindert bis an das stillgelegte Bergwerk heran – aus dem gefährlich klingende Geräusche kamen. Man konnte sehen, wie das Massiv erschüttert wurde. „Warte, Naruto“, hielt der Ältere den nach vorne stürmen wollenden Blondschopf zurück. „Der Berg sieht aus, als würde er jeden Moment einstürzen.“ „Aber dann müssen wir doch erst recht-“ Geröll fiel herunter und unterbrach seinen Einwand effektiv. Was sollten sie nur tun? Ein gewaltiger Knall ließ beide voller Schrecken zum Berg hinauf blicken.   „Stirb, Kakashi Hatake“, sagte Tora ruhig, als erneut Elektrizität aus seinen Fingern knisterte. Der Ne hatte gerade einmal Zeit, entsetzt die Augen aufzureißen, als er eine kolossale Menge Chakra spürte, die in einem übermenschlichem Tempo aus seinem toten Winkel heraus auf ihn zukam. „Shanarooo!“ Sakuras Faust donnerte in seine Rippen und schlug ihm sämtliche Luft aus den Lungen. In einem hohen Bogen wurde Tora gegen die sowieso bereits malträtierte Wand geschleudert und durch den Aufprall in die Kammer zurückgeschmissen. Die Außenseite des Berges gab endgültig nach und mit einem mächtigen Knall löste sich ein Teil von ihr ab und stürzte Hunderte von Metern in die Tiefe. „Du …?“, äußerte der nun Blut spuckende, röchelnde Ne entgeistert. Seine Augen wanderten zu der verbrannten Sakura, die sich mit einem knisternden Geräusch und einigen zuckenden Blitzen auflöste. Ein Blitzdoppelgänger. Die Echte hatte den Gang freigesprengt, der zum hintersten Raum führte und sich dort versteckt. „Ich“, antwortete Sakura resolut, als schnell heraneilende Schritte sie herumwirbeln ließen. Tränen schossen in ihre Augen, als Sai mit ihrer Tochter auf dem Arm in die Kammer stürmte. „Sai! Ist Sarada verletzt?“ „Ich denke nicht.“ Sai stoppte vor ihr und warf einen raschen, prüfenden Blick in den Raum. Sie würden hier gleich ein Problem bekommen. „Ich habe nur noch genug Tinte für einen einzigen Vogel. Ich kann uns nicht alle-“ „Bring Sarada so schnell wie möglich nach draußen“, ordnete Kakashi an. „Sakura und ich finden einen Weg.“ Sai warf der Kameradin einen fragenden Blick zu, um sich ihr Einverständnis zu holen. Sie nickte energisch. „Bitte bring Sarada in Sicherheit.“ Unverzüglich schritt der Schwarzhaarige zur Abbruchkante und zeichnete das Gemälde der Bestien mit seinen wenigen Tropfen Tinte auf das Papier, während er Sarada im anderen Arm hielt. Der Boden unter seinen Füßen bröckelte weg wie nichts. Sai sprang mit dem kleinen Mädchen nach draußen und landete auf seinem getreuen Tintenvogel, der seine Schwingen umgehend ausbreitete. „Das … darf … nicht ...“, erklang es schwach von Tora, ehe er mit letzter Kraft einen Arm hob und einen letzten Blitz losschickte, bevor er sein Leben endgültig aushauchte. Voller Schrecken beobachteten Kakashi und Sakura, wie der Blitz nach draußen flog und in den Tintenvogel einschlug. Das gemalte Wesen zerplatzte und seine beiden Passagiere fielen ungebremst zur Erde hinab. Durch den Einschlag hatte Sai Sarada losgelassen und sein verzweifelter Schrei, als er das durch die Luft fliegende Mädchen nicht mehr zu fassen bekam, hallte durch die gesamte Umgebung. Sakura konnte nicht mehr atmen, konnte nicht mehr denken, konnte nicht einmal mehr schreien. Doch sie sah, wie Kakashi sich vom Boden hochhievte und einen Wimpernschlag später sich über die Abbruchkante in den Abgrund hinab schmiss. Er schaffte es, Sarada zu fassen zu bekommen und drehte seinen Rücken dem immer näher kommenden Erdboden zu. Er wusste nicht, ob das ausreichen würde, um Sarada vor dem Aufprall zu schützen und er konnte Sai nicht erreichen und nichts für ihn tun. Und er war sich schrecklich schmerzhaft bewusst, dass er gerade dabei war, sein Versprechen an Yamato zu brechen. Aber dies war das, was er tun konnte. In Erwartung des baldigen harten Aufschlags schloss Kakashi die Augen und verstärkte seinen Griff um Sarada. Ein lärmendes Rumpeln ließ ihn die Augen wieder öffnen. Was in aller Welt war das für ein Geräusch? Es klang, als würde die Erde aufgerissen und - Aus dem Augenwinkel sah Kakashi die gigantischen Bäume, die aus dem Boden auf ihn zuschossen und ihr dichtes Blattwerk wie ein Netz ausbreiteten. Der Hokage fiel durch die Blätter, die seinen Sturz verlangsamten und erschrak beinahe, als Äste nach ihm schnappten und einer ihn letztlich an einem Fußknöchel erwischte. Vorsichtig ließ der Ast ihn zur Erde hinab, während Kakashi in der Entfernung das ihm sehr vertraute Geräusch von Schattendoppelgängern, die sich auflösten, abermals und abermals vernahm. Atemlos erschien Yamato über ihm. „Bist ... du … verletzt?“ Der Brünette schnappte nach Luft. „Nein.“ Kakashi setzte sich auf und blickte auf Sarada, die ihr Näschen rümpfte. Vermutlich war sie kurz davor aufzuwachen. Er ließ seinen Blick kurz zu den meterhohen Bäumen wandern, bevor er zu seinem Retter zurückschaute. „Wow.“ Yamato entwich ein tiefes, lautes Stöhnen. „Wow?! Das ist alles, was du zu sagen hast??“ „Oh. Danke natürlich. Und gutes Timing!“ Sein Gegenüber knarzte hörbar mit den Zähnen und raufte sich die Haare. „Du machst mich fertig, Senpai! Du machst mich vollkommen fertig!!“ Trotz seines Wutanfalls half Yamato dem Hokage vom Boden hoch. Gemeinsam schritten sie aus dem Schatten der hohen Bäume heraus und sahen Naruto und Sai auf sie zusprinten. „Geht es Ihnen und Sarada gut?“, wandte sich Sai sofort sichtlich erschüttert an den Sechsten. „Wir sind aufgefangen worden. Ist bei dir alles in Ordnung?“ Sai nickte. „Ich bin sozusagen weich gelandet. Um genau zu sein, auf Hunderten von Schattendoppelgängern.“ Bei seinem Stichwort schob Naruto stolz seine Brust heraus. „Eine meiner leichtesten Übungen, echt jetzt.“ Kakashi warf seinen beiden Schützlingen ein erleichtertes Lächeln zu und schaute mit ihnen zusammen auf den zerstörten Berg zurück. An der noch halbwegs intakten Seite kletterten im Eiltempo Sakura, Genma und Raidou herunter, die ebenfalls aus einer weggesprengten Außenwand herausgekraxelt waren. Der obere Teil des Berges, in dem sie gegen Tora gekämpft hatten, bebte und immer wieder fielen große Gesteinsbrocken zur Erde hinab. Die Kämpfe am Boden waren zum Erliegen gekommen und die Ninjas aus Konoha führten die gefangen genommenen Ne weg. Kaum war Sakura auch nur am Fuße des Berges angelangt, sprang sie den restlichen Weg hinab und rannte wie der Wind zu ihrer Tochter, die Kakashi ihr auf der Stelle übergab. Dicke Tränen liefen über ihre Wangen, als sie endlich ihr Kind wieder in den Armen hielt. Sarada schien nicht verletzt zu sein. Ihre kleinen Augenlider zuckten und ganz langsam und gemächlich öffnete sie diese müde und sah ihre Mutter verschlafen an. Sie gluckste einmal, gähnte und schlief wieder ein. Der Anblick ließ Sakura lächeln. „Naruto, nimmst du sie mal kurz?“ Der Angesprochene stutzte, nahm dann aber sofort das Mädchen entgegen. „Ich ...“, begann Sakura und räusperte sich, um ihre Stimme zu festigen, „ich bin euch so dankbar für alles, was ihr getan habt. Ich werde euch nie genug danken können. Ihr habt eure Leben riskiert, um Sarada zu retten. Und einige von euch sind vollkommen bescheuert!“ 'KLATSCH!' Bevor der Hokage sich versehen konnte, hatte Sakura ihm eine schallende Ohrfeige verpasst. Verwundert hielt er sich eine Hand gegen die attackierte Wange. „Au?“ „Was sollte das denn eben??“, wütete Sakura aufgebracht weiter. „Bist du jetzt total irre?? Wenn du Todessehnsucht hast, kann ich dir gerne nachhelfen!“ Sie wirbelte zu Sai herum, der erschrocken einen Schritt zurück machte. „Und du bist auch nicht viel besser! Natürlich würde ich auch alles tun, wenn es um Inojin gehen würde, aber hat einer von euch eine Vorstellung, wie das wäre, wenn euch meinetwegen etwas zustoßen würde?? Ich liebe euch doch, ich könnte es nicht ertragen, auch nur einen von euch zu verlieren!“ Stille legte sich für einen Moment über die im Sonnenaufgang stehende Gruppe. „Sakura“, sagte Sai schließlich, „ich glaube, ich spreche für uns alle, wenn ich sage, dass es uns allen genauso geht. Wir wollen die beschützen, die wir lieben. Wir wollen jegliches Leid von ihnen abhalten und sie glücklich machen. Das ist es, was eine Familie ausmacht, oder?“ Erneute Stille trat nach Sais großen Worten ein. Sakuras schnell gehender Atem beruhigte sich und sie wischte sich ihre Tränen aus dem Gesicht. „Ja. Genau so ist es. Das hast du sehr schön gesagt, Sai.“ „Habe ich?“ Der Dunkelhaarige lächelte erfreut. „Wieso kriegt Sai ein Kompliment und ich eine Ohrfeige?“, jammerte Kakashi. „Das fragst du noch?“ Genma hatte sich mit Raidou zu ihnen gesellt. „Weil du dich eben von der Spitze eines verdammten Berges geschmissen hast. Mir reicht es jetzt. Hat jemand ein Kunai?“ Skeptisch musterte Raidou seinen Kameraden. „Wofür brauchst du ein Kunai?“ „Na, um das Symbol auf meinem Stirnband durchzustreichen. Das macht man doch so, wenn man dem Dorf den Rücken kehrt, um ein Abtrünniger zu werden. Bevor der Hokage mir den letzten Nerv raubt, mach ich lieber das.“ „Du machst Witze, oder?!“ Raidou starrte ihn entsetzt an. „Das ist nicht lustig!“ Genma deutete ein Kopfschütteln an. „Mir ist die Heiterkeit auch vergangen.“ Er sah auf, als ihm ein Kunai hingehalten wurde. „Hier, nimm meins. Und nimm mich bitte mit.“ Yamato seufzte herzzerreißend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)