Geister der Vergangenheit von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 7: Verräter ------------------- Die Nacht war in Konoha angebrochen, als Ino mit einem langen Seufzer durch die Flure des Hokage-Turms ging. Ihre Gedanken waren voll und ganz bei dem Rettungstrupp. Ob sie die Entführer einholen konnten? Waren sie inzwischen bei Sarada? Ging es Sai gut und was mochte wohl in Sakura vorgehen? Der Blondine entwich ein leises Grummeln. Sakura war so schrecklich unvernünftig!! Aber andererseits … hätte sie an ihrer Stelle genau das Gleiche getan. Wenn jemand es auch nur wagen würde Hand an Inojin zu legen, würde sie komplett durchdrehen. Und sie hatte noch Sai an ihrer Seite. Sakura war mehr oder weniger allein mit ihrer Sorge um ihre Tochter. Nein, auch das stimmte so nicht. Die Verrückten von Team Sieben waren ja noch da und bei denen bedeutete der Schmerz des einen auch den Schmerz des anderen. Als Sai aufgebrochen war, hatte sie es gespürt. So entschlossen, so bereit Berge zu versetzen, hatte sie ihren Ehemann noch nie erlebt. Sarada war nicht einfach die Tochter von Sakura und Sasuke, sie war ein Teil von Team Sieben. So wie es Inojin auch war. Irgendetwas an diesem Gedanken beruhigte Ino trotz der momentanen Krise ungemein. Doch, war es nicht seltsam, was sie gehört hatte? Wegen dieses Gerüchts war sie zu dieser späten Stunde überhaupt noch unterwegs. Es konnte nicht sein. Es war geradezu ausgeschlossen. Allerdings war es ein Fakt, dass Shikamaru - ihr Gefährte, ihr Kamerad, ihr Freund - nicht mit den anderen mitgegangen war. Und das anscheinend auf ausdrücklichen Befehl des Hokage. Warum verzichtete der Sechste in dieser Notlage auf einen so fähigen Shinobi? Die Gerüchte waren grotesk und Ino wollte, nein, konnte sie gar nicht glauben. Man munkelte, der Hokage hätte kein Vertrauen mehr in den jungen Nara. Vor ein paar Tagen hatte er ihn von sämtlichen Missionen abgezogen. Jemand wollte sogar ein Streitgespräch zwischen den beiden im Büro des Hokage gehört haben. Unmöglich, dachte sie. Sie kannte Shikamaru. Sie vertraute Shikamaru. Was sollte er getan haben, um das Vertrauen des Sechsten zu verlieren? Ihr Teamkamerad war doch schließlich kein Verrät- „ - zeigt doch nur, dass der Hokage die Situation nicht unter Kontrolle hat.“ Ino stoppte abrupt vor dem Missionsraum, an dem sie eigentlich hatte vorbei gehen wollen, um zu Shikamarus Arbeitszimmer zu gelangen. Temari hatte ihr nur erzählt, dass er sich in letzter Zeit nur noch in seinem Büro verschanzen würde. Wenn sie darüber nachdachte … hatte Temari eben nicht irgendwie betrübt gewirkt? Ino hielt den Atem an, als sie Shikamaru im Missionsraum weitersprechen hörte. „Konoha sollte ein Ort sein, an dem wir uns sicher fühlen. Aber fühlt ihr euch sicher? Ich weiß nicht, ob ich meinen Sohn hier unbesorgt aufwachsen lassen kann.“ „Willst du damit andeuten, dass sei die Schuld des Sechsten?“, fragte eine Kunoichi hörbar erschrocken nach. „Ich will gar nichts andeuten. Ich finde nur, dass die Wahl des Hokage vielleicht nicht die beste für das Wohl des Dorfes war.“ „Das klingt wie das Geschwafel der Putschisten!“, wandte ein Shinobi entsetzt ein. Shikamarus entnervtes Stöhnen war laut und deutlich zu hören. „Was für ein Unsinn. Ich bin bestimmt kein Befürworter eines gewaltsamen Putsches. Aber wenn Kakashi es selber einsehen würde, dass er für diesen Posten nicht qualifiziert ist, dann hätte ich nichts gegen seine Abdankung. In Konoha läuft einiges falsch und das sollte dringend korrigiert werden. Nur werden wir lange darauf warten können, dass dies jemand tut, der einfach die alte Linie des Dritten und der Fünften weiterfährt. Konoha braucht eine neue Führung und das ist ein Fak-“ „SAG MAL, BIST DU GEGEN EINE WAND GELAUFEN?!“ Ino platzte in den Raum rein, in dem neben Shikamaru zwei weitere Shinobi und eine Kunoichi waren. „HAST DU DEN VERSTAND VERLOREN?! Was zur Hölle redest du da für einen Mist?!“ Shikamaru sah sie erstaunt an. „Ino?“ „Ja, Ino! Guck mich nicht an wie ein erschrockenes Reh! Antworte mir!“ „Warum belauschst du mitten in der Nacht Gespräche aus dem Missionsraum?“ „Ich belausche überhaupt nichts und niemanden!“ Ihr Teamkollege fand seine Nonchalance wieder. „Doch, tust du.“ Sie stutzte, ohne dass ihre Wut verdampfte. „Ist doch egal. Erklär mir lieber, warum du über den Hokage herziehst!“ Die drei anderen Anwesenden schauten mit offenen Mündern zwischen den beiden hin und her. „Na schön.“ Shikamaru seufzte und steckte seine Hände in seine Hosentaschen. „Wenn du es unbedingt wissen willst. Aber sag mir hinterher nicht, dass du es doch lieber nicht wissen wolltest.“ Die Blondine schluckte. Irgendetwas an ihrem Gefährten war anders, sehr anders als sonst. Er wirkte so kühl. Was in aller Welt war mit ihm geschehen? „Du weißt doch von den Angriffen auf die Genin und von der Entführung von Sakuras Tochter. Verrat mir eins, Ino: Würde so etwas in einem sicheren Dorf passieren? In einem Dorf, das von einem starken Hokage geführt wird? Hast du keine Angst um Inojin?“ Erschüttert machte Ino einen Schritt zurück. Das konnte nicht sein. Nein, das war unmöglich. Nicht Shikamaru. Nein. „Shikamaru“, sagte sie mit der festesten Stimme, die sie bewerkstelligen konnte, „hast du in letzter Zeit Kontakt zu Leuten von der Ne gehabt?“ „Huh?“ Er zuckte betont beiläufig mit den Schultern. „Ja, ständig. Ich gehöre zu dem Team, das diejenigen befragt, die seit dem Putsch inhaftiert sind. Das weißt du doch.“ „Ja, aber -“ Ino schüttelte ungläubig den Kopf. „Du redest genau wie sie.“ Der Nara grummelte genervt. „Nicht du auch noch. Wieso sagt mir das nur jeder andauernd?“ „Weil es stimmt?!“ „Ino.“ Sein Blick wurde ungewohnt ernst. „Du kannst gerne anderer Meinung sein als ich, aber misch dich nicht in Sachen ein, die dich nichts angehen.“ „Nichts angehen?? Wie kann es mich nichts angehen, wenn du so abscheuliche Sachen über Kakashi sagst!“ Shikamaru hob mit beinah verächtlicher Miene eine Augenbraue. „Abscheuliche Sachen über Kakashi? Bis jetzt war ich noch viel zu nett zu ihm.“ Nackte Angst überkam Ino bei dem, was er sagte. War das wirklich Shikamaru, der da vor ihr stand? Hatten die Ne ausgerechnet ihn auf ihre Seite ziehen können? Wieso hatte sie das nicht bereits früher gemerkt? Wie hatte es so weit kommen können? „Was meinst du damit?“ „Ist das nicht offensichtlich?“ Die Verachtung triefte aus seiner Stimme. „Wenn man darüber nachdenkt … wer ist Schuld am Tod von Asuma?“ „N-nein, Shikamaru, das ist nicht wahr! Was redest du-“ „Sieh der Wahrheit endlich ins Auge, Ino! Kakashis Fehler haben zu der Gründung der Akatsuki geführt und damit auch zu der Ermordung von Asuma!“ In ihrer Fassungslosigkeit schlug Ino ihre Hände vor ihrem Mund zusammen. Mit aufgerissenen Augen starrte sie den jungen Mann vor sich an. Sie konnte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. Das musste ein Albtraum sein. Es konnte nichts anderes als ein furchtbarer Albtraum sein. Shikamaru stöhnte erneut bei ihrem Anblick. „Ich habe doch gesagt, du willst es nicht wissen. Selbst schuld, Ino.“ „Selbst schuld? Selbst schuld?!“ Zorn regte sich wieder in der Kunoichi. „Dir werde ich zeigen, wer Schuld an irgendwas hat!“ Ihr Kamerad machte angesichts ihres Wutausbruchs einen Schritt zurück. „Wenn du glaubst, dass ich es einfach hinnehme, dass du so einen Mist verzapfst, wirst du mich erst noch kennen lernen müssen!“ „Was willst du tun? Es dem Hokage petzen? Er weiß selber, was er getan hat. Und das wird er wohl kaum leugnen.“ Ein lautes, erbostes Knurren entwich der Blondine. „Wenn es sein muss, prügel ich dir wieder Verstand ei-“ Der Ninja wackelte unbeeindruckt mit einem Finger. „Auf welcher Grundlage? Wenn du mich einfach angreifst, wirft das dann ein gutes Licht auf die Informationseinheit von Konoha? Oder … die Polizei? 'Frau von hohem Polizeibeamten attackiert unbescholtenen Bürger' – was für eine Schlagzeile, findest du nicht? Wenn ich es mir überlege, ja, greif mich an, das dürfte der Öffentlichkeit zeigen, wie die Verhältnisse in Konoha sind.“ Ino biss sich auf die Unterlippe und ballte ihre vor Wut zitternden Hände zu Fäusten. Sie durfte nicht vergessen, mit wem sie es hier zu tun hatte. Shikamaru war grundsätzlich auf alles vorbereitet. „Ich weiß nicht, was mit dir passiert ist“, sagte sie nach ein paar Sekunden der Stille und mit den Augen der anderen Ninja auf sie gerichtet, „aber wenn das hier dein Ernst ist, dann sind wir ab jetzt geschiedene Leute.“ Sie erhielt ein mageres Schulterzucken als Antwort. „Du wirst deinen Fehler irgendwann einsehen. Das hoffe ich für dich, Ino, denn ansonsten werden wir irgendwann ein Problem haben.“ Sie unterdrückte den Drang, ihm eine zu scheuern, machte ruckartig kehrt und stapfte vom Missionsraum weg. Das war schlimmer als ein Albtraum. Und an wen sollte sie sich für Hilfe wenden? Sai war nicht da, Sakura war nicht da und selbst der Hokage war aufgebrochen, um Sarada zu retten. Sie hatte im Moment nur Shizune, die ängstlich im Hokagebüro ausharrte und von der sie wusste, dass Kakashi nicht mehr im Dorf war. Während Ino den Weg zum Zimmer des Hokage einschlug, sahen ihr im Flur zwei der drei Ninja, die bei Shikamaru waren, besorgt hinterher. Lediglich der junge dunkelhaarige Shinobi, der den Streit mit Ino am interessiertesten verfolgt hatte, ging auf den im Raum verbliebenen Shikamaru zu. „Das war ja ein heftiger Zusammenstoß“, sagte er leise zu dem Nara. Shikamaru schüttelte stöhnend den Kopf. „Bei Ino ist meistens alles heftig.“ „Hast du keine Angst, dass deine Kameraden dich jetzt als Verräter sehen?“ Der brünette Mann stutzte. „Verräter?“, äußerte er dann beinahe amüsiert. „Verrate mir eins, … ähm …?“ „Shishi“, antwortete der Gefragte, „mein Name ist Shishi.“ „Okay, Shishi, verrate mir, was du denkst: Wer sind die wahren Verräter? Die, die Konoha zu altem Glanz verhelfen wollen oder die, die es mit ihren Reformen zugrunde richten?“ Sein junges Gegenüber strahlte mit einem Mal von Ohr zu Ohr. „Wenn du jetzt ein bisschen Zeit hast, würde ich dir gerne ein paar Leute vorstellen.“ Shikamaru hob skeptisch, doch sichtlich interessiert eine Augenbraue. „Ich habe etwas Zeit.“ Das Grinsen des Anderen wurde noch breiter.   Geführt von Shinos verbliebenen Spähkäfern, kletterten Sai und Sakura im Schutz der Dunkelheit langsam die Felsen hinauf. Die zwei Doppelgänger waren weiter unten ins Kampfgetümmel zurückgesprungen und verschafften ihnen die Zeit, die sie brauchten, um sich dem Unterschlupf der Gegner zu nähern. Der Weg, den sie nahmen, konnte unmöglich der Hauptzugang ins Innere des Berges sein, was ihnen in ihrer aktuellen Lage jedoch zugute kam. Die Feinde konzentrierten sich auf die Vorderseite; am steilen Seitenhang war niemand postiert. „Sai“, zischte Sakura in die Finsternis hinein. „Hier könnten wir reinkommen.“ Vorsichtig tastete Sai sich zu der Kameradin heran. Zu klettern, während man praktisch nichts sah, fiel selbst einem Anbu nicht leicht. „Ein Loch? Mitten in der Bergwand?“ „Nicht nur irgendein Loch“, entgegnete die Kunoichi. „Es fühlt sich an wie von Menschenhand geschaffen. Ich habe mich das den ganzen Weg nach oben schon gefragt. Kann das hier ein verlassenes Bergwerk sein?“ Bei dieser Erkenntnis riss Sai ungesehen die Augen auf. Ein Bergwerk, natürlich! In dieser Region hatte es vor langer Zeit mal Bergbau gegeben; viel wusste er darüber nicht, aber wenn Sakuras Vermutung stimmte, dann hatte er nun eine Ahnung, was sie im Inneren erwarten würde: ein verzweigtes Tunnelsystem mit einigen breiteren Kammern dazwischen. Sie würden Sarada sicher nicht in einem Tunnel ablegen, was hieß, dass sie in einer der Kammern sein musste. „Gehen wir rein?“ Sakuras Frage war nur noch eine rhetorische gewesen. Im Handumdrehen waren beide in den schmalen Tunnel geklettert. Es war noch finsterer als draußen und die Luft war absonderlich schlecht. Sai hoffte inständig, dass dieser Weg nicht ellenlang war oder – schlimmer noch – in eine Sackgasse führte. Weiter vorneweg kriechend, atmete er erst auf, als er ein schwaches Licht am Ende des Tunnels erkennen konnte. Wahrscheinlich war ihr Zugang ein Luftloch oder ein Notausgang. Am Ausgang angekommen, lugte der blasse Shinobi achtsam aus dem Loch hinaus. Es war niemand zu sehen. „Okay.“ Er kletterte hinaus und sah sich um, während Sakura ihm folgte. Es gab nicht viel zu sehen. Die Kammer wurde von einigen alten, steinernen Laternen schwach beleuchtet. Zwei Gänge zweigten sich von ihr in zwei verschiedene Richtungen ab. Wenn man bedachte, von wo sie gekommen waren, dann bot sich nur eine der beiden Möglichkeiten an: weiter ins Innere. Ohne dies aussprechen zu müssen, nickten die zwei Kameraden sich zu und machten sich auf den Weg. Unter anderen Umständen hätte Sai mithilfe seiner Tintenmäuse die Umgebung ausgekundschaftet, doch gerade reichte seine Tintenreserve dafür nicht mehr. Zwei kleinere oder ein mittelgroßes Gemälde der Bestien – mehr war nicht mehr drin und egal, was sie erwartete, es musste reichen. Seine rechte Hand ging nervös zu seinem Schwertgriff, ehe sie um die nächste Ecke bogen. Hatte er in der Entfernung ein Geräusch gehört? Der Wind pfiff durch die Gänge und machte es ihnen schwerer, auf Geräusche zu achten. Der Gang endete in einer weiteren Kammer, an deren gegenüberliegenden Seite ein neuer Gang seinen Anfang nahm. Ein dritter Gang befand sich direkt neben dem, aus dem sie gekommen waren. „So etwas hatte ich befürchtet.“ Der seufzend vorgetragene Satz ließ Sai sein Schwert und Sakura ein Kunai ziehen. Hinter einem am Boden liegenden Felsbrocken trat ein junger Mann mit blassblauen Haaren hervor. Auf einem seiner Finger saß einer der kleinen Vögel, die sie bis hierhin verfolgt hatten. „Ich bin wirklich, wirklich enttäuscht, dass ihr meinen Liebling verfolgen konntet“, jammerte er. „Wie stehen wir denn jetzt vor den anderen da? Tora ist mit Sicherheit sauer. Was auch alles wieder komisch ist, weil eigentlich sollen wir doch alle keine Gefühle haben und doch haben wir sie. Haben wir vielleicht vergessen, wie man keine Gefühle mehr hat? Ich bin verwirrt. Was sagst du dazu, Sai?“ Sprachlos starrten die beiden Konoha-Ninja den wie einen Wasserfall redenden Mann an. „Kennst du ihn?“, fragte Sakura und Sai schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht erinnern, ihm je begegnet zu sein.“ „Kannst du auch nicht“, warf der Ne ein. „Ich bin Ite. Meister Danzou hat uns nie zusammen eingeteilt, weil selten eine Mission zwei Experten für Erschaffung benötigt. Wobei sich unsere Jutsu schon unterscheiden. Meines basiert auf dem Windversteck, aber deinem liegt vermutlich das Wasserversteck zugrunde? Ja, so muss es sein. Ich habe dich das immer fragen wollen. Aber als ich mein Jutsu endlich perfektioniert hatte, bist du diesem Fuchsjungen über den Weg gelaufen. Das war unfair! Und dann ist auch noch Meister Danzou von dem Kerl getötet worden, denn DU hättest töten sollen!“ Er stöhnte. „Alles ist sooo kompliziert geworden, seit Meister Danzou nicht mehr da ist! Ehrlich, wir müssen doch wie eine total kopflose Organisation wirken. Wirken wir kopflos?“ „Ein wenig, ja“, antwortete Sai, in Anbetracht des Redeschwalls sichtlich überfordert. Er hatte eine ziemlich gute Idee, warum Danzou den geschwätzigen Shinobi selten zu Missionen eingeteilt hatte. Er entsprach absolut nicht Danzous Ideal von einem Ne. „Wo haltet ihr Sarada fest?“, mischte sich Sakura couragiert in das Gespräch ein. „Hm?“ Ite neigte den Kopf und winkte ab. „Zum Glück muss ich nicht auf den Plagegeist aufpassen. Aber natürlich verrate ich euch das auch nicht. Ich und mein Liebling sind nur hier, damit ich schnell Meldung machen kann, wenn ihr hier auftaucht.“ Sakura und Sai zuckten zusammen, als sie dies hörten und der Ne grinste. Schritte hinter ihnen ließen sie aufgeschreckt herumwirbeln. Verdammt! Ite hatte sie aufhalten sollen, bis Verstärkung eintraf! Ein weiterer Mann, älter als der Erste und mit längeren hellroten Haaren, kam aus dem Gang neben dem, durch den sie den Raum betreten hatten. „Praktisch“, begrüßte er sie missmutig, „die Frau wollten wir doch eh und jetzt ist sie freiwillig zu uns gekommen. Sai stellte sich umgehend schützend vor Sakura, die mit einem Mal eine wutentbrannte Aura umgab. „Also eigentlich“, warf Ite mit seiner extrovertierten Art ein, „waren wir uns nicht einig, ob wir sie mitnehmen sollen. Mizunoe war schon mächtig beleidigt, dass wir das überhaupt in Erwägung gezogen haben, weil sie sich für mindestens so kompetent hält. Weswegen wir uns dann auf den Kompromiss geeinigt haben, dich erst einmal einfach nicht zu töten, aber manche finden es wäre besser, wenn du bei uns wärst.“ Sakura und Sai tauschten einen mehr als irritierten Blick aus. Nichts davon ergab wirklich Sinn. Wofür brauchten die Ne Sakura? „Halt. Die. Klappe“, erwiderte der hinzugekommene Shinobi genervt. „Wenn dein Jutsu nicht so praktisch wäre, hätte nicht nur Danzou dich längst in die Wüste geschickt.“ „Aw, Tatsu, das war gemein!“ Der Angesprochene gab ein Knurren von sich und formte rasend schnell ein paar Fingerzeichen. „Feuerversteck: Funkenregen!“ Bevor die beiden Konoha-Ninjas sich versehen konnten, flogen feuerwerksähnliche Funken in ihre Richtung. Sai wich zur einen Seite aus und Sakura zur anderen. Die Funken verglühten und fielen zu Boden. Dieser Tatsu war also vom Schlachtfeld draußen abgezogen worden, um sie hier drinnen aufzuhalten. Es konnte durchaus sein, dass er niemals draußen gewesen war, sondern sein Feuerwerk aus dem Unterschlupf heraus abgefeuert hatte. Den Ne fehlte es offensichtlich an qualifizierten Leuten. Sakura musterte den neuen Gegner zügig. Wenn sie ihn mit einem Schlag k.o. setzen könnte, wäre ihnen nur noch dieser Ite im Weg. Aber irgendetwas stimmte da nicht. Sie warf einen Blick zurück zu ihm. Wieso hatte dieser sich ihnen so zuversichtlich entgegen gestellt? Es gab nur eine Möglichkeit: Er konnte noch viel mehr, als er bisher gezeigt hatte. Ite grinste von neuem, als er Sakuras Blick bemerkte. „Dir ist es aufgefallen, oder?“ Er hob die Hand an, auf der der kleine Vogel saß. „Zeig ihnen, was du kannst, mein Liebling.“ Der Vogel breitete seine Flügel aus und zischte ab wie ein Pfeil. Er war so schnell, dass man ihm mit bloßem Auge nicht mehr folgen konnte. Mehr einem Gummiball gleich flog er durch die Kammer und schlitzte mit seinem scharfen Schnabel im Vorbeifliegen Sai die Schulter auf. Getroffen schrie der junge Einsatzleiter auf, als das Blut aus seiner Wunde spritzte und er sein Schwert fallen ließ. Augenblicklich drehte der Vogel um und erwischte den bereits Verletzten ein weiteres Mal. Sai stürzte auf die Knie, nachdem der Angriff ihn am Bein getroffen hatte. Sakura hatte nicht einmal Gelegenheit zu erschrecken, denn schon hatte der Vogel sich zu ihr aufgemacht und sie an der Seite erwischt. Geistesgegenwärtig drückte sie ihre grün leuchtende Hand auf die verletzte Stelle, als direkt neben ihr ein Feuerwerk explodierte und sie vor den aus der Wand brechenden Steinen in Sicherheit springen musste. Schwer atmend kam sie neben Sai zum Stehen. „So, wir haben sie zusammengetrieben“, sagte Ite, „was jetzt?“ „Ihn töten, sie mitnehmen“, antwortete Tatsu ungerührt. „Meinetwegen. Du klärst das mit Mizunoe.“ Der zu ihm zurückgekehrte Vogel setzte erneut zum Abheben an. Panisch überlegte Sakura, was sie tun sollte. Würden sie den Angriff abbrechen, wenn sie sich über Sai warf? Sie konnte hier drin keine große Attacke riskieren. Zu viel Erschütterung könnte das fragile Tunnelsystem zum Einsturz bringen. Der Vogel zischte erneut los und zu Sais Entsetzen warf Sakura sich über ihren auf der Erde hockenden Kameraden. „Nicht, Sakura!“, schrie er erschrocken, als plötzlich ein riesiger Schwarm schwarzer Krähen aus dem Gang, aus dem die Konoha-Ninja gekommen waren, strömte und auf die beiden Ne losging. Da dem weißen Vogel die Sicht genommen war, hielt er verwirrt in der Luft an und wurde von jetzt auf gleich von einem Senbon durchbohrt. Er löste sich auf. Als Sakura nicht minder irritiert aufblickte, stand niemand Geringeres als ihr alter Lehrer vor ihr. „Was macht ihr immer für Sachen, wenn ich nicht da bin?“ Kakashi lächelte die perplexe Kunoichi an, ehe er ihr und Sai inmitten des Krähengewimmels hochhalf. „Was sind denn das für Viecher??“, zeterte Ite und riss mit einem Mal die Augen auf, als er bemerkte, dass aus dem Schwarm der lautstark kreischenden Raubvögel ein bewaffneter Shinobi heraussprang. Ite wich Raidous Schwerthieb haarscharf aus und rückte so von dem Eingang weg, vor dem er die ganze Zeit gestanden hatte. „Scheiße!“, fluchte Tatsu. „Wo kommt denn die Verstärkung her??“ Er schreckte zusammen und wich aus, bevor das Senbon, das auf ihn zuflog, ihn erreichen konnte. Der Sturm aus Krähen legte sich und zeigte, dass nun Ite Raidou und Tatsu Genma gegenüberstand. „Kriegt ihr das hin?“, fragte Kakashi in ihre Richtung. „Die Frage ist fast schon beleidigend.“ Genma grinste süffisant, während schon ein neues Senbon in seinem Mund steckte. „Seid trotzdem vorsichtig.“ „Sind wir immer“, antwortete Raidou, nahm eine weitere Schriftrolle heraus, die er von Aoba bekommen hatte und ließ damit einen erneuten Krähenschwarm aus dem Nichts auftauchen. Der Hokage nutzte diesen, um seine zwei Schützlinge in Sicherheit zu bringen. Sakura konnte selbst laufen, weswegen Kakashi nur Sai bei ihrer Flucht nach vorn abstützen musste. Dieser Gang ging nun steil nach oben. Es konnte von hier nicht mehr weit bis zur Spitze des Berges sein. Sie erreichten eine neue Kammer und hielten dort an, damit Sakura alle Wunden notversorgen konnte. „Sollte ... ein Arzt-Ninja nicht zuerst … die eigenen Verletzungen … behandeln?“ Sai keuchte vor Schmerzen. „Mir ist gerade nicht danach, mich ans Protokoll zu halten“, gab Sakura knapp zurück. „Kakashi, was machst du hier?“ Der Angesprochene behielt die Umgebung im Blick, während er antwortete. Es zweigten sich wieder zwei neue Gänge von ihrem Standort ab. „Meine Versprechen halten.“ Nach dieser kryptischen Antwort warf Sakura ihm einen fragenden Blick zu. Typisch für ihn, dachte sie. „Wie habt ihr uns gefunden?“ „Wir sind erst der Richtung gefolgt, die Naruto und Yamato uns gesagt haben und da kam uns das Team von Konohamaru entgegen. Mit den Informationen von den Genin war mir klar, was ihr versuchen würdet.“ „War der … Plan schlecht?“, presste Sai angestrengt hervor. „Ganz und gar nicht.“ Kakashi schenkte ihm ein kurzes Lächeln. „Ich hätte es genauso gemacht.“ Trotz seiner Schmerzen zauberte dies auch Sai ein flüchtiges Lächeln aufs Gesicht. Schnell wurde er aber wieder ernst. „Kakashi-taichou, einer der Ne hat eben etwas Beunruhigendes gesagt. Er erwähnte jemanden namens Tora … und mir ist wieder eingefallen, wer das ist.“ Die beiden anderen richteten ihre Aufmerksamkeit auf ihr dunkelhaariges Teammitglied. „Die Blitze, mit denen wir abgeschossen wurden, sie kamen von ihm. Er ist sehr stark und Danzou lobte früher immer nicht nur seine Ausdauer, sondern auch sein strategisches Können. Er wird so etwas wie der momentane Anführer der Ne sein.“ „Ist Sarada dann bei ihm?“ Sakura wechselte von Sais Schulterwunde zu seiner Verletzung am Bein. „Das halte ich für unwahrscheinlich“, entgegnete Kakashi. „Ein Anführer kann sich nicht um alles gleichzeitig kümmern. Wenn er den Kampf gegen uns koordiniert, kann er nicht Sarada bewachen.“ „Das heißt“, schlussfolgerte Sakura, „wo auch immer er ist, ist Sarada nicht.“ „Aber sie ist definitiv hier“, beschwichtigte Kakashi sie. „Dies scheint die letzte Bastion der Ne zu sein. Wenn wir sie zu Fall bringen, werden sie sich davon nicht mehr erholen.“ „Was für große Worte!“ Schritte hallten mit der Stimme eines fremden Mannes durch einen der Gänge. „Übermut ist schon einigen Ihrer Vorgänger zum Verhängnis geworden, nicht wahr, Meister Hokage?“ Die letzten beiden Worte trieften vor Verachtung. Endlich erschien der Mann, der sie geäußert hatte, vor ihnen. Er hatte kurze, dunkelgraue, abstehende Haare und musste etwa in Kakashis Alter sein. „Tora.“ Sais Blick verfinsterte sich. „Du“, erwiderte Tora verächtlich, „du ekelst mich an. Bei allem was Meister Danzou für dich getan hat; wie sehr er dich gefördert hat! Und ausgerechnet du setzt alles daran, sein Lebenswerk zu vernichten. Mir ist nie eine undankbarere Kreatur als dir begegnet. Von Kinoe einmal abgesehen.“ Sai schluckte. Seine Miene war eine Mischung aus Wut und Bestürzung. „Es gibt eine Menge Dinge, bei denen du falsch liegst“, richtete Kakashi gelassen an den Ne. „Aber ich habe wirklich nicht die Zeit, dich bei allem zu korrigieren, daher lass mich dir nur sagen, dass Kinoe nie undankbar war. Ihr nehmt es immer gleich so persönlich, wenn jemand nicht eurer Meinung ist. Nein, Kinoe weiß, was er Danzou zu verdanken hat und was nicht. Und ich bin mir sehr sicher, dass Sai dies auch weiß.“ Er tauschte einen Blick mit Sai aus, dessen Miene sich wieder entspannt hatte. Ah, Kinoe ist …?, fragten seine Augen und Kakashi nickte. Genau der. Obwohl die Stimme des Ne seine Emotionen deutlich verrieten, blieb sein Gesichtsausdruck die gesamte Zeit unbeeindruckt. „Rede, solange du noch kannst, Kakashi Hatake. Du denkst, dies wäre alles, was wir noch aufzubieten hätten? Hah, du hast nicht einmal die geringste Ahnung, was in Konoha vorgeht. Wir wissen, dass es nicht reicht, Sasuke Uchiha kampfunfähig zu machen, um Konoha zu übernehmen. Der Fuchsjunge ist uns ebenso im Weg, aber auch er ist nur schwer zu töten, nicht wahr? Doch er hat die gleiche Schwachstelle wie Sasuke Uchiha.“ Nicht nur die selbstbewusste Art, wie Tora dies vortrug, nagte an Kakashi. Sein Bauchgefühl sagte ihm ebenso, dass der Ne nicht bluffte. Sakura hielt den Atem an, als eine Erkenntnis über sie hereinbrach. „Das Betäubungsmittel, mit dem ihr mich betäubt habt … so ein starkes Mittel kann nur von jemandem mit sehr guten Medizinkenntnissen hergestellt werden ...“ Sakura blickte mit angstbesetzter Mimik auf. „Diese Frau, die die anderen eben erwähnt haben … sie ist …?“ Eine Aura von Stolz umgab Tora. „Sie wartet schon sehr lange darauf, endlich etwas für uns tun zu können.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)