Geister der Vergangenheit von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 6: Nein! ---------------- „Ich wusste, da ist irgendetwas faul!“ Raidou zuckte vor Schreck zusammen. Er hatte Genma noch nie so wütend erlebt. Der sonst so coole Mann hatte eben sogar Shizune angeschrien, Kakashis Order zu ignorieren und Iwashi nicht zu holen. Da aber einer von ihnen der Hokage war (und der andere nicht), war Shizune letzten Endes äußerst irritiert doch losgezogen. Nun warteten sie im Büro des Hokage auf das Eintreffen Iwashis. „Was zur Hölle hast du in diesem Brief geschrieben??“, schimpfte Genma weiter. Kakashi blieb gelassen. „Das geht dich nichts an.“ „Das geht mich sehr wohl etwas an! Du willst doch schließlich, dass wir dich teleportieren, richtig?“ „Oh nein“, erwiderte Kakashi gefasst, „ich will es nicht, ich befehle es.“ „Du befiehlst es …? Tsk.“ Genma klackte wütend mit seinem Senbon. „Dann verweigere ich den Befehl.“ „Genma!“, rief Raidou erschrocken dazwischen, ratlos, was er sonst tun sollte. „Siehst du nicht, was er wieder abzieht?“, fuhr Genma den Freund an. „Er hat die ganze Zeit wieder irgendwas Bescheuertes im Hintergrund laufen und wir sollen schön brav mitmachen.“ „Du verweigerst einen Befehl des Hokage?“, fragte Kakashi erstaunlich kühl. „Dir ist schon bewusst, dass so etwas Konsequenzen hat?“ „Verrat mir einfach, was du in dem verdammten Brief geschrieben hast.“ Der Sechste schüttelte den Kopf und blickte ungewohnt streng zu dem Sonderjonin. „Mir reicht es jetzt mit dir, Genma. Es ist eine Sache, wenn du dich im Ton vergreifst, aber es ist etwas Anderes, wenn du Befehle verweigerst. Ich bin der Hokage und wenn du meinen Anweisungen nicht folgst, landest du als Abtrünniger im Gefängnis.“ Raidou war bei dieser Ansprache ganz bleich geworden. Er hatte Kakashi schon oft bitterernst erlebt, aber so? Der Älteste der Runde konnte sich nicht entsinnen, ihn je dermaßen strikt und bedrohlich gegenüber einem Kameraden erlebt zu haben. Die gesamte Situation war so unheimlich geworden, dass es ihm eiskalt den Rücken hinunterlief. Sicher bemerkte Genma dies auch und würde nun endlich zur Vernunft komme- „Gefängnis?“ Genma zog eine Augenbraue hoch und lachte abfällig. „Okay! Meinetwegen wirf mich ins Gefängnis, aber dann teleportiert dich keiner.“ Seine saloppe Reaktion ließ Kakashi verstimmt die Zähne aufeinander beißen. Sein Unglück war es, dass bisher noch keine Nachfolger für die drei Anwender des Hiraijin gefunden worden waren. Er hatte ihnen den Auftrag erteilt, jüngere Shinobi zu finden, die das Jutsu erlernen sollten, allerdings war das Hiraijin eines der Künste, die so schwer waren, dass bisher alle Anwärter daran gescheitert waren. In der Tat war diese Form des Jutsus nur entstanden, weil niemand in der Lage gewesen war, die Kunst des Vierten eins zu eins zu erlernen. Minato hatte diese drei ausgesucht und ausgebildet und Kakashi war damals angefressen gewesen, weil Minato anscheinend gar nicht daran gedacht hatte, ihm das Jutsu beizubringen. Er konnte sich an das weise lächelnde Gesicht seines Meisters erinnern, als wäre es erst gestern gewesen, dass er ihm von dem harten Training erzählt hatte. „Weißt du, Kakashi, wie es aussieht, ist es für die meisten Ninja zu schwierig, diese Kunst alleine zu meistern. Aber mir gefällt der Gedanke, dass die drei zusammenarbeiten müssen, um sie anzuwenden. Ich bin mir ganz sicher, dass sie damit in Zukunft viele Menschen beschützen werden.“ Kakashi seufzte innerlich, ohne seine strenge Miene nach außen hin aufzugeben. Die drei waren IHRE Leibwächter, Sensei. Sie sollten SIE beschützen. Es war so typisch für den Vierten gewesen, dass er nur an andere gedacht hatte. „Wenn du weiterhin den Befehl verweigerst“, fuhr der Hokage fort, als ihm bei seinen wehmütigen Erinnerungen eine Idee gekommen war, „dann wird das als gemeinschaftliches Vergehen gewertet und Raidou und Iwashi landen ebenso im Gefängnis.“ „Moment, was?“ Raidou riss entsetzt die Augen auf und sah panisch zwischen dem Sechsten und Genma hin und her. Letzterer hatte durch diese Drohung nun doch seine Coolness verloren. „Das kannst du nicht machen.“ Fassungslos und zornig starrte er den Hokage an. „Doch. Kann ich.“ Eine Pause entstand, in der man die gereizte Atmosphäre regelrecht spüren konnte. Sie war erdrückend und jedem Anwesenden ein Zeichen, dass der Hokage jedes Wort ernst meinte. Todernst. „Scheiße!“ Genma schleuderte wütend sein Senbon in eine Wand und ließ damit Raidou ein weiteres Mal zusammenzucken. Kakashis stoischer Blick wanderte zu der Nadel, die nun in der Wand steckte, und zurück zu ihrem Besitzer, der sich dazu zwang, durchzuatmen. „Okay“, sagte der langhaarige Sonderjonin schließlich ruhiger, „versuchen wir, das zivilisierter anzugehen: Du verrätst uns, was du geschrieben hast und dann entscheiden wir weiter.“ „Du entscheidest für Raidou und Iwashi mit?“ Kakashi sah zu Raidou, der sichtlich damit haderte, etwas zu sagen. „Verrate es uns doch einfach“, brachte der nervöse Brünette endlich hervor. „Dann überzeuge ich Genma davon, Vernunft anzunehmen.“ Merklich verstimmt über diesen Vorschlag, warf der Erwähnte dem Kameraden einen angesäuerten Blick zu. Der Sechste seufzte. Es war natürlich nicht seine Intention gewesen, Genma und Raidou zu entzweien und Minato-sensei würde über diese ganze Aktion sehr wahrscheinlich missbilligend den Kopf schütteln, aber Kakashi sah sich mit dem Rücken zur Wand stehend. Sein Plan beinhaltete das Hiraijin, allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass Genma sich so querstellen würde. Ausgerechnet Genma. Dass er nun zu solchen Tricks greifen musste, um seinen Plan weiterverfolgen zu können …. Aber wenn es ihm jetzt gelingen würde, Raidou zur Kooperation zu bringen, dann müsste der eigentlich so gefasste Sonderjonin mitziehen. Es war vollkommen ausgeschlossen, dass Genma Strafen für seine beiden Kameraden riskierte und besonders an dem folgsamen Raidou lag ihm viel – obwohl er dies noch nie offen ausgesprochen hatte. „Na schön“, sagte Kakashi schließlich, „ich habe den Entführern geschrieben, dass sie, da Sasuke nicht so schnell auffindbar ist, mich an seiner Stelle haben können.“ Die rötlichen Strahlen der Abendsonne fielen in das nun gespenstisch stille Büro des Hokage. Die beiden Sonderjonin blickten ihren Vorgesetzten wortlos an. „Warte“, gab Genma nach einer gefühlten Ewigkeit von sich, „ich habe gerade verstanden, du willst dich den Ne ausliefern.“ „So würde ich es nicht formulieren.“ Irritiert deutete Genma ein Kopfschütteln an. „Was glaubst du, werden die Ne denn tun, wenn sie dich in die Finger kriegen?“ „Ich denke, sie werden versuchen, mich zu töten“, antwortete Kakashi so ruhig, dass jeder im Raum deutlich spüren könnte, wie der Zorn des langhaarigen Shinobi wieder wuchs. „Und das sollen wir jetzt so hinnehmen?“ „Nicht, wenn Naruto und die anderen in der Zwischenzeit Sarada in Sicherheit bringen und wir die Entführer angreifen können.“ „Das ist dein Plan?!“, entfuhr es Genma schließlich. „Das ist eine Scheißidee und du bist komplett irre und wirst dabei draufgehen!“ „Es gibt keine andere Möglichkeit.“ Kakashi wurde ebenso lauter, doch er versuchte, seine Emotionen unter Kontrolle zu behalten. „Wenn wir ihnen lediglich gesagt hätten, dass wir Sasuke erst suchen müssen, hätten sie das als die Hinhaltetaktik verstanden, die es auch ist und es wäre gefährlich für Sarada geworden. Ich hatte ihnen vorgeschlagen, mich gegen Sarada zu tauschen, aber darauf sind sie nicht eingegangen, weil sie irgendjemandes Kopf rollen sehen wollen. Das Wichtigste ist, Sakuras Tochter zu retten. Das ist das einzige, was zählt.“ „Und du willst, dass wir da mitmachen - nein, du willst, dass wir dich ausliefern?“ Genma sah ihn ungläubig und aufgebracht an. „Wie ich schon sagte: Es ist ein Befehl“, entgegnete Kakashi stoisch und zunehmend genervt davon, dass der Andere sich so querstellte. Es galt, ein Versprechen zu halten, das musste Genma doch begreifen! „Das tun wir nicht.“ Die leise geäußerten Worte des dritten Mannes im Raum ließen Kakashi und Genma verwirrt zu ihm schauen. „Raidou?“, hakte Letzterer nach. „Was hast du gesa-“ „Das tun wir nicht!“ Der Angesprochene hob abrupt Kopf und Stimme und wiederholte seinen Satz derart erzürnt, dass der Sechste verschreckt zusammenzuckte. „Wie kannst du so etwas überhaupt von uns verlangen?? Vielleicht hat Genma Recht und du bist wirklich nicht ganz zurechnungsfähig!“ Angesichts dieses Wutausbruchs tauschten die beiden anderen irritierte Blicke aus. Keiner von ihnen hatte es sich auch nur vorstellen können, dass Raidou so wütend werden könnte. Ausgerechnet Raidou. „Wir sollen den Hokage beschützen und nicht absichtlich Gefahr aussetzen!“, polterte dieser weiter. „Du willst Sakuras Tochter retten, aber denkst du denn nicht, dass dein Leben ebenso beschützt gehört?! Du bist der Hokage, du bist für ein ganzes Dorf verantwortlich, dieses Dorf braucht dich! Hast du daran schon einmal gedacht?! Wir alle wissen, dass du dein Leben für unsere geben würdest, aber das macht den Gedanken für uns nicht leichter, dass du tatsächlich sterben könntest! Wir waren die Leibwache des Vierten, wir wollten ihn beschützen! Wir wollten ihn so sehr beschützen und am Ende haben wir überhaupt nichts für ihn tun können! Wir mussten hilflos mitansehen, wie der Dritte gestorben ist und konnten nicht verhindern, dass die Fünfte sich für die Bewohner des Dorfes in Gefahr gebracht hat! Und der Sechste wäre uns beinahe schon einmal genommen worden! Ich weiß, dass du dir vorstellen kannst, was für ein Gefühl das ist! Und trotzdem verlangst du so etwas von uns! Du bist nicht nur unser Hokage, Kakashi! Du bist unser Freund! Wir lieben dich und wir können dich nicht sterben lassen!“ Erneute Stille legte sich über das Büro, als Raidou nach seinem langen, in einem Atemzug vorgetragenen Monolog tief Luft holte und seinen Blick wieder senkte. Ein wenig bedröppelt sah Kakashi zu dem Brünetten, der gerade einer Menge angestautem Kummer Luft gemacht hatte. Daran hatte er in der Tat nicht gedacht. Ironischerweise war es ihm nicht in den Sinn gekommen, dass er etwas dermaßen Schmerzhaftes von ihnen verlangte. Ausgerechnet ihm, der so viele Menschen nicht hatte beschützen können und bis heute davon verfolgt wurde. Er hatte zwar daran gedacht, dass – wenn alles schief ging und er wirklich sein Leben verlieren würde – dies sicherlich Yamato und den Rest von Team Sieben treffen würde, aber es war so tief in Kakashis Innern verwurzelt, dass andere Leben wichtiger waren als sein eigenes, dass er gar nicht weiter hinterfragte, wie schlimm sein Tod für andere tatsächlich wäre - und wer alles davon betroffen wäre. Er setzte darauf, dass sie es verstanden; dass sie es nachvollziehen konnten und zu der exakt gleichen Schlussfolgerung wie er kamen: Dass dies der einzige Weg war. „Hör mal“, sagte Genma ruhig in die aufgekommene, seltsame Stille hinein, während er ein neues Senbon aus einer Tasche zog, „du glaubst immer noch, du müsstest alles alleine lösen, als wäre dein Opfer eine Universallösung für alle Probleme, aber das ist nicht wahr. Wir sind Kameraden und wir kümmern uns umeinander. Mir war von Anfang an klar, dass du nicht hier herumsitzen und abwarten wirst. Wenn du wirklich dahin willst, wenn du wirklich zu diesen Entführern willst, dann bringen wir dich dahin. Aber nicht, um dich auszuliefern, sondern um mit dir zu kämpfen.“ Für die zwei Sonderjonin unsichtbar, formte sich ein kaum wahrnehmbares, betrübtes Lächeln unter Kakashis Maske. Er hatte das Teamwork außer Acht gelassen. Ausgerechnet er. „Ich habe etwas Unmögliches von euch verlangt, verzeiht mir bitte“, sagte er viel leiser als in der vorangegangen Diskussion. „Manche alten Gewohnheiten lassen sich wohl leider nie so ganz ablegen. Es war unbedacht von mir, diese Krise allein lösen zu wollen.“ „So etwas kann den Besten ihrer Art passieren.“ Genma zuckte mit den Schultern und steckte sich das neue Senbon in den Mund. „Du hast ja uns, damit wir auf dich aufpassen. Und wer hätte gedacht, dass Raidou so ausrasten könnte?“, fügte er amüsiert grinsend und mit Blick auf den nun peinlich berührt den Boden fixierenden Kameraden hinzu. Bevor ein weiteres Wort fallen konnte, wurde die Tür aufgerissen und Iwashi stürzte hinein. „Ich sollte kommen?“ Er erblickte Genma und Raidou und stutzte. „Sollen wir jemanden teleportieren?“ „Oh ja“, antwortete Kakashi entschlossen und mit nun sichtbarem Lächeln im Gesicht, „wir schicken den Rettungsteams Verstärkung.“ Auf Genmas Zeichen hin stellte der übertölpelte Iwashi sich mit den beiden anderen um den Hokage auf, um das Hiraijin vorzubereiten – was die in diesem Augenblick eintreffende Shizune noch mehr verstörte. „Shizune“, sagte Kakashi ihr, „pass mit Gai zusammen auf das Dorf auf. Ich habe mithilfe von Sai bereits Tsunade benachrichtigt. Da sie nicht zu weit weg wollte, müsste sie die Nachricht schon erhalten haben und auf dem Weg hierhin sein.“ „Was?“, entgegnete sie verdattert. „Wie? Was hast du – was habt ihr …?“ Sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden, denn die vier Männer verschwanden vor ihren entgeisterten Augen.   „In 200 Metern geht es aus dem Wald raus!“, rief Hanabi ihnen zu, während sie in die Richtung rannten, die Yamato ihnen genannt hatte. Die Hyuuga bildete mit ihrem Byakugan das Schlusslicht ihrer Gruppe. Nur Hanabi konnte die Pfeile sehen, die immer noch eine akute Gefahr für sie darstellten. „Verstanden!“, antwortete Sai und fühlte bei jedem Schritt die Last, die nun auf seinen Schultern lag. Er hatte schon mehrmals Teams für einzelne Missionen angeführt und in seiner Position als Einsatzleiter bei der Polizei von Konoha befehligte er oft viele Leute, aber nichts davon war vergleichbar mit dem, was er gerade schultern musste. Sakura, Kiba, Shino und Hanabi – sie alle unterstanden momentan nicht einfach seinem Befehl; nein. Sie standen unter seinem Schutz. Er war für sie alle verantwortlich. Und natürlich ebenso für die Rettung Saradas. „Shino, kannst du deine Insekten vorschicken?“, fragte Sai den hinter ihm laufenden Shinobi. „Der Großteil meiner Späh-Käfer ist von diesem Vogel gefressen worden“, entgegnete dieser resigniert. „Aber ein paar habe ich noch.“ Shino bremste ab und gleich nachdem er (und mit ihm die anderen) stehen geblieben war, flog ein halbes Dutzend kleiner Insekten aus seinem Ärmel. Kiba nutzte den Moment, um seine Nase in die Luft zu recken. „Das Terrain ändert sich gleich. Ich rieche Felsen.“ Sai warf einen flüchtigen Blick zu Sakura, die schweigend und vor Anspannung bebend in die Richtung schaute, in die sie unterwegs waren. Es war dunkel geworden. So vorsichtig er auch sein wollte, sie mussten sich trotzdem beeilen. „Weiter!“ Auf den Befehl ihres neuen Anführers hin setzte die Gruppe sich wieder in Bewegung und erreichte bald darauf das Ende des Waldes. Wie Kiba es gerochen hatte, standen sie nun auf felsigem Grund. Hier und da lagen mächtige Gesteinsbrocken umher und in nicht allzu weiter Ferne konnten sie im Licht des Mondes erkennen, dass sich ein riesiges Felsenmassiv aus der Ebene vor ihnen erhob. „Also, wenn ich so eine Ratte wäre und ein Versteck bräuchte“, äußerte Kiba verächtlich, „dann würde ich darauf setzen, dass in so einem Felsen irgendein Loch ist, in das ich mich verkriechen kann.“ Sai gab ihnen ein Zeichen, damit sie erneut stehen blieben. Frontal zu stürmen war zu gefährlich. Die Ne erwarteten sie mit Sicherheit. „Wir müssen einen Weg finden, ungesehen zu-“ Ein lautes Zischen und ein noch viel eindringlicher Knall unterbrachen ihn harsch. Grelle Farben blitzten auf einmal am Nachthimmel auf. War das … ein Feuerwerk? Der blasse Shinobi erschrak. Hatte Naruto nicht erwähnt, seine Schattendoppelgänger wären von einer Art Feuerwerk abgeschossen worden? „Das ist ein Jutsu!“, warnte er in den Krach der Explosionen hinein, als Hanabi plötzlich aufschrie. „Meine Augen!“ Sakura wirbelte zu ihr herum und wich dabei unbeabsichtigt dem Angriff des Feindes aus. Sie spürte nur, wie ein brennender Hauch sie am Arm streifte. Blitzschnell setzte sie eins und eins zusammen und durchschaute die Kunst des Gegners. „Die Funken des Feuerwerks gehen kontrolliert auf uns nieder!“ Geistesgegenwärtig malte Sai einen Vogel, der die Ausmaße seiner normalen Tintenvögel überstieg. Anstatt mit ihm zu fliegen, breitete dieser hier seine Flügel aus, um die vier Konoha-Ninja abzuschirmen. „Hanabis Augen wurden von den Funken getroffen.“ Sakura hielt ihre grün leuchtenden Hände über die Augen der Jüngeren, als Kiba unversehens erstarrte. „Die Ratten sind aus ihrem Loch gekrochen.“ Der Tintenvogel wurde von unzähligen Kunai und Shuriken unter Beschuss genommen, die eine heranrückende Truppe von Verstärkung geschleudert hatte. Sais Jutsu gab der brachialen Gewalt des Angriffs nach und löste sich auf, sodass die vier, die darunter Schutz gesucht hatten, Auge in Auge mit etwa 20 feindlichen Ninja standen. „Ihr habt Mi besiegt?“, sagte ein ihnen nicht sichtbarer Mann aus der Mitte der Gegnerschar verwundert. „Na ja.“ Er zuckte ungesehen mit den Schultern. „Sie hatte noch nie zu unseren Besten gehört.“ „Es riecht nach Gift!“, schrie Kiba und plötzlich dämmerte es Sai, woher ihm diese Stimme bekannt vorkam. „Auseinander! Teilt euch auf! Er wirft diese Giftpfeile!“ „Ah, Danzous früherer Liebling hat das Kommando übernommen, wie?“ Der Ne lächelte ein boshaftes Lächeln, bevor der Pfeil, den er zwischen den Fingern hielt, unsichtbar wurde und er seine Hand hob, um ihn zu schmeißen. „Fleischbombenpanzer!!“ „Häh?“, machte der Mann verwundert, bevor eine gigantische Kugel brüllend in die Reihen der Feinde rollte und sie dieser ausweichen mussten. „Konoha-Wirbelwind!!“, ertönte es da, während gleichzeitig ein Regen aus Kunai auf die Gegner niederprasselte, der dem gleich kam, den sie selbst abgefeuert hatten. „Schnell, hierher!“ Tenten rief aus einiger Entfernung hinter einer Felsengruppe zu den anderen hinüber, während Lee und Choji durch die Gegner wirbelten und sie ablenkten. „Bringt ihr Hanabi da rüber, wir helfen den anderen!“, äußerte Kiba entschlossen und wartete Sais Zustimmung nicht einmal ab, ehe er sich ins Getümmel stürzte. „Kiba und ich übernehmen den Giftkerl“, sagte Shino ruhig. „Kiba kann sein Gift riechen, wenn er nahe genug dran ist und ich kenne mich gut mit Toxinen aus.“ Um seine Aussage zu untermalen, ließ der Aburame weitere Käfer aus seinen Ärmeln krabbeln. „Beeilt euch.“ Auch er wartete keine Reaktion Sais ab, bevor er Kiba hinterherlief. Der nicht um Erlaubnis gefragte Anführer wechselte einen schnellen Blick mit Sakura, ehe sie sich beide die verletzte Hanabi schnappten und unter dem Schutz von Tentens anhaltendem Kunairegen zu der Kunoichi in Deckung liefen. Dort staunten sie nicht schlecht, denn bei der Waffenexpertin hockten Konohamaru, Moegi und Udon – wobei Ersterer von Letzteren festgehalten wurde. „Ich will helfen!“, meckerte der Jugendliche. „Der Hokage hat gesagt, wir sollen nicht kämpfen!“, gab Moegi maulend zurück. „Auch wenn nicht alle Gegner auf Anbu-Niveau sind“, erläuterte Udon, „wir wären den ganzen Jonin nur im Weg und keine Hilfe.“ „Hanabi muss dringend nach Konoha zurück, um behandelt zu werden“, presste Sakura gepeinigt hervor. Offensichtlich fühlte sie sich schuldig für das, was passiert war. Und gleichzeitig erdrückte sie die Angst um ihre Tochter immer mehr. Sai löste seinen Blick von der Kameradin und starrte – seine Hände zu Fäusten ballend – gen Boden. Was sollte er tun? Wie sollte er sie alle in Sicherheit bringen? Jemand wie der Hokage oder Yamato-taichou würde in so einer Lage einen rettenden Einfall haben und die richtige Entscheidung treffen, ging es ihm durch den Kopf. Aber er? Er fühlte sich nutzlos. Sai zwang sich dazu, durchzuatmen. Er musste einen kühlen Kopf bewahren. Alles hing von ihm ab. Wenn er schon nicht denken konnte wie Kakashi oder Yamato, dann doch vielleicht wenigstens wie …. Er entspannte seine Hände und blickte auf. „Tenten, wie habt ihr uns überhaupt gefunden?“ „Moegi hat Sensorfähigkeiten“, erklärte die Angesprochene knapp, während sie die nächste Schriftrolle mit martialischem Inhalt öffnete. Sai sah zu dem erwähnten Mädchen und ihren beiden Teamkameraden. Ja. Das könnte klappen. Naruto würde es vielleicht genauso machen. „Ihr könnt helfen.“ Mit diesem kurzen Satz hatte der blasse Jonin die volle Aufmerksamkeit Konohamarus. „Wirklich? Wie?“ „Mit Moegis Sensorfähigkeiten findet ihr den Weg zurück nach Konoha und könnt Hanabi retten.“ Konohamaru wirkte nicht wirklich zufrieden mit dieser Aufgabe, so wie er nun eine unzufriedene Grimasse zog, doch Sai lächelte sein übliches Lächeln, als er hinzufügte: „Das Wohl der Teamkameraden kommt immer zuerst. Das hat Naruto dir bestimmt beigebracht, oder?“ Schlagartig änderte sich die Haltung des Jüngeren. Ob es die Erwähnung des Teamgeistes oder die des verehrten Vorbilds war, war an dieser Stelle nicht einmal wichtig. Konohamaru nickte entschlossen. „Verlass dich auf uns!“ Sai zog sein Tintengefäß hervor und blickte ernst darauf. Sein Inhalt neigte sich langsam dem Ende zu. Nichtsdestotrotz malte er mehrere Löwenhunde auf seine Schriftrolle. „Ihr bringt Hanabi mit ihrer Hilfe nach Hause. Wir sorgen dafür, dass die Feinde euch nicht verfolgen.“ Er konzentrierte sein Chakra (von dem auch schon einiges verbraucht worden war) und ließ die Bestien erscheinen. Geschwind waren Moegi und Udon, sowie Konohamaru und Hanabi, die sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an ihm festhielt, auf zwei der Hunde gestiegen. „Tenten, kannst du ihnen eine Möglichkeit zur Flucht verschaffen?“ Die Kunoichi nickte, holte zwei weitere Schriftrollen hervor und aktivierte diese umgehend. „Beeilt euch! Es muss schnell gehen!“ Die Kugeln, die den Rollen entsprangen, verteilten sich zwischen ihrem Versteck und dem Anfang des Waldes. Sie explodierten und hüllten ihre nahe Umgebung in dichten Rauch. Die Löwenhunde ritten mit ihren Passagieren sofort in diese Richtung los, während die anderen Bestien sich zu den Konoha-Ninja ins Kampfgeschehen stürzten und jeden Feind, welcher der dichten Rauchwolke zu nahe kommen wollte, angriffen. „Du hättest sie begleiten sollen“, sagte Sakura mit immer erstickterer Stimme. Sie versuchte immer stärker und immer vergeblicher, ihre Verzweiflung zu unterdrücken. „Das geht nicht. Ich begleite dich“, erwiderte Sai so entschlossen, dass es sie zusammenzucken ließ. „Du hast Kakashi-taichou geschworen, nicht alleine loszuziehen und ich habe geschworen, euch alle zu beschützen. Also werden wir beide nun Sarada befreien.“ Sai zwang sich, nicht darüber zu grübeln, wie in aller Welt sie beide allein dies bewerkstelligen sollten. Naruto würde es so machen, nicht wahr? Das war alles, woran er sich im Moment festhalten konnte. Ablehnend deutete Sakura ein Kopfschütteln an. „Wenn dir etwas zustößt, werden Ino und Inojin-“ „Wenn es Inojin wäre“, fiel er ihr ins Wort, „würdest du das Gleiche für mich tun, oder?“ Sakura schluckte und vereinzelte Tränen rannten ihre Wangen hinab. Dann wischte sie diese mit ihrem Handrücken weg und nickte. Nur einen Wimpernschlag später erschienen zwei Tintendoppelgänger von ihnen vor ihr. „Wir klettern von hier die Felsformation hinauf. Die Doppelgänger sollten uns genügend Zeit verschaffen, um ungesehen einen Weg in das Massiv zu finden.“ Sais Hand verkrampfte sich unbemerkt um das fast leere Tintengefäß.   „Was soll das heißen, sie sind alleine weiter??“ Naruto war außer sich und startete einen extrem ungelenken Versuch, auf die Beine zu kommen. Kaum stand er, fiel er mit dem Gesicht zuerst auf die Erde zurück. „Au.“ Yamato seufzte. Diese unfreiwillig komische Einlage sollte zumindest weitere Überzeugungsversuche seinerseits, dass sie abwarten mussten, bis das Gift abgebaut war, überflüssig machen. Hoffte er. Allerdings wusste er, mit wem er es hier zu tun hatte. „Naruto, lass es. Du machst es nur schlimmer, wenn du herumzappelst“, stöhnte er angesichts des nächsten Anlaufs des Jüngeren, aufzustehen. „Ich kann doch nicht hier einfach abwarten! Wie kannst du so ruhig bleiben? Machst du dir gar keine Sorgen um sie?“ „Ich bin nicht ruhig“, entgegnete Yamato ungewohnt harsch. „Ich bin mindestens so besorgt wie du, aber ich weiß, dass das, was du gerade machst, sinnlos ist.“ Mit hängenden Schultern setzte sich der Blondschopf auf und blieb erstaunlich still sitzen. „Entschuldige“, sagte er zur Überraschung des Anderen, „das war unbedacht von mir. Ich weiß, dass du und Kakashi-sensei euch immer Sorgen um uns macht.“ Verwundert sah Yamato seinen einsichtigen Schützling an. Der Anblick entlockte ihm ein schwaches Lächeln. „So viel Vernunft hast du ja noch nie an den Tag gelegt, Naruto. Mir scheint, die Sorge um deinen eigenen Schüler lässt dich allmählich reflektierter werden.“ „Reflek-was?“ „Nicht so wichtig.“ Trotz der bangen Lage musste Yamato amüsiert den Kopf schütteln. Wenn ihm jetzt doch nur noch etwas einfallen würde, um Sai und Sakura zu helfen. Doch im Moment waren er und Naruto mehr Ballast als Hilfe. Von neuem ergriff ein Gefühl von Angst sein Herz. Was, wenn Sakura und Sai etwas zustoßen sollte? Oder die Mission scheiterte und Sarada …. Erschrocken brach er den Gedanken ab. Nein, nichts in der Welt könnte einen solchen Schmerz heilen. Was würde Kakashi in so einer Situation tun? Irgendetwas Lebensmüdes, so viel war sicher. Aber er selbst konnte sich gerade kaum rühren. Senpai, ich tue etwas Unverzeihliches. Ich lasse deine Schüler im Stich. Ich könnte es verstehen, wenn du mir dies nicht verzeihen würdest. „Yamato-taichou?“, fragte Naruto besorgt nach, als er bemerkte, wie die Miene des Älteren immer betrübter wurde. „Ich wünschte wirklich, Naruto, wir könnten etwas tun. Wirklich. Von ganzem Herzen.“ Eine Windböe kam auf und plötzlich – klappte Yamato der Kiefer nach unten. Vor ihnen standen Kakashi, Genma, Raidou und Iwashi. „Wie … was … wo … häh?!“, entfuhr es Yamato ungelenk und übertölpelt. „Was ist mit euch?“, sagte Kakashi anstelle einer Begrüßung und mit gerunzelter Stirn. Die beiden Kameraden, die da vor ihm auf dem Boden saßen, sahen alles andere als gesund aus. „Einer der Gegner arbeitet mit Gift, aber Sakura hat uns bereits das Gegenmittel verabreicht.“ Der brünette Jonin blinzelte die Neuankömmlinge immer noch mit großen Augen an. „Du schreist immer 'Hier!', wenn es irgendwo Gift gibt, oder?“ Genma hob kopfschüttelnd eine Augenbraue. „Kakashi-sensei!“, warf Naruto ein, der die aus dem Nichts aufgetauchte Gruppe bis eben skeptisch angeguckt hatte. Es war ja nicht auszuschließen, dass er Halluzinationen hatte – doch so wie es schien, waren die Leute vor ihm tatsächlich real. „Sakura und Sai und die anderen sind in diese Richtung weiter! Yamato-taicho sagt, die Entführer würden sich dort verstecken.“ Der Hokage blickte in die Richtung in die Narutos nur schwerfällig angehobene Hand zeigte und atmete aus. „Alles klar. Iwashi, du bleibst bei den beiden. Genma und Raidou, ihr kommt mit mir.“ „Hört, hört.“ Genmas Grinsen irritierte jeden, der nicht bei der vorangegangen Diskussion dabei gewesen war. Kakashi blickte noch einmal zu den beiden am Boden Sitzenden. „Wir beeilen uns. Benehmt euch.“ Narutos Gesichtszüge entspannten sich merklich. Kakashi-sensei war da. Er würde den anderen zu Hilfe kommen. Er würde sich darum kümmern. Yamatos Gesichtszüge wurden derweil von einer Erkenntnis übermannt. „Moment mal ...“, sagte er mit steigender Fassungslosigkeit. „Habe ich eine Hiraijin-Markierung?“ „Wir gehen dann.“ „ICH HABE EINE HIRAIJIN-MARKIERUNG?! WIESO HABE ICH EINE HIRAIJIN-MARKIERUNG?!“ Die davon stürmende Dreiergruppe drehte sich trotz seines Brüllens nicht noch einmal um. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)