Geister der Vergangenheit von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 3: Die ersten Sonnenstrahlen eines dunklen Tages -------------------------------------------------------- Die Sonne ging langsam über Konoha auf und erhellte das Dorf so gut sie durch die dicken, grauen Wolken, die den Himmel verdeckten, konnte. Naruto gähnte laut und hielt sich dabei plötzlich selbst den Mund zu. Boruto schlief endlich und unter gar keinen Umständen wollte er irgendeinen Laut machen, der den kleinen Blondschopf wieder aufweckte. Mitten in der Nacht hatte der Junge angefangen zu husten und an Schlaf war ab diesem Zeitpunkt für niemanden mehr zu denken gewesen. Hinata war normalerweise nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, aber wenn Boruto kränkelte, regten sich doch schnell Sorgen und Ängste in der jungen Frau – und auch in ihrem Ehemann, der viel geschwinder als seine Gattin den Kopf verlor, wenn es um das Wohl des Sohns ging. Ersteinmal hatten sie sich darauf geeinigt, die Lage ruhig zu beobachten. Wenn es schlimmer werden sollte, hatte Naruto gleich angekündigt, würden sie Boruto zu Sakuras Kollegin ins Krankenhaus bringen. Dies hatte Hinata tatsächlich ein wenig beruhigt und sie hatte ein wenig schlafen können, während Naruto für die restliche Nacht die Wache über ihren Sohn übernommen hatte. Auf leisen Sohlen schlich Hinata nun in das Kinderzimmer und warf einen prüfenden Blick zuerst auf Boruto und dann auf seinen Vater. „Er schläft jetzt ganz ruhig“, erklärte dieser flüsternd und freute sich, dass er eine gewaltige Erleichterung im Gesicht seiner Frau ausmachen konnte. „Hast du heute Dienst?“, fragte Hinata leise. „Wenn nicht, könntest du dich noch ein wenig ausruhen.“ Naruto schüttelte den Kopf. „So weit ich weiß, erhalten Genin im Moment immer noch keine Missionen außerhalb Konohas und wenn für Jun keine Mission ansteht, will ich die Zeit lieber zum Training mit ihm nutzen.“ Er wurde nachdenklich, während er dies sagte. Im Missionsraum hatte er nur in Erfahrung bringen können, dass es Überfälle auf Genin-Teams gegeben hatte und deswegen keine Genin mehr das Dorf verlassen durften, aber Naruto spürte, dass da noch mehr dahinter steckte. Kakashi, Sai und Yamato waren die letzten paar Tage auffallend beschäftigt und kaum bis gar nicht zu sprechen gewesen und ihm selbst gab das ein beklemmendes Gefühl. Wenn er dann noch bedachte, wie kryptisch Ino sich ausgedrückt hatte …. Er musste Kakashi irgendwie heute mal abpassen und ihn direkt danach fragen. Sein Entschluss wurde von einem Klopfen an der Haustüre gestört. Hinata warf ihm sogleich einen aufgeschreckten Blick zu. Ein Besucher zu so einer frühen Stunde konnte nichts Gutes bedeuten. Naruto sprang auf (dabei nach wie vor natürlich jegliche lauten Geräusche vermeidend) und huschte rasch aus dem Zimmer, den Flur hinab und zur Haustür. Als er sie öffnete, stand ein Anbu davor. Nein, nicht irgendein Anbu. Das war Yugao; er erkannte sie, auch wenn sie ihre Anbu-Maske trug. Das beklemmende Gefühl in Narutos Innern wurde mit einem Mal schlimmer. „Entschuldige die frühe Störung“, sagte Yugao ernst, „aber es ist etwas vorgefallen und der Hokage will, dass du informiert wirst.“ „Ein Vorfall? Was ist passiert?“ „Sakura wurde überfallen.“ Die Augen des sonst selten sprachlosen Blondschopfs weiteten sich vor Schock. Er starrte Yugao wortlos an und versuchte, zu verstehen, was sie gerade gesagt hatte. Das beklemmende Gefühl wurde rasend schnell zu einer nackten Panik. „Was ist mit ihr??“ „Sie lebt noch, aber zur Zeit ist sie bewusstlos und befindet sich im Krankenhaus.“ Yugao sprach ruhig, so wie sie es in all ihren Jahren als Anbu gelernt und verinnerlicht hatte, allerdings musste sie sich zwingen, die Ruhe zu bewahren. Sie kannte und mochte Sakura und zudem war die junge Kunoichi noch eine Schülerin des Sechsten. Auch wenn sie sich nichts anmerken ließ, es traf sie schwer. „Sakura wurde angegriffen?“ Hinata war hinter Naruto im Flur aufgetaucht und blickte ganz bleich und mitgenommen zu der Überbringerin dieser schlechten Nachrichten. „Was-was ist denn mit Sarada?“ Keiner von ihnen konnte es sehen, aber Yugao biss sich bei dieser Frage kurz auf die Lippen. „Das wissen wir momentan nicht.“ „Was?!“, entfuhr es Naruto. „Was soll das denn heißen??“ „Wir wissen nicht, wo Sarada ist.“ Hinata schlug vor Schreck ihre Hände vor dem Mund zusammen, als sie dies hörte. „Sarada ist … verschwunden?“ „Wurde sie … entführt??“ Naruto hatte das Gefühl, in einem bösen Traum gelandet zu sein. Das konnte alles gar nicht sein. Gestern noch war er bei Sakura und Sarada gewesen und alles war in Ordnung gewesen und jetzt sollte …? „Der Hokage will persönlich mit dir sprechen“, antwortete Yugao, während Naruto sich bereits hastig seine Jacke und Schuhe anzog.   „KAKASHI-SENSEI!!“, brüllte Naruto ihm entgegen, sobald er Sakuras Wohnung betreten hatte und seinen ehemaligen Lehrer dort zusammen mit Sai und Yamato stehen sah. „Was ist passiert?? Weißt du, was hier passiert ist??“ In der gesamten Wohnung wimmelte es von Polizisten. Einige Anbu waren auch dort und aus dem Augenwinkel konnte Naruto Genma und Raidou sehen, wobei Letzterer das Gesicht verzog und Ersterer sich an ein Ohr fasste und stöhnte: „Meine Güte, hat der Junge ein Organ.“ „Wir hören dich laut und deutlich, Naruto“, begrüßte Yamato ihn tadelnd, „kein Grund so zu schreien.“ „Beruhige dich erst einmal“, sagte Kakashi derweil, „du atmest viel zu schnell.“ Der Jüngste der Runde zwang sich, seine Schnappatmung abzustellen und wieder tief durchzuatmen. „Wie geht es Sakura?“, fragte er etwas ruhiger. „Was ist mit Sarada? Was ist überhaupt geschehen?“ „Heute Morgen“, begann Kakashi zu erklären und auch bei ihm war es mehr als deutlich, dass er Mühe hatte, seine Sorge nicht durchscheinen zu lassen, „wollte Sakuras Mutter ihrer Tochter etwas vorbeibringen. Die Tür war nicht verschlossen und sie fand Sakura ohnmächtig auf dem Boden in Saradas Zimmer liegen.“ „Und … Sarada?“, hakte Naruto bang nach. Der Hokage schüttelte niedergeschlagen den Kopf. „Keine Spur von ihr.“ „Ist Sakura verletzt?“ Ein Blick in die großen, blauen Augen des sonst so heiteren Ninjas verriet, wie groß seine Angst vor einem Ja war. „Nein, verletzt ist sie zum Glück nicht“, erwiderte Kakashi zügig, um seinem Schützling die Angst etwas zu nehmen. „Shizune sagt, dass Sakura mit einem starken Betäubungsmittel angegriffen wurde.“ „Es gibt hier keine Spuren eines Kampfes“, schaltete sich Sai in das Gespräch ein. „Die Wohnungstüre ist geschickt aufgebrochen worden. Der Einbruch hat kaum Spuren hinterlassen und es ist davon auszugehen, dass er geradezu lautlos vonstatten gegangen sein muss. Sakura hatte wahrscheinlich keine Chance, jemanden wahrzunehmen.“ „Geräuschlos und spurlos ...“ Yamato legte besorgt eine Hand an sein Kinn, während er die bisherigen Ergebnisse durchging. „So sorgfältig schafft das definitiv kein gewöhnlicher Einbrecher oder Entführer. Aber für jemanden, der speziell für lautlose Attentate ausgebildet wurde und schon einiges an Übung darin hat, wäre das kein Problem.“ „Mit anderen Worten“, warf Yugao ein, die hinter Naruto eingetreten war, „ein Anbu.“ „Häh?“, machte der blonde Jonin irritiert. „Ein Anbu? Etwa aus einem anderen Dorf?“ „Nein, Naruto“, entgegnete Sai finster, „sehr wahrscheinlich nicht aus einem anderen Dorf.“ Dies überforderte seinen Kameraden endgültig. Verwirrt schüttelte Naruto den Kopf. „Was meinst du denn damit? Einer von unseren Anbu? Wieso sollte jemand aus Konoha Sakura angrei-?“ Er unterbrach sich selbst, als etwas in seinem Kopf 'klick' machte. Die Tatsache, dass Kakashi, Yamato und Sai so beschäftigt waren, die Überfälle auf die Genin-Teams, die hochgefahrenen Sicherheitsvorkehrungen im Dorf und vor allem Inos Blick auf Jun, als Naruto nachfragen wollte, was hier los war. Mit klarem, doch erschrockenem Blick sah er zu den anderen. „Die Ne?“, hauchte er fassungslos. „Gehen wir in mein Büro, da können wir dies besser besprechen“, antwortete Kakashi mit Blick auf die Polizisten, die um sie herum wuselten. Ihm war der Gedanke allein schon zuwider, doch er konnte ihn nicht ignorieren: Vielleicht war irgendeinem der gerade Anwesenden nicht zu trauen. „Yugao, du überwachst hier weiterhin alles.“ „Jawohl!“ „Moment, Moment“, widersprach Naruto, „was ist mit Sarada? Wir müssen sie doch suchen, wir müssen-“ „Das tun wir bereits“, fiel Kakashi ihm ins Wort. „Ich habe umgehend meine eigenen Ninken und Kiba losgeschickt. Sobald sie eine Spur haben, melden sie sich bei uns.“ „Das reicht nicht, wir müssen-“ „Naruto!“, unterbrach der Hokage ihn nun ungewohnt brüsk. „Ich sagte, wir besprechen alles Weitere in meinem Büro!“ Der Jonin zuckte verschreckt zusammen und sah sprachlos zu, wie Kakashi an ihm vorbeiging und Sai ihm auf dem Fuße folgte. Eine Hand klopfte dem verdatterten jungen Mann auf die Schulter. „Er macht sich Vorwürfe“, sagte Yamato, als er seine Hand wieder von der Schulter des Jüngeren nahm. „Sei bitte nachsichtig mit ihm.“ Er erhielt ein stilles und betrübtes Nicken zur Antwort.   „Es sieht so aus“, erklärte Kakashi, nachdem er sich hinter seinem Schreibtisch niedergelassen hatte und Raidou, der mit Genma zusammen draußen im Flur blieb, die Tür geschlossen hatte. „Wir vermuten, dass die zwei Genin-Teams von den Ne angegriffen worden sind. Sie nannten sich selbst 'Chugi', also 'Loyalität', was den Verdacht recht schnell auf die Ne lenkt. Außerdem kam es nur zu Überfällen auf Teams aus Konoha. Von den anderen Kage haben wir erfahren, dass Teams aus ihren Dörfern, obwohl sie die gleichen Routen benutzten wie unsere, nicht angegriffen wurden. Hätte es nur den Überfall auf Sakura gegeben, würden wir wahrscheinlich nicht so schnell auf die Ne schließen, sondern vielleicht auch einen Zusammenhang mit Sasuke in Betracht ziehen. Aber mit allem, was kurz vorher geschehen ist, spricht viel dafür, dass die Ne die Täter sind. Was wir nicht wissen, ist, was sie tatsächlich vorhaben und wie der Angriff auf Sakura einzuordnen ist. Entweder gehörte das von Anfang an zu ihrem Plan oder sie haben diesen geändert, nachdem wir keine Genin mehr aus dem Dorf gelassen haben.“ Wie er Kakashi beobachtete, fühlte Naruto sich ein bisschen schlecht, weil er ihn eben derart harsch angegangen war. Es war offensichtlich, dass sein Lehrer angespannt und erschöpft war und die gesamte Angelegenheit schwer auf seinen Schultern lastete. Doch trotzdem war Naruto auch sauer. „Warum hast du mir das nicht alles längst erzählt?“ Der Sechste erinnerte sich an seinen eigenen Ratschlag und atmete erst kurz durch, ehe er ihm Antwort gab. „Ich hatte gehofft, du würdest alleine darauf kommen, warum ich dich erst einmal nicht informiert habe.“ Naruto stutzte und legte seine Stirn nachdenklich in Falten. Kakashi tat nie etwas ohne Grund, das war ihm klar, aber … worin lag der Grund in diesem Fall? Er selbst war doch längst nicht mehr so ein unüberlegt voranstürmender Chaot wie er es früher immer gewesen war (und Naruto war recht stolz auf seine Fortschritte!), doch war Kakashi etwa der Meinung, er hätte nichts dazugelernt? Der Gedanke enttäuschte ihn sehr – bis sein alter Lehrer ihn las. „Du bist nicht der Grund, Naruto“, sagte Kakashi, „nicht direkt.“ Mehr brauchte es nicht, damit dem jungen Jonin endlich ein Licht aufging. „Jun?“, japste er. „Jun soll hiervon nichts erfahren?“ Der Hokage nickte. „Es ist leicht zu erkennen, dass, das, was geschehen ist, ihn immer noch mitnimmt. Jedes Mal, wenn er mir begegnet, vermeidet er Augenkontakt und er zuckt zusammen, wenn man die Ne nur erwähnt.“ Kakashi machte eine kurze Pause und atmete hörbar aus. „Er ist allerdings fast immer in deiner Nähe ist und er ist sehr aufmerksam – wenn wir es dir erzählt hätten, hätte Jun es ohne jeden Zweifel erfahren. Und ich mache mir Sorgen, dass er ein paar deiner weniger vorteilhaften Eigenschaften teilt.“ Deprimiert ließ Naruto seine Schultern sinken. Er hatte an all dies nicht gedacht, während Kakashi stets alles im Blick hatte. Dieses Lehrersein war so viel schwerer als er angenommen hatte. „Gut“, ergriff Yamato nach einem Blick auf Naruto das Wort, „jetzt, wo wir das geklärt haben, sollten wir beraten, wie wir weiter vorgehen.“ „Ich verstehe es nicht.“ Sai starrte angestrengt vor sich hin. „Warum haben sie Sarada mitgenommen?“ „Vielleicht als Druckmittel“, antwortete Kakashi und sein Blick verfinsterte sich, als er dies aussprach. „Druckmittel?“ Naruto sah ihn entgeistert an. „Die Ne werden sich doch im Klaren sein, dass dies niemals ausreichen wird, um die Macht an sich zu reißen“, widersprach Yamato. Der Hokage deutete ein resigniertes Kopfschütteln an. „Ich weiß. Es muss also noch mehr dahinter stecken, aber ihr Handeln wird immer undurchsichtiger; ich verstehe es selbst nicht.“ Obwohl der Ton des Ältesten der Runde bemüht ruhig war, war es zwischen den Zeilen und an seiner angespannten Haltung spürbar, wie erzürnt er darüber war, dass er diese Attacke auf seine Schülerin und deren Tochter nicht hatte verhindern können. „Was tun wir jetzt?“, fragte Naruto. „Wie finden wir Sarada?“ „Wir haben noch keine Nachricht von den Suchtrupps“, entgegnete Yamato. „Dann schicken wir mehr Teams für die Suche los“, erwiderte Naruto unbeirrt – und unbedarft, weswegen Sai ihn sogleich korrigierte: „Das geht nicht, Naruto.“ „Was? Wieso nicht?“ „Wir haben nicht mehr Leute“, erklärte der blasse Kamerad ihm. „Aber ...“, wandte der Blondschopf sich wieder an Kakashi. „Aber wir müssen doch-“ „Sai hat Recht“, bestätigte der Sechste ihm bitter. „Im Vergleich zu früher haben wir insgesamt weniger Shinobi im Dorf und von denen, die wir haben, ist der Großteil für die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen im Einsatz. Solange wir nicht wissen, was unsere Gegner vorhaben, kann ich niemanden davon abziehen. Unsere nächsten Verbündeten können uns auch keine Hilfe schicken. Gaara plagt sich selbst mit einer militanten Gruppierung herum.“ Mit wachsender Verzweiflung hörte Naruto sich dies an. „Sasuke!“, rief er mit einem Mal lautstark aus. „Wir müssen Sasuke Bescheid geben!“ Sein Vorschlag erntete ein erneutes Kopfschütteln der drei anderen. „So weit wir wissen, ist er praktisch am anderen Ende der Welt“, antwortete Yamato. „Die Frage, ob wir ihm Bescheid sagen, ist allerdings gerechtfertigt.“ Naruto stutzte von neuem. Was sollte denn hier heißen „ob“? Natürlich mussten sie Sasuke informieren, es ging hier um seine Tochter! „Was sagt dir dein Gefühl?“, fragte Yamato mit Blick auf den Hokage. „Wir warten ab“, äußerte Kakashi gefasst und zu Narutos Unglauben. „Das erscheint mir klug“, warf Sai ein, bevor der blonde Jonin aufgebracht das Wort ergreifen konnte. „Solange wir nicht wissen, was sie vorhaben, könnte es gefährlich sein, Sasuke zu involvieren.“ Naruto biss sich auf die Zunge. Als Lehrer und Hokage musste man dermaßen strategisch vorgehen; wie sollte er so etwas je bewältigen? Und wo war sein Tutor Shikamaru, wenn er ihn brauchte? Auf ihn war seit neustem auch kein Verlass mehr; ständig hatte er etwas anderes zu tun und schien ihm regelrecht aus dem Weg zu gehen. „Wir lassen Sarada nicht im Stich“, sagte Kakashi plötzlich mit fester Stimme und sah direkt zu seinem sichtlich besorgten Schüler. „Ich werde jeden, den ich auftreiben kann, für die Suche nach ihr einsetzen. Wir werden sie finden und wohlbehalten nach Hause bringen. Darauf kannst du dich verlassen.“ Naruto erwiderte seinen Blick und nickte entschlossen. „Daran besteht gar kein Zweifel, echt jetzt!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)