Wetten, dass ...? von yamimaru ================================================================================ Kapitel 4: #4 ------------- Fassungslos starrte er auf Dies Handydisplay, von dem aus ihn der virtuelle Abspielknopf einer Sprachnachricht zu verhöhnen schien. „Ich kann nicht glauben, dass du das aufgezeichnet hast.“   „Genaugenommen war es Toshiya, und wenn ich mir deine Reaktion so ansehe, bin ich froh, dass er den Mitschnitt gemacht hat. Du hättest mir das alles ohne den doch nie geglaubt.“   „Ich glaube das auch jetzt noch nicht.“   „Hör es dir gern so oft an, wie du es für nötig hältst, ich hab Zeit.“   „Oh, wie großzügig du doch bist.“ Kaoru brummte, was jedoch nur erneut eines dieser unsäglich angenehmen Lachen des anderen zur Folge hatte. Zähneknirschend drückte er auf das Display und sofort war die Geräuschkulisse einer gut besuchten Bar zu vernehmen.   „Also, dann wiederhole ich das Ganze jetzt noch mal fürs Protokoll“, erklang Dies angeheiterte Stimme aus dem kleinen Lautsprecher, gefolgt von seinem eigenen Nuscheln, dass er nun beim zweiten Hören als „Welches Protokoll?“ Identifizieren konnte. Er musste zu dem Zeitpunkt wirklich schon einiges getrunken haben, wenn seine Zunge derart schwer gewesen war. Kaoru seufzte lang gezogen, versuchte jedoch, gedanklich nicht abzudriften und sich auf das Gesprochene zu konzentrieren. „Ich, Die, wette mit dir, Kaoru, dass ich es in den kommenden drei Tagen schaffe, dir das schönste Weihnachten zu bescheren, das du je hattest.“   „Ich wette dagegen.“   „Ja, Kaoru, das ist der Sinn einer Wette“, kicherte Toshiya und er hätte schwören können, zu hören, wie der Bassist seine Schulter tätschelte.   „Wenn du also“, fuhr Die fort und trank hörbar einen Schluck, „am 25. Dezember mit einem Lächeln auf den Lippen aufwachst, habe ich gewonnen.“   Im Hintergrund glaubte Kaoru, ihren Bassisten leise murmeln zu hören, der sich fragte, wie Die das wohl überprüfen wollte, und ja, dieser Gedanke war ihm auch schon gekommen. Sein vergangenes und sehr betrunkenes Ich hatte diesen Fehler im System jedoch nicht bemerkt und nur noch einmal lautstark bekräftigt, dass er dagegen wettete. Sein Augenrollen zu unterdrücken, wurde mit jeder verstreichenden Sekunde schwerer.   „Okay, du bist also damit einverstanden“, erklang nun wieder Dies Stimme, „dass ich die nächsten drei Tage bis Weihnachten bei dir übernachte, damit ich meinen Teil der Wette ausführen kann?“   „Aber sicher doch!“, rief der betrunkene Kaoru aus und der Wunsch, sich selbst zu ohrfeigen, stieg in nie gekannte Höhen.   „Super, dann müsst ihr nur noch eure Wetteinsätze verkünden“, erklärte Toshiya und klang für seine gegenwärtigen und noch immer verkaterten Ohren viel zu begeistert von alldem.   „Gut, also, mal überlegen … wenn ich gewinne, und das werde ich, muss Die meine Gitarren auf vordermannbringen. Alle, auch die bei mir zu Hause.“   Wenn Kaoru etwas nennen musste, was an dieser Farce positiv war, dann war das die Wettschuld, die er sich für Die überlegt hatte. Dass er sich selbst betrunken noch daran erinnerte, wie ungern er seine Babys reinigte, sprach Bände. Die meisten seiner Gitarren wurden ohnehin regelmäßig von ihren Technikern überholt, aber wie dick die Staubschicht auf denen in seinem Musikzimmer war, hatte er aus guten Gründen schon sehr lange nicht mehr überprüft. Dementsprechend schaffte es Dies Reaktion, ihm wenigstens ein kleines Schmunzeln ins Gesicht zu zaubern.   „Alle? Das sind mehr, als ich habe, und das sind schon weit über fünfzig. Da bin ich ja ewig beschäftigt.“   „Wir müssen nicht wetten, wenn du dir das nicht zutraust.“   „Nein, ich meine doch, doch, das passt schon.“   „Entstauben, putzen, polieren, neue Saiten aufziehen, technische Funktionskontrolle …“   „Danke, Kaoru, ich weiß, wie man sich um Gitarren kümmert.“   „Ich wollte nur verdeutlichen, dass ich mich nicht mit bloßem Staubwedeln zufriedengebe.“   „Botschaft angekommen. Also gut, dann bin jetzt ich dran.“ Eine längere Pause folgte, in der Kaoru sich sicher war, Dies breites Grinsen regelrecht hören zu können. Er hätte es auch sehen können, direkt hier, live und in Farbe, hätte er nur den Kopf gehoben und in Dies Richtung geblickt. Aber das ersparte er sich und seinem angeschlagenen Nervenkostüm. „Wenn du verlierst, darf ich deine Haare lila färben und fürs Silvesterkonzert lässt du dir von den Stylisten noch Extensions verpassen.“   „Eh~, wieso das?“   „Na, damit unser Retrolook perfekt ist.“   „Uh, das ist eine Klasse Idee! Da mach ich auch mit“, freute sich ihr Bassist und Kaoru wurde das Gefühl nicht los, dass Toshiya sie beim Wort nehmen würde. Er sah ihn schon im stilechten Lolita-Kostümchen vor sich und das, wo seine Statur heute mit der von damals absolut nichts mehr gemein hatte. Das konnte ja was werden.   „Da hörst du es.“   „Okay, damit kann ich leben. Also ist das alles?“, fragte sein dummes, betrunkenes Ich aus der Vergangenheit und war sich nicht im Geringsten bewusst darüber, welche Konsequenzen dies für den Kaoru der Zukunft haben würde.   „Ja, das ist alles.“   „In Ordnung, die Wette gilt!“   Kaoru hörte noch, wie sie diese hirnrissige Schnapsidee mit einem Handschlag besiegelten, dann endete auch der zweite Durchgang der Aufzeichnung. Wo er eben noch zu überrumpelt von seiner eigenen Dummheit gewesen war, setzte nun Resignation ein. Eine Wette war eine Wette und er würde sich nicht die Blöße eines Rückzuges geben. Er hatte nicht einmal bedenken, zu verlieren. Nein, er war sich sehr sicher, dass er gewinnen würde, schließlich hatte er für dieses Fest des stupiden Konsums noch nie etwas übrig gehabt. Daran würden Dies Bemühungen auch nichts ändern. Das eigentliche Problem war die Umsetzung. Heute war der 23. Dezember, noch zwei Tage bis zur Deadline, die der andere sich gesetzt hatte. Zwei Tage, welche Die mit ihm verbringen würde, zwei Nächte, die er auf seinem Gästefuton, in seiner Wohnung, in seiner unmittelbaren Nähe schlafen würde. Würde Kaoru die nächsten Tage überleben, war der Nervenzusammenbruch hinterher bereits vorprogrammiert.   „Nun mach nicht so ein Gesicht. Du hast es mit deinem Wetteinsatz sowieso besser getroffen als ich, oder nicht? Schließlich warst du mal ziemlich stolz auf deine langen, lila Haare.“   „Ja, als sie meine Eigenen waren.“ Kaoru rieb sich über die Nasenwurzel und versuchte krampfhaft, noch etwas Gutes an dieser Sache zu finden, scheiterte jedoch kläglich. „Wie bist du nur auf die dumme Idee gekommen, zu wetten? Ich war betrunken, zählt das überhaupt?“   „Oho, will sich da jemand aus der Affäre ziehen?“   „Sicher nicht.“   „Außerdem war das deine Idee.“   „Meine?“   „Ja. Ich sagte ja schon, dass du mies drauf warst, und irgendwann hast du begonnen, Toshiya und mir zu erklären, warum du Weihnachten nichts abgewinnen kannst. Ich meinte darauf nur, dass ich es schaffen würde, Weihnachten selbst für dich zu einer schönen Zeit zu machen, und daraufhin kam von dir dann nur ein „Wetten, dass du das nicht schaffst?“ Tja, genau genommen hab ich also nur deine Wette angenommen.“   Resigniert schloss Kaoru die Augen, schluckte das gefühlt hundertste Seufzen des Morgens herunter und nickte. Also gut, wenn dem so ist, will ich mal nicht so sein und dir eine faire Chance geben.“   „Du hast es mit Mister Christmas höchstpersönlich zu tun, ich hab schon so gut wie gewonnen.“   „Das werden wir ja sehen, Mister Christmas.“ Kaoru stolperte über die englischen Wörter, was erneut mit einem strahlenden Lächeln belohnt wurde. Wenn Die nur endlich damit aufhören würde. „Na gut, dann klär mich auf, was deine Pläne für die nächsten Tage sind.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)