X-fach X-mas von Varlet ================================================================================ Kapitel 30: Tag 30 ------------------ Jodie rollte vorsichtig die Leinwand auf dem Tisch aus. In einer dazugehörigen Verpackung fand sie 21 Tüten, die mit verschiedenfarbigen Steine gespickt waren. Sie waren allesamt rund und klein. Zudem fand sie einen Stift vor, der dazu diente, dass man die Steine auf die Leinwand auftragen konnte. Sie begutachtete die beigelegte Schale, die Pinzette und das Wachs. Anschließend prüfte sie die Vollständigkeit Steine. Fehlte eine Packung wäre das Bild am Ende lückenhaft. Die Agentin blickte wieder auf die Leinwand. Diese wurde durch eine transparente Folie geschützt, zeigte aber dennoch das Bild. Sachte strich Jodie über darüber. Da gerade Winter in Japan war, entschied sie sich für ein entsprechendes Bild. In der Mitte stand ein Weihnachtsbaum – schön dekoriert – im Hintergrund eine eisige Fläche, schneeumhüllte Bäume und viele Eisblumen. Bei der Bestellung wirkte das Bild sehr harmonisch und nun, wo Jodie es vor sich hatte, konnte sie dem nur zustimmen. „Dann wollen wir mal“, sagte sie leise und nahm sich die beiliegende Anleitung zur Brust. Es handelte sich um ein klassisches Malen nach Zahlen-Bild, allerdings gab es keine Tinte, sondern kleine Steinchen, die auf die entsprechenden Felder gesetzt werden mussten. Es würde mehr Zeit in Anspruch nehmen, als sie anfangs gedacht hatte. Aber das machte nichts. Sie brauchte die Ablenkung, die Ruhe und etwas zur Reduktion ihres Stresses. Jodie entfernte ein Stück der transparenten Folie, nahm den Stift und drückte ihn auf das Wachs. Danach öffnete sie die Tüte mit der Zahl 1, streute die Steine in die Schale und nahm den ersten Stein auf. Diesen platzierte sie auf dem vorgesehenen Feld. So machte sie immer weiter, bis sie die erste kleine Fläche fertig hatte. Der Effekt der Steine brachte sie zum Staunen. Das Bild wirkte mit einem Mal viel realistischer. Vielleicht würde sie es sogar im Wohnzimmer aufhängen. Nachdem Jodie den Dreh raushatte, machte sie weiter. Immer weiter und weiter. Das Bild zu machen, versetzte sie in einen Zustand der vollkommen Ruhe, aber sie war auch irgendwie aufgedreht und erlaubte sich keine Pause. Erst das Klingeln an ihrer Haustür, holte sie zurück zur Realität. Draußen war es mittlerweile dunkel geworden. Sie stand auf und ging in den Flur. Die Agentin sah durch das Guckloch an der Tür und öffnete diese anschließend. „Hey. Mit dir habe ich ja gar nicht gerechnet.“ Shuichi Akai musterte sie. „Du hast die Einsatzbesprechung verpasst.“ Ohne abzuwarten, ging er an ihr vorbei und zog sich Jacke sowie Schuhe aus. Jodie vergas nie eine Besprechung, deswegen nahm er an, dass etwas Passiert sein musste. Und nun war es seine Aufgabe, sich zu überzeugen, dass es ihr gut ging. „Oh nein“, gab sie von sich. „Ich habe vollkommen die Zeit vergessen.“ „Was ist passiert?“ „Eigentlich nichts.“ Sie kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ich…naja…weißt du…“ „Ja?“ Sie seufzte. Er würde es nicht verstehen, aber er würde auch nicht lockerlassen, bis er wusste, was los war. „Komm mit…“ Jodie ging ins Wohnzimmer. Akai blickte sich misstrauisch um. Sie hatte keinen Besuch – wenigstens etwas Positives. „Ich war doch neulich beim Arzt, weil es mir nicht so gut ging. Er riet mir, dass ich meinen Stresspegel reduzieren sollte. Am besten mit Yoga oder einem anderen beruhigenden Hobby. Normalerweise bin ich gerne in der Spielhalle, aber das könnte zu aufregend sein. Ich habe Yoga versucht, aber es hat mir irgendwie nicht so viel gebracht. Aus dem Grund habe ich im Internet nach Alternativen gesucht und das Diamond Painting gefunden und für mich entdeckt.“ „Diamond Painting?“ Jodie nickte. „Du kennst doch sicherlich Malen nach Zahlen. Das ist was ähnliches. Aber anstatt Tinte, werden kleine Diamonds, also Steine, verwendet. Diese werden nach und nach auf die Leinwand geklebt und am Ende hat man ein schönes Bild. Ich dachte, ich versuch es einfach mal. Hier, schau mal.“ Sie zeigte auf das Bild auf dem Tisch. Shuichi wandte seinen Blick dorthin. „Was soll das sein?“ „Sieht man das nicht?“, kam es von der Agentin. „In der Mitte ist ein Weihnachtsbaum, umhüllt von schneeerfüllten Bäumen und vielen Eisblumen.“ „Eisblumen? Für mich sieht das nach Eiskristallen aus.“ Jodie kicherte. „Das ist doch das Gleiche. Wenn die Eiskristalle in dieser Form vorliegen, also wenn sie einer Pflanze ähneln, nennt man sie auch Eisblumen. Du hast sie sicher auch schon gesehen. Sie entstehen oft am Fenster im Winter oder an den Scheiben bei den Bushaltestellen. Dort habe ich tatsächlich vor kurzem ein Meer aus Eisblumen gesehen. Es war wunderschön, besonders in den frühen Morgenstunden, als es langsam hell wurde.“ „Du schwärmst ja richtig davon…“ „Ich habe gefallen daran gefunden. Früher habe ich sie auch nur als Eis oder Kristalle wahrgenommen. Auf der Suche nach einem geeigneten Bild habe ich mich über die Überschrift Eisblumen zur Weihnachtszeit gewundert. Deswegen habe ich mich etwas in das Thema Eisblumen eingelesen.“ Sie schmunzelte. „Wenn du willst, erzähl ich dir noch mehr darüber. Ich bin jetzt Expertin.“ Nun konnte auch sie neues Wissen auffahren. Und Eisblumen waren tatsächlich etwas Schönes. Ein Wunder der Natur. „Nicht nötig.“ „Waaas?“ Dabei wollte sie ihm doch so viel zum Thema Eisblumen erzählen, wo das Wissen nun in ihr war. „Du kannst manchmal echt gemein sein.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wie lange dauert so ein Bild?“ „Mhm…“ Jodie überlegte. „Ich habe heute Mittag damit angefangen und hab jetzt etwa die Hälfte geschafft. Ich vermute, man braucht um die zehn bis zwölf Stunden. Je erfahrener man ist, desto weniger Zeit braucht man für ein Bild. Allerdings ist das hier auch recht klein. Es gibt noch viel Größere.“ „Kannst du dich auf was anderes konzentrieren, oder möchtest du an deinem Eisblumen-Bild weiter machen?“, fragte er. Jodie schielte zu ihrem Bild. Den Weihnachtsbaum und die eisige Fläche hatte sie bereits fertig gemacht, ebenso eine größere Eisblume rechts. Die kleineren Eiskristalle und die Eisblumen auf der linken Seite waren noch unfertig. „Natürlich. Die Arbeit hat höchste Priorität. Das Bild kann erstmal warten“, sagte sie und legte die transparente Folie wieder auf die Leinwand. „Setz dich doch. Möchtest du etwas zu trinken haben?“ „Nicht nötig.“ Er setzte sich. Jodie nahm neben ihm Platz. „Was habe ich vorhin verpasst? Und war James sehr wütend?“ „Du kennst ihn doch. Statt wütend auf dich zu sein, macht er sich Sorgen. Ich habe ihm versprochen, dass ich nach dir sehe“, begann er. „Es geht leider nicht um die Organisation. Der Sohn eines Kollegen kommt für zwei Wochen nach Tokyo. Wir sollen Babysitter spielen, da sie Angst haben, dass ihm hier etwas passiert.“ „Großartig.“ Jodie rollte mit den Augen. Solche Aufgaben liebte sie…nicht. „Black wollte dir die genauen Daten noch schicken.“ „Äh…Moment“, kam es ungläubig von ihr. „Ihr wollt, dass ich mich in der Zeit um ihn kümmere?“ „Wer nicht zur Besprechung kommt, bekommt eben solche Aufgabe. Du sollst nicht die ganze Zeit auf ihn aufpassen, aber du hast mehrere Schichten.“ Er blickte wieder zu dem Bild. „Du kannst ihn ja Eisblumen ausmalen lassen.“ „Haha!“ Shuichi schmunzelte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)