Das Leben danach von Futuhiro (Magister Magicae 12) ================================================================================ Kapitel 8: Der ungleiche Kampf ------------------------------ "Reden ...", grollte der 'Hammerhai' finster und ließ ein rauhes, humorloses Lachen folgen. In seinen Augen blitzte Hohn. "Serhii wird dir doch wohl gesagt haben, warum er dich hergeschickt hat. ... Und wenn nicht, ist´s mir auch egal." Der Kerl gab Waleri einen groben Schubs, damit der sich in Bewegung setzte. "Ich rede mit den Fäusten. Schwing deinen Hintern in den Ring da." "Du willst dich also unbedingt mit mir prügeln, ja?", seufzte Waleri und griff gehorsam nach einem Ringseil, um sich auf die Kampfplattform hinaufzuziehen. "Wär´s mit Zuschauern nicht irgendwie schöner gewesen?" "Glaub mir, was ich gleich mit dir anstellen werde, will niemand sehen." "Und nach welchen Regeln kämpfen wir?" "Es gibt keine Regeln", zischte Tolja ihn aggressiv durch die Zähne an und brachte sein Gesicht bedrohlich nah an das von Waleri. Eindeutig zu viele Steroide, dachte dieser und wich dem mordlustigen Blick seines Gegners aus. "Es gibt IMMER irgendwelche Regeln." "Du willst Regeln? Gut. Siehst du den kleinen Wichser da oben?" Der Fighter deutete in die Zuschauer-Loge hinüber, wo sich gerade ein einzelner Mann mit Scharfschützengewehr in Position brachte. Nicht, dass er auf die Entfernung so eine überdimensionierte Zielvorrichtung gebraucht hätte. Er nahm ganz klar die Kampffläche ins Visir, was gerademal gute zwölf Meter Distanz ausmachte. "Ich weiß, dass dein Zeitpuffer eine Reichweite von sechs, sieben Metern hat. Den Kerl da oben erwischst du also definitiv nicht. Er wird sich unser kleines Match sehr interessiert anschauen. Und solltest du deinen Zeitpuffer einsetzen, wird er das von dort oben aus sehen. Und dann hast du sofort eine Kugel in deinem verfluchten Schädel." Waleri nickte verbittert in sich hinein. "Sieh an. Also gibt es doch Regeln." Für so besessen, sich sogar bewaffnete Rückendeckung zu besorgen, hatte er selbst den durchgeknallten 'Hammerhai' nicht gehalten. Er war bisher noch keinem Fighter begegnet, dessen Ego es erlaubt hätte, seine Kämpfe nicht selber zu gewinnen. Und noch ein anderer Fakt wurde Waleri beim Schlagwort 'Zeitpuffer' bewusst: Tolja war ebenfalls ein Elasmotherium, war also wie alle Fabelwesen magisch begabt. Es war durchaus zu befürchten, dass er nicht nur mit Fäusten, sondern auch mit Magie kämpfte - und Waleri wusste nichts über die magischen Fähigkeiten dieses Typen! "Das ist aber auch die einzige. Abgesehen davon kämpfen wir bis zum Tod. Und es ist alles erlaubt." "Ich hab aber keine Lust, dich zu töten", maulte Waleri unwillig und zeigte dabei bewusst keinerlei Anzeichen von Angst. Als würde ein Kampf mit solchen Regeln ihm keine ernsthaften Sorgen machen. "Ich hab noch nie jemanden umgebracht. Und ich werde wegen dir jetzt auch nicht mehr damit anfangen." "Keine Sorge, das wird auch schwerlich passieren." "Tolja, seien wir doch ehrlich", redete Waleri in ruhigem Tonfall weiter. Er war nach wie vor entschlossen, den 'Hammerhai' doch noch zur Vernunft zu bringen. Vielleicht versuchte er auch ein wenig Zeit zu schinden, denn er zermarterte sich insgeheim immer noch auf Hochtouren den Kopf, wie er gegen diesen Kerl ankommen sollte. Es war zum Verzweifeln. Egal wie er´s anging, er hatte keinen Plan. "Ich bin so oder so tot. Ihr werdet es gar nicht so weit kommen lassen, dass ich dich besiege. Wenn du auch nur den leisesten Anschein erweckst, in die Defensive zu geraten, wird dein Kumpel da oben mich sofort abknipsen, noch bevor ich zum Schlag ausholen kann. Es ist doch nicht so, als ob ihr mir erlauben werdet, zu gewinnen und dann einfach zu gehen. Also warum ersparen wir uns das ganze Theater nicht?" "Wo bliebe denn da der Spaß?" "Spaß ...", gab Waleri verächtlich zurück. Und keuchte erschrocken auf, als er ein Blitzen sah. Aus einem puren Reflex heraus blockte er den vorschnellenden Arm seines Gegners mit der Handfläche und wurde erst dann der Messerklinge so richtig gewahr, die er mit seinem Block nur Zentimeter vor seinem Bauch gestoppt hatte. Ohne selbst so richtig zu wissen, was er tat, griff er hart in die Waffenhand des 'Hammerhais' und legte in seinem Kopf einen imaginären Schalter um. Die Welt um ihn herum gefror zu einem Standbild. Sogar die kleine Obstfliege vor seiner Nase blieb reglos mitten in der Luft hängen ... Der explodierende Schmerz in all seinen Muskeln und Gelenken, in einer Intensität auf die er nicht vorbereitet gewesen war, ließ ihn halb in die Knie brechen und raubte ihm den Atem. Es hatte ihn schon immer körperliche Anstrengung gekostet, die Zeit um sich herum anzuhalten. Aber er hatte seine Fähigkeit noch nie in einer dermaßen brachialen und überstürzten Weise einsetzen müssen. Was er hier gerade mit der Zeit gemacht hatte, war wie ein davonfahrendes Auto mit bloßen Händen zurückhalten zu wollen. Es riss ihm fast die Sehnen von den Knochen. Trotzdem zwang er sich, den Schmerz auszuhalten und die Zeit weiter zu puffern. Mühsam wandte er den Kopf und sah sich um. Viel Zeit blieb ihm nicht. Er konnte die Zeit nur für Sekunden anhalten, bevor die Zugkraft zu stark wurde und sie sich seinem Griff wieder entriss. Die darauffolgenden Sequenzen bekam Waleri selbst nur wie in Trance mit, und verfolgte seine eigenen Handlungen ohne bewusstes Zutun. Wie ein unbeteiligter Zuschauer. ... der 'Hammerhai' war zu einer Statue erstarrt. Waleri nahm ihm intuitiv das Messer aus der Hand, damit er es später nicht doch noch in den Wanst gestochen bekam ... ... der Schütze auf der Tribüne war ebenfalls reglos eingefroren. Sehr gut. Genau das hatte Waleri bezweckt, und war insgeheim ein wenig stolz auf sich, es über so eine Entfernung auch wirklich geschafft zu haben ... ... der Typ hatte sein Gewehr erst halb erhoben, das erschrockene Gesicht glich einem starren Foto, einer Momentaufnahme, an der sich absolut nichts mehr rührte ... ... Waleri wog prüfend das erbeutete Messer in der Hand. Der Griff war leichter als die Klinge ... ... noch ehe er es selbst so richtig realisierte, holte er aus. Erst die neuerlich explodierenden Schmerzen in seinen völlig verkrampften Gliedmaßen machten ihm bewusst, dass er das Messer gerade wirklich geworfen hatte ... ... der reißende Schmerzreiz zwang ihn endgültig dazu, die Zeit wieder fahren zu lassen und seine Fähigkeit aufzugeben ... ... die angehaltene Zeit in der von Waleri erzeugten Blase glich sich wieder an die weitergelaufene Zeit draußen an. Der typische Zeitraffer-Effekt, der deshalb immer einsetzte, wenn Waleri seine Fähigkeit wieder löste, beschleunigte den Flug des Messers ... ... der Kerl auf der Empore wurde um seine eigene Achse herumgerissen. Sein Aufschrei zeugte davon, dass das Messer getroffen hatte ... ... ein Ruckeln an seinem Arm erinnerte Waleri daran, dass er immer noch die Waffenhand des 'Hammerhais' festhielt wie ein Schraubstock. Seine Aufmerksamkeit wanderte zu seinem eigentlichen Gegner zurück. Der 'Hammerhai' war ebenfalls wieder aufgetaut und sichtlich verwirrt über das plötzliche Verschwinden seines Messers ... ... Waleri riss den Arm seines Gegner in eine verdrehte Position, rammte ihn dann über seinen eigenen Ellenbogen und hörte das hohle Knacken, als der Knochen brach. Wieder ein Aufschrei, der die erfolgreiche Ausführung von Waleris Aktion bestätigte ... Erst dann kehrte auch Waleris Verstand endgültig aus dem Zeitpuffer-Modus in die Echtzeit-Wahrnehmung zurück. Ein akuter Schwächeanfall schlug Waleri zu Boden wie ein in sich zusammenfallendes Kartenhaus. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren. Zitternd und nach Luft ringend blieb er sitzen. In seinem Kopf machte sich ein Dröhnen breit und das Blut rauschte in seinen Ohren. Er hatte seine Zeitpuffer-Fähigkeit eindeutig überstrapaziert. Das hatte er in seinem Leben schon mehrmals getan, aber er war noch nie so massiv zu weit gegangen wie jetzt. Für einen Moment hatte er ernstlich damit zu kämpfen, überhaupt bei Bewusstsein zu bleiben, weil ein rabiates Schwindelgefühl und eine diffuse Schwärze nach ihm griffen. Der 'Hammerhai' hielt sich noch einige Sekunden lang schreiend den gebrochenen Arm, bevor er sich langsam an den Schmerz gewöhnte. Waleri sah mühsam auf und grinste ihn von unten herauf an. "Du hattest Recht. Das hat tatsächlich Spaß gemacht", nahm er den letzten Dialog wieder auf. Beide schauten zur Tribüne hoch, wo ebenfalls gerade wieder Schmerzensschreie laut wurden. Der Schütze lebte noch, war aber nicht mehr zu sehen. Wahrscheinlich rollte der sich gerade mit einem Messer in der Schulter auf dem Boden herum. "Wie hast du ...!?", presste der 'Hammerhai' hervor, brachte es aber nicht über sich, den Satz zu vollenden. "Du hast mich unterschätzt, Junge. Die Reichweite meines Zeitpuffers mag mal sechs, sieben Meter betragen haben, das ist richtig. Ist aber schon länger her. Über die Jahre bin ich viel stärker geworden, und meine Fähigkeit mächtiger. ... Auch wenn ich die Nebenwirkungen deswegen trotzdem nicht besser wegstecke", stöhnte er, als er sich mühselig wieder auf die Beine kämpfte. Sein Blick verschwamm vor seinen Augen. "Also was jetzt!? Kampf bis zum Tod?", keuchte er, obwohl er vor Schwäche so schwankend auf seinen Füßen stand, dass er nicht den Eindruck erweckte, auch nur noch eine einzige Aktion ausführen zu können. Der Fighter hielt sich weiter den gebrochenen Arm, schnaubte wütend und zog ein sehr verdrießliches Gesicht. "Ich geb mich geschlagen. Gegen SO einen Zeitpuffer kann ich nicht gewinnen. Aber die Regeln waren so. Also tu´s!" "Kein Bedarf, Mann! Ich sag´s nochmal: ich bin kein Mörder. ... Aber wenn du jetzt nicht auf der Stelle das Mädchen wieder freilässt, ändere ich meine Meinung!" "Scheiß auf die Tussi. Die kannst du wiederhaben", maulte Tolja unzufrieden. Waleri nickte langsam, lehnte sich ermattet in die Ringseile, beobachtete ihn aber trotzdem weiter aufmerksam, um am Ende nicht doch noch irgendeine linke Attacke zu kassieren. "Ich weiß, dass es hier nicht um das Mädchen geht, sondern um deinen Vater. Und es tut mir wirklich leid um den Mann. Ich hab mich im Internet ein bisschen belesen. Er muss ein guter und hoch geachteter Trainer gewesen sein, und ein anständiger Typ. ... Ich bin nicht der, der ihn auf dem Gewissen hat. Aber wenn ich irgendwas für dich tun kann, bin ich für Vorschläge offen, hm?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)