Seine Schuld von Feindbild ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Wie willst du über mich urteilen, wenn du meine Geschichte nicht kennst? Es reicht nicht einmal, sie zu kennen, du müsstest sie gelebt haben. Außerdem habe ich ihn nicht getötet, das weißt du. Es war ein Herbsttag, als ich das erste Mal Zeit mit ihm verbrachte. Die Druckwelle brachte das Astwerk der Bäume über uns zum Zittern, und einige Raben flatterten auf, krächzten verärgert über diese Störung ihrer nachmittäglichen Ruhe. Ich zuckte zusammen, als er erneut seinen Zauberstab schwang, und mit einem Knall das Laub um uns aufwirbelte. Als er auf den umgestürzten Baumstamm vor uns sprang, leichtsinnig und wie nebenbei eine Pirouette drehte, das rötliche Licht der untergehenden Sonne durch sein wildes Haar schien, und das Laub um ihn herumtanzte, wirkte er wie aus einem Gemälde, edel und - wunderschön. Ich denke, es war dieser Anblick, den ich ihm niemals verzeihen konnte. Schnaufend stützte ich meine Hände auf den Knien ab. "Du machst so alles nur kaputt" bemerkte ich, betont missmutig. Es bereitete mir Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Er antwortete mir nicht, vielleicht hatte er mich nicht gehört. Stattdessen balancierte er den Baumstamm auf und ab, die Arme von sich gestreckt und den Blick auf die Baumkronen über uns gerichtet. Ich hob an, mich zu wiederholen, schloss meinen Mund jedoch wieder. Stattdessen kniete ich mich in den weichen Waldboden und suchte den Untergrund ab. Meine Aufgabe widerte mich an. Nicht, dass ich dazu nicht in der Lage gewesen wäre, aber hatte Hogwarts für solche Dinge keine Hauselfen? Als ich nach mehreren Minuten noch nicht fündig geworden war, wollte ich meiner schlechten Laune Luft machen. Ich drehte mich um, um meinen von der Arbeit schmerzenden Rücken zu beklagen, und erschrak über das gelbe Etwas, das vor meiner Nase in der Luft hüpfte. Mit einer kaum sichtbaren Bewegung seines Zauberstabs ließ James Potter den Pilz sanft in den Korb neben mir gleiten. "Klebriger Hörnling. Das sollte reichen, oder?" Ohne meine Antwort abzuwarten, ging er an mir vorbei. "Es ist wirklich ein schöner Tag. Schade, dass Sirius nachsitzen muss, aber das hat er diesmal wohl tatsächlich verdient." "Ich weiß selbst, was für ein Pilz das ist", fauchte ich, was gelogen war. Ich kam wieder auf die Beine, klopfte mir den Dreck von der Robe und lief James hinterher. Es kostete mich Mühe, zu ihm aufzuschließen und mit ihm Schritt zu halten. Der Boden war uneben, meine Stiefel fanden im Moos keinen richtigen Halt, Wurzeln behinderten mich bei jedem Schritt. James dagegen bewegte sich durch den Wald, als wäre er in ihm geboren worden und ein Teil von ihm, anmutig wie ein junger Hirsch. Es war nicht gerecht. Ich war außer Atem und fluchte, was keine Beachtung fand. James strich im Vorbeigehen mit seinen Fingern über die Rinde der Bäume. "Und trotzdem...", sagte er, mehr zu sich selbst als zu mir, "...hätte McGonagall nicht so streng sein müssen. Das ist eben Sirius." Er lachte leise und schüttelte den Kopf. "Ja, ein absoluter Idiot!", rief ich, bevor ich mich bremsen konnte. James blieb stehen und drehte sich zu mir um. "Er ist mein Freund", entgegnete er mir mit fester Stimme. Ich erwartete den Schlag bereits und zuckte zurück. Doch er kam nicht. Als ich den Blick wieder hob, sah ich, dass James Potter mir direkt in die Augen sah, zum ersten Mal, seit wir den Wald betreten hatten. “Sirius ist kein Idiot”, sagte er mit sanftem Nachdruck. Ich hob beschwichtigend meine Hände, und bemerkte, dass sie zitterten. Meine Stimme bebte, als ich ungeschickt zu erklären versuchte, dass mein unbedachter Ausruf nicht so gemeint war, wie er klang. James blickte mich weiterhin durchdringend an und strich sich nachdenklich eine Strähne seiner widerspenstigen schwarzen Haare aus dem Gesicht, während ich gegen das Beben in meiner Stimme ankämpfte und mich zu erklären versuchte. "Das Leben muss nicht so sein. Was hat dich so gemacht?" Ich senkte langsam die Arme, als er mich unterbrach. Mit Mühe sah ich zu dem Jungen auf, der mich um mehr als einen halben Kopf überragte, und erwiderte den festen Blick seiner braunen Augen. Zu meinem Erstaunen erkannte ich, dass kein Spott in seinem Ausdruck lag, kein Mitleid, nur so etwas wie... Neugierde. Was hätte ich ihm sagen sollen? Wovon hätte ich alles sprechen können? Wie viel von meiner Seele hätte ich ihm offenbaren müssen, um seine Frage zu beantworten? Wie konnte er überhaupt denken, mich verstehen zu können? Doch ich wurde davor bewahrt, lügen zu müssen. James wirbelte herum und rannte los, als er den Schrei hörte. Als ich auf der Lichtung ankam, war das Schlimmste bereits vorbei. Das Mädchen, dessen Schrei uns hierher geführt hatte, versteckte sich hinter James’ Rücken. Dieser hatte seinen Zauberstab auf ihren Angreifer gerichtet, welcher mit ausgestreckten Gliedern und rotem Kopf auf dem Rücken lag. Ein Drittklässler, ebenfalls Gryffindor, seinen Namen konnte ich mir nie merken. Er war weder stark noch beliebt, seine Familie ohne Ruf. In allem, was er tat, mittelmäßig, und ohne jeden Nutzen für mich. “Dieses Schlammblut hat mich bestohlen!”, brüllte er, “Sie hat meinen verdammten Ring gestohlen!” Ah, nicht ohne jeden Nutzen. Ein raubtierhaftes Grinsen umspielte James’ Lippen. Er ging langsam auf den Jungen zu, der Zauberstab in seiner Hand wippte im Takt seiner Schritte betont auf und ab. “So etwas würde Lily nicht tun”, sagte er sanft, “und du solltest deine nächsten Worte vorsichtig wählen, mein Freund.” Lily griff James beim Arm, um ihn zurückzuhalten, doch ihrem Gesicht war deutlich abzulesen, wie sehr sie sich über ihre Rettung freute. Es war nicht gerecht. Der Junge war ein lausiger Duellant, jeder Idiot mit einem Zauberstab hätte ihn außer Gefecht setzen können. Wäre ich ein paar Sekunden früher losgelaufen... aber ich hatte nach Pilzen gesucht, im Gegensatz zu diesem Angeber. Und jetzt wurde er bewundert, für etwas, das ich genauso gut geschafft hätte. Es war einfach nicht gerecht. Wütend biss ich die Zähne zusammen und steckte die Hände in die Hosentaschen. Meine Faust schloss sich um das, was ich darin fand, und ich drehte den anderen den Rücken zu. Während die beiden Jungen sich zunehmend hitziger stritten, stellte ich mir vor, wie es wäre, an James’ Stelle zu sein. Natürlich hatte der andere Gryffindor Recht, Lily war nunmal ein Schlammblut, ihre Bewunderung im Grunde wertlos. Aber war es nicht grade deshalb umso schmerzhafter, von ihr nicht bewundert zu werden? Im Gegenteil, sie schien mich nicht einmal zu beachten, genauso wenig wie alle anderen. Und jetzt würde James... “Wenn du ein Duell wünscht, werde ich dir ein Duell geben.” James deutete eine Verbeugung an, während der andere Junge, immer noch mit vor Zorn rotem Kopf, auf die Beine kam. Sie nahmen ihre Positionen ein, hochkonzentriert und in Kämpferpose, und ich konnte die Bewunderung in Lilys Augen sehen. Oh nein, dachte ich, das wirst du nicht. So wie die Kobolde von Gringotts ihre Bücher führen, ihre Einnahmen und Ausgaben sorgsam gegenüberstellen, so rechne ich jede Freude und jedes Leid gegeneinander auf. Manchmal reicht es auch, anderen ihre Freuden zu verweigern, damit die Bücher wieder stimmen. Diesen Sieg gönnte ich James Potter nicht. Ich fixierte seinen Hinterkopf mit meinen Augen, atmete noch einmal tief ein, und zog den Gegenstand aus meiner Tasche. “Hey”, rief ich, etwas zu laut, “suchst du diesen Ring hier?” Alle drei starrten mich an. Der Kopf des Jungen wurde noch roter, als drohte er zu platzen. Kurz huschte Unverständnis über die Gesichter von Lily und James, dann Verblüffung und so etwas wie... Enttäuschung. Mir wurde schwindelig, und was auch immer ich vorhatte zu sagen, zu tun, ich hatte es sofort vergessen. “Ich habe den gefunden. Hier, im Wald. Als wir Pilze sammelten. Ich dachte, ich wollte... ihn bei Filch abgeben...” Meine Stimme versagte abermals, und die Lügen klangen schrecklich hohl und durchschaubar in meinen Ohren. Aber der Bann war gebrochen, der Junge aus Gryffindor, dessen Namen so unwichtig war, griff meinen - seinen - Ring und rauschte an uns vorbei. Als ich es wagte, zu James aufzusehen, erkannte ich, dass er mir glaubte. Er grinste mich an. “Schön, mit dir Freundschaft zu schließen”, lachte er und hielt mir seine Hand hin. Freundschaft? Ich war überzeugt davon, dass meine Vorstellungen von Freundschaft und Liebe weit über meinen Möglichkeiten lagen. Aber... Warum eigentlich nicht? Wenn dieser Sirius es wert war... Als ich mich aus meinen Gedanken riss und einschlagen wollte, hatte James seine Hand bereits zurückgezogen. Er klopfte mir stattdessen auf die Schulter. “Wie war noch gleich dein Name?”, fragte er beiläufig, aber seine Aufmerksamkeit und sein Blick ruhten längst wieder auf Lily. Ich sagte dir doch bereits, ich führe Buch. Jede Kränkung, jede Schmach, jede Missachtung notiere ich, und am Ende wird jede Schuld bezahlt werden. Vielleicht wirst du es niemals verstehen, aber es war nicht die Angst, die mich dazu trieb. Ich habe deinen Vater lediglich seine Schuld begleichen lassen. Ein bitterer Geschmack lag auf meiner Zunge. Ich antwortete James, obwohl er mich nicht mehr beachtete. “Peter. Mein Name ist Peter Pettigrew.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)