Von Wölfen und Menschen von Watanabe999 ================================================================================ Kapitel 13: Feindkontakt ------------------------ 10. Oktober 2015, Tokyo-3, Apartmentkomplex Janko Freytag stand auf dem Dach des Hochhauses und blinzelte gegen die Sonne an. Die verrostete Dachluke am Ende der Leiter hatte kaum Widerstand geleistet, sodass es ein Leichtes für ihn gewesen war, sich seinen Weg hier hin zu bahnen. Sein Telefon klingelte. „Ja, wie sieht’s aus?“, fragte er aufgeregt, aber mit fester Stimme, als er den Anruf annahm. „Der Transporter ist unterwegs. Halt dich bereit und rühr dich nicht vom Fleck!“, gab Phil zurück. „Die anderen Piloten werden ebenfalls abgeholt. Ihr werdet in der Luft in die Transportmaschinen überwechseln müssen, uns läuft die Zeit davon. Die Kaijus treffen in wenigen Minuten an der Küste Japans ein!“ „Verstanden.“ Janko steckte sein Telefon weg. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und atmete tief ein. „Dann geht’s jetzt also los…“, dachte er. Wenige Minuten später hörte er bereits das Dröhnen der Triebwerke des Senkrechtstarters, der auf das Dach des Hochhauses zuhielt. Die Windstöße nahmen zu, als die graue Maschine dicht über ihm in der Luft stoppte und eine Leiter ausgefahren wurde. Er kletterte hinauf und fand sich im Laderaum der Militärmaschine wieder. Bis auf einen kleinen Gang war alles mit grünen, militärischen Transportboxen vollgestellt. „Guten Tag der Herr, Sie haben ein Taxi bestellt? NERV-04, Ihr Transportunternehmen in allen Lebenslagen steht jetzt für Sie bereit!“, fragte eine fröhliche Stimme über die Lautsprecher. Janko stutzte überrascht. Er rannte nach vorne ins Cockpit. Die junge Frau mit dem braunen Pony und der Pilotenbrille drehte sich von ihrem Sitz aus zu ihm um. „Sally!“, rief Janko. „Schön dich zu sehen, ich hatte nicht mit jemandem von unserer eigenen Crew gerechnet!“ „Thaddäus hat darauf bestanden, dass NERV-04-Flieger die Piloten abholen. Er wollte kein Risiko eingehen.“ Sie gähnte. „Was bedeutet, dass ich seit gestern Morgen in diesem verdammten Pilotensessel sitze! Kann also sein, dass der Flug ein wenig holprig wird. Die Pilotin Sally Anderson hier ist zu 100 Prozent aufgeputscht!“ Sie setzte ein breites Grinsen auf und warf eine weitere kleine Pille ein. „Schau mal in den großen Rucksack, der an der Tür hängt. Da findest du deinen Plugsuit. Wird wohl besser sein, wenn du dich schon mal umziehst. Ich spinkse auch nicht!“   *** NERV-Hauptquartier, wenige Minuten später Der Funkverkehr, der über die Lautsprecher innerhalb des Kommandozentrums zu hören war, nahm stetig zu. Misato, Ritsuko und die drei Teenager hatten auf Stühlen Platz genommen und beobachteten das Treiben. Man hatte sie in das Kommunikationsnetzwerk eingeklinkt, NERV-04 schien sie wohl auf dem Laufenden halten zu wollen, anders konnten sie sich die Funksprüche nicht erklären. Es fiel Misato schwer, ruhig sitzen zu bleiben. Sie wippte mit den Beinen, als sie die verschiedenen Monitore im Auge behielt. „Das fühlt sich so falsch an…“, dachte sie. „Wir haben soeben die komplette Operation aus der Hand gegeben! Hoffen wir mal, dass die von NERV-04 wissen, was sie tun.“ Zwar hatte sie als taktische Einsatzleiterin natürlich mitbekommen, dass die andere Niederlassung mit ihren EVAs übersiedeln sollte. Aber unter keinen Umständen hatte sie damit gerechnet, dass dies innerhalb weniger Tage geschehen würde! Hatten die bereits auf gepackten Koffern gesessen? Sie nippte unruhig an ihrer Kaffeetasse und lauschte weiter dem Funkverkehr. „Alle Transporter melden, dass die Piloten in Tokyo-3 eingesammelt wurden“, quäkte es aus den Lautsprechern. Misato wurde stutzig. „In Tokyo-3 eingesammelt? Waren die etwa schon hier?“, fragte sie sich. Auch Ritsuko schien von der Aussage überrascht. Die Monitore zeigten drei kleine Punkte, die sich den großen Transportmaschinen näherten, die von Westen über Japan flogen. „Irgendwie wirkt das sehr orchestriert…“   *** VTOL-Transportmaschine 339 Janko hatte seinen Plugsuit angezogen und neben Sally auf dem Sitz des Copiloten Platz genommen. Als er durch die große Glasfront hinausblickte, erkannte er am Horizont bereits die Silhouette des riesigen Nurflüglers, der auf sie zuhielt. Anhand einer riesigen Wölbung unter dem Bauch der Maschine erkannte er, dass dort sein Evangelion hing. Sally kaute ihre charakteristischen Kaugummis und ließ ihre Maschine ein Stück höher steigen. „Ich werde die VTOL oberhalb des Frachtraums absetzen“, sagte sie zu ihm. „Hier im Heck gibt es eine kleine Luke, durch die gelangst du zu einem Noteinstieg auf der Oberseite des Transportflugzeugs. Dieser wird dich direkt in den Laderaum führen, damit du in deinen Eva steigen kannst.“ Janko nickte. „Alles klar. Setz mich mal ab.“ „Gute Jagd, Janko! Zeig den Einheimischen mal, wie man bei NERV-04 mit diesen Biestern umgeht!“ Sie salutierte spielerisch und wandte sich wieder ihren Instrumenten zu. Janko nahm den Weg vorbei an den grünen Transportboxen und strich über die Arme seines Plugsuits. Er spürte den festen und doch biegsamen Stoff des Anzugs auf seiner Haut, der über und über mit hauchdünnen Sensoren zum Aufzeichnen der Vitalzeichen besetzt war. Es war nun schon einige Zeit her, dass er ihn das letzte Mal getragen hatte. Sally setzte den VTOL wie geplant auf dem Nurflügler ab. Janko drehte an dem Rad, das die hintere Luke öffnen sollte. Mit einem Krachen sprang sie auf und der Wind blies ihm entgegen. Er hörte das Dröhnen der Luftströmung, als er sich hinabfallen ließ und etwas unsanft auf dem Bauch landete. Ein paar Drehungen eines weiteren Rades öffneten seinen Weg ins Innere des riesigen Transportflugzeuges. Er kam auf einer Art Steg zum Stehen und schaute sich um. Hinter einer Fensterfront erkannte er seinen festgeschnallten Evangelion. Die schwarzrote Lackierung glänzte förmlich. „Da bist du also, Puriel“, dachte Janko, als er seinen EVA musterte. „Dann wollen wir doch mal sehen, wozu wir zwei heute fähig sind!“ Janko rannte die Brüstung entlang, bis er auf einer kleinen Treppe ankam, die nach oben zum ausgefahrenen Entry-Plug führte. Ein anderes, wohlbekanntes Gesicht kam ihm entgegen und empfing ihn grinsend. „DA ISSER JA!“, brüllte der Mann über den Lärm der Triebwerke hinweg. „Und dass du mir den Großen hier ja in einem Stück heil wiederbringst!“ Janko musste lachen, als er den Mann in seinem Arme schloss und ihm kräftig auf den Rücken klopfte. „Keine Sorge, Dimitrij! Ich will ja nicht, dass du wieder Überstunden schieben musst!“ Der Techniker führte Janko zum Entry-Plug. „Wir haben die Lebensdauer der Batterien deines Evangelions auf knapp zwanzig Minuten erhöhen können. Frag mich nicht wie das geht, die Forschungsabteilung hat sich drum gekümmert. Die Zeit dürfte damit aber locker reichen, um die Viecher platt zu machen! Gutes Gelingen!“ Dimitrij tippte etwas auf seinem Tablet ein und die Luke des Entry-Plugs sprang auf. Janko zwängte sich hinein und nahm im Pilotensitz Platz.   *** NERV-Hauptquartier „Piloten eingetroffen und Entry-Plugs bemannt!“, schallte es aus den Lautsprechern. Phil Sammons meldete sich wieder. „Ok Leute, aufgepasst. Die Kaijus haben unterschiedliche Routen genommen. Codenamen: Vorroth und Nethervine. Da der Transport von Einheit X einige Minuten früher gestartet ist, befindet er sich am nächsten an Vorroth. Dieses Kaiju wird dein Ziel sein, Janko.“ „Alles klar“, gab der Pilot von Einheit X zurück. „Die Einheiten Y und Z werden wir über Nethervine abwerfen. Das Viech befindet sich in der Nähe eines Atomkraftwerks. Es darf da unter keinen Umständen Schäden anrichten, ist das klar!?“ „Roger, Ziel festgelegt!“, klang es synchron von David und Ben zurück. Misato wurde blass. Das konnte doch nicht sein! Oder doch? Sie sah hinüber zu Asuka und Shinji, die ebenso überrascht dreinblickten. „Animus-Airlines, Pah!“, zischte Misato. „‘Wir warten nur auf unsere Maschinen!‘ Ich hätte es ahnen müssen! Verdammte Lügner!“ Asuka wandte sich an Shinji. „Ich kenn doch diese Stimmen! Das sind unsere Nachbarn!“ Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Shinji nickte ungläubig. „Ja… Ich denke, du hast Recht…“ Nur Rei blieb stumm. Gebannt starrte sie auf die Anzeigen, die die Positionen der Flugzeuge und der Kaijus übertrugen. Die Punkte näherten sich an. Bens Stimme erschallte wieder über den Comm-Kanal. „Bereit? Dann lasst uns die Finger spreizen und nicht mit Feuer geizen, Ladies!“ „Worauf du einen lassen kannst!“, gaben die anderen Piloten zurück.   *** Einheit X, Entry-Plug Janko fuhr die Systeme hoch und wartete auf das Zeichen zum Abwurf. Als das LCL eingeleitet wurde, spürte er, wie sich die warme Flüssigkeit um ihn herum sammelte. „Schade, dass ich in dieser Suppe hier nicht dampfen kann“, dachte er. „Ein bisschen Nikotin könnte ich jetzt echt gut gebrauchen!“ Die Funksprüche der fliegenden Kommandozentrale drangen an sein Ohr. „LCL eingeleitet, A 10 Nervenverbindungen initiiert! Neuronale Verbindung hergestellt. Beginnen mit Kontaktphase 2!“ Das altbekannte Regenbogenmuster flackerte wieder über die Wände der Kapsel. „Sekundäre und tertiäre Kondensatoren halten! Resonatoren aktiv! Nähern uns der Borderline! Batteriestatus 100 Prozent. Überschreiten der Borderline in fünf… vier… drei… zwei… eins… KONTAKT!“ Janko spürte ein Kribbeln in seinen Fingerspitzen, als die Verbindung mit Einheit X aufgebaut wurde. Er konnte das Bewusstsein des Evangelions in seinem Hinterkopf spüren. Wie ein dunkler Schatten wartete die Entität am Rande seines Verstandes, hungrig, wütend, bereit, bei nächster Gelegenheit sofort mit voller Härte vorzupreschen. Diese lauernde, bösartige Macht, nur zurückgehalten von den Sicherungssystemen, die im Single-Betrieb sein Hirn vor einer Überlastung schützten. Er ballte die Faust, sein EVA tat es ihm gleich. Der Pilot spürte die Kraft, die von diesen Bewegungen ausging. Dieses Gefühl, die Welt selbst aus den Angeln heben zu können, stellte sich wieder ein. Wie hatte er das vermisst! „Einheit X aktiviert! Ausklinken!“, rief Phil. Die Halterungen wurden gelöst und der Evangelion sauste Richtung Erdoberfläche. Über sich konnte Janko erkennen, wie die riesige Transportmaschine abdrehte. Im Flug konnte er in einiger Distanz vor sich das Kaiju erkennen, das durch eine Vorstadtsiedlung stapfte. Es ging aufrecht, mit einem langen, nach hinten gestreckten Kopf und vier leuchtend blauen Augen. Seine lederartige, dunkelgraue Haut war gesprenkelt mit rötlichen Punkten. Lange Klauen an seinen Händen und Füßen gaben ihm eine Art reptilienartiges Aussehen, während es auf zwei Beinen aufrecht die Straßenzüge vor sich in Ruinen verwandelte. Es zog einen grauen Schwanz hinter sich her.   *** NERV-Hauptquartier „Wir haben Live-Bilder! Lege sie auf den Hauptschirm!“, rief Hyuga und drückte einige Knöpfe. Die Anwesenden sahen, wie der EVA nach einigen hundert Metern freien Falls auf dem Boden landete und in die Knie ging. Als er sich wiederaufrichtete, legte sich langsam der Staub, den er beim Einschlag aufgewirbelt hatte. „Also irgendwie wirkt der EVA… anders…“, bemerkte Asuka mit unsicherer Stimme. Die Umstehenden stimmten ihr nickend unter leichtem Gemurmel zu. Die breiten Schultern des Evangelion wurden von einem kräftigeren Torso getragen, auch die dicken Panzerplatten an den Beinen und Schultern waren auffällig. Er wirkte kompakter, nicht so langgezogen und dünn wie die in Japan gebauten Einheiten. „Dieser EVA kann unmöglich aus Adam oder Lilith geklont sein“, dachte Ritsuko bei sich. „Wo zum Teufel haben die das genetische Material dafür her!?“ Jankos Stimme erklang aus den Lautsprechern. „Landung erfolgreich. Habe visuellen Kontakt. Wurde die Stadt bereits evakuiert?“ „Positiv“, gab Phil zurück. „Die Stadt ist leer. Das Kaiju hat eine annähernd humanoide Form. Du weißt, was du zu tun hast. Tob dich aus!“ „Verstanden. Angriffsvektor Sigma-Alpha-Tau. Initiiere Sturmlauf“, antwortete der Pilot. Misato konnte nicht umhin, die Kommunikation der Beteiligten zu bewundern. Kurze Befehle, schnelle Ansagen, keine Widerrede, keine Diskussion. Wer auch immer diese Leute waren, sie waren Profis, soviel war sicher. Einheit X setzte sich in Bewegung. Mit immer schnelleren Schritten nahm der Evangelion Fahrt auf und rannte auf das Kaiju zu. Das fremdartige Wesen hatte ihn bemerkt und drehte sich zu ihm um. Es schrie seine Wut förmlich hinaus, dann begann es ebenfalls, sich auf den Feind zuzubewegen. Es ignorierte die gleichförmigen Hochhäuser neben sich und konzentrierte sich auf nur noch auf den Evangelion. „Oh oh… das kracht gleich aber mächtig…“, sagte Shinji, als er sah, wie sich die Distanz zwischen den beiden Kontrahenten immer mehr verkleinerte.   *** Einheit X, Entry-Plug Jankos Augen flogen über die Systeme, die die Distanz zum Gegner anzeigten. Ein eiskaltes Lächeln umspielte seine Lippen, als das Kaiju sich ihm zuwandte und ebenfalls zu rennen begann. Mit jedem Schritt, der die Distanz zwischen den beiden verkürzte, konnte Janko die Mordlust seines Evangelions stärker spüren. Diesmal war ihm das ganz recht, er badete nahezu in der Wut, die ihm die nötige Kraft verleihen würde, um das zu tun, was notwendig war. „Dies ist unsere Stunde“, dachte er grimmig. „Verpiss dich von unserem Planeten, Missgeburt!“ Noch einige hundert Meter trennten den EVA von seinem Feind. Kurz bevor die beiden ineinander krachten, ging der Evangelion auf die Knie. Er rutschte auf ihnen vorwärts und rammte seine Schulter in den Hüftbereich des Feindes, dann umfasste er die Oberschenkel des Kaijus und hob es hoch. Es kreischte wütend und begann, mit seinen Klauen auf die Panzerplatten auf dem Rücken des EVAs einzuschlagen, doch ohne Erfolg. Funken sprühten, als die scharfen Krallen an dem Stahl entlangkratzten. Janko nutzte das Momentum des Sturmlaufes und drängte das Wesen nach hinten. Als er es vollständig ausgehoben hatte, brach er mit dem Kaiju nacheinander durch drei angrenzende Hochhäuser. Die Erschütterungen waren auch im Entry-Plug zu spüren, als Jankos Kapsel durch die Wucht des Aufpralls zu vibrieren begann. Er verstärkte den Druck auf die Hebel und blieb in der Vorwärtsbewegung. Schutt, Staub und metergroße Betonstücke flogen in alle Richtungen davon, als der EVA das Kaiju anschließend vor sich auf den Boden schmetterte. „Hervorragend! Fixier‘ es! Ground and Pound!“, rief Phil über Funk. Der Evangelion ließ sich auf den Bauchbereich des Feindes fallen und umklammerte dessen Beine mit seinen eigenen. Dann begann er, mit stählernen Fäusten auf das Wesen einzuschlagen. Wieder und wieder trafen die riesigen Hände den Kopf des Kaijus, klaffende Wunden rissen auf, aus denen bläuliches Blut auf den Asphalt und die Trümmer spritzte. Einige der zahlreichen Zähne des Untiers, jeder so groß wie ein Minivan, flogen durch die Luft. Mit einem Mal begann das Wesen, wie ein Pferd zu buckeln. Janko verlor mit Einheit X kurz das Gleichgewicht und kippte zur Seite, wo er sich mit den Händen abstützen musste, sodass das Kaiju ein Bein unter ihm herausziehen konnte. Mit diesem trat es gegen den Brustkorb des Evangelions; einmal, zweimal, dreimal. Das Scheppern der Metallplatten, die von dem krallenbewehrten Fuß traktiert wurden, hallte durch die Straßen. „Vergiss es!“, schrie Janko und bekam den Unterschenkel des gegnerischen Beines mit beiden Händen zu fassen. Er lehnte sich nach vorn und drückte das strampelnde Bein hoch, bis es auf der Schulter des Evangelions zum Liegen kam. Er verschränkte die Hände ineinander und legte sie auf die Stelle, an der er eine Art Kniegelenk des Kaijus ausmachen konnte. „Schachmatt!“, dachte er grimmig, als er mit aller Kraft nach unten drückte. Mit aufgerissenem Maul schnappte das Wesen nach seinen Händen, aber die Distanz war zu groß. Ein kurzer Moment der Stille trat ein, als die Kräfte des Kaiju-Beines und der Hände von Einheit X um die Vorherrschaft kämpften. Dann gewann der EVA. Unter einem ohrenbetäubenden Krachen brach das Kniegelenk des Gegners. Es brüllte seinen Schmerz heraus, bis der EVA das nun nutzlose Bein wegschleuderte und in das Gesicht des Gegners griff. Die Finger des Evangelions wanderten zu den Augen des Kaijus und drückten mit aller Kraft zu. Die weichen Sinnesorgane gaben knackend nach und eine graue, gallertartige Flüssigkeit trat hervor. Sie tropfte auf die Straßen, während der Kopf des Wesens hin und her zuckte.   *** NERV-Hauptquartier Mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen betrachteten die Zuschauer die Szene. Maya Ibuki wandte sich mit der Hand vor dem Mund als erste ab. „Ich glaub, mir wird schlecht!“, rief sie und schloss die Augen. „Ist das brutal…“, sprach Hyuga vor sich hin. Gänsehaut überkam ihn. „Ja, aber effizient!“, gab Aoba mit einem bewundernden Nicken zurück. Die Anwesenden schauten schweigend zu, wie Einheit X noch einige Zeit danach seine Schlagserie fortsetzte. Das dumpfe Trommeln der Fäuste auf dem Kopf des Kaijus war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Der Techniker mit der Brille fand anschließend als Erster seine Stimme wieder. „Keine Lebenszeichen mehr vom Feind! Dieses Monster ist tot.“ Leichter Jubel und Applaus stieg auf, als sich der EVA aufrichtete und seine blutverschmierten Fäuste vom Feind abließen. Rei hatte bis jetzt still auf ihrem Platz gesessen. Sie zeigte immer noch keinerlei Regung.   *** Einheit X, Entry-Plug Janko atmete schwer, als er von dem geschundenen, leblosen Kadaver des Feindes abließ und den EVA zurück in den Stand brachte. Seine Hände zitterten und sein Körper versuchte immer noch, die Wellen an Adrenalin unter Kontrolle zu bringen, die ihn durchfluteten. Er spürte die geifernde Präsenz des Evangelions in seinem Kopf, aufgeputscht durch den gerade gewonnenen Kampf. Er gierte nach mehr. „Keine Sorge, das war mit Sicherheit nicht der letzte Einsatz“, sagte er in Gedanken zu seinem Evangelion. Einer Antwort gleich zuckte die gigantische, metallene Hand unkontrolliert. „Mission abgeschlossen, erwarte weitere Befehle!“, meldete Janko atemlos über die Lautsprecher. „Saubere Arbeit, Einheit X“, gab Phil zurück. „Bleib auf Standby, Einheiten Y und Z wurden soeben über Nethervine abgeworfen.“   *** NERV-Hauptquartier Hyuga gab erneut die Lage durch. „Weitere Evangelions rund 50 Kilometer südlich des ersten ausgeklinkt. Sie nähern sich dem Feind!“ Der gelbblaue und der dunkelgrüne Evangelion erschienen auf den Monitoren. Sie landeten ebenfalls in großen Wolken aus Staub auf dem Boden. Einheit Y stürmte ohne zu zögern vor. Am Horizont war das zweite Kaiju zu sehen. Es erinnerte mit seinem vierfüßigen Gang und den abstehenden Hörnern, die auf seinem Rücken verteilt waren, entfernt an einen Stegosaurier. Der kräftige Schwanz war gespickt mit scharfen Dornen und schwang bei jeder Bewegung hin und her. „Einheit X hat den Feind ausgeschaltet, David. Jetzt seid ihr zwei dran!“, trieb Phils Stimme den Piloten von Einheit Y an. Davids Antwort erklang grantig aus den Lautsprechern. „Pah, Streber! Legen wir los, ich werd mich doch von dem Vogel nicht übertrumpfen lassen!“ „Ihr müsst das Biest unbedingt von dem Reaktor des Kernkraftwerks fernhalten! Die Folgen einer Explosion wären verheerend! Das Gebäude konnte nicht evakuiert werden, schätzungsweise tausend Mitarbeiter sind noch vor Ort.“ „Verstanden, Central“, sagte Ben in wesentlich ruhigerem Ton. „David, lenk das Viech ab, ich positioniere mich zwischen ihm und dem AKW!“ Die dunkelgrüne Einheit begann, einen größeren Bogen um das Ziel herum zu laufen. Ritsuko nahm kurz ihre Brille ab und dachte nach. Dann wandte sie sich an das Brückenpersonal. „Lassen Sie die MAGI sämtliche Kampfbewegungen der Evangelions analysieren. Ich will jedes kleine Bisschen an Information, das sie auftreiben können, heute Abend auf meinem Schreibtisch haben!“ „Jawohl, Dr. Akagi!“, kam von der Besatzung zurück. „Ich will wissen, wer ihr seid“, dachte die Wissenschaftlerin.   *** Einheit Y, Entry-Plug Davids Einheit fegte nahezu über die weite Ebene. Am Horizont konnte er die weißen Kühltürme des Atomkraftwerks erkennen, die sich deutlich von der grauen Masse des Kaijus abhoben. „Aktiviere Multitool, Hammer-Modus!“, rief er und nahm den seltsamen Stab in die Hände, der auf dem Rücken des Evangelions festgemacht war. Die einfahrbaren mechanischen Platten klickten hörbar, als sich die Waffe verwandelte. Die Metallschienen bildeten an einer Seite plötzlich einen soliden Quader. Der Evangelion fasste den entstandenen Hammer mit beiden Händen fest am Griff. Das Kaiju drehte sich zu dem anrückenden EVA um und trommelte mit seinem Schwanz auf dem Boden. Es war ungefähr doppelt so lang wie der Evangelion. Wie bei einer Sprungfeder nutzte es den Schwung, um sich abzustoßen. Es wirbelte durch die Luft, direkt auf die blaugelbe Einheit zu. Mit einem markerschütternden Schrei schwang David den Hammer und traf den Gegner genau im Brustbereich. Krachend landete die Bestie auf der Erde und rutschte einige Meter, bevor sie zum Liegen kam. Einheit Y setzte nach und schwang die Waffe über den Kopf. Als das kantige Ende Richtung Boden sauste, rollte sich das Kaiju zusammen und begann, wie ein Ball Richtung Atomkraftwerk zu kullern. Der Hammer schlug krachend auf dem Boden auf. Einige Bäume wurden von der Erschütterung entwurzelt und segelten durch die Luft. „Hey, bleib hier du Mistvieh!“, brüllte David und verwandelte die Waffe wieder in einen Speer, den er dem wegrollenden Monster hinterherwarf. Die gigantische Eisenstange sauste durch die Luft, verfehlte ihr Ziel jedoch. Der dunkelgrüne Evangelion war vor dem Kraftwerk zum Stehen gekommen. Ben sah die riesige Kugel aus Fleisch und Dornen auf sich zurollen.   *** NERV-Hauptquartier „Datenaufnahme läuft, Ergebnisse werden den MAGI zur Auswertung übermittelt!“ Maya Ibuki hatte wieder etwas Gesichtsfarbe hinzugewonnen. Das Abarbeiten der Befehle half ihr, die aufflackernde Übelkeit unter Kontrolle zu bekommen. Asuka beugte sich zu Shinji und Rei herüber. „Ich will auch so ne Waffe!“, sprach sie. „Können wir da nicht mal die Entwicklungsabteilung drauf ansetzen?“ „Ja, sie scheinen gut ausgerüstet zu sein“, antwortete Rei leise. „Kaum zu fassen, dass die nix gesagt haben!“, ärgerte sich Shinji. „Die hätten uns bei der Feier ruhig mal einweihen können…“ „Weil sie nicht durften“, sagte Rei leise. „Sie hatten ihre Befehle.“ Und trotzdem hatte Janko es getan. Ein seltsames, warmes Gefühl breitete sich in ihr aus. War das Freude? Stolz? Über das Vertrauen, das er ihr entgegengebracht hatte?   *** Einheit Z, Entry-Plug Das seltsame Wesen rollte noch immer auf ihn zu. Ben sah sich um. „Scheiße Mann, lass dir was einfallen!“, dachte er bei sich. Dann sah er die Hochspannungsleitungen, die von dem Kraftwerk wegführten und ihm kam die rettende Idee. Er griff nach einem der riesigen, stählernen Masten und zog ihn aus seiner Verankerung. Die Leitungen zischten funkensprühend, als sie die Belastung nicht mehr aushielten und rissen. Wie einen Baseballschläger schwang Einheit Z die Stahlkonstruktion und traf das rollende Monster, das auf ihn zuhielt. Es flog eine gute Strecke zurück und landete auf dem Rücken. Mit einem lauten Schrei drehte es sich wieder um und starrte auf Einheit Y, die den Speer wieder in der Hand hielt und auf das Kaiju zustürmte. Dieses begann zu rotieren und schlug mit dem dornenbewehrten Schwanz. Davids Evangelion rollte zur Seite, sodass der Schweif neben ihm auf dem Boden einschlug. „Axt-Modus!“, rief der Pilot. Die Metallplatten verformten sich erneut und bildeten eine zweischneidige Waffe mit gegenüberliegenden, gerundeten Schneiden. Der EVA schwang die Doppelaxt in einem Halbkreis vor sich und traf den Schwanz beim nächsten Angriff des Kaijus genau in der Mitte. Es gab ein schneidendes Geräusch, dann klatschte das abgetrennte Ende des Monsters zuckend auf den Boden. Eine Fontäne aus bläulichen Blut ergoss sich über Einheit Y. „Jetzt bist du fällig!“, hörte Ben David rufen. Er schob den Stil der Axt unter dem Hals des Kaijus durch und begann, ihm so die Luft abzuschnüren. Eine Videoübertragung tauchte im Entry-Plug auf. Davids Gesicht erschien. Er hatte Mühe, das wackelnde und um sich schlagende Monster zu fixieren. Entsprechend angestrengt waren seine Gesichtszüge. „Hey Kollege, lad mal deine Kanone auf!“ Ben ballte die Faust und rannte auf das kämpfende Bündel zu. „Mit dem größten Vergnügen!“ Im Laufen veränderte sich der rechte Arm von Einheit Z. Mehrere Panzerplatten fuhren zurück und gaben drei ausfahrende Metallschienen preis, die sich über die stählerne Faust des Evangelion stülpten. Zwischen den Spitzen begannen blaugrüne Blitze zu zucken. „Plasmakanone einsatzbereit!“, rief Ben und zielte. Einheit Y riss das Kaiju nach oben und entblößte dessen Bauch. Ein heller, grüner Lichtblitz zuckte auf, als das heiße Plasma aus dem Arm des Evangelions mit einem Schrotflinten-ähnlichen Geräusch emporschoss und die Unterseite des Kaijus zerfetzte. Riesige Hautlappen lösten sich und segelten durch die Luft, während die Eingeweide des Monsters von den nachfolgenden Ladungen verbrannt wurden. Er schoss nochmal, bis sie sicher sein konnten, dass keine Gegenwehr mehr stattfinden konnte. David ließ den leblosen Körper zu Boden fallen.   *** NERV-Hauptquartier „Zweiter Feind erledigt! Keine Lebenszeichen mehr vom Zielobjekt!“, rief Hyuga und lehnte sich zurück. Die Gefahr war vorerst gebannt. Ritsuko zog die Schultern hoch und starrt auf das leblose Wesen, das unweit der dampfenden Kühltürme des Kraftwerks im Staub lag. „Auftrag ausgeführt. Erbitten Erlaubnis, nach Tokyo-3 zu kommen“, sprach Phil Sammons. „Der Großteil unserer Ausrüstung befindet sich in seinen Transportmaschinen mittlerweile im Landeanflug. Die Evangelions haben noch genug Restenergie, um selbstständig den Weg zum NERV-Hauptquartier anzutreten.“ Misato näherte sich dem Mikrofon. „Erlaubnis erteilt, NERV-04. Wir sehen uns im Hangar.“ Sie blickte zu Ritsuko, deren Gesicht so gar nicht zu dem gerade mit angesehenen Erfolg passte. Die blonde Frau starrte Misato über die Ränder ihrer Brillengläser hinweg an. „Das war kein Kampf, das war eine Machtdemonstration. Die haben uns gerade eine Nachricht geschickt. Eine Nachricht, die mir ganz und gar nicht gefällt.“ Mit diesen Worten wand sie sich ab und verließ den Kommandoposten. Misato sah ihr noch einige Zeit nachdenklich hinterher, dann wandte sie sich an ihre Piloten. „Ihr solltet euch jetzt auch mal duschen und umziehen gehen. Für heute ist wohl keine weitere Feindaktivität mehr zu erwarten. Macht euch frisch, dann können wir unseren ‚Besuch‘ nachher gebührend in Empfang nehmen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)