Warsong von Ceydrael ================================================================================ Kapitel 10: Pinkes Gold ----------------------- 11.12.2069, 17.02 Uhr, Tokio Law ließ seine Yaiba Kusanagi auf dem Schotterplatz ausrollen und sich anschließend besonders viel Zeit, das Motorrad auszuschalten und abzustellen, um den Moment hinauszögern zu können, in dem er das gigantische Donquixote-Anwesen am Rande von Akihabara wieder würde betreten müssen. Er nahm seinen Helm ab, strich sich durch die schwarzen Haare, während sein düsterer Blick dann abschätzend über die teilweise erleuchteten Fenster von Doflamingos Residenz schweifte. Viele Jahre hatte er das hier als Heim betrachtet, inzwischen erschien es ihm mehr wie sein persönlicher Kerker. Im Erdgeschoss herrschte ungewöhnlich viel Betrieb, er konnte ein paar Lieferwagen in der Auffahrt vor dem Haupteingang ausmachen und Männer in Overalls, die beladen mit Kisten und Kartons die Treppe zum Anwesen hinauf stiegen. Vielleicht erwartete der Kartellkönig an diesem Abend noch Besuch. Nicht selten fanden im Kellergeschoss - Jokers persönlichem Party- und Glücksspieltempel - ausschweifende Feiern für gute Freunde und wertvolle Geschäftspartner statt. Dann floß meist nicht nur der Alkohol in Strömen, sondern auch das Geld. Law hasste dieses Haus, er hasste, für was es stand und was es verkörperte und die Erinnerungen, die jedes Mal auf ihn einstürzten, wenn er die schier endlosen Flure entlanglief. Alles hier war gestohlen, blutig geraubt und mit Leben bezahlt, sodass auch die überwältigende Schönheit dieses Anwesens - das genau wie der alte Kaiserpalast im westlich-japanischen Mischstil errichtet wurde - nicht über die Verderbtheit hinwegtäuschen konnte, welche diesen Mauern innewohnte. Hier liefen alle Fäden des Kartellkönigs zusammen, von hier aus regierte er sein Reich mit Tücke und Gnadenlosigkeit. Law nötigte sich zu ruhigen, tieferen Atemzügen. Seine mentalen Barrieren waren fest und kalt wie Gletschereis, seine Miene spiegelte die genau perfekte Mischung aus Desinteresse und Gefühllosigkeit, wie ihn ein flüchtiger Blick in den Motorradspiegel überzeugte. Jegliche Wärme war aus seinen Augen verschwunden und jeden Gedanken an Lamy - und ganz besonders an Marco - verbannte er aus seinem Kopf. Seine gemächlichen Schritte knirschten auf dem blütenreinen Kies, als er sich jetzt mit den Händen in den Jackentaschen durch die Grünanlage dem Seiteneingang näherte. Um das Anwesen breitete sich ein traumhafter, japanischer Garten mit vielen, kleinen Teichen und akkurat gestutzten Pflanzen aus. Kein Grashalm auf dem Rasen war länger als der andere. Jola mochte eine nervige Frau sein, die Law mit ihrer übertrieben fröhlichen Art regelmäßig auf den Wecker ging, doch sie hatte ein Händchen für Pflanzen und der Garten war ihr persönliches Reich. Neben der - durch zartrosa Papierlampions - beleuchteten Tür des Seiteneinganges lehnte Dellinger an der Wand unter dem hellen Vordach und gönnte sich eine Zigarettenpause. Durch den aufsteigenden Rauch beobachtete er Law beim Näherkommen mit offener Abneigung, bevor er den Stummel seiner Zigarette absichtlich in den Kies vor Laws Stiefeln schnipste und tönte: »Na, sieh' mal einer an, wer sich die Ehre gibt?! Womit haben wir das denn verdient, dass du uns mit der Gnade deiner Anwesenheit beehrst, Law?« Law stoppte nicht im Schritt. Er ignorierte den streitlustigen, sadistischen Mistkerl absichtlich, er schenkte ihm nicht einmal die Genugtuung eines Blickes. Neben Trebol war Dellinger wohl derjenige, mit dem Law in Doflamingos Gefolge am wenigsten zurecht kam. Zwischen ihnen bestand schon eine länger schwärende Feindschaft, da der blonde Mistkäfer es sich längst in den Kopf gesetzt hatte, selbst Jokers 'Nummer Eins' Auftragskiller zu werden. Wo Law stets für eisige Effizienz stand, war Dellinger einfach nur ein Schlächter. Er hatte Spaß am Töten und an grundloser Gewalt, ein Punkt, der zwischen ihnen öfter für... Meinungsverschiedenheiten gesorgt hatte. Er wollte an Dellinger vorbei laufen, doch der hob ruckartig sein Bein und stemmte dieses demonstrativ in den Türrahmen, um Law den Zutritt zu verwehren. Unter seiner gehörnten Mütze und den blonden, zotteligen Haaren hervor funkelte ihn der junge Kerl herausfordernd an. »Wo warst du schon wieder, he? Es gibt Regeln, die gelten auch für dich!«, schnauzte er anmaßend. »Du hättest schon längst wieder hier sein sollen, genau wie deine doofe Schwester! Doffy sollte euch echt loswerden... ihr seid vollkommen unnütz!« Notgedrungen blieb Law stehen und erwiderte den Blick des Jungen mit kalkulierter Gleichgültigkeit. Er hätte ihm eine Lektion erteilen können, vielleicht sollte er das sogar... aber auf das Niveau des Giftzwerges und solche Spielchen wollte er sich eigentlich nicht einlassen. Gelassen hob er eine Hand und deutete einladend auf die Tür. »Willst du Doflamingo über sein Versäumnis aufklären? Ich wollte eh gerade zu ihm, komm' ruhig mit. Sicher freut er sich über deinen so… sinnvollen Beitrag«, schlug Law lauernd vor. Dellinger biss die Zähne aufeinander und verschränkte die Arme abwehrend vor der schmächtigen Brust. Er mochte schwächlich wirken, doch im Kampf sollte man ihn definitiv nicht unterschätzen. In seinen Augen stritten sein Ego und der Respekt vor Joker miteinander, dann nahm er sein Bein endlich herunter und ließ Law passieren, nicht jedoch, ohne ihm gereizt hinterher zu zischen: »Du hältst dich ja für so was besseres wegen deiner Telekinese, Law... aber ohne das bist du ein Nichts! Du bist wertlos und keiner mag dich, hörst du?!« Law presste die Lippen unmerklich aufeinander und betrat das Gebäude, ohne diesen bösartigen Stachel all zu tief in sein Herz dringen zu lassen. Es waren nur die Worte eines missgünstigen Konkurrenten und trotzdem... Zerbrich' dir nicht den Kopf darüber. Das ist doch völlig egal. Für so einen Schwachsinn hatte er jetzt wirklich keine Zeit. Law stieg die imposante Wendeltreppe ins Obergeschoss zu den Privaträumen der Donquixote-Familie hinauf, seine Schritte gedämpft durch die dicken, weißen Teppiche, die ein falsches Gefühl von Reinheit und Unschuld vermittelten. An den Wänden hingen teure Kunstwerke und einige Eigenkreationen von Jola, die Luft war angereichert vom Duft des schweren, süßen Parfüms, das zu Sugar gehörte. Das Mädchen saß auf der Empore, beäugte Law mit minderem Interesse und stopfte sich eine Handvoll Trauben in den Mund. Ohne Begrüßung lief Law an ihr vorbei und bog in den holzvertäfelten Gang ein, der in den Westflügel und zu Jokers Büro führte. Sein Weg führte vorbei an den privaten Räumen der hochrangigen Familienmitglieder und auch Law und Lamy hatten jeweils ein Zimmer hier im Anwesen, welche sie jedoch so gut wie gar nicht mehr nutzten. Die meisten der Offiziere hatten Wohnungen in der Stadt verteilt, konnten aber immer auf den Luxus zurückgreifen, auch dieses Haus hier als ihr Heim zu betiteln. Er passierte Corazons ehemaliges Zimmer, dass gleich neben Doflamingos eigenem Rückzugsort lag und seit dem Tod des Bruders ungenutzt leer stand... doch Law blickte nicht einmal in die Richtung dieser Tür, denn das hätte nur seine mühsam aufgebaute Fassade gefährdet. Er betrat Doflamingos Büro am Ende des Ganges ohne zu klopfen, Joker wusste garantiert eh schon, dass er eingetroffen war. Er fand den blonden Kartellkönig an seinem massiven Eichenholzschreibtisch sitzend vor, wo er einige Dokumente studierte. Neben ihm an der Wand hing ein riesiger Monitor, der Live-Aufnahmen der Sicherheitskameras aus seinen Casinos in der ganzen Stadt zeigte. Über einem Holopanell auf seinem Schreibtisch drehte sich die flackernde Projektion eines Scharfschützengewehres mit automatischer Zielsuchvorrichtung, eines der neuesten Donquixote - Verkaufsschlager. Trotz der einbrechenden Dämmerung trug Doflamingo wie immer eine Sonnenbrille und seinen geliebten, pinken Federmantel, sein Haar war ordentlich frisiert, sein Hemd faltenlos. Er saß auf einem pompösen, lachhaft ausstaffierten Polstersessel, der durch Doflamingos schiere Körpergröße fast zerbrechlich wirkte. Law ließ die Tür ins Schloss fallen, dann trat er ohne Eile bis an den Tisch heran und stoppte davor. Er sparte es sich, auf sich aufmerksam zu machen. Aus dem Augenwinkel konnte er durch eine nur halb geschlossene Schiebetür in das Nebenzimmer blicken, das als Versammlungsraum genutzt und von einer langen Tafel beherrscht wurde. Der lang verwaiste Herzthron stach ihm sofort ins Auge und erinnerte ihn mit schmerzhafter Deutlichkeit an sein übergeordnetes Ziel. Nur noch ein bisschen, Cora-san... Neben Doflamingo - eine schlanke Hand auf die verschnörkelte Rückenlehne des Stuhles ihres Herrn gelegt - stand Riku Viola, Jokers persönliche Assistentin, Gespielin, Trophäe und eines der letzten, lebenden Mitglieder der Riku-Familie, die Doflamingo bei dem Gemetzel vor zehn Jahren verschont hatte... nicht etwa aus Herzensgüte oder menschlichen Regungen heraus, sondern weil Viola eine begnadete Telepathin war und dem Kartellkönig somit von Nutzen. Für ihre Gefolgschaft und Hörigkeit hatte Joker zumindest Riku Shin und Rebecca am Leben gelassen, die beide damals nicht mehr als Kinder gewesen waren. Seitdem lebte die schwarzhaarige Schönheit für und mit dem Unterweltboss und Law hatte nie wirklich herausgefunden, ob sie Joker eigentlich immer noch hasste oder inzwischen vielleicht wirklich liebte - zwischen diesen so gegensätzlichen Gefühlen schien bei den beiden nur ein schmaler Grat zu liegen. Ihre Beziehung war wahrlich nicht einfach zu beschreiben und vermutlich konnten sie inzwischen so wenig ohneeinander wie miteinander leben. Viola fixierte Law mit ihren hübschen, rotbraunen Augen und er konnte ihre Kraft wie scharfe Fingernägeln über seine mentale Barriere kratzen fühlen. Unbeeindruckt ließ er diese Prüfung über sich ergehen, inzwischen froh darüber, dass seine Schwester ihn mit ihrer Magie oft so lange genervt und attackiert hatte, bis in seiner Verteidigung kaum mehr eine Lücke zu finden war. Viola traute ihm wohl genausowenig wie er ihr und nicht selten fragte sich Law, ob sie nicht insgeheim ganz ähnliche Pläne wie er selbst verfolgte. Auf einen stummen Wink des Kartellkönigs hin verschwand Viola so lautlos wie ein Windhauch, das Säuseln ihres Rockes das einzige Geräusch, bis die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Dann war nur noch das Ticken der alten Standuhr in der Ecke des Raumes zu hören und das Kratzen von Doflamingos Kugelschreiber auf Papier - der Kartellkönig war altmodisch, hatte ein Faible für alte, traditionelle Dinge… und seit Corazons Verrat die Möglichkeit analoger Datenübertragung wieder zu schätzen gelernt. Er war nicht paranoid, aber doch schlau genug, heikle und brisante Daten nicht frei zugänglich ins Netz zu stellen. So großzügig seine Kunden mit ihrer Bezahlung ihm gegenüber auch waren, so bedacht waren sie auch auf ihre Anonymität. Doflamingo ließ Law warten. Er würdigte ihn keines Blickes, sagte nichts, bot ihm keinen Platz an. Es war ein Test, ein Spiel, was der riesige, blonde Mann nur zu gern mit seinen Untergebenen spielte… denn meist wurde man nur für zwei Dinge hierher beordert - für Lob oder eine Maßregelung. Auf ersteres hoffte man, letzteres fürchtete man besser. Wenn Joker wollte, hätte er einen dort stundenlang stehen lassen können, ohne zu sagen, warum man herkommen sollte und die Unsicherheit, die Frage - oder ein schlechtes Gewissen - würde einen irgendwann innerlich verrückt machen. Doflamingo wusste das und genoss es. Er genoss diese Macht, die allein sein Schweigen haben konnte. Law beruhigte seinen Atem und seinen Herzschlag und konzentrierte sich auf das Ticken der Uhr. Er starrte stur geradeaus, ließ den Blick nicht unruhig schweifen, doch schob die Hände in seine Jackentaschen. Geduld war keine Hürde für ihn, immerhin lauerte er schon seit Jahren ausdauernd darauf, den Mann vor sich zu Fall zu bringen. Er hatte eine relativ ruhiges Gewissen, hatte sich bei seinen Aktivitäten bedeckt gehalten, sodass er zumindest nicht zwingend davon ausging, dass Doflamingo ihm auf die Schliche gekommen war. Dann wäre er vermutlich auch längst tot. Endlich legte Joker den Stift nach einer gefühlten Ewigkeit beiseite. Dann hob er langsam den Kopf und verschränkte die Finger in aller Ruhe auf der Tischplatte vor sich. Law sah sein eigenes Spiegelbild in den pinken Gläsern der geschwungenen Sonnenbrille. »Law«, Doflamingos Stimme schnarrte wie altes Eisen, »du warst lange nicht hier, das betrübt mich. Dabei weißt du, dass ich deine Gesellschaft über alle Maßen schätze. Ich habe doch hoffentlich nichts getan, was diese Zurückweisung verdient...?« Es bedurfte einiges an Selbstbeherrschung, dass sich Laws Gesicht bei diesem heuchlerischen Tonfall nicht angewidert verzog. Doflamingo spielte den sorgenden Vater, den gönnerhaften Beschützer immer geradezu perfekt, das musste man ihm lassen. Doch Law täuschte er damit schon längst nicht mehr. »Ich hatte einiges zu tun...«, erwiderte er vage. »Ah ja«, nickte Doflamingo langsam und strich sich in einer bedächtigen Geste mit den langen Fingern über das glattrasierte Kinn, »das habe ich bereits bemerkt.« Er griff nach einer Fernbedienung auf dem Schreibtisch und der Monitor an der Wand änderte das Bild. Die etwas verwackelte Aufnahme einer SmartCom-Kamera war zu sehen, die aus der Menge heraus in einem Club filmte... in einem infernalischen Club mit gläsernen Wänden und flammenden Holoprojektionen. Law verkrampfte die Finger in seinen Taschen. Das Bild schwenkte und zeigte jetzt zwei Männer, die am Rand der feiernden Menge an der Wand standen. Dort war unverwechselbar Law zu erkennen, wie er Marco im Purgatory an sich riss, um nicht von Diamante gesehen zu werden. Sie standen eng beieinander und ohne das entsprechende Hintergrundwissen konnte man die Situation von außen durchaus falsch deuten. Sie sahen aus wie zwei ziemlich... enge Bekannte. Doflamingo legte die Fernbedienung beiseite, während er die Szene aufmerksam studierte, obwohl er sie garantiert schon mehrmals angesehen und bis ins letzte Detail analysiert hatte. Trotzdem spielte er den Überraschten, als er Law jetzt wieder ansah. »Würdest du mir bitte erklären, warum du mit Marco Phoenix von der Newgate Corp. in Downtown unterwegs bist, statt dich bei mir zu melden?«, bat er mit übertriebener Freundlichkeit. Sein Lächeln war so scharf und tödlich wie eine Klinge. »Ich glaube nicht, dass ich das angeordnet habe.« In Laws Kopf stoben die Gedanken plötzlich wie aufgeschreckte Vögel durcheinander, während er gegen das flaue Gefühl im Magen ankämpfte. Eisige Finger glitten wie Vorboten des Unheils über sein Rückgrat. Dabei war es noch nicht einmal der Umstand, dass Joker nun auf seine Verbindung zu Marco aufmerksam geworden war, der ihn so nervös machte... nein, er stellte sich natürlich sofort die Frage, ob Joker ihn heimlich beschatten und überwachen ließ. Was wusste der Kartellkönig sonst noch, was er gar nicht wissen sollte? War das ein Test? Eine Prüfung? Oder wirklich nur Zufall? »Mich würde doch interessieren, warum du so... vertraut mit einem Senatsmitglied wirkst. Du würdest doch nicht etwa Geheimnisse vor mir haben, oder, Law...?« Der Name war mehr ein zischender Laut als ein Wort, eine unterschwellige Drohung und ein Vibrieren in der Luft. Eine Ader auf Doflamingos Stirn trat pulsierend hervor und seine Kieferlinie schärfte sich gefährlich, als wollte er gleich die Zähne fletschen. Die äußerliche Ruhe war nur Fassade, das spürte Law überdeutlich. In dem Kartellkönig brodelte es. Seit er von Corazon hintergangen wurde, reagierte er regelrecht getrieben auf jedes winzige Anzeichen von Verrat. Law musste sich wirklich schnell etwas überzeugendes einfallen lassen, denn mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde Doflamingo nur misstrauischer. Die Frage, woher Joker von Marcos erst kürzlicher Ernennung zum Senatsmitglied wusste, stellte Law sich gar nicht erst. Zumindest schien Kuleha wirklich nicht geplaudert zu haben, sonst wüsste Joker noch viel mehr und hätte ihn garantiert auf die Geschichte mit Trebol angesprochen. Also einmal mehr auf Risiko spielen... Law ließ seine Mundwinkel zu einem maliziösen Schmunzeln in die Höhe wandern, das sich absolut falsch auf seinen Lippen anfühlte. »… und ich dachte, du wärst eigentlich an Wirtschaftsdaten und Forschungsprojekten der Newgate Corp. interessiert«, stellte er gelassen in den Raum. Jetzt war es an Doflamingo, irritiert zu wirken. Die schmalen Brauen des Kartellkönigs zogen sich argwöhnisch zusammen, seine Haltung wirkte noch immer lauernd, jedoch nun auch latent interessiert. »Erklär' das.« Law konnte das seidige Rascheln von Stoff hören, als Joker die Beine überschlug und sich auf seinem Platz zurücklehnte, um Law abwartend zu fixieren. »Lamy befindet sich im Newgate-Tower für eine mentale Heilung. Der Staatsanwalt Yamamoto Ashitaka wurde ermordet... aber das wusstest du ja sicherlich schon, nicht wahr? Sie war offensichtlich vor Ort, als es passierte und ihr Geist wurde von einem Phobiokineten schwer verletzt...«, jetzt hatte sich Laws Stimme zu einem Knurren gesenkt und er versteckte die Wut nicht, als er Doflamingo beschuldigend anfuhr: »Warum war sie überhaupt dort, Joker!? Ich habe dir gesagt, du sollst sie aus diesen Dingen raushalten, du…-« Doflamingo hob nur einen Finger, doch Law verstummte augenblicklich. Das lag weniger an der Geste, als daran, dass er Jokers Magie spüren konnte. Ein hauchdünner, unsichtbarer Faden schlang sich um Laws Hals, ähnlich einer unangenehmen Berührung - eine Warnung, eine Erinnerung daran, dass Doflamingo nicht der geduldigste Mann war… und dass er mit Menschen wie mit Marionetten spielen konnte. Er mochte große Stücke auf Law halten, doch auch von ihm duldete er Ungehorsam und Widerstand nur in begrenztem Maße. Nach einer langen Minute bedrohlichen Schweigens, in der Joker die neuen Informationen zu verarbeiten schien, sagte er: »Ich habe Lamy keinen Auftrag erteilt, Law. Ich berücksichtige deine Wünsche durchaus. Aber du weißt doch, wie sie ist, sie hat wohl in einem Gespräch mit Diamante aufgeschnappt, dass ich ein paar Informationen bezüglich eines Gerichtsfalles von Yamamoto bräuchte und«, Doflamingo hob die Hände in sorgloser Unschuld, »sie war wohl der Meinung, mir helfen zu müssen. Ich habe das nicht von ihr verlangt.« Law sog die Luft scharf durch die Nase ein. Nein, vielleicht hatte er das tatsächlich nicht... aber Doflamingo war ein Meister darin, anderen Menschen Dinge einzureden und sie genau das tun zu lassen, was er wollte, ohne sie direkt darum zu bitten. »Yamamotos Tod ist nun ein unerwarteter Glücksfall für mich, das gebe ich zu. Der Mann war ein unerträglicher Moralapostel, aber von dem Mord an ihm habe ich nichts gewusst. Du weißt, ich würde euch zwei niemals wissentlich in Gefahr bringen. Deine Schwester und du, ihr seid mir stets die Liebsten und Teuersten meiner Mitglieder«, beteuerte Doflamingo und legte sich eine große Hand auf das Herz. »... wird Lamy denn weder gesund?« Law schluckte das verächtliche Schnauben herunter. Joker sorgte sich wahrscheinlich weniger um Lamys Gesundheitszustand, als um den Verlust ihrer Fähigkeiten in seinen Reihen. Am Ende war er ein Geschäftsmann und sie alle lohnende Investitionen für ihn, die er natürlich ungern verlieren wollte. »Glücklicherweise stehen die Chancen gut. Marco Phoenix ist Mentokinet. Er will sie heilen, damit der Senat sie befragen kann.« Doflamingos Finger wischten lauernd über die Tischkante, als würde er eine unsichtbare Fluse entfernen. »Worüber denn…?« Law zwang sich geschäftstüchtig und loyal zu wirken. »Über den Mord an Yamamoto und ob sie etwas gesehen hat, was helfen könnte, denn Fall aufzuklären. Die Sache scheint den Senat sehr zu beschäftigen. Er ist nicht an dir oder deinen Aktivitäten interessiert, davon habe ich mich zuerst überzeugt.« Die pinken Brillengläser hafteten mit unangenehmer Intensität auf Laws Gesicht. »Und was hast du persönlich mit diesem Konzerner zu schaffen?«, eine einfache, analysierende Frage. Die nächsten Worte brannten wie Säure auf Laws Zunge und er hatte Mühe, sie überhaupt auszusprechen. Er schlug einen abfälligen Tonfall an: »Ich bin durch Zufall auf ihn getroffen. Er lässt mich im Newgate-Tower wohnen, solange er Lamy behandelt, weil ich darauf bestanden habe, dass ich ihre Heilung überwachen will. Im Gegenzug helfe ich ihm ein paar belanglose Infos zu seinem Fall zu beschaffen. Deswegen waren wir im Purgatory. Er ist ein naiver, weichherziger und gutgläubiger Idiot, der denkt, dass er mit seinem Geld alle Wunden heilen kann… und er scheint eine Schwäche für arme, verlorene Streuner zu haben. Er glaubt wohl, dass er mich retten muss.« Law ließ ein einstudiertes, höhnisches Grinsen über seine Lippen huschen. »Er ist leicht beeinflussbar und du kennst ja Lamys Talente, sobald sie wieder aufgewacht ist, könnten wir ihn innerhalb kürzester Zeit um den Finger wickeln. Wir werden einfach die bedürftigen Waisen spielen, die aus dem Kartellsumpf aussteigen wollen. Ich wette, er wird uns jedes Wort glauben und uns unterstützen wollen. Setz' uns bei der Newgate Corp. ein. Lass' uns deine Augen und Ohren sein. Im Tower gibt es eine hochmoderne Entwicklungsabteilung für Waffen- und Rüstungstechnik. Ich bin sicher, wir könnten an Daten über so einige interessante Projekte für dich herankommen. So eine Chance bietet sich nur selten, Joker.« Doflamingos Finger tanzten nachdenklich auf der Schreibtischkante. »Was ist mit Edward Newgate?« »Whitebeard hat den Tower verlassen und ist ausgezogen. Er hat die laufenden Geschäfte allesamt an seinen Sohn und neuen CEO Marco Phoenix übergeben. Er würde uns nicht in die Quere kommen.« Law verabscheute sich selbst für diesen Mist, den er erzählen musste, für diese widerwärtigen Lügen, die er hier erdachte, um Doflamingo weiterhin das brave Mündel vorzuspielen - so war er eigentlich nicht und so wollte er nicht sein und vor allem wollte er Marco nicht in diesen Schmutz hier mit reinziehen müssen, aber... wie so oft in seinem Leben ging es nicht darum, was er wollte, sondern was er tun musste. Solange Doflamingo weiterhin glaubte, dass Law für ihn arbeitete, würde er ihn hoffentlich weitestgehend in Ruhe lassen und nicht mit anderen Aufträgen betrauen. Damit konnte er seine eigenen Pläne wesentlich ungestörter verfolgen. »Aus der Not eine Tugend machen, hm?« Doflamingos Mund kräuselte sich zu einem anerkennenden Schmunzeln und er lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück, wobei die pinken Federn seines Mantels sich wie ein lebendiges Wesen bewegten und an seine breiten Schultern schmiegten. »Fufufufu~, mein lieber Law«, lachte er begeistert, »deine Kaltherzigkeit und dein Scharfsinn überraschen mich doch immer wieder positiv. Ich mag es, wie distanziert und emotionslos du die Dinge betrachtest, da könnte einem der Newgate Erbe ja fast leid tun...« Der unsichtbare Faden um Laws Kehle verschwand. Doflamingo griff nach einem Weinglas auf seinem Tisch und ließ die blutrote Flüssigkeit darin kreisen, während er Law jetzt ergründend musterte: »Ist es schwer, in seiner Nähe zu sein? Du musst ihn sehr verabscheuen, verkörpert dieser Konzerner am Ende doch alles, was du abgrundtief hasst, nicht wahr?« Seine Worte trugen fast den perfekten Hauch an Anteilnahme. Wie die Szene eines alten Filmes blitzte eine Erinnerung in Laws Kopf auf, voll von Blut und Feuer und Verzweiflung. Für einen Augenblick war er wieder ein Kind, stand weinend in den Trümmern seiner Heimatstadt und hatte durch einen skrupellosen Konzern alles verloren in seinem Leben - seine Familie, seine Freunde, sein Heim... seinen Glauben in Gott und die Welt. Und der Senat hatte keine Gerechtigkeit für dieses Gemetzel gefordert, stattdessen hatten sie es vertuscht und verschwiegen, wahrscheinlich, weil der Vater des Verursachers dieser Tragödie einen Platz im Senat innegehabt hatte... Laws Stimme war wie Eis. »Er ist mir gleichgültig. Dass er Konzerner und Senatsmitglied ist, ist nur ein... positiver Nebeneffekt der Sache«, zuckte er ungerührt mit den Schultern. Wahrscheinlich wäre so einiges einfacher, wenn er Marco wirklich hassen könnte. »Na schön, von mir aus. Ich bin einverstanden mit deinem Plan, aber Law - das ist kein Urlaub. Ich will Ergebnisse sehen und das nicht erst in ein paar Monaten... da sind wir uns doch einig, oder?« »Selbstverständlich.« »Gut.« Doflamingo stand auf und kam nun gemächlich um den Schreibtisch herum. Er blieb vor Law stehen und lehnte sich mit der Hüfte gegen die Kante, während er eine große Hand auf Laws Schulter bettete. Der musste sich sehr beherrschen, vor dieser Berührung nicht zurückzuzucken. Der Kartellkönig neigte den Kopf leicht zur Seite wie ein großer Raubvogel, der seine Beute beäugte. »Du weißt, Corazons... Verlust hat mich immer sehr geschmerzt. Er hat eine Lücke hinterlassen, die schwer zu füllen schien, aber du bist perfekt geeignet für den Herzthron. Du bist schon immer wie ein kleiner Bruder für mich gewesen.« Er griff nach Laws Kinn und zwang dessen Blick zu sich herauf, nicht grob, aber sehr bestimmt. Die Worte waren eine Anerkennung, aber auch eine Warnung. »Du darfst mich von allen am wenigsten enttäuschen, Law. Das verstehst du doch, oder?« In Law zog sich alles zusammen und er hatte ehrlich Mühe, dieser Musterung standzuhalten, während er sein eigenes, eisenhartes Gesicht in den Brillengläsern betrachtete. Wo ihn der Größenunterschied bei Marco nicht störte, war es kaum zu ertragen, dass Joker ihn so überragte. Der scharfe, unangenehme Geruch von Doflamingos Aftershave kroch Law in die Nase, trotzdem entgegnete er beeindruckend ruhig: »Natürlich... Joker.« Doflamingo ließ ihn wieder los, offenbar zufrieden über das, was er in Laws Augen gesehen hatte. »Ich möchte dich heute Abend an meiner Seite haben, wenn ich ein sehr entscheidendes Geschäft für unsere Zukunft abschließe.« Er trat an Law vorbei und machte sich auf, das Zimmer zu verlassen, wobei er ihm arglos den Rücken zudrehte. »Sei in einer Stunde unten im Foyer... und lass' dir von Jola einen Anzug geben.« Law sah ihm nach, starrte auf den breiten Rücken und den ungeschützten Nacken des Blonden. Es wäre so einfach, so verlockend, ihn hier und jetzt zu töten, in dem Moment, wo er es am wenigsten erwartete, aber das wäre nicht angemessen und viel zu gnädig für diesen Verbrecher. Nein, Doflamingo sollte sehen, wie sein Imperium unter seinen Händen zerbrach... er sollte Law in die Augen blicken müssen, wenn er am Boden war. Er sollte wissen, wer ihn für Corazon verraten hatte. Law folgte nicht sofort Doflamingos Befehl, sondern nutzte seinen Besuch im Anwesen für einen kurzen Abstecher in die Sicherheitszentrale, von wo aus Gladius als Sicherheitschef auf die Einrichtungen der Donquixote-Familie ein wachsames Auge warf... und natürlich auch das Wachpersonal einteilte und koordinierte. Da Law inzwischen wusste, wonach er suchen musste, konnte er nun viel gezielter vorgehen. Er verstrickte Gladius in ein beiläufiges Gespräch und erspähte währenddessen von einem der Monitore am Arbeitsplatz des Sicherheitsmannes die Informationen, nach denen er suchte - Punk Hazard war technisch gut gesichert, doch Sicherheitsleute gab es in der abgelegenen, offiziell stillgelegten Forschungseinrichtung kaum. Da der Ort wohl Jokers bestgehütetes Geheimnis war, verzichtete der aus gutem Grund auf zu viel Personal, immerhin waren jedes zusätzliche paar Augen und Ohren auch ein zusätzliches Risiko, dass der Ort aufflog. Von den beiden Forschern wusste Law bereits, dass es eine junge Frau dort gab, welche die Sicherheit überwachte und Caesar beschützte. Durch Gladius Datei fand er nun noch heraus, dass es sich bei ihr vermutlich um einen MAG handelte. Das konnte eventuell zu einem Problem werden, aber eins nach dem anderen… Eine Stunde später begab sich Law wie gewünscht in einem schlichten schwarzen Anzug in die Empfangshalle des Anwesens. Die ganze Belegschaft stand auf der ausladenden, halbkreisförmigen Marmortreppe des Foyers aufgereiht, alle in schwarz, ebenso wie Doflamingos engste Offiziere und Vertraute am Fuße der Treppe, die nun auch Joker selbst mit Viola am Arm hoheitsvoll herab schritt. Die beiden sahen aus wie ein dekadentes Königspaar, das seinen Hofstaat empfing, herausgeputzt in weißen Stoff mit goldenen Verzierungen und Schmuck, der im warmen Licht des pompösen Kronleuchters wie flüssiges Sonnenlicht glänzte. Während Joker breit grinste, war Violas Gesicht so ausdruckslos wie das Antlitz einer Statue. Law hatte sie noch nie lächeln sehen. Eine gespannte Ungeduld lag über den Anwesenden, tuschelnd wurden hier und da Köpfe zusammengesteckt und alle blickten erwartungsvoll durch die weit geöffneten Flügel der Eingangstür auf den durch Fackeln beleuchteten Innenhof mit dem pompösen Springbrunnen und Jokers hauseigenem Fuhrpark. Law selbst beobachtete Doflamingo aus dem Augenwinkel - wer auch immer sich dort angekündigt hatte, es musste ein dicker Fisch der Unterwelt sein, sonst hätte der Kartellkönig niemals eine solche Parade veranstaltet. Wenn er von einem entscheidenden Geschäftsabschluss sprach, dann musste es wahrhaft wichtig für seine Organisation sein. Mit ungutem Gefühl starrte Law ebenso wie alle anderen zur Eingangstür und die lange Einfahrt hinauf. In der Ferne tauchten jetzt Scheinwerfer auf und kurz darauf rollte eine ganze Kolone von Autos in den Innenhof des Anwesens. Das auffälligste Gefährt zwischen ihnen war wohl ein weißer Rolls Royce Ghost mit goldenen Felgen und golden getönten Scheiben. Hinter und vor dem auserlesenen Wagen parkten schwer gepanzerte Militärtransporter ein. Dem teuren Rolls Royce entstieg niemand geringerer als… Gildo Tesoro, Entertainer, Hotelmagnat und selbsternannter König Midas der Neuzeit. Er war ein MAG und was er anfasste, wurde sprichwörtlich zu Gold. Sein Geschäft mit den Lastern der Menschen boomte, ihm gehörten zahlreiche luxuriöse und exklusive Casinos und Bordelle in Shanghai und Wuhan. Doch so glänzend seine Talent für Marketing war, so verwerflich war sein Charakter. Er war das Paradebeispiel eines Menschen, der in dem Glauben lebte, dass mit Geld alles auf der Welt zu bekommen und zu besitzen war. An Oberflächlichkeit war er wohl kaum zu überbieten, was sich schon darin zeigte, dass hinter ihm ein ganzer Schwarm an schönen Frauen und Männern folgte, die alle in sündhaft teure Kleidung gehüllt und bis an die Grenze des Skurrilen kosmetisch operiert waren. Plastische Schönheiten ohne jedweden Makel, aber auch ohne Persönlichkeit oder Charakter. Gildo Tesoro war ein unangenehmer Zeitgenosse und Law war nicht gerade erfreut über sein Auftauchen. Dieses ganze Theater hier, dieser riesige Aufwand für sein Erscheinen… das sah weniger nach dem kurzen Besuch eines Geschäftspartners aus, als vielmehr nach dem längeren Aufenthalt eines Freundes. Vor allem, da ein paar Männer aus Tesoros Gefolge jetzt auch noch jede Menge Gepäck in das Foyer rollten. Tesoro schlenderte mit seiner zahlreichen Begleitung durch die Eingangstür, mit einer bezeichnenden Gelassenheit und Eleganz, die nur Menschen zu eigen sein konnte, die alles besaßen und sich ihrer Macht bewusst waren. Er war groß und muskulös und sein Gesicht hätte durchaus attraktiv sein können, wenn seine Augen nicht diese eiskalte Berechnung versprüht hätten und wenn der überhebliche Zug um seinen Mund nicht gewesen wäre. Sein dunkelblondes, leicht grünliches Haar war streng nach hinten gekämmt, darin steckte eine goldene Sonnenbrille und an seinen Ohren glitzerten sternenförmige Ohrringe. Er trug einen maßgeschneiderten, dunkelpinken Anzug, wohl um Doflamingo zu ehren und zu schmeicheln. In der Vergangenheit hatte Joker schon ab und an mit Tesoro gearbeitet, denn dessen Etablissements waren am Ende Umschlagplätze für Einnahmen und der perfekte Deckmantel für Geldwäsche. Tesoro lebte und agierte normalerweise hauptsächlich von Shanghai aus, war aber der Kooperation mit Doflamingo immer aufgeschlossen gegenüber gewesen, da der japanische Markt natürlich auch neue Möglichkeiten für ihn bot. Gildo Tesoro blieb jetzt vor Joker stehen und hauchte Viola einen geziemten Kuss auf den Handrücken. Dann musterte er die aufgereihte Gefolgschaft interessiert und seine Augen blieben einen Moment zu lang an Laws Gestalt hängen, der seinen Blick unberührt standhielt, was dem Hotelmagnat ein träges Grinsen entlockte. Er verneigte sich in einer übertriebenen Geste vor Doflamingo. »Mein teurer Freund«, sagte er mit einer Stimme wie flüssigem Honig. »Ich danke für die Einladung und deine großzügige Gastfreundschaft.« »Und ich danke für dein Kommen und die Möglichkeit einer aussichtsreichen und gewinnbringenden Zusammenarbeit«, erwiderte der Kartellkönig ungewöhnlich respektvoll. »Lass' uns die Einzelheiten und Details in etwas passenderer Umgebung besprechen. Sicher seid ihr alle erschöpft von der Anreise.« Er wies den bereitstehenden Hausangestellten an, Tesoros Gepäck in die Besucherquartiere zu bringen, dann bot er seinen Gästen mit einer einladenden Geste des Weg hinab in die Räumlichkeiten des Untergeschosses, wo ein Empfang mit Speisen und Getränken bereits vorbereitet war. Wenn zwei solche Größen der Unterwelt zusammen trafen, wurde die Party natürlich schnell ausschweifend und mehr als feucht fröhlich. Der Schampus floss in Strömen, genauso ausgiebig, wie die verschiedensten Drogen konsumiert wurden. Tesoros weibliche Begleiterinnen widmeten sich mit besonderer Hingabe Doflamingos männlichen Offizieren und Untergebenen und gerade Lao G und Trebol waren mehr als erfreut über so viel Frischfleisch. Baby 5 und Jola hatten sich jeweils einen Adonis-Verschnitt aus Tesoros Gefolge geschnappt und machten die Tanzfläche unsicher. Bis auf Vergo waren alle Offiziere anwesend, doch Law war nicht traurig darüber, dass der fehlte. Er konzentrierte sich darauf, wie ein Geist durch die Menge zu gleiten, um Informationen und Neuigkeiten aufzuschnappen. Tesoro plante wohl die Hochzeit mit einer Tochter der Charlotte-Familie, den Inhabern des 'Big Mom' Imperiums, und die Verlobung sollte ein Riesenevent hier in Tokio werden, wenn seine zukünftige Braut eintraf. Doflamingo würde ihn bei den Vorbereitungen unterstützen, denn durch diese Verbindung würde Tesoro einen Fuß in die Tür des amerikanischen Marktes bekommen... und Joker gleich mit ihm. Tesoro wollte langfristig in Jokers Geschäfte einsteigen und investieren, um seine Gewinne zu steigern und natürlich wären die Beziehungen des Entertainers eine wahre Bereicherung für Doflamingos eigenes Unternehmen. Noch dazu würden sich die Waffenlieferungen für Kaido durch die Geschäftsbeziehung zu Tesoro über den Handelshafen in Shanghai wesentlich leichter für Joker gestalten. Eine Win-Win Situation für alle - und die Unterwelt Japans und Chinas würde in Zukunft unter der Herrschaft dieser beiden Giganten erzittern. Law wurde regelrecht schlecht bei dem Gedanken daran, welche Früchte diese Partnerschaft in Zukunft wohl tragen könnte… Er setzte sich unweit von Joker auf eines der weichen Polstermöbel und genehmigte sich zumindest einen Drink, um nicht unnötig in der Partygesellschaft aufzufallen. Als sich eine rothaarige Schönheit neben ihm niederlassen wollte, schüttelte er entschieden den Kopf. Er hatte keine Lust auf Gesellschaft. Beleidigt zog die Frau davon und an ihrer Stelle wollte sich schon ein junger Mann nun zu Law bewegen, den er jedoch allein mit einem scharfen Blick auf Abstand hielt. Dafür ließ sich nun Tesoro mit einem Glas in der Hand ungefragt neben Law auf die Couch fallen und schwang seinen Arm beiläufig über die Lehne. Grenzen hatte der Entertainer noch nie respektiert. Er saß noch weit genug entfernt, um nicht als aufdringlich zu gelten, doch für Laws Geschmack trotzdem viel zu nah. Der Mann müsste nur die Finger ausstrecken und könnte wohl sein Haar berühren, wodurch Law an sich halten musste, nicht reflexartig beiseite zu rutschen. »Wo ist denn deine hübsche Schwester heute, Law? Ich habe mich bereits den ganzen Flug über darauf gefreut, euch wiederzusehen. Ihr seid beide so... inspirierend für mich«, raunte er mit einem mehr als eindeutigen Unterton, bevor er einen Schluck von seinem seidig schimmernden Drink nahm. Dabei glitten Tesoros blaue Augen mit unverhohlenen Verlangen über Laws Körper, denn der Entertainer machte sich nicht einmal die Mühe, sein sexuelles Interesse zu verbergen. Es war eh ein offenes Geheimnis, dass Tesoro seit langem schon begierig auf die Trafalgar Geschwister war und schier besessen davon, sie beide in sein Bett zu bekommen… am Besten noch gleichzeitig. Während Lamy sich ständig einen Spaß daraus machte, mit ihm zu flirten und ihn am langen Arm verhungern zu lassen, zeigte Law ihm stets die kalte Schulter - leider schien das seinen Jagdtrieb aber eher zu steigern als zu mindern. »Lamy ist unterwegs«, antwortete Law kurz angebunden und griff nach dem Glas vor sich auf dem Tisch, um die Chance zu nutzen, ein wenig aus Tesoros Reichweite zu rücken. »Sie lässt dich nett grüßen.« Der Kerl roch zwar nicht unangenehm und war auch körperlich nicht wirklich abstoßend, doch für Law dafür auf vielen anderen Ebenen unattraktiv. Er war zwar niemand, der von vornherein gewisse Dinge ausschließen wollte, doch wenn er sich je mit einem Mann einlassen würde, dann aber gewiss nicht auf einen wie Gildo Tesoro, nach dessen Überzeugung jeder Mensch käuflich war, wenn man nur die richtige Summe bot. Er war ein Upper Class Kotzbrocken par excellence. Was bei Marco Phoenix tatsächlich ehrliche Freundlichkeit war... war bei Tesoro nur zweckmäßige Güte. Für ihn waren Menschen nur ein weiterer, materieller Besitz, den er jederzeit erwerben und wieder los werden konnte, wenn er gelangweilt war. Ihm war nur er selbst wirklich wichtig. »Schade«, meinte der Entertainer seufzend und ließ die Eiswürfel in seinem Glas kreisen. »Dabei ist sie immer so freundlich und charmant zu mir. Du siehst mich immer an, als hätte ich deinen Lieblingswelpen überfahren… dabei könnte ich dir die Welt zu Füßen legen. Was muss ich nur tun, damit du mir ein Lächeln schenkst, Law~?«, schnurrte er gedehnt, den Name wie eine Liebkosung in die Länge gezogen. Wie wäre es, wenn du an deiner Arroganz erstickst!? Das wäre zumindest ein Anfang... Law musste sich ernsthaft beherrschen, dem Kerl seinen Drink nicht ins Gesicht zu kippen oder ihm mit dem versteckten Messer in seiner Anzugjacke an die Kehle zu gehen. Normalerweise ließ ihn dieses schmierige Gehabe kalt, doch seine Nerven waren noch immer angespannt und strapaziert durch das Gespräch mit Joker. Er vertuschte das angewiderte Verziehen seiner Lippen durch einen weiteren Schluck von dem brennenden Alkohol und schlug die langen Beine übereinander, sich dabei mehr als unangenehm bewusst, dass Tesoro jede seiner Bewegungen mit hungrigen Augen verfolgte. »Ich werde nicht fürs Lächeln bezahlt«, erwiderte er ausdruckslos. »Nun, darüber sollte ich dann wohl mit Joker verhandeln, hm?«, lachte der Entertainer und prostete Doflamingo über die Menge hinweg zu, der die Geste mit einem wohlwollenden Grinsen erwiderte. Tesoro wirkte alles andere als beleidigt, eher so, als wäre Law eine Herausforderung, derer er sich mit aller Hingabe widmen wollte... Glücklicherweise hatte Doflamingo zumindest gewisse Grundsätze innerhalb seiner Familie und so konnte Law sich sicher sein, dass Joker ihn oder Lamy nie wie ein Stück Vieh an den Hotelmagnat verkaufen würde. Wenn sie mit einem Geschäftspartner schlafen wollten, dann durften sie das ohne Frage - doch gegen ihren Willen würde gar nichts geschehen, da war Doflamingo sehr strikt und deutlich. Er hatte einst einem betrunkenen Kunden mit seiner Kraft die Hand abgetrennt, weil der Baby 5 gegen ihren Willen betatscht und bedrängt hatte... ungeachtet des dadurch platzendes Deals. Am Eingang brach plötzlich Unruhe aus. Pika und Gladius erschien im Treppenaufgang nach oben, vor sich trieben sie zwei Personen her, die strauchelten und eher weniger freiwillig hier zu sein schienen. Die Menge teilte sich überrascht vor Jokers Offizieren und gab den Blick auf die dunkel gekleideten Neuankömmlinge frei, die sich mit nervösen Augen, aber verbissenen Gesichtern umsahen - ein Mädchen mit hellrosa Haaren und ein dunkelhaariger junger Mann... mit einer markanten Narbe im Gesicht. »Oh, die Partycrasher?!«, säuselte Tesoro neben Law interessiert. Er strich mit einem langen Finger über seinen Glasrand und fixierte die jungen Leute mit einem lauernden Blick wie die Spinne in ihrem Netz die hilflose Fliege. Law versteifte sich auf seinem Platz und ein eisiges Schaudern glitt über seinen Nacken, als er die Zwei erkannte. Riku Rebecca und Riku Shin. Er starrte fassungslos auf die zwei Erben der einst mächtigen Riku-Familie, während Pika die beiden abermals auffordernd anstieß, da sie sich nicht bewegen wollten. Du Idiot… du dummer, verbohrter Idiot! Warum bist du hierher gekommen? Warum bringst du deine Schwester in Gefahr?! Und er hatte noch gedacht, dass der junge Mann seine Lektion nach ihrem erst kürzlichen Aufeinandertreffen gelernt hätte... Viola wurde neben Doflamingo ganz still und starr. Die ganze Partygesellschaft verfiel in gespanntes Schweigen, als Pika die Zwei vor Joker zu Boden stieß, der breitbeinig und mit einem unbeweglichen Gesichtsausdruck auf die beiden herabstarrte wie der Scharfrichter auf seine Opfer. Es war so ruhig geworden, dass man das hektische Atmen des Mädchens hören konnte. Man hatte sie nicht einmal gefesselt, weil man sie offensichtlich für so unbedeutend hielt. »Junger Meister, diese Zwei und ein paar ihrer Männer fanden wir gerade im Kellergewölbe des Anwesens. Offenbar gibt es einen Geheimgang, von dem wir bisher nichts wussten… sie wollten uns wohl allesamt in die Luft jagen«, berichtete Pika mit seiner typisch piepsenden Stimme eines Jungen im Stimmenbruch. Doch heute wagte nicht einer in der Menge auch nur die Lippen amüsiert zu verziehen, nicht nachdem der muskulöse Offizier einen prall gefüllten Seesack auf den Boden geworfen hatte, aus dem ausreichend C4 vor Doflamingos Füße purzelte, um vermutlich das ganze Anwesen zu pulverisieren. Während Riku Shin Doflamingos Fokus beachtenswert unerschrocken hielt, kniete seine Schwester neben ihm, den Kopf gesenkt und die Schultern hochgezogen. Sie bot ein verschüchtertes Bild, doch Law erhaschte einen Blick durch die dicken Strähnen ihres Haares auf ihr Gesicht. Ihre Augen brannten förmlich vor Feuer - die junge Frau war nicht verängstigt, sie war zu allem entschlossen. Als sie sich bewegte, sah Law das Aufblitzen von Metall in ihrem dunklen Stiefel. Ein Selbstmordkommando. Das Ganze war nichts mehr als ein Selbstmordkommando, die verzweifelte Tat von dummen, idealistischen, jungen Menschen… sie mussten geahnt haben, dass sie hier nicht mehr lebend herauskommen würden. Vielleicht hatte ihre Tante ihnen sogar bei diesem unausgegorenen Plan geholfen, um endlich von Joker frei zu sein. Doflamingo stützte die Ellenbogen auf seine Knie und neigte sich mit der Anmut einer Schlange den beiden Riku-Erben entgegen. »War ich nicht barmherzig zu euch, als ich euch das Leben schenkte? War das Opfer eurer Tante nicht groß genug, als sie ihren Stolz für euch ablegte? Was seid ihr doch für undankbare Plagen«, urteilte der Kartellkönig mit gefährlicher Ruhe. Viola neben ihm war noch immer so stocksteif wie eine Statue, allein ihre geblähten Nasenflügel verrieten ihre Emotionen und die rot lackierten Nägel, die sie in den zarten Stoff ihres weißen Kleides krallte. »Ich werde erst ruhen, wenn du mit all deinen Helfern und Unterstützern unter der Erde weilst und der Gerechtigkeit genüge getan wurde!«, schwor Riku Shin mit unerschütterlicher Entschlossenheit. Die wulstige Narbe hob sich deutlich von seiner Haut ab und zerrte an seinem Mundwinkel, als er wütend die Zähne bleckte. »Dir scheint offenbar nicht viel an deinem Leben zu liegen...«, urteilte der Kartellkönig mit unbeweglicher Miene. »Ich lebe nur, um dich zu töten!« »Hm, wie traurig...« Dellinger löste sich aus der Menge und hüpfte wie ein übermotiviertes, grausames Rumpelstilzchen neben Pika auf und ab. In seinen Augen flackerte die wahnhafte Gier nach Blut und Gewalt, als er dem männlichen Riku Erben seine Schuhspitze zwischen die Rippen donnerte, sodass der junge Mann sich schmerzhaft krümmte. »Elendes Gesindel, habt ihr wirklich geglaubt, dass ihr uns gefährlich werden könntet?! Für diese Anmaßung werdet ihr sterben. Doflamingo wird euch in kleine, feine Häppchen schneiden, ihr Pisser!« Joker schmunzelte leicht, dann schnaufte er tief aus. »Ja, was soll ich jetzt nur mit euch...-« Rebecca sprang auf und das gezückte Messer blitzte im Licht der Kerzenleuchter an den Wänden. Sie war schnell, warf sich mit einem wütenden Schrei und einer verzweifelten Entschlossenheit auf den Kartellkönig, die bemerkenswert war... doch sie war nicht schnell genug. Noch in der Luft erstarrte sie, ihre Hand mit der so lächerlich klein erscheinenden Waffe zitterte in ihren Fingern, um Haaresbreite vor Doflamingos getönter Sonnenbrille, bevor der sich mit einem Zungeschnalzen gelassen auf der Couch zurücksinken ließ. »Oh, so stürmisch...« Das Mädchen hing wehrlos in Jokers Netz und zitterte vor unterdrückter Wut. Dicke Tränen der Frustration rannen ihr jetzt aus dem Augenwinkel, während sie in der Bewegung gefesselt durch Doflamingos Kraft ein Stück weit über dem Boden schwebte. »Du bist ein Monster!« Sie spuckte aus und traf den Kartellkönig an der Wange. Ein empörtes Raunen lief durch die zusehende Menge und Gladius zückte seine Waffe. »Du Schlampe!«, kreischte Dellinger und schlug dem wehrlosen Mädchen mit der flachen Hand ungebremst ins Gesicht, sodass ihr Kopf brutal herumgerissen wurde. Er wollte schon erneut ansetzen, doch Doflamingo hielt ihn mit einem Kopfschütteln auf, was den blonden Junge mit einem unzufriedenen Zähneknirschen zurücktreten ließ. Joker wischte sich den Speichel gleichmütig aus dem Gesicht. Dann krümmte er die Finger und das Mädchen sank vor ihm auf die Knie, den Kopf so tief nach unten gedrückt, dass ihre Stirn den Boden berührte. »Mal sehen, ob du noch immer so kämpferisch bist, wenn du deinem Bruder die Kehle aufgeschlitzt hast...«, raunte der Kartellkönig böse. Rebecca weitete die Augen entsetzt und versuchte nun regelrecht panisch gegen die Fäden von Jokers Magie anzukämpfen. Doch das war vergeblich. Mit einem sadistischen Grinsen bewegte Doflamingo die Finger und das Mädchen lief mit tränennassem Gesicht auf ihren Bruder zu, das Messer gezückt, das nun blank auf seine Kehle zeigte und das Licht reflektierte wie ein höhnisches Zwinkern. »Bitte... nicht...«, flehte Rebecca verzweifelt. Pika hielt den sich heftig wehrenden Riku Shin an Ort und Stelle, der seiner Schwester mühsam gefasst entgegen sah und beruhigende Worte für das nun heftig schluchzende Mädchen murmelte. Niemand umher half den beiden Geschwistern, alle sahen schweigend zu, gierten förmlich nach Blut und Leid. Allein Viola war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen und sie zitterte, im Widerstreit mit ihren Emotionen. Tesoro lehnte sich neben Law angetan nach vorn und leckte sich vorfreudig die Lippen. »Was für eine Show, hervorragend!« Für ihn war das nicht mehr als Unterhaltung, ein netter Zeitvertreib, während die beiden jungen Menschen dort drüben gerade dem Tod ins Auge blicken mussten - als Belustigung für die Menge, nichts weiter als Schafe, die man zur Schlachtbank führte. »Warte«, entfuhr es Law aus einem Reflex heraus. Er hatte die Stimme nicht einmal wirklich gehoben, doch der dunkle, feste Klang hallte weithin hörbar durch den Raum. Doflamingo hielt inne. Alle starrten ihn jetzt an, die anwesenden Gäste und Offiziere, selbst Viola und Tesoro. Während Dellinger ihn offenbar mit Blicken erdolchen wollte, hatte Rebecca ihm das tränennasse Gesicht hoffnungsvoll zugewandt. Sie erkannte ihn wohl nicht sofort, da sie vor zehn Jahren vermutlich noch viel zu klein gewesen war, um sich an jedes Detail der schrecklichen Machtübernahme Doflamingos zu erinnern. Sie war kurz vor ihrem Bruder stehen geblieben, das Messer noch immer gefährlich nah an der Kehle des jungen Riku Erben. Ihre Unterlippe zitterte und war durch Dellingers Ohrfeige aufgeplatzt, doch sie hielt sich ausgesprochen wacker und den Kopf trotz allem aufrecht. Joker neigte den Kopf ein wenig, sichtlich irritiert über die Unterbrechung. Doch er respektierte Law und sein Urteil, weswegen er ihn jetzt abwartend anblickte und ihn sprechen ließ. Law mahnte sich zur Ruhe, stand auf und zog seine Anzugjacke zurecht. Schadensbegrenzung. Er musste zumindest versuchen, Schadensbegrenzung zu betreiben. Er schob eine Hand teilnahmslos in seine Hosentasche, in der anderen hielt er noch immer sein Glas. Als hätte er alle Zeit der Welt, schlenderte er auf Joker zu und beachtete die beiden Riku Erben nicht, obwohl ihm Riku Shins hasserfüllter Blick wie eine brennende Berührung im Nacken folgte. »Mach' sie nicht zu Märtyrern. Wenn du sie jetzt tötest, wäre das zwar unterhaltsam und ihre Leute ohne Anführer, aber die werden garantiert Rache fordern. Du kennst ihre strengen Traditionen und den unauslöschlichen Willen nach Vergeltung. Das wird nur unnötig lästig und wir müssen uns ständig mit irgendwelchen Attentaten herumschlagen...« Dellinger zischte spöttisch: »Na und wenn schon... hast du etwa Schiss vor denen, Law?! Ich würde die allesamt blind und mit nur einem Arm fertig machen!« »Dellinger, halt den Mund«, forderte Doflamingo ruhig. Der junge Attentäter verstummte sofort, zeigte Law aber seine unangenehm scharfen Zähne. Nachdenklich legte Joker den Kopf schief und strich mit einer Hand durch die pinken Federn seines Mantels, dann fragte er Law: »Was schlägst du stattdessen vor?« Law musterte die beiden Riku Erben jetzt kalkulierend mit leblosen Augen. Gelangweilt nippte er an dem Glas in seiner Hand, bevor er Joker riet: »Sie sind idealistische Kinder, verbissen, aber ehrenhaft und tödlich loyal. Mach' ihnen deutlich klar, dass für jede ihrer Verfehlungen jemand aus ihrem Gefolge stirbt. Sie werden leben, aber für jeden Fehltritt, für jeden dummen Versuch, dir zu schaden, werden Menschen leiden und sterben, die sie lieben. Sie werden wohl kaum die Last so vieler Tode schultern wollen...« Bei seinen letzten Worten drehte sich Law den beiden Gefangenen zu, er sah sie eindringlich an und appellierte stumm an die Vernunft und den hoffentlich vorhandenen Verstand in ihnen. Sie würden die Chance bekommen, zu verschwinden und diese Sache ruhen zu lassen, vielleicht unbefriedigt und hasserfüllt, aber... zumindest würden sie leben. Rebecca war merklich erschüttert, doch sie schien zumindest ihre begrenzten Möglichkeiten zu überdenken und warf ihrem Bruder einen flackernden, unsicheren Blick zu. Riku Shin war bleich vor Zorn und starrte Law an wie den leibhaftigen Teufel persönlich. »Oni«, zischte er abfällig und warf ihm eine düstere Prophezeiung entgegen: »Deine Seele ist verdammt.« Das ist sie schon lange... Er begriff nicht, welche Chance Law ihnen bot - und das schon wieder. Er hätte diesen verbohrten Idioten vielleicht wirklich schon in der Ramenküche töten sollen, dann hätte er zumindest nicht die Gelegenheit erhalten, seine Schwester auch noch in diesen aussichtslosen Rachefeldzug hineinzuziehen... »Das klingt ganz wunderbar!« Law wäre fast zusammengezuckt, als Tesoro knapp hinter ihm erschien und freudig in die Hände klatschte. »Lasst uns sofort damit anfangen. Ihr sagtet, sie hätten noch Männer bei sich gehabt?«, fragte er eifrig an Pika und Gladius gewandt, die das bestätigten. »Holt sie her.« Nach der stillen Erlaubnis durch Jokers Nicken machten die beiden Offiziere sich davon und führten die restlichen, gefesselten fünf Männer des Infiltrationsteams herein. Währenddessen wurden Rebecca und Riku Shin wie lästige Möbelstücke beiseite geschoben. Obwohl sich die beiden mit dem beeindruckenden Mut der Verzweiflung wehrten, hatten sie gegen Diamante und Dellinger nicht den Hauch einer Chance. Während Diamante den widerspenstigen Shin auf die Knie nieder zwang, stieß Dellinger Rebecca zu Boden und zerrte an ihrem dicken Zopf, sodass sie den Blick heben und dem folgenden Geschehen unweigerlich zusehen musste. Law erlag der bösen Vorahnung, dass ihm die Sache aus den Händen entglitt, als Pika die fünf Männer nun vor Joker aufreihte, die sich allesamt mit gehetzten Augen umsahen. Regungslos musste er dabei zusehen, wie Gladius seinem Herrn eine längliche Schatulle aus edlem Kirschholz brachte und diese öffnete. Darin lag ein antiker und länglicher Revolver mit Holzgriff und goldenen Metallelementen - Jokers persönliches Erbstück... und die Waffe, mit der Corazon erschossen wurde. Laws Herzschlag holperte erschrocken. Nein. Nein nein nein nein... Das Wort rotierte wie ein Mantra in seinem Kopf, während das Eis seiner mentalen Barrieren für einen Augenblick bröckelte. Glücklicherweise waren alle viel zu fixiert auf das nahende Spektakel, um zu bemerken, dass er das Glas in seiner Hand mit spitz hervorstechenden Knöcheln umklammerte. Doflamingo nahm den Revolver behutsam aus der Schatulle und wog ihn nachdenklich in den Fingern. Viola neben ihm beäugte das Ding mit geweiteten Augen wie eine giftige Spinne. »Zur Feier des Tages... möchtest du die Ehre wahrnehmen?«, bot Joker dann Tesoro großmütig an, indem er seinem Gast die Waffe auf dem Handteller präsentierte... als würde es hier nur darum gehen, die Festtagstorte anzuschneiden. Tesoros Hand schwebte fast ehrfürchtig über der Schusswaffe, seine Miene spiegelte gespannte Erwartung. Doch er schloss die Finger über dem Revolver, ohne ihn zu berühren und blickte dann über die Schulter zu Law, der sich plötzlich wie ein Reh im Scheinwerferlicht fühlte. »Hm, ich danke für dein Angebot, Joker, aber... ich würde viel lieber eine Vorführung von Trafalgar Laws Talenten sehen...«, schlug der Hotelmagnat stattdessen vor und Law hatte augenblicklich Mühe, seine Gesichtszüge am entgleisen zu hindern. »Aber natürlich, gern«, gewährte Joker mit einem würdevollen Nicken und wies mit einer einladenden Geste auf die fünf aufgereihten Männer, die Law jetzt mit vor Angst dunklen Augen anstarrten. »Law ist ein wahrer Künstler. Ein Chirurg des Todes. Es wird dir gefallen.« Während Dellinger im Hintergrund ein kaum hörbares, geringschätziges Schnauben ausstieß, gab einer der fünf Männer - ein jüngerer Kerl - ein leises Wimmern von sich und verlor die Kontrolle über seine Blase. Die umstehenden Partygäste kicherten gehässig. Tesoro kam nun geschmeidig zu Law herüber wie ein Raubtier auf der Pirsch, nahm ihm das Glas entgegenkommend aus der Hand und strich dabei wie beiläufig über seine Finger, dann ließ er sich neben Joker auf die Couch fallen. »Bitte, fang an, Law«, befahl Doflamingo. Law wurde eiskalt. Sein Herz wummerte unangenehm heftig in seiner Brust und er fühlte sich wie eine Maus in der Falle, hilflos, aussichtslos. Er musste seine Rolle weiter spielen. Er konnte nicht entkommen... und wandte sich den fünf verdammten Männern des Riku-Gefolges widerwillig zu. Er zog sich tief in sich selbst zurück, schloss seine Emotionen und Gedanken so fest in sich ein, dass er sich mental davon trennen und von sich selbst abgrenzen konnte, um wieder zu dem Dämon zu werden, den alle hier erwarten würden. Der er einst gewesen war... und immer noch sein musste. Nur noch ein bisschen... Rebecca keuchte erstickt auf, als Law eine Hand ausstreckte und der Älteste ihrer Untergebenen in die Höhe gerissen wurde. Es wurde totenstill im Raum... bis der Mann anfing zu schreien, als Laws Augen in goldenem Licht brannten, weil dessen Kraft wie eine Chirurgenklinge durch seinen Körper fuhr und ihn Stück für Stück in seine Einzelteile zerlegte. Blut regnete in dicken Tropfen herab auf den blankpolierten Boden, in dem sich Riku Shins jetzt totenbleiches Gesicht spiegelte, während er das Geschehen fassungslos verfolgen musste. Der junge Mann aus dem Riku-Gefolge, der sich vorhin schon in die Hose gemacht hatte, erbrach sich vor seine eigenen Füße. Ein anderer verlor das Bewusstsein. Rebecca weinte vor Entsetzen und stillem Grauen, während Dellinger ihren Kopf weiter mit einem manischen Grinsen gepackt hielt und sie zwang, alles mit anzusehen. Joker zog Viola in seinen Arm, die wie eine leblose Puppe gegen seine Schulter kippte, die blutleeren Lippen fest aufeinander gepresst. Er neigte sich leicht zu Gildo Tesoro hinüber, dessen blaue Augen gebannt und mit pervertierter Erregung an Laws Gestalt hingen. »Und... ich habe doch nicht zu viel versprochen, oder?«, fragte der Kartellkönig seinen Gast mit einem breiten Grinsen. »Oh... in der Tat nicht... das ist unglaublich«, wisperte Tesoro angetan und wischte sich beiläufig einen Blutspritzer aus dem Gesicht, der auf seiner Wange gelandet war. Die Stimme des gefolterten Mannes schraubte sich jetzt in eine beinahe unmenschliche Höhe, bevor sie in einem blutigen Gurgeln erstarb. »That's Entertainment!« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)