Beautiful Behavior von Varlet ================================================================================ Kapitel 27: Fingerabdrücke -------------------------- Nachdem er Jodie in sein Büro gebracht und ihr ein Lehrbuch zum Lesen hingestellt hatte, begab sich James auf den Weg in das Büro von Agent Decker. Er klopfte an die Tür und trat ein. „Du wolltest mich sprechen“, wandte er sich an seinen Kollegen und war gleichzeitig überrascht, Akai im Raum zu sehen. Decker nickte. „Entschuldige, dass ich dich aus eurem Treffen holen ließ. Setz dich doch und erzähl uns, wie das Gespräch bisher lief.“ James schloss die Tür und ging zum zweiten freien Platz vor dem Schreibtisch. Er setzte sich. „Naja…eigentlich lief es so, wie ich es erwartet hatte. Die Beweise sprechen gegen Jodie, auch wenn es Widersprüche gibt. Und Jodies Optionen sind…ziemlich ernüchternd. Wenn der Fall vor Gericht verhandelt wird, muss sie auf die Gunst des Richters hoffen. Als Tochter eines FBI Agenten – auch wenn dieser bereits seit Jahren tot ist – könnte es passieren, dass man an ihr ein Exempel statuieren möchte. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung, allerdings ist Jodie die einzige Zeugin und der Großteil der Beweise spricht gegen sie. Sie könnte…sich schuldig bekennen“, murmelte James. „Aber?“ Der Agent blickte runter zu seinen Händen. „Ihr würde eine Haftstrafe von mindestens zwei Jahren drohen. Vielleicht wird sie auf Bewährung ausgesetzt, aber…die Chance ist gering. Sie könnte auch früher entlassen werden, aber vielleicht auch nicht. Und…wir kennen die anderen Insassen nicht. Vielleicht…tun sie ihr irgendwas an. Das alles möchte ich mir nicht ausmalen. Nicht zu vergessen, dass sie nach dieser Erfahrung wohl nicht mehr in ihr Leben zurückfinden würde. Sie hätte ihre…Berufschancen verspielt und…vielleicht rutscht sie dann ab und…“ Er brach ab. „Ganz ruhig, James“, begann Agent Decker. „Noch ist es nicht dazu gekommen. Wir tun alles, um sie vor dem Gefängnis zu bewahren. Sich schuldig zu bekennen, wird doch nicht ihre einzige Möglichkeit sein, nicht wahr?“ „Nein. Es wäre auch ein Deal mit der Staatsanwaltschaft möglich. Allerdings hat Jodie nichts, was sie ihnen anbieten könnte. Es bestünde allerdings die Chance, dass wir als FBI den Deal mitaushandeln. Vielleicht spielen die Kollegen mit. Und…ihre letzte Option wäre, wenn jemand anderes die Tat auf sich nimmt.“ Akai verengte die Augen. „Der Anwalt geht nicht davon aus, dass sich alles aufklären wird?“ „Nein, wie auch. Die Beweislast spricht eine andere Sprache. Wie sollte man dann noch die Wahrheit belegen können.“ „Und wenn wir davon sprechen, dass sich jemand anderes zu der Tat bekennt, ist Agent Tripton damit gemeint?“, wollte Decker wissen. „Ja“, murmelte James. „Er wird von Hendriks betreut und…wie es scheint, haben sie schon darüber gesprochen, dass er sich zu der Tat bekennt. Er hat allerdings die Bedingung gestellt, dass Jodie dem zustimmen soll.“ „Lass mich raten, sie stimmt dem nicht zu?“, kam es von Decker. „Agent Tripton hat uns eine Liste erstellt mit allen Vergehen die er, durch die Erpressung, begangen hat. Er wird nie wieder als FBI Agent arbeiten. Solange ihn das FBI nicht anklagt, kommt er um eine Haftstrafe herum. Wenn es sein Wunsch ist, sich der Tat zu bekennen, sollten wir das respektieren. Es wird allerdings sein Leben zerstören.“ Black nickte. „Aber wir können Jodie nicht einfach so übergehen. Wenn sie es nicht will…“ „Was hast du jetzt vor?“ „Wir werden darüber reden müssen. Ich halte es auch für unsere beste Option. Seine Fingerabdrücke sind auch auf der Tatwaffe. Allerdings war er zum Zeitpunkt als alles passiert ist, bei mir. Das heißt zeitlich gesehen, kann er es nicht gewesen sein.“ Decker überlegte. „Das könne zu einem Problem werden. Wenn er – als Agent – zum Schluss kommt, zu lügen, ist das seine Entscheidung. Wenn wir uns dafür entscheiden, die Wahrheit zu verschleiern, sind wir nicht besser als die, die wir jagen. Und ich bin nicht bereit, dass wir diesen Weg gehen.“ Akai war erleichtert, dass sein Vorgesetzter diese Ansicht vertrat. Er selbst wusste nicht, was er getan hätte, wenn das FBI von ihm verlangt hätte, Beweise zu unterschlagen oder zu lügen. „Wie geht es jetzt weiter?“, fragte Agent Decker, um die Stille zu unterbrechen. „Jodie soll noch einmal über alles nachdenken. Wir können auch ein Treffen mit Tripton und seinem Anwalt vereinbaren und über alles sprechen. Das hilft ihr bestimmt weiter.“ „Wo ist sie jetzt?“, fragte Akai. „Sie wartet in meinem Büro. Ich möchte sie nachher zurück ins Krankenhaus bringen.“ „Sie lassen sie alleine in Ihrem Büro?“ Im Vergleich zu den jüngeren Agenten hatte James das Glück, ein Einzelbüro zu haben. „Machen Sie sich darum keine Sorgen. Sie wird nicht schnüffeln und wenn…sie würde nichts finden. Außerdem kennt sie die Rechtslage durch ihre Arbeit bei Sherman. Wenn sie beim Durchsuchen des Büros erwischt wird, hat sie ein Problem. Außerdem habe ich ihr ein Lehrbuch dagelassen.“ „Gut“, entgegnete Decker. James räusperte sich. „Du hast mich aber sicherlich nicht deswegen aus dem Treffen herausgeholt.“ Er sah zu Akai. Seine Anwesenheit musste etwas zu bedeuten haben. „Was ist passiert?“ Decker blickte zu Shuichi. „Agent Akai? Würden Sie Agent Black das erzählen, was Sie mir vorhin erzählt haben?“ „Natürlich“, sagte Shuichi ruhig. Mit einem Mal war sich James nicht mehr so sicher, ob er die Informationen tatsächlich erhalten wollte. „Mir kam das Verhalten von Chris Vineyard bei der Befragung sehr seltsam vor. Sie wollte nicht zu uns ins Büro kommen“, begann Akai. „Weil sie nicht wollte, dass der Tod ihrer Mutter mit einem Verbrechen in Zusammenhang gebracht wird“, entgegnete James. „Was bei ihr vermutlich heißt, dass sie keine negative Presse möchte.“ „Außer es war nur eine Ausrede. Wir haben ihre Schauspielkunst selbst gesehen. Sie hat kaum getrauert und nachdem, was ich über sie gelesen habe, hat sie das Talent ihrer Mutter geerbt. Sie soll sogar noch besser sein als sie. Daher habe ich mir die Frage gestellt, ob sie nicht schon viel eher nach New York kam. Für sie müsste es ein leichtes sein, eine andere Identität anzunehmen.“ James verschränkte die Arme vor der Brust. „Mhm…der Gedanke ist mir bisher noch nicht gekommen. Sie müsste dafür Dokumente gefälscht haben oder sie anderweitig besorgt haben.“ Er stockte. „Sie hätte die Möglichkeiten, wenn sie auch für die Organisation arbeitet…sie könnte auch ein Mitglied sein…“ „Das wäre möglich. Der erste Abgleich aller Passagierlisten hat keine Informationen gebracht. Wir werden den Abgleich wiederholen und dafür auch Namen prüfen, die mit Chris und ihren Rollen in Zusammenhang stehen“, gab Decker von sich. „Sie könnte alles mit ihrer Mutter geplant haben. Wir hatten doch sowieso angenommen, dass sie das alles nicht alleine gemacht hat.“ „Wir sollten überlegen, ob wir Jodie nicht noch einmal befragen. Der Schuss traf sie in den Rücken. Ich bin zwar davon ausgegangen, dass sich der Schütze außerhalb, auf dem gegenüberliegenden Gebäude, befindet, aber vielleicht war er auch in der Wohnung“, entgegnete Shuichi. „Sie glauben, dass Chris Vineyard der Schütze war und…sich in Jodies Wohnung…“ James schluckte. „Ja“, stimmte Shuichi zu. „Es gebe zahlreiche Möglichkeit, wie sie in die Wohnung gekommen ist. Vielleicht hat sie sich auf dem Balkon versteckt, vielleicht kam sie rein, nachdem die falsche Milena und Jodie in der Wohnung waren. Vielleicht hat Sharon den Schlüssel nachmachen lassen, vielleicht, vielleicht, vielleicht. Alles nur Vermutungen. Agent Black, ich möchte Ihnen nicht zu Nahe treten, aber möglicherweise erinnert sich Jodie nicht so genau an jenen Abend.“ James sah ihn an. „Schon gut. Ich weiß, was Sie meinen. Jodie stand vor über 20 Jahren unter Schock und hat sich nicht mehr daran erinnert, dass sie ihren Vater… In ihrem Kopf hat sich die Situation daraufhin ganz anders abgespielt. Es könnte jetzt auch so gewesen sein.“ Decker nickte. „Deswegen müssen wir sehr behutsam mit ihr sein. Wenn es tatsächlich Erinnerungen gibt, die sie verdrängt, müssen wir diese hervorholen.“ „Therapie wäre eine Möglichkeit, allerdings dauert es, bis dadurch die Wahrheit an die Oberfläche kommt“, sprach James. „Hypnose wäre eine Alternative, aber ich kenne niemanden, dem ich was das angeht, vertrauen würde.“ „Mhm…“, murmelte Decker. „Ich auch nicht. Wir könnten die Kollegen fragen.“ „Das sollten wir schleunigst machen. Es gibt zahlreiche Methoden, was passiert sein könnte. Und wir müssen sie alle untersuchen“, sprach Shuichi. „Im ersten Schritt werden wir noch einmal alle Nachbarn befragen. Ich setzte Camel darauf an. Parallel lasse ich von Montgomery alle Passagierlisten überprüfen. Wir brauchen den Abgleich mit allen Rollen, die Chris Vineyard je gespielt hat.“ „Trotzdem haben wir nichts gegen sie in der Hand“, warf James ein. „Das stimmt so nicht ganz. Wir haben Beweise gegen Chris Vineyard“, gestand Shuichi. „Was? Und das sagen Sie mir erst jetzt?“ „James, beruhige dich. Wir haben dich hergerufen, um dir das alles zu erzählen. Agent Akai, erzählen Sie weiter.“ Der Agent nickte. „Wie ich bereits sagte, kam mir das Verhalten von Chris bei der Befragung komisch vor. Ich habe ihr Glas mitgenommen und einen Abgleich ihrer Fingerabdrücke initiiert. Es gibt einen Treffer. Ihre Fingerabdrücke sind auf der Tatwaffe. Sie gehören nicht zu der Leiche von Sharon Vineyard.“ „Was?“, fragte James schockiert. „Aber das…“ „Das ist noch kein endgültiger Beweis. Chris könnte aus anderen Gründen die Waffe in der Hand gehabt haben. Es ist nur ein erstes Indiz“, sagte Decker. „Und…was wollen wir jetzt machen?“, fragte Black. „Wenn wir sie hierher einladen, wird sie sicherlich Ausflüchte finden“, entgegnete Akai. „Und wir machen sie darauf aufmerksam, dass wir gegen sie agieren.“ „Was dazu führt, dass sie sich vorbereitet, wenn sie es nicht eh schon tut. Wenn sie zur Organisation gehört, wird sie sowieso darauf warten, dass wir kommen. Allerdings können wir noch versuchen das Überraschungsmoment auszunutzen“, fing Agent Decker an. „Außer sie hat auch hier Wanzen versteckt.“ „Hat sie nicht“, gab Akai von sich. „Ich habe mein Büro und den Konferenzraum überprüft. Außerdem trage ich ein kleines Störgerät bei mir. Selbst wenn sie hier Wanzen versteckt hätte, sie könnte uns nicht abhören.“ „Sehr gut. Danke, Agent Akai“, lächelte Decker. „Kommen wir wieder zu den Fingerabdrücken. Da wir sie unautorisiert genommen haben, können wir Sie vor Gericht nicht nutzen. Wir müssen sie also offiziell nehmen. Und erst dann können wir die Ergebnisse nutzen. Haben Sie die Ergebnisse gespeichert?“ „Natürlich und ausgedruckt“, antwortete Shuichi. „Sollte das zweite vom ersten Ergebnis abweichen, werden wir weitere Maßnahmen einleiten.“ „Gut.“ „Das Einzige, was wir jetzt tun können, ist es, sie mit den Beweisen zu konfrontieren“, sagte Akai. „Und dann? Bieten wir ihr einen Deal an?“ „Nur wenn sie uns Informationen gegen die Organisation liefern kann“, gab Decker von sich. „Wir spielen allerdings nach den Regeln und schauen, wie sie darauf reagiert. Ein weiteres Team wird sich draußen bereithalten und ihre Bewegungen beobachten. Vielleicht führt sie uns irgendwo hin.“ James nickte verstehend. Es würde hart für ihn werden, wenn sie tatsächlich einen Deal mit ihr aushandeln würden, aber das große Ganze hatte oberste Priorität. „Mir gefällt das nicht“, gestand er. „Aber ich werde mich der Entscheidung beugen. Ich möchte trotzdem dabei sein, wenn wir mit ihr reden. Ich weiß, ich bin vom Fall abgezogen, aber…“ „Nein“, antwortete Decker bestimmend. „Du hast es bereits gesagt. Du ermittelst nicht mehr in diesem Fall. Wir geben dir diese Informationen aufgrund unserer jahrelanger Freundschaft. Bitte missbrauche mein Vertrauen nicht. Du wirst nicht bei dem Gespräch mit Chris Vineyard dabei sein. Wir lassen dich maximal in der Nähe ihres Hotel warten, aber ansonsten hältst du dich raus. Wenn sie uns noch mehr Befangenheit andichten, war es das. Dann können wir auch für Jodie nichts mehr tun. Und das willst du doch nicht.“ „Nein, das will ich nicht“, murmelte James. „Hat dieser Albtraum nie ein Ende…“ „Wir sind so weit gekommen“, fing Agent Decker an. „Durch die Suche nach Jodie sind wir der Organisation wieder einen Schritt nähergekommen. Das dürfen wir nicht vergessen. Hast du schon mit dem Privatermittler gesprochen und in Erfahrung gebracht, ob er in Jodies Fall weiter ermitteln wird?“ „Er würde gerne“, erwiderte James. „Aber ich habe ihm klar gemacht, dass das FBI diesen Fall übernimmt und es nichts gibt, was er jetzt tun kann. Er war nicht begeistert, denn er hatte Jodie versprochen ihr zu helfen. Kein Wunder, dass er die Sache jetzt auch aufklären will. Aber er wird die Füße stillhalten und ich hoffe, dass er sich an das Versprechen hält. Allerdings steht er bereit, wenn wir seine Hilfe brauchen.“ „Gut“, lächelte Decker. James stand auf. „Dann bringe ich Jodie zurück ins Krankenhaus. Agent Akai, würden Sie mir dabei helfen?“ „Natürlich“, nickte der Agent. „James?“ Agent Decker blickte ihn an. „Ich weiß, ich muss es dir nicht extra sagen. Aber ich tue es trotzdem: Kein Wort zu Jodie über das, was wir besprochen haben.“ „Du kannst dich auf mich verlassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)